31. Dezember 2001
BGB § 182 Abs. 2; BGB § 167 Abs. 2; GmbHG § 47 Abs. 3; GmbHG § 2 Abs. 2

Stimmrechtsvollmacht; Gründungsvollmacht; Form; Wirksamkeitsvoraussetzung; Genehmigung

Stimmrechtsvollmacht; Gründungsvollmacht; Form; Wirksamkeitsvoraussetzung; Genehmigung - GmbHG §§ 2 Abs. 2; 47 Abs. 3; BGB §§ 167 Abs. 2, 182 Abs. 2

I. Sachverhalt

Eine GmbH soll möglichst kurzfristig ihren Sitz verlegen. Da sich bis auf einen alle übrigen Gesellschafter derzeit im Ausland aufhalten, soll der satzungsändernde Gesellschafterbeschluss "unter Verzicht auf alle Form- und Fristvorschriften" nur von dem Gesellschafter X in eigenem Namen und als Vertreter der übrigen Gesellschafter gefasst werden. Schriftliche Vollmachten der übrigen Gesellschafter liegen nicht vor.

II. Frage

1. Ist das Vorliegen einer schriftlichen Vollmacht Wirksamkeitsvoraussetzung für den beabsichtigten Gesellschafterbeschluss?

2. Kann eine Stimmabgabe aufgrund mündlicher Vollmacht oder vollmachtloser Vertretung genehmigt werden?

III. Rechtslage

Zu Frage 1: Bei Vollmachten im GmbH-Recht muss zunächst unterschieden werden zwischen einer Gründungsvollmacht im Sinne des § 2 Abs. 2 GmbHG und einer Stimmrechtsvollmacht im Sinne des § 47 Abs. 3 GmbHG.
1. Gründungsvollmacht

Für die Gründung der GmbH bestimmt § 2 Abs. 2 GmbHG, dass die Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages durch Bevollmächtigte nur aufgrund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig ist. Auch in diesem Zusammenhang ist noch streitig, ob das Formerfordernis des § 2 Abs. 2 GmbHG ein Wirksamkeitserfordernis darstellt, oder es nur dieser Form bedarf, um einen entsprechenden formellen Nachweis der Legitimation des Bevollmächtigten zu erbringen.

So formuliert z. B. Heinrich (Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3: GmbH, 1996, § 5 Rn. 42), dass der Bevollmächtigte seine Bevollmächtigung aufgrund von § 2 Abs. 2 GmbHG abweichend von § 167 Abs. 2 BGB durch eine von einem deutschen Notar errichtete oder beglaubigte Vollmachtsurkunde nachweisen muss.

Die überwiegende Meinung in der Literatur und Rechtsprechung geht jedoch davon aus, dass die Form des § 2 Abs. 2 GmbHG bei der Gründung einer GmbH Wirksamkeitsvoraussetzung für die Vollmacht ist. Durch diese Vorschrift sollen nämlich spätere Zweifel und Streitigkeiten über die Legitimation des Vertreters von vornherein abgeschnitten werden (BGH NJW 1968, 1856; dazu Goette, Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung, 1997, Rn. 12). Die herrschende Meinung sieht deshalb in § 2 Abs. 2 GmbHG keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern ein echtes Wirksamkeitserfordernis für die Vollmachterteilung (Scholz/Emmerich, GmbHG, 9. Aufl. 2000, § 2 Rn. 24; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 2 Rn. 27; Reinicke, NJW 1969, 1830; Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 2 Rn. 28; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 2 Rn. 18). Bei der Mehrpersonengründung ist der Gesellschaftsvertrag, wenn der Vollmacht die Form des § 2 Abs. 2 GmbHG fehlt, nach § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam. Nach ganz herrschender Meinung kann dieser durch den Vertretenen genehmigt werden. Dies stößt nur bei der Einmanngründung wegen § 180 BGB auf Zweifel (Baumbach/Hueck/Fastrich, § 2 Rn. 18; LG Berlin GmbHR 1996, 123). Ansonsten bedarf die Genehmigung des schwebend unwirksamen Gesellschaftsvertrags bei der Mehrpersonengründung auch der Form des § 2 Abs. 2 GmbHG (Hachenburg/Ulmer, § 2 Rn. 27, 37; Rowedder/Rittner, GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 2 Rn. 45; OLG Köln DB 1995, 2413; jetzt auch Scholz/Emmerich, § 2 GmbHG Rn. 31; anders noch die Vorauflage). Insofern beinhaltet § 2 Abs. 2 GmbHG auch eine Einschränkung des § 182 Abs. 2 BGB.

2. Stimmrechtsvollmacht bei satzungsändernden Gesellschafterbeschlüssen

Demgegenüber ist es noch höchst streitig, ob auch bei Gesellschafterbeschlüssen die Schriftform nach § 47 Abs. 3 GmbHG Wirksamkeitsvoraussetzung für die Vollmacht zur Stimmabgabe ist.
a) Entgegen dem Wortlaut von § 47 Abs. 3 GmbHG wird dafür argumentiert, dass die Schriftlichkeit der Vollmacht keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Vollmacht ist (Rowedder/Koppensteiner, § 47 GmbHG Rn. 42; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 47 GmbHG Rn. 85 siehe schon RG JW 1934, 976, 977; dem zustimmend Siebert, JW 1934, 1116). Selbst wenn der Beschluss der notariellen Beurkundung nach § 53 Abs. 2 GmbHG bedürfe, gelte dies nicht für die Stimmrechtsvollmacht. Durch funktionell-teleologische Deutung von § 47 Abs. 3 GmbHG müsse die sachwidrige Formulierung dieses Paragraphen ausgeglichen werden. Diese Vorschrift spreche danach nicht vom Wirksamkeitserfordernis der gesetzlichen Form, sondern nur von der Legitimation des Vertreters gegenüber den Mitgesellschaftern, da dies allein Gegenstand der §§ 47 ff. GmbHG sei. Die Schriftform der Vollmacht sei also lediglich als Voraussetzung des Anspruchs auf Teilnahme an der Versammlung und auf Abgabe der Stimme aufzufassen. Danach könne die Voll-machtserteilung z. B. auch durch mündliche Bevollmächtigung eines anwesenden Gesellschafters durch einen Abwesenden während der Versammlung erfolgen (Scholz/K. Schmidt, § 47 GmbHG Rn. 85). Wenn die Vollmacht keiner Form bedürfe, könne sie sogar durch schlüssiges Verhalten, insbesondere in Gestalt einer Duldungsvollmacht erteilt werden.

b) Demgegenüber orientiert sich die wohl herrschende Meinung in der Literatur (Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 27; Baumbach/Hueck/Zöllner, § 47 Rn. 37; Hachenburg/Hüffer, § 47 Rn. 47) mehr am Wortlaut des § 47 Abs. 3 GmbHG. Dieser bringe unzweideutig zum Ausdruck, dass die Schriftform Gültigkeitserfordernis ist.

Zwar erfordert der Regelungszweck des § 47 Abs. 3 GmbHG - die Möglichkeit der Gesellschafterversammlung, die Bevollmächtigung zu prüfen - nicht zwingend die Sanktion der Formnichtigkeit. Daraus könne aber nicht ein genereller Verzicht auf die Form gefolgert werden, sondern nur die Anerkennung von sachgerechten Ausnahmen. Diese liegen nach allgemeiner Meinung z. B. vor, wenn sämtliche Gesellschafter die formlose Vollmachtserteilung kennen und keiner der Stimmabgabe des Vertreters widerspricht (Hachenburg/Hüffer, § 47 Rn. 47 GmbHG; Baumbach/Hueck, § 47 GmbHG Rn. 37; Roth/Altmeppen, § 47 GmbHG Rn. 27; so schon BGHZ 49, 183, 194; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl. 2000, § 47 Rn. 9). Die Berufung auf die Formunwirksamkeit der Vollmacht wäre treuwidrig und deshalb unzulässig (§ 242 BGB). Mangels schutzwürdiger Interessen der Mitgesellschafter wäre dies eine missbräuchliche Rechtsbehauptung (Roth/Altmeppen, § 47 Rn. 27).

c) Auch der BGH war in seiner in diesem Zusammenhang regelmäßig zitierten Entscheidung (BGHZ 49, 183 ff.) vom Grundsatz her davon ausgegangen, dass die Schriftform des § 47 Abs. 3 GmbHG Wirksamkeitsvoraussetzung für die Stimmrechtsvollmacht ist. Nur hatte er in dem dortigen Fall entschieden, dass in einer Gesellschafterversammlung, bei der in Anwesenheit aller übrigen Gesellschafter ein Beschluss gefasst wurde, die Stimmrechtsvollmacht nicht der Schriftform bedarf. Das LG Berlin (GmbHR 1996, 50 ff.) hat unter kurzer Auseinandersetzung mit der strittigen Literaturmeinung die Schriftlichkeit der Stimmrechtsvollmacht ausdrücklich nicht für ein gesetzliches Wirksamkeitserfordernis gehalten. Vielmehr regele § 47 Abs. 3 GmbHG nur die Legitimation des Bevollmächtigten gegenüber den anderen Gesellschaftern. Dies gelte selbst dann, wenn der Alleingesellschafter einen anderen mündlich bevollmächtigt. Das KG (NZG 2000, 787 ff.) hat jüngst in einem anderen Zusammenhang ebenfalls ausdrücklich entschieden, dass eine Stimmrechtsvollmacht für die Gesellschafterversammlung abweichend von § 47 Abs. 3 GmbHG auch mündlich oder konkludent erteilt werden kann, wenn die Erteilung sämtlichen Gesellschaftern bekannt ist und niemand Widerspruch erhebt. Es sei Zweck der für die Vertretung in der Gesellschafterversammlung vorgeschriebenen Schriftform der Vollmacht, die Gesellschafterversammlung in die Lage zu versetzen, die Bevollmächtigung zu prüfen. Einer schriftlichen Vollmacht bedürfe es deshalb dann nicht, wenn die Vollmachterteilung sämtlichen Gesellschaftern bekannt ist und niemand Widerspruch erhebt (Verweisung auf BGHZ 49, 194). Dabei könne der Rechtsgedanke des § 174 BGB herangezogen werden (ebenso Lutter/Hommelhoff, § 47 GmbHG Rn. 9). Danach ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, nur dann unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Im dort entschiedenen Fall wurde die Vertretung ohne gleichzeitiges Vorlegen einer schriftlichen Vollmacht offengelegt und kein Gesellschafter hatte Widerspruch erhoben.

d) Im Ergebnis ist festzustellen, dass derzeit noch die wohl überwiegende Meinung in der Literatur und in der Rechtsprechung grundsätzlich von der Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Vollmacht nach § 47 Abs. 3 GmbHG ausgeht. Nur für den Sonderfall, dass alle übrigen Gesellschafter unwidersprochen die Vertretung aufgrund mündlich behaupteter Vollmacht zulassen, wird nach einhelliger Meinung auf das Schriftformerfordernis nach § 47 Abs. 3 GmbH verzichtet (großzügiger insofern aber LG Berlin, GmbHG 1996, 50).

e) Für den hier vorliegenden Fall ist u. E. zweifelhaft, welche Konsequenz sich aus der h. M. ergibt. Da sich alle Gesellschafter von einem einzigen Mitgesellschafter aufgrund mündlicher Vollmacht vertreten lassen, kann rechtstechnisch der allgemein anerkannte Ausnahmefall von BGHZ 49, 194 nicht herangezogen werden. Denn es nehmen keine übrigen Gesellschafter, die die Stimmabgabe des mündlich bevollmächtigten Mitgesellschafters unwidersprochen hinnehmen, an der entscheidenden Gesellschafterversammlung teil. Da § 47 Abs. 3 GmbHG weniger im öffentlichen Interesse als im Interesse der Rechtssicherheit für die Mitgesellschafter wirkt, stellt sich hier die Frage, wem gegenüber der Nachweis der Vertretung durch schriftliche Vollmacht überhaupt erfolgen muss. Zur Prüfung des Registerrichters vor Eintragung ins Handelsregister, ob die Gesellschafter bei der Beschlussfassung wirksam vertreten wurden, kann die schriftliche Vollmachtserteilung noch nachgereicht werden. Somit könnte man noch weiter differenzieren, dass die Vertretung aller Gesellschafter durch einen einzigen fremden Dritten überhaupt keine Prüfungsmöglichkeit durch die Gesellschafterversammlung insbesondere der abstimmenden Mitgesellschafter ermöglicht. Bei beurkundungsbedürftigen satzungsändernden Beschlüssen, wie hier, könnte diese Aufgabe der beurkundende Notar übernehmen. Bei einfachen Gesellschafterbeschlüssen, für die § 47 Abs. 3 GmbHG grundsätzlich auch gilt, ginge der Schutzzweck des § 47 Abs. 3 GmbHG auch bei Vorliegen schriftlicher Vollmachten insofern ins Leere. Allerdings könnte man auch argumentieren, dass auch der Vertreter von allen anderen Mitgesellschaftern insofern als Gesellschafterversammlung die jeweilige Wirksamkeit der Bevollmächtigungen prüfen kann. Dies wäre - ähnlich wie bei dem Konflikt nach § 181 BGB - möglich, wenn jeder Gesellschafter durch einen eigenen Vertreter in der Gesellschafterversammlung auftritt. Im hier vorliegenden Fall der Vertretung aller übrigen Gesellschafter durch nur einen Mitgesellschafter bleibt allerdings allenfalls die Argumentation, dass der Gesellschafter, der alle übrigen vertritt, in seiner weiter bestehenden Funktion als einziger Gesellschafter, der selbst unvertreten auftritt, die Prüfung der Vertretungsmacht vornimmt und insofern widerspruchslos auch die mündliche Bevollmächtigung durch die anderenGesellschafter hinnimmt. Da dieser Gesellschafter als Bevollmächtigter aller übrigen sich der mündlichen Bevollmächtigung sicher sein kann, könnte man unseres Erachtens hier erst recht einen Ausnahmefall von § 47 Abs. 3 GmbHG vergleichbar mit dem oben beschriebenen BGH-Fall annehmen. Diesbezüglich ist die Rechtslage jedoch unsicher, da für die hier vorliegende Fallkonstellation noch eine Bestätigung in der Rechtsprechung fehlt.

Anders wäre die Rechtslage unseres Erachtens nur einzuschätzen, wenn nur einer der Gesellschafter aufgrund mündlich erteilter Vollmacht vertreten würde, die anderen Gesellschafter anwesend sind und die Abstimmung aufgrund mündlicher Vollmachtserteilung widerspruchslos hinnehmen. Dann kann mit der ganz h. M. in der Lit. und Rspr. eine mündliche Vollmacht als ausreichend anerkannt werden.

Zu Frage 2: Sieht man die Schriftform jedoch auch im hier vorliegenden Fall als Wirksamkeitsvoraussetzung an, würde der hier allein auftretende Gesellschafter jeweils als Vertreter ohne Vertretungsmacht für die übrigen Gesellschafter handeln. Diese vollmachtslose Stimmabgabe kann nach ganz herrschender Meinung aber durch Genehmigung (§ 184 BGB) wirksam werden (BayObLG, DB 1989, 374; Lutter/Hommelhoff, § 47 Rn. 9, Scholz/K. Schmidt, § 47 Rn. 87; Baumbach/Hueck/Zöllner, § 47 Rn. 37; Hachenburg/Hüffer, § 47 Rn. 99; Rowedder/Koppensteiner, § 47 Rn. 42). Außer im Fall der Einmanngesellschaft ist diese Genehmigung auch nicht nach § 180 S. 1 BGB ausgeschlossen (Scholz/K. Schmidt, § 47 Rn. 87). Streitig ist wiederum nur, ob diese Genehmigung formfrei erteilt werden kann (für Formfreiheit: Scholz/K. Schmidt, § 47 Rn. 87; Baumbach/Hueck/Zöllner, § 47 Rn. 37; Lutter/Hommelhoff, § 47 Rn. 9; a. A. Roth/Altmeppen, § 47 Rn. 27).

Erscheinungsdatum:

31.12.2001

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2001, 23-25

Normen in Titel:

BGB § 182 Abs. 2; BGB § 167 Abs. 2; GmbHG § 47 Abs. 3; GmbHG § 2 Abs. 2