18. Februar 2022
PreisklG § 3; PreisklG § 1

Entgeltlicher Nießbrauch an einem Miteigentumsanteil; „Wertsicherung“ des Nutzungsentgelts

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 186365
letzte Aktualisierung: 18. Februar 2022

PrKlG §§ 1, 3
Entgeltlicher Nießbrauch an einem Miteigentumsanteil; „Wertsicherung“ des
Nutzungsentgelts

I. Sachverhalt
In einem „Teilkaufvertrag“ (Verkauf eines Miteigentumsanteils zur Liquiditätsbeschaffung)
zwischen einer Immobilienfirma als Käufer und einem Verbraucher als Verkäufer wird u.a. ein
lebenslanges entgeltliches Nießbrauchsrecht vereinbart. Als Gegenleistung für dieses Nießbrauchsrecht
leistet der Verkäufer ein Nutzungsentgelt, was zunächst für eine gewisse, individuell
auszuhandelnde Dauer und Höhe im Teilkaufvertrag fixiert wird. Nach Ablauf der Fixierung der
Nutzungsgebühr wird diese gemäß einer Formel, die sich am sog. 3-Monats-Euribor orientiert,
neu berechnet. Beispiel: Es wird eine Teilfläche im Wert von 200.000,00 € verkauft und eine 5-
jährige Fixierung vereinbart und zunächst eine Nutzungsgebühr in Höhe von 550,00 € pro Monat
(3,3 % rechnerisch) gezahlt. Nach Ablauf der 5-jährigen Fixierungsdauer kann sich der 3-Monats-
Euribor wie folgt verändert haben:

- Der 3-Monats-Euribor ist weiterhin negativ oder 0 – die Nutzungsgebühr beträgt dann auch
für die nächsten 5 Jahre weiterhin und unverändert 550,00 €, oder
- der 3-Monats-Euribor ist auf z. B. 0,5 % angestiegen. Die Nutzungsgebühr wird sodann angepasst
und beträgt für die nächsten 5 Jahre 633,00 € (3,8 % rechnerisch).

II. Frage
Ist ein solches Nutzungsentgelt für einen Nießbrauch, das an die Entwicklung des Euribor gekoppelt
ist, nach dem Preisklauselgesetz zulässig?

III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzliche Anwendbarkeit des PrKlG
Gem. § 1 Abs. 1 PrKlG darf der Betrag von Geldschulden nicht unmittelbar und selbstständig
durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden, die mit
den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind. Vorliegend stellt sich schon
die Frage, ob der 3-Monats-Euribor unter die Begriffe „Preis oder Wert“ von anderen Gütern
oder Leistungen subsumiert werden kann.

Bei dem 3-Monats-Euribor handelt es sich um einen von bestimmten Teilnehmerbanken am
Markt angebotenen Zinssatz für ungesicherte Ausleihungen an andere Banken, wobei sich
dieser Zinssatz durch den Durchschnitt der angebotenen Zinssätze ermittelt
(MünchKommBGB/K. P. Berger, 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 171; BeckOGK-BGB/Coen,
Std.: 1.12.2021, § 247 Rn. 52). Fraglich ist insofern, ob dieser durchschnittliche Interbanken-
Zinssatz ein „Gut“ oder eine „Leistung“ bepreist. Der Zinssatz ist letztlich – jedenfalls bei
weitem Wortlautverständnis – der Preis für die darlehensweise Hingabe von Geld, was für
sich genommen wiederum eine Leistung darstellt.

Voraussetzung ist des Weiteren allerdings, dass die Leistung mit den vereinbarten Gütern
oder Leistungen nicht vergleichbar ist. Vergleichbare Leistungen dürfen also grundsätzlich
voneinander abhängig gemacht werden. Bei der Prüfung der Gleichartigkeit handelt es sich
um eine Wertungsfrage (Staudinger/Omlor, BGB, Neubearb. 2021, § 1 PrKlG Rn. 22). Als
gleichartig wurden von der Rechtsprechung bspw. eingeordnet: Die Versorgungsrente eines
Vorstandsmitglieds im Verhältnis zu einem bestimmten Tarifgehalt (BGH, Urt. v. 17.9.1954
– V ZR 79/53 – juris Rn. 25), die Höhe des Rückzahlungsanspruchs einer Darlehensvaluta
im Verhältnis zum Kurswert bestimmter Aktien (BGH, Urt. v. 31.1.1963 – VII ZR 266/61 –
juris Rn. 34) oder Unterhaltszahlungen gekoppelt an eine Beamtenbesoldung (OLG Bamberg,
Urt. v. 13.2.2012 – 7 UF 151/11 – juris Rn. 22).

Vorliegend soll das Nutzungsentgelt für einen Nießbrauch an den 3-Monats-Euribor gekoppelt
werden. Auf den ersten Blick stehen sich damit nicht vergleichbare Leistungen gegenüber,
denn die Nutzungsüberlassung bezüglich eines Grundstücks ist etwas grundlegend
anderes als die darlehensweise Hingabe von Geld zwischen verschiedenen Banken. Allerdings
darf unseres Erachtens hierbei der wirtschaftliche Hintergrund des gewählten „Teilkaufmodells“
nicht vollständig außer Acht gelassen werden.

Für die Verkäufer hat das „Teilkaufmodell“ regelmäßig darlehensersetzende Funktion.
Denn der lebzeitige Verkauf durch Immobilieneigentümer bei gleichzeitiger Weiternutzung
der Immobilie wird meist nur von solchen Eigentümern ohne ausreichende Liquidität gewählt,
die aufgrund der Vorgaben des § 505b Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 ImmoKWPLV (Verordnung
zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung
bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen vom 24. April 2018) von Kreditinstituten
keinen Kredit mehr erhalten. Da die Darlehenszinssätze regelmäßig erheblich unter
den Gebühren für sog. Teilkaufmodelle oder Sale-And-Lease-Back-Konstruktionen liegen,
ist das Modell für Kunden, die von einer Bank noch ein Darlehen erhalten würden, wenig
attraktiv. Der Unterschied zum Darlehen liegt lediglich darin, dass (je nach Konstruktion im
Einzelfall) keine „Rückzahlung“ erfolgt, sondern sich der Gläubiger aus dem Gesamtverkauf
der Immobilie nach dem Tod des Verkäufers befriedigt.

Wirtschaftlich gesehen ist aber auch der Teilkauf ebenso wie ein Darlehen auf die Überlassung
von Geld auf Zeit gerichtet, denn der Teilkaufunternehmer hat regelmäßig kein
Interesse daran, den Miteigentumsanteil an dem Grundstück dauerhaft zu behalten. Durch
den regelmäßig vereinbarten Gesamtverkauf nach dem Tod des Nießbrauchers erhält der
Teilkaufunternehmer seine investierte Geldsumme „zurückgezahlt“ (allerdings nicht vom
Nießbraucher, sondern von einem späteren Käufer der Immobilie oder – im Fall des Rückkaufs
– von den Erben des Verkäufers).

Das „Nutzungsentgelt“ für den Nießbrauch ist in diesen konkreten Fällen u. E. mit der
Zahlung eines Zinses vergleichbar, da der Teilkaufunternehmer das Nutzungsentgelt für die
Zurverfügungstellung von Kapital (Kaufpreis) unter gleichzeitigem Verzicht auf ein eigenes
Nutzungsrecht am Grundstück erhält. Wir würden deshalb davon ausgehen, dass der Anwendungsbereich
des PrKlG bereits deshalb nicht eröffnet ist, möchten aber darauf hinweisen,
dass Rechtsprechung oder Literatur zur konkreten Thematik nicht vorliegt, sodass
eine gewisse Unsicherheit verbleibt, wie ein Gericht die Gestaltung einordnen würde.
Käme man bei dieser Einordnung zu einem anderen Ergebnis, bliebe schließlich auch die
mögliche Einordnung als Kostenelementklausel gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 PrKlG, wonach das
Verbot des § 1 Abs. 1 PrKlG nicht für solche Klauseln gilt, bei denen der geschuldete Betrag
von der Entwicklung der Preise oder Werte für Güter oder Leistungen abhängig gemacht
wird, soweit diese die Selbstkosten des Gläubigers bei der Erbringung der Gegenleistung unmittelbar
beeinflussen. Geht man davon aus, dass der Teilkaufunternehmer sich für die Zurverfügungstellung
des Kapitals refinanzieren muss, so beeinflusst der marktübliche Zinssatz
die Kosten, die der Gläubiger aufwenden muss, um dem Verkäufer das Kapital unter Verzicht
auf die eigene Nutzungsmöglichkeit auf Zeit zur Verfügung zu stellen. Auch dies ist jedoch
wiederum voraus, dass man eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung der Konstruktion vornimmt
und nicht lediglich den Teilbereich „Nutzung gegen Entgelt“ betrachtet.
2. Hilfsweise: Kein Eingreifen der Bereichsausnahme gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a PrKlG
Schließlich könnte man – sofern man den Anwendungsbereich des Gesetzes doch für eröffnet
hält – an die Bereichsausnahme des § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a PrKlG denken. Der Nießbrauch
wird üblicherweise auf Lebenszeit des Schuldners vereinbart, sodass eine entsprechende
Anpassungsklausel grundsätzlich zulässig wäre. Selbst wenn für den Nießbrauch
weitere Gründe für das Erlöschen vorgesehen sind (Insolvenz, Kündigung wegen Zahlungsverzug
etc.) und der Tod des Nießbrauchers nicht die einzig mögliche Beendigung des Rechts
darstellt, dürfte die Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a PrKlG nicht grundsätzlich hindern.
Denn Sinn und Zweck der Norm ist, dass eine Wertsicherung immer dann möglich sein soll,
wenn das Recht für einen besonders langen Zeitraum eingeräumt wird. Es soll ein Ausgleich
zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Sicherung der Preisstabilität und dem
Interesse der Vertragsbeteiligten an einer effektiven Wertsicherung gefunden werden. Dieses
Interesse besteht aber auch, wenn der Tod typischerweise der Beendigungsgrund ist und die
anderen Beendigungsgründe lediglich Sicherungsfunktion haben (bspw. im Falle der Insolvenz
oder des Zahlungsausfalls).

Weitere Voraussetzung für diese Bereichsausnahme ist allerdings, dass der geschuldete Betrag
durch die Änderung eines vom statistischen Bundesamt oder einem statistischen Landesamt
ermittelten Preisindex für die Gesamtlebenshaltung oder einen Verbraucherpreisindex
abhängt. Der Euribor ist kein solcher Preisindex für die Gesamtlebenshaltungskosten,
sondern nur für eine spezifische Leistung, sodass eine Einordnung unter diese Bereichsausnahme
ausscheiden dürfte. Ob eine Wertsicherung anhand des Verbraucherpreisindex ebenso
dem Willen der Beteiligten entsprechen würde, vermögen wir naturgemäß nicht zu beurteilen.
Da bei der Anknüpfung an den 3-Monats-Euribor eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht,
ob ein Gericht die hier vertretene Auffassung teilen würde, wäre die Anknüpfung an
den Verbraucherpreisindex jedenfalls eine Alternative, die mit den Beteiligten erörtert werden
sollte.

3. AGB-Kontrolle
Kollegialiter möchten wir schließlich über ihre Fragestellung hinaus darauf hinweisen, dass
aufgrund des vorliegenden Verbrauchervertrags gem. § 310 Abs. 3 BGB die Klausel einer
AGB-Kontrolle standhalten muss. Bei der „Anpassungsklausel“ dürfte es sich nicht um eine
kontrollfreie Preisabrede, sondern um eine kontrollfähige Preisnebenabrede handeln (vgl. zu
Zinsanpassungsklauseln BeckOGK-BGB/Eckelt, Std.: 15.7.2021, § 307 Rn. 190.1). Eine
kontrollfähige Preisnebenabrede liegt nach Auffassung der Rechtsprechung immer dann vor,
wenn sie die Hauptleistung zwar beeinflussen, im Gegensatz zur Preisabrede aber nicht die
Höhe des Preises unmittelbar regeln, sondern die Hauptleistung ausgestalten, verändern, einschränken
oder modifizieren (BGH NJW 2010, 2789, 2790; BGH NJW 2001, 2014, 2016;
ausführlich zur gesamten Thematik: Jäger, NJW 2019, 3752 ff.).

Kontrollfrei dürfte damit die grundsätzliche Vereinbarung eines bestimmten Nutzungsentgelts
sein, nicht aber deren Anpassung (vgl. exemplarisch BGH NJW 2014, 2708 – die Berechnung
des Ausgangspreises ist einer Inhaltskontrolle entzogen, die Berechnung künftiger
Anpassungen unterliegt der Inhaltskontrolle).

Hält man die AGB-Kontrolle grundsätzlich für eröffnet, stellt sich die Frage, ob die einseitige
Anpassungsmöglichkeit (das Nutzungsenzgelt kann zwar steigen, nicht aber fallen) eine unangemessene
Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB darstellt. Mangels unmittelbar einschlägiger
Rechtsprechung handelt es sich letztlich um eine offene Wertungsfrage, die das
DNotI nicht abschließend zu beurteilen vermag. Für Zinsanpassungsklauseln urteilte der
BGH jedoch, dass eine Bestimmung gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt, die der Bank zwar
eine Anpassung nach oben ermöglicht, damit jedoch nicht eine Pflicht zum Absinken bei
sinkenden Zinsen korrespondiert (BGH NJW 2009, 2051).

Gutachten/Abruf-Nr:

186365

Erscheinungsdatum:

18.02.2022

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

PreisklG § 3; PreisklG § 1