Gestattung einer teilweisen Ausschlagung von Vermächtnissen
Gestattung einer teilweisen Ausschlagung von Vermächtnissen
I. Sachverhalt
Erblasser E möchte sein werthaltiges und komplex strukturiertes Immobilienvermögen mehreren Personen im Vermächtniswege zukommen lassen. Die Vermächtnisnehmer sollen (wohl aus steuerlichen Gründen) möglichst flexibel steuern können, wie viel Vermögen sie nach dem Erbfall tatsächlich erhalten. Hierzu sollen bspw. Vermächtnisnehmer A fünf Immobilien zugewiesen werden, wobei A im Hinblick auf jede einzelne der Immobilien die Möglichkeit haben soll, das Vermächtnis teilweise (also hinsichtlich einzelner Bruchteilseigentumsanteile) anzunehmen und im Übrigen auszuschlagen. Im Testament soll ausdrücklich eine solche teilweise Annahme und teilweise Ausschlagung des Vermächtnisses gestattet werden.
II. Fragen
1. Ist eine teilweise Annahme und teilweise Ausschlagung dieses einheitlichen Vermächtnisses nach den
2. Falls Frage 1 verneint wird, müsste für die Zulässigkeit jeder einzelne Bruchteil (je 1/10 Miteigentumsanteil der Immobilie 1, der Immobilie 2, etc.) ausdrücklich als eigenständiges Vermächtnis im Testament ausgewiesen werden?
III. Zur Rechtslage
Bevor die Möglichkeiten zur teilweisen Ausschlagung von Vermächtnissen näher geprüft werden, soll der Blick zunächst auf die Ausschlagungsmöglichkeiten bei der Berufung zu mehreren Erbteilen gerichtet werden.
1. Rechtslage in Bezug auf die Teilausschlagung von Erbteilen
Sowohl bei der gesetzlichen Erbfolge als auch bei der gewillkürten Erbfolge sind Konstellationen denkbar, in denen ein Erbe zu mehreren Erbteilen berufen wird. Bei der gewillkürten Erbfolge ist dies etwa dann der Fall, wenn der Erbe zugleich Ersatzerbe oder Nacherbe aufgrund Wegfalls eines vorrangig berufenen (Vor-)Erben wird. Bei der gesetzlichen Erbfolge sind die praktisch seltenen Fälle der
Welche Möglichkeiten zur Ausschlagung bestehen, wenn ein Erbe zu mehreren Erbteilen berufen ist, regelt
Umstritten ist allerdings, ob alleine die Teilung eines Erbteils (2/3 + 1/3 anstelle 1/1) auf die Gestattung zur getrennten Ausschlagung/Annahme schließen lässt (so z. B. MünchKommBGB/Leipold, § 1951 Rn. 6 f.; NK-BGB/Ivo, § 1951 Rn. 7; a. A. dagegen BeckOGK-BGB/Heinemann, Std.: 1.9.2024, § 1951 Rn. 27, wonach die Teilung zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für die Teilbarkeit des Annahme-/Ausschlagungsrechts darstelle). Lehnt man dies mit der Mindermeinung ab, wäre demgemäß eine ausdrückliche Gestattungsverfügung erforderlich, die etwa wie folgt formuliert werden könnte (vgl. BeckOGK-BGB/Heinemann, § 1951 Rn. 28):
„Ich gestatte dem Erben, den Erbteil zu 2/3 und den Erbteil zu 1/3 gesondert anzunehmen bzw. auszuschlagen.“
2. Rechtslage im Falle der Vermächtniszuwendung
Für das Vermächtnis bestimmt
Aus dem Verweis des
Für zulässig wird es allerdings gehalten, eines von mehreren Vermächtnissen anzunehmen und ein anderes auszuschlagen (BeckOGK-BGB/Forschner, § 2180 Rn. 16.; Burandt, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2180 Rn. 7; Staudinger/Otte, BGB, 2019, § 2180 Rn. 18). Dabei wirft die Abgrenzung zwischen einzelnen Vermächtnissen und einem einheitlichen Vermächtnis in der Praxis durchaus Schwierigkeiten auf, etwa, wenn es sich um das Vermächtnis des gesamten Hausrats handelt. Während einzelne Kommentatoren hierin mehrere Einzelvermächtnisse sehen wollen (vgl. etwa Staudinger/Otte, § 2180 Rn. 18), gehen andere davon aus, dass es sich bei einem Hausratsvermächtnis eher um ein einheitliches Vermächtnis handele, da es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass der Erblasser es dem Bedachten gestatten wolle, sich die besten Stücke herauszusuchen und die (erfahrungsgemäß häufig lästige und kostspielige) Entsorgung der übrigen dem Erben zu überlassen (vgl. BeckOGK-BGB/Forschner, § 2180 Rn. 17).
Zur Frage, ob auch bei Vorliegen eines einheitlichen Vermächtnisses eine Teilannahme oder -ausschlagung (vergleichbar mit
In diesem Zusammenhang bleibt zu berücksichtigen, dass bei der Frage der Teilausschlagung u. E. nicht die Frage der Gestattung im Mittelpunkt steht. Zentrales Element ist bei der Erbeinsetzung die Bildung mehrerer Erbteile bzw. beim Vermächtnis die Aussetzung mehrerer Vermächtnisse. Die Gestattung muss im ersten Fall nur zusätzlich hinzukommen; beim Vermächtnis spielt sie wohl keine Rolle, da
„Wer zu mehreren Vermächtnissen berufen ist, kann das eine annehmen und das andere ausschlagen. Dies hatte E I § 1873 Abs. 4 ausdrücklich ausgesprochen. Die II. Kommission hat diese Bestimmung als selbstverständlich gestrichen (Prot. V 219). Die Annahme oder Ausschlagung eines von mehreren Vermächtnissen ist demnach nicht an die einschränkenden Voraussetzungen des
3. Ergebnis
Zusammenfassend betrachtet ist daher davon auszugehen, dass bei einem einheitlichen Vermächtnis keine Teilausschlagung gestattet werden kann. Zur Ermöglichung einer Teilausschlagung müssten selbstständige Vermächtnisse gebildet werden. Alternativ kann auch die Einräumung von Wahlvermächtnissen i. S. v.
208811
Erscheinungsdatum:27.11.2024
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 1951