27. Juni 2019
GmbHG § 55; GmbHG § 54; AktG § 179 Abs. 1; GmbHG § 53

Höchstbetragskapitalerhöhung; Bis-zu-Kapitalerhöhung; Anpassung des Satzungstextes bzgl. der erreichten Stammkapitalziffer; Delegation an Geschäftsführung

GmbHG §§ 55, 53, 54; AktG § 179 Abs. 1 S. 2
Höchstbetragskapitalerhöhung; Bis-zu-Kapitalerhöhung; Anpassung des Satzungstextes bzgl. der erreichten Stammkapitalziffer; Delegation an Geschäftsführung

I. Sachverhalt
Im November 2018 fassten die Gesellschafter einer GmbH in notarieller Form und mit der erforderlichen Mehrheit folgenden Beschluss:

„1. Das Stammkapital der Gesellschaft wird von 60.000 € um bis zu 30.000 € auf bis zu 90.000 € erhöht. Die Kapitalerhöhung erfolgt gegen Bareinlagen durch Übernahme von bis zu 30 000 neuen Geschäftsanteilen im Nennbetrag von je 1 € zu einem dem Nennbetrag entsprechenden Ausgabebetrag. Die neuen Geschäftsanteile erhalten die laufenden Nummern […] und nehmen am Gewinn seit Beginn des bei Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister laufenden Geschäftsjahres teil.

2. Zur Übernahme der neuen Geschäftsanteile werden zugelassen:

[...].

3. Die Kapitalerhöhung wird durchgeführt, soweit die neuen Geschäftsanteile von den Übernehmern binnen 5 Bankarbeitstagen nach dem heutigen Tage gezeichnet und übernommen worden sind. Die Geschäftsführer der Gesellschaft werden ermächtigt, Ziffer 4.1 der Satzung der Gesellschaft (Stammkapital) entsprechend dem Umfang der Durchführung der Kapitalerhöhung zu ändern und neu zu fassen.“

Die Geschäftsführer der Gesellschaft meldeten im Dezember 2018 zur Eintragung in das Handelsregister an, dass die Kapitalerhöhung im Umfang von 10.000 € auf 70.000 € durchgeführt worden sei, ferner die entsprechende Änderung der Satzung. Der Anmeldung war ein privatschriftlicher Beschluss der Geschäftsführer beigefügt, der die Änderung der statutarischen Stammkapitalziffer unter Berufung auf die Ermächtigung im Gesellschafterbeschluss enthielt. Das Registergericht lehnt die Eintragung mit der Begründung ab, dass die Geschäftsführer nicht zur Satzungsänderung ermächtigt werden könnten.

II. Fragen
1. Ist bei der Bis-zu-Kapitalerhöhung ein Beschluss zur Anpassung der Satzung erforderlich oder kann der Notar die geänderte Satzung auch ohne weitere Beschlussfassung erstellen?

2. Können die Geschäftsführer durch Mehrheitsbeschluss ermächtigt werden, den Satzungstext anzupassen? Falls ja: Genügt ein privatschriftlicher Änderungsbeschluss?

III. Zur Rechtslage
1. Problem
Bei der sog. Höchstbetrags- oder Bis-zu-Kapitalerhöhung können die Gesellschafter den endgültigen Erhöhungsbetrag von der konkreten Zeichnung des Kapitals im Rahmen eines Höchstbetrags bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (bis sechs Monate nach dem Kapitalerhöhungsbeschluss) abhängig machen (RGZ 85, 205, 207; näher MünchKommGmbHG/Lieder, 3. Aufl. 2018, § 55 Rn. 36 ff.; Herrler/Blath, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2017, § 6 Rn. 454). Im Hinblick auf die mit der Kapitalerhöhung verbundene Satzungstextänderung ist dieses Verfahren nicht unproblematisch, denn der Beschluss, der die Grundlage für die spätere Handelsregisteranmeldung bietet, kann die endgültig erreichte Stammkapitalziffer noch nicht enthalten. Fraglich ist also, auf welcher Grundlage sich die Satzungstextänderung vollzieht.

2. Rechtsprechung zum genehmigten Kapital
Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Frage bisher – soweit ersichtlich – nicht beschäftigt. Auf den ersten Blick einschlägig erscheint ein Beschluss des OLG München von 2012 (DNotZ 2012, 469, 472). Hiernach soll der Geschäftsführer im Rahmen des genehmigten Kapitals (§ 55a GmbHG) zur Anpassung der Satzung ermächtigt werden können. Allerdings betrifft die Entscheidung eine statutarische Ermächtigung und – wie gesagt – das genehmigte Kapital als gesetzlich verankerte Delegationsmöglichkeit, nicht einen regulären Kapitalerhöhungsbeschluss der Gesellschafter wie im vorliegenden Fall.

3. Literaturstimmen zur Bis-zu-Kapitalerhöhung
Die Literatur behandelt die Frage nach der Satzungstextänderung bei der Bis-zu-Erhöhung uneinheitlich:

Nach einer Ansicht bedarf es insoweit weder eines ausdrücklichen Gesellschafterbeschlusses noch einer Ermächtigung oder Delegation: Ebenso wie bei der Festbetragserhöhung umfasse der Wille der Gesellschafter zur Kapitalerhöhung zugleich den Willen zur redaktionellen Anpassung des Satzungswortlauts; der Erhöhungsbeschluss enthalte also grundsätzlich bereits die Satzungsänderung und es sei die neue Stammkapitalziffer schlicht in die der Anmeldung nach § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG beizufügende Satzungsfassung aufzunehmen (Gerber/Pilz, GmbHR 2005, 1324, 1327 f.; GroßkommGmbHG/Ulmer/Casper, 2. Aufl. 2016, § 55 Rn. 25; Scholz/Priester, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 55 Rn. 37).

Eine andere Ansicht sieht offenbar von vornherein den Notar in der Zuständigkeit, den „genauen Inhalt der Satzungsänderung“ anlässlich der Anmeldung zu bestätigen (Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 55 Rn. 9; Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 55 Rn. 5).

Nach der strengsten Auffassung ist ein Gesellschafterbeschluss über die Fassungsänderung erforderlich, der ggf. als Vorratsbeschluss mit einer abstrakten Beschreibung der zu erreichenden Stammkapitalziffer zu fassen ist (BeckOK-GmbHG/Ziemons, Std.: 1.8.2017, § 55 Rn. 57, § 55a Rn. 65a ff. m. Formulierungsbeispiel). Fehlte es an einem Vorratsbeschluss, wäre ein Urkundsnachtrag angezeigt, in dem die endgültige Stammkapitalziffer konkretisiert würde. Dieser Urkundsnachtrag wird auch in der Gestaltungsliteratur teilweise als „sicherster Weg“ bezeichnet (Mayer/Weiler, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, D. I. Rn. 385; vgl. auch Leitzen, in: Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 2. Aufl. 2017, § 16 Rn. 491).

Noch einmal eine andere Frage ist es, ob die Geschäftsführer zu einem solchen nachträglichen Beschluss ermächtigt werden können. Auf diese Möglichkeit sollte sich die Praxis außerhalb des genehmigten Kapitals nicht verlassen, denn die wohl überwiegende Literatur lehnt eine Delegation analog § 179 Abs. 1 S. 2 AktG ab (so Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 53 Rn. 55; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 Rn. 35; Hermanns, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 55 Rn. 18; BeckOK-GmbHG/Ziemons, § 55a Rn. 64; Scholz/Priester, § 53 Rn. 19 m. Fn. 5; Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 53 Rn. 12; a. A. GroßkommGmbHG/Ulmer/Casper, § 53 Rn. 32; MünchKommGmbHG/Harbarth, 3. Aufl. 2018, § 53 Rn. 33; Göppel, Bedingte GmbH-Gesellschafterbeschlüsse, 2008, S. 183 f., der für die „Feststellung“ der Geschäftsführer im Übrigen nur Schriftform verlangt).

Von einem Anpassungsbeschluss kraft Delegation zu unterscheiden ist ein Beschluss, der von bevollmächtigten Stimmvertretern gefasst wird. Diese Möglichkeit besteht unproblematisch (vgl. Mayer/Weiler, D. I. Rn. 385). Es handelt sich dann nach wie vor um einen Gesellschafterbeschluss i. S. d. § 53 GmbHG; insbesondere wäre also auch notarielle Beurkundung geboten.

4. Stellungnahme und Fazit
Es könnte einiges dafür sprechen, dass eine gesonderte Satzungsanpassung nicht erforderlich ist. In diesem Sinne hat der BGH immerhin für den Fall der Festbetragserhöhung entschieden (NZG 2008, 73 Tz. 15 = ZNotP 2008, 130). Auch bei der Höchstbetragserhöhung ist die endgültige Stammkapitalziffer durch den Erhöhungsbeschluss letztlich schon vorgezeichnet. Das Beharren auf einem gesonderten Beschluss lässt sich daher durchaus als formalistisch kritisieren – erst recht im Hinblick auf einen Vorratsbeschluss mit abstrakt umschriebener Stammkapitalziffer. Am Ende bleibt dennoch festzustellen, dass die Frage der Satzungsanpassung nicht abschließend geklärt ist. Falsch oder abwegig ist daher die Beanstandung des Registergerichts nicht.

Gutachten/Abruf-Nr:

169641

Erscheinungsdatum:

27.06.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Aktiengesellschaft (AG)
GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 99-101

Normen in Titel:

GmbHG § 55; GmbHG § 54; AktG § 179 Abs. 1; GmbHG § 53