BGB §§ 168, 1820
Fortbestand der Vorsorgevollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus
I. Sachverhalt
Bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages wurde die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin aufgrund notarieller Vollmacht vertreten. Tatsächlich war sie bei Abschluss des Kaufvertrages allerdings bereits verstorben. Die umfassende Generalvollmacht enthält auf Seite 1 folgende Bestimmung:
„[…] die Vollmacht soll insbesondere als Betreuungsvollmacht zur Vermeidung der Anordnung einer Betreuung dienen und soll daher bei Eintritt einer Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers ausdrücklich nicht erlöschen.“
Auf Seite 5 der Vollmacht ist bestimmt:
„Die Vollmacht soll über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten. Sie ist jederzeit frei widerruflich.“
Mit einer Zwischenverfügung fordert das Grundbuchamt die Genehmigung des Vertrages durch den Erben der verstorbenen Vollmachtgeberin. Begründet wird dies mit dem Wegfall der Vertretungsmacht aufgrund des Todes der Vollmachtgeberin, da der Zweck der Vollmacht die Vermeidung einer Betreuung sei und dieser Zweck mit dem Tod der Vollmachtgeberin ende.
II. Frage
Erlischt eine transmortale Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers ohne deren Widerruf durch die Erben allein dadurch, dass in der Vollmacht bestimmt wird, dass „die Vollmacht […] insbesondere als Betreuungsvollmacht zur Vermeidung der Anordnung einer Betreuung dienen“ soll?
III. Zur Rechtslage
1. Gesetzliche Regelung – Rspr. zur Auslegungsproblematik
Das Erlöschen der Vorsorgevollmacht bestimmt sich wie bei jeder anderen Vollmacht gem. § 168 S. 1 BGB nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Da der Vorsorgevollmacht regelmäßig ein Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis zugrunde liegt, gilt insoweit § 672 S. 1 BGB, wonach der Auftrag im Zweifel nicht durch den Tod oder den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers erlischt. Daraus folgt, dass auch die Vorsorgevollmacht im Zweifel nicht durch den Tod des Vollmachtgebers erlischt.
Allerdings handelt es sich bei § 672 S. 1 BGB um eine Auslegungsregel, sodass ein abweichender Wille des Vollmachtgebers Vorrang hat.
Aus dem speziellen Zweck der Vorsorgevollmacht, dem Bevollmächtigten für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht einzuräumen, die der uneingeschränkten gesetzlichen Vertretungsmacht eines für alle Angelegenheiten des Betreuten bestellten Betreuers entspricht, hat das OLG Hamm (NJW-RR 2003, 800) abgeleitet, dass die Vorsorgevollmacht im Zweifel bei Tod des Vollmachtgebers erlischt. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass die Vorsorgevollmacht sowohl hinsichtlich ihres Umfangs als auch in Bezug auf das Innenverhältnis speziell auf die Bedürfnisse des Vollmachtgebers für den Fall seiner Betreuungsbedürftigkeit zugeschnitten gewesen sei, was maßgeblich dafür spreche, dass die Vollmacht – wie die gesetzliche Vertretungsmacht eines Betreuers – auf die Dauer der Betreuungsbedürftigkeit beschränkt werden sollte. Der vorstehenden Rechtsansicht des OLG Hamm hat sich später auch das OLG München in seinem Beschl. v. 7.7.2014 (NJW 2014, 3166) angeschlossen. Die beiden Gerichte gingen bei ihren Entscheidungen davon aus, dass je mehr der Auftragsgegenstand auf die Person und die persönlichen Verhältnisse und nicht nur auf das Vermögen des Auftraggebers ausgerichtet sei, desto eher das Erlöschen des Auftrags mit dem Tode des Auftraggebers anzunehmen sei (im Ausgangspunkt ebenso OLG Karlsruhe FGPrax 2023, 254, 255 m. w. N.).
Die vorstehende Rechtsprechung ist in der Literatur zu Recht zum Teil auf Kritik gestoßen (vgl. nur Litzenburger, FD-ErbR 2014, 362728; Müller-Engels, in: Würzburger Notarhandbuch, 6. Aufl. 2022, Teil 3 Kap. 3 Rn. 34 f.), zumal die fehlende Transmortalität den praktischen Gebrauch der Vollmacht stark einschränkt. Kritisch äußert sich auch Reetz (in: Beck‘sches Notar-Handbuch, 8. Aufl. 2024, § 27 Rn. 97), da der Tod des Vollmachtgebers lediglich personenspezifische Aufgaben wie Aufenthaltsbestimmung oder gesundheitliche Fürsorge entfallen lasse. Litzenburger (FD-ErbR 2014, 362728) empfiehlt daher, eine Vorsorgevollmacht in jedem Fall transmortal zu erteilen.
2. Regelung der transmortalen Geltung durch den Vollmachtgeber
Schließt man sich der vorstehenden Ansicht der Rechtsprechung an, erlischt eine Vorsorgevollmacht im Zweifel mit dem Tod des Vollmachtgebers.
Wurde die Vorsorgevollmacht dagegen transmortal erteilt, dann bleibt die Vorsorgevollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirksam. Die (gewünschte) transmortale Ausgestaltung der Vorsorgevollmacht geschieht in der notariellen Praxis regelmäßig dadurch, dass in die Vollmachtsurkunde die (ausdrückliche) Bestimmung aufgenommen wird, dass die erteilte Vollmacht „nicht mit dem Tod des Vollmachtgebers erlöschen soll“ bzw. die „erteilte Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten“ bzw. „über den Tod des Vollmachtgebers hinaus ihre Gültigkeit behalten“ soll (vgl. nur Müller-Engels, Teil 3 Kap. 3 Rn. 1). Eine Regelung im letzteren Sinn war im vorliegenden Fall gerade getroffen worden: In der Vollmachtsurkunde ist explizit bestimmt, dass die Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten soll. Damit liegt eindeutig eine transmortale Vollmacht vor, so dass für eine hiervon abweichende Auslegung der Vollmacht i. S. der o. a. Rechtsprechung kein Raum bleibt.
Die beiden o. g. Gerichtsentscheidungen des OLG Hamm (NJW-RR 2003, 800) und des OLG München (NJW 2014, 3166) können für eine abweichende Ansicht nicht herangezogen werden, da es dort an einer ausdrücklichen Regelung zur Frage, ob die erteilte Vollmacht auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus fortgelten sollte, gerade fehlte und damit eine Auslegungsproblematik gegeben war (vgl. dazu OLG München NJW 2014, 3166, 3167: „Die vorgelegte Vollmacht besagt ausdrücklich nichts dazu, ob sie mit dem Tod des Vollmachtgebers endet. Was für diesen Fall gelten soll, ist durch Auslegung des Auftragsverhältnisses (§ 662 BGB) zu ermitteln.“). Im vorliegenden Fall wurde aber zur Frage der Fortgeltung eine eindeutige Regelung getroffen, sodass kein Auslegungsbedürfnis – und damit auch kein Auslegungsspielraum – besteht.
Ein Auslegungsbedürfnis ergibt sich auch nicht etwa aus der eingangs in der Vollmachtsurkunde enthaltenen Ausführung, dass „die Vollmacht insbesondere als Betreuungsvollmacht zur Vermeidung der Anordnung einer Betreuung dienen“ soll. Mit dieser Klausel wird im Allgemeinen nur der spezifische Vorsorgecharakter der Vollmacht ausgedrückt, um klar zu stellen, dass es sich nicht um eine „allgemeine“ Generalvollmacht, sondern um eine Vorsorgevollmacht handelt, die im Hinblick auf eine künftige Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers erteilt wird und mit deren Erteilung die Bestellung eines Betreuers nach den §§ 1814 ff. BGB vermieden werden soll, sodass sie gerade über den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit hinaus fortgelten soll. Für die Frage, ob die Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers erlöschen soll, lässt sich hieraus u. E. nichts herleiten, zumal Vorsorgevollmachten zumindest in der notariellen Praxis weit überwiegend transmortal ausgestaltet werden (vgl. Renner/Braun, in: Müller-Engels/Braun, Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis, 6. Aufl. 2022, Kap. 2 Rn. 123 ff.; Reetz, § 16 Rn. 220; Renner, in: Münch, Familienrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 4. Aufl. 2023, § 16 Rn. 72, § 22 Rn. 49).
Schließlich bleibt noch auf die aktuelle Rechtsprechung zur vorliegenden Thematik hinzuweisen. So hat etwa das OLG Bremen in einem aktuellen Beschluss eine Vorsorgevollmacht, die keine explizite Bestimmung zur Fortgeltung über den Tod hinaus enthielt, als transmortale Vollmacht ausgelegt (OLG Bremen FGPrax 2023, 241). Diese Entscheidung ist für die vorliegende Problematik, in der eine explizite Regelung zur Fortgeltung getroffen worden ist, zwar nicht unmittelbar einschlägig. Die Entscheidung dürfte aber zumindest als vorsichtige Abkehr von der oben dargelegten, engen Auslegungspraxis des OLG Hamm und des OLG München anzusehen sein. Dies ist begrüßenswert, zumal dies eher in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung des § 672 S. 1 BGB steht, wonach im Zweifel von einer Fortgeltung der Vollmacht im Todesfall auszugehen ist. Dies gilt aus unserer Sicht grundsätzlich auch für Vorsorgevollmachten.
Für den vorliegenden Fall unmittelbar von Interesse ist aber jedenfalls der Beschluss des OLG Karlsruhe v. 17.8.2023 (FGPrax 2023, 254). Dort war in der Vollmachtsurkunde (nur) explizit geregelt, dass die Vollmacht auch im Falle der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers gültig bleiben soll. Für den Fall des Todes fehlte eine entsprechende Bestimmung. Allerdings war am Schluss der Urkunde vermerkt, dass der Notar darauf hingewiesen hat, dass diese Vollmacht über den Tod hinaus wirkt, jederzeit widerruflich ist und dass bei Widerruf darauf zu achten ist, dass sämtliche Ausfertigungen der Vollmacht vom Bevollmächtigten herausgegeben werden. Obwohl der Inhalt des Belehrungsvermerks nicht mit einer entsprechenden Willenserklärung des Vollmachtgebers gleichgesetzt werden kann und es damit (anders als im vorliegenden Fall) an einer expliziten Regelung der transmortalen Wirkung der Vollmacht fehlte, legte das OLG Karlsruhe gleichwohl die Urkunde entgegen der Ansicht des Grundbuchamts als transmortale Vollmacht aus. Dabei stützte sich das OLG Karlsruhe auf verschiedene Indizien, wie etwa den mitgeteilten Belehrungsvermerk, den vermögensrechtlichen Schwerpunkt der Vorsorgevollmacht sowie das Fehlen weiterer Voraussetzungen für den wirksamen Gebrauch der Vollmacht (wie etwa der medizinischen Handlungsunfähigkeit des Vollmachtgebers). Eine abschließende Klärung, ob bei Vorsorgevollmachten tatsächlich – wie von der bislang herrschenden Rechtsprechung angenommen – ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Erlöschens bestehe, wollte das OLG Karlsruhe damit allerdings bewusst nicht vornehmen. Immerhin lässt sich jedoch auch an der Entscheidung des OLG Karlsruhe ein – begrüßenswerter – Trend der Rechtsprechung erkennen, von der bislang restriktiven Linie der Rechtsprechung hinsichtlich der Annahme der transmortalen Fortgeltung einer Vorsorgevollmacht abzukehren.
3. Ergebnis
Im Ergebnis kann im vorliegenden Fall aufgrund der ausdrücklichen Regelung des Vollmachtgebers hinsichtlich der Fortgeltung der Vollmacht über den Tod hinaus davon ausgegangen werden, dass eine transmortale Vollmacht vorliegt. Die Auslegungsproblematik bei Fehlen einer expliziten Regelung, mit der sich die Rechtsprechung bislang überwiegend befasst hat, spielt daher vorliegend keine Rolle.
Was die – hier nicht einschlägige – Auslegungsproblematik angeht, so lässt sich im Übrigen zumindest in der jüngeren Rechtsprechung ein Trend erkennen, von der restriktiven Linie der bislang herrschenden Rechtsprechung abzukehren. Hierfür spricht, dass eine Fortgeltung der Vorsorgevollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers in vermögensrechtlicher Hinsicht sinnvoll und in der Regel vom Vollmachtgeber gewünscht sein wird.