24. Oktober 2019
BGB § 1273; GmbHG § 15; BGB § 1274; BGB § 1204 Abs. 2; BGB § 1209

Verpfändung eines Geschäftsanteils; Future-Pledgee-Klausel; Handeln eines falsus procurator für Pfandgläubiger; Verpfändung künftiger Forderungen; nicht bestimmter Pfandgläubiger im Zeitpunkt der Verpfändung; Gleichrangigkeit von Verpfändungen

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letzte Aktualisierung: 24. Oktober 2019

GmbHG § 15; BGB §§ 1273, 1274, 1204 Abs. 2, 1209
Verpfändung eines Geschäftsanteils; Future-Pledgee-Klausel; Handeln eines falsus
procurator für Pfandgläubiger; Verpfändung künftiger Forderungen; nicht bestimmter
Pfandgläubiger im Zeitpunkt der Verpfändung; Gleichrangigkeit von Verpfändungen

I. Sachverhalt

Im Rahmen eines Finanzierungsvorhabens hat die GmbH 1 von der Bank 1 ein Darlehen
erhalten. Zur Sicherung des Darlehens will die GmbH 1 ihre Geschäftsanteile an der GmbH 2
verpfänden. Da sich evtl. noch ein weiteres, bisher unbekanntes Kreditinstitut (im Folgenden:
Bank 2) an der Finanzierung beteiligen soll, möchten die Beteiligten im gleichen Termin auch
ein Pfandrecht zugunsten der Bank 2 bestellen.

Die Bank 1 soll dabei als vollmachtlose Vertreterin für die namentlich noch nicht bekannte
Bank 2 handeln und die Verpfändung „für den Fall“ annehmen, dass die Bank 2 einen
entsprechenden Darlehensvertrag mit der GmbH 1 schließt und das Handeln der Bank 1 als
vollmachtlose Vertreterin genehmigt. Dadurch sollen gleichrangige Pfandrechte von Bank 1 und
Bank 2 entstehen.

II. Frage

Begegnet dieses Vorgehen rechtlichen Bedenken?

III. Zur Rechtslage

1. Vertretung eines unbestimmten Vertretenen

Zunächst stellt sich die Frage, ob es im Rahmen des Offenkundigkeitsprinzips (§ 164
Abs. 1 BGB) möglich ist, dass die Bank 1 vollmachtlos für eine bisher nicht bekannte
weitere Bank auftritt, dass also der Vertretene zum Zeitpunkt der Abgabe der
Willenserklärung unbekannt ist. Das Offenkundigkeitsprinzip dient dem Schutz des
Erklärungsempfängers, der bei Vertragsschluss erkennen können soll, wer sein
Vertragspartner wird (vgl. BeckOGK-BGB/Huber, Std.: 1.12.2018, § 164 Rn. 45). Der
BGH lässt es dennoch genügen, dass nachträglich bestimmt wird, wer der Vertretene ist
und damit Vertragspartner werden soll (BGH NJW 1989, 164, 166). Das ist u. E. insofern
überzeugend, als dass für den Erklärungsempfänger bei Vertragsschluss mit dem Vertreter
gerade ersichtlich ist, dass der Vertretene noch unbekannt ist, der Erklärungsempfänger also
selbst entscheiden kann, ob er sich sehenden Auges in diese Ungewissheit begibt. Das
Offenkundigkeitsprinzip steht der vorliegenden Gestaltung insofern nicht entgegen.

2. Allgemeines zur Verpfändung von Geschäftsanteilen

Der Geschäftsanteil an einer GmbH kann Gegenstand einer Rechtsverpfändung gem.
§§ 1273 Abs. 2, 1274 BGB sein. Die Bestellung des Pfandrechts richtet sich damit gem.
§ 1274 Abs. 1 S. 1 BGB nach den Vorschriften über die Übertragung des Geschäftsanteils
(nicht über die Verpflichtung) und bedarf insbesondere der Form des § 15 Abs. 3 GmbHG
(s. nur Heidinger/Blath, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und
Beratungspraxis, 4. Aufl. 2018, Kap. 13 Rn. 96). Auch für die dingliche Einigung gilt nichts
anderes als für die Einigung über die Anteilsabtretung: So kann etwa für den Pfandnehmer
ein falsus procurator auftreten (vgl. Reymann, DNotZ 2005, 425, 448; zur allgemeinen
Anwendung der Stellvertretungsregeln BeckOK-BGB/Schärtl, Std.: 1.8.2019, § 1205 Rn. 7).

3. Verpfändung künftiger Forderung zulässig

Das Pfandrecht soll vorliegend „für den Fall“ eines künftigen Darlehens bestellt werden.

Auf den ersten Blick könnte man an eine Verpfändungsabrede unter aufschiebender
Bedingung denken. Eine solche bedingte Abrede ist zulässig (Reymann, DNotZ 2005, 425,
427) und erlaubt hinsichtlich des Rangs einen Bezug auf den Zeitpunkt der
Pfandrechtsbestellung (so wohl überwiegende Meinung: Staudinger/Wiegand, BGB, 2019,
§ 1209 Rn. 6; MünchKommBGB/Damrau, 7. Aufl. 2017, § 1209 Rn. 5; BeckOGKBGB/
Förster, Std.: 1.9.2019, § 1209 Rn. 8). Die Entstehung der Forderung ist freilich
unabdingbar für das Pfandrecht (zum Grundsatz der Akzessorietät des Pfandrechts s. nur
Palandt/Wicke, BGB, 78. Aufl. 2019, § 1204 Rn. 1) und darum nicht bloß eine
rechtsgeschäftliche Bedingung. Richtig dürfte es daher sein, im geplanten Vorhaben die
Bestellung eines Pfandrechts für eine künftige Forderung zu sehen. Diese Bestellung ist im
Gesetz ausdrücklich zugelassen (§ 1204 Abs. 2 BGB) und durchbricht damit den Grundsatz
der Akzessorietät (BeckOK-BGB/Schärtl, Std.: 1.8.2019, § 1204 Rn. 63). Ohne Rücksicht
auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung entsteht das Pfandrecht im Zeitpunkt der
Bestellung (BGH NJW 1983, 1123; MünchKommBGB/Damrau, § 1209 Rn. 4), und dieser
Zeitpunkt ist entsprechend wiederum für den Rang (§ 1209 BGB) maßgeblich (BGH
NJW 1997, 2322, 2323; BeckOK-BGB/Schärtl, § 1204 Rn. 63; BeckOGK-BGB/Förster,
§ 1209 Rn. 7; Palandt/Wicke, § 1204 Rn. 11). Als Konsequenz des Akzessorietätsprinzips
ist freilich zu verlangen, dass die künftige Forderung so bestimmbar ist, dass sie sich im
Zeitpunkt der Forderungsentstehung unzweifelhaft ermitteln lässt (BGH NJW 1953, 21;
BeckOK-BGB/Schärtl, § 1204 Rn. 61; BeckOGK-BGB/Förster, Std.: 1.9.2019, § 1204
Rn. 61; Staudinger/Wiegand, § 1204 Rn. 24; Palandt/Wicke, § 1204 Rn. 11;
Erman/J. Schmidt, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1204 Rn. 16; vgl. auch BGH NJW 1983, 1123,
1125; NJW 1985, 863, 864). In diesem Zusammenhang erscheint es zumindest nicht
undenkbar, dass der Pfändungs- und Forderungsgläubiger offengelassen wird; allerdings
müsste dann die betroffene Forderung durch andere handfeste Kriterien konkretisiert
werden. Normalerweise dürfte nämlich die Bestimmbarkeit die Individualisierung des
Gläubigers voraussetzen.

4. Bestimmtheit des Pfandgläubigers

Weil die Verpfändung nach den Vorschriften über die Übertragung des Pfandgegenstands
erfolgt, sind zugleich die Anforderungen des § 15 Abs. 3 GmbHG zu erfüllen, also die
Anforderungen an eine Anteilsabtretung. Dabei ist im Prinzip der strengere
Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten, wie er für dingliche Geschäfte gilt. Insoweit wird
allgemein verlangt, dass der Anteilserwerber der Abtretungsurkunde zweifelsfrei
entnommen werden kann (RG JW 1932, 1008, 1009; Ebbing, in:
Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 15 Rn. 116;
Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 15 Rn. 22;
MünchKommGmbHG/Reichert/Weller, 3. Aufl. 2018, § 15 Rn. 26; Scholz/Seibt,
GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 15 Rn. 89; GroßkommGmbHG/Löbbe, 2. Aufl. 2013, § 15
Rn. 117). Hingegen sehen andere im Zusammenhang mit der wohl auch vorliegend
betroffenen Future-Pledgee-Klausel den Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes – klare
Rechtszuordnung – auch dann gewahrt, wenn die Parteien erst im Zeitpunkt der Verfügung
feststehen (Förl, RNotZ 2007, 433, 444; Josenhans/Danzmann, WM 2017, 1588, 1589 f.;
s. auch Ruhwinkel, DNotZ 2004, 65, 67; Staudinger/Wiegand, § 1274 Rn. 8). Zu
berücksichtigen ist in diesem Kontext eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2003
(DNotZ 2004, 62, 64), in der er eine für den Fall der Kündigung statutarisch vorgesehene
„Anwachsung“ eines Geschäftsanteils bei den verbleibenden Gesellschaftern als
aufschiebend bedingte Teilung und Abtretung gewertet hat. Implizit ließ der BGH damit
einen im Beurkundungszeitpunkt noch unbestimmten Abtretungsempfänger zu (für eine
Möglichkeit zur antizipierten Anteilsabtretung in der Satzung deswegen
Kleinert/Blöse/v. Xylander, GmbHR 2004, 630, 633 f.; vgl. auch dies., GmbHR 2003,
1230). In Stellungnahmen zu dieser Entscheidung wird dennoch das Offenlassen der
Abtretungsbeteiligten auf dinglicher Ebene grundsätzlich nicht für möglich gehalten.

Leistungsbestimmungsrechte (vgl. §§ 315 ff. BGB) seien eine Besonderheit des
Schuldrechts; der BGH habe mit der „Anwachsungsklausel“ letztlich nur ein Verfahren
satzungsmäßig in die GmbH einführen wollen, das bei der Personengesellschaft ohnehin die
gesetzliche Regel sei (Barth, GmbHR 2004, 383, 386 f.; ebenfalls mit Bedenken gegen die
Bestimmtheit Heckschen, GmbHR 2007, 198, 199 f.; Maier-Reimer, GmbHR 2017, 1325,
1327 f.: Blankett-Abtretung erfülle Bestimmtheitsanforderungen nicht).

U. E. sind die Zweifel an der Bestimmtheit bei unbenanntem Erwerber ernst zu nehmen.

Auch angesichts der erwähnten BGH-Entscheidung lässt sich die Frage nicht als geklärt
und unproblematisch ansehen (vgl. auch zur Future-Pledgee-Klausel Hermanns, RNotZ 2012,
490, 494). Es könnte nämlich durchaus sein, dass der BGH die Bestimmtheitsfrage
überhaupt nicht bedacht hat; problematisiert hat er sie jedenfalls nicht. Die Praxis sollte
daher nicht ohne Weiteres auf die Wirksamkeit einer Verpfändung wie der vorliegend
geplanten vertrauen.

Gutachten/Abruf-Nr:

172126

Erscheinungsdatum:

24.10.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH

Normen in Titel:

BGB § 1273; GmbHG § 15; BGB § 1274; BGB § 1204 Abs. 2; BGB § 1209