08. Dezember 2023
BeurkG § 16 Abs. 3

Übersetzung der Niederschrift durch einen Dolmetscher in verschiedene Sprachen

BeurkG § 16 Abs. 3 S. 1
Übersetzung der Niederschrift durch einen Dolmetscher in verschiedene Sprachen

I. Sachverhalt
Gewünscht wird die Beurkundung der Gründung einer GmbH. Die GmbH soll aus zwei Gesellschaftern bestehen. Beide Gesellschafter sind der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, sodass die Hinzuziehung eines Dolmetschers zur Beurkundung erforderlich ist. Gesellschafter 1 wünscht die Übersetzung in die englische Sprache, Gesellschafter 2 wünscht die Übersetzung in die chinesische Sprache (Mandarin). Gewünscht ist die Hinzuziehung einer Person als Dolmetscher, die sowohl der deutschen, der englischen als auch der chinesischen Sprache (Mandarin) hinreichend mächtig ist.

II. Frage
Ist es zulässig, dass zur Beurkundung nur eine Person hinzugezogen wird, die sowohl die Übersetzung für Gesellschafter 1 in die englische Sprache als auch die Übersetzung für Gesellschafter 2 in die chinesische Sprache (Mandarin) vornimmt?

III. Zur Rechtslage
Zu der gestellten Frage konnten wir in Rechtsprechung und Literatur keine ausdrückliche Stellungnahme finden. Nach unserer Auffassung kann ein einziger Dolmetscher die Übersetzung der Niederschrift in verschiedene von ihm beherrschte Sprachen für mehrere Beteiligte vornehmen.

1. Stellung des Dolmetschers
Gem. § 16 Abs. 3 S. 1 BeurkG muss ein Dolmetscher hinzugezogen werden, falls der Notar die in deutscher Sprache gefertigte Niederschrift (§ 5 Abs. 1 BeurkG) nicht selbst in eine Sprache übersetzen kann, die ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Beteiligter versteht. Der Dolmetscher ist eine Hilfsperson des Notars (BeckOGK-BeurkG/Seebach/Rachlitz, Std.: 1.5.2022, § 16 Rn. 76; Armbrüster/Preuß/Piegsa, BeurkG mit NotAktVV und DONot, 9. Aufl. 2023, § 16 BeurkG Rn. 30). Daher soll er wie dieser von der Beurkundung ausgeschlossen sein, wenn einer der Ausschließungsgründe der §§ 6, 7 BeurkG in seiner Person besteht, § 16 Abs. 3 S. 2 BeurkG.

2. Zulässigkeit der Mehrfachübersetzung
Aus den folgenden Gründen erscheint es uns zulässig, dass der Dolmetscher in mehrere Sprachen für mehrere Beteiligte übersetzt.

a) § 16 Abs. 3 S. 1 BeurkG verwendet die Singularform „ein Dolmetscher“. Dem Wortlaut der gesamten Vorschrift lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, ob damit je ein Dolmetscher für jeden sprachunkundigen Beteiligten gemeint ist oder ob ein Dolmetscher die Übersetzung für mehrere Beteiligte mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen leisten kann.

b) Keine der Vorschriften der §§ 16, 6, 7 BeurkG enthält ein an den Dolmetscher gerichtetes Verbot, für mehrere Beteiligte zu übersetzen. Darüber hinaus kann der Notar selbst nach § 16 Abs. 2 S. 1 BeurkG die Übersetzung vornehmen, wenn er der fremden Sprache(n) mächtig ist. Es gibt keine Vorschrift, die es dem Notar verbietet, die Niederschrift in mehrere Sprachen zu übersetzen. Ferner kann ein Notar eine Niederschrift in mehreren gleichwertig verbindlichen Sprachfassungen errichten, wenn er der jeweiligen Sprache mächtig ist (vgl. BGH DNotZ 2019, 830 Tz. 20; Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl. 2022, § 9 Rn. 134). Da der Dolmetscher als Hilfsperson des Notars agiert (oben Ziff. 1), sind für uns keine sachlichen Gründe ersichtlich, die in dem geschilderten Fall gegen die Zulässigkeit des angedachten Beurkundungsverfahrens sprechen.

c) Unzulässig ist es nach h. M. im Schrifttum, als Dolmetscher tätig zu werden, wenn die dolmetschende Person bereits aus einem anderem Grund an der Verhandlung teilnimmt, insbesondere als Schreibzeuge nach § 25 BeurkG (BeckOGK-BeurkG/Seebach/Rachlitz, § 16 Rn. 81; Armbrüster/Preuß/Piegsa, § 16 Rn. 32; vgl. auch OLG Hamm NJW 2000, 3362). Zulässig ist es dagegen laut ganz herrschender Ansicht, wenn der Dolmetscher zusätzlich als Verständigungsperson (§ 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG) oder als Gebärdendolmetscher (§ 22 Abs. 1 S. 2 BeurkG) agiert. Denn in diesen Fällen leiste er einen gleichgelagerten „Informationstransfer“ (dazu Rossak, ZEV 2002, 435, 436); eine Konfliktlage bei der Aufgabenwahrnehmung sei nicht ersichtlich (Armbrüster/Preuß/Piegsa, § 16 Rn. 32; Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 16 Rn. 23; BeckOGK-BeurkG/Seebach/Rachlitz, § 16 Rn. 81; a. A.: Grziwotz/Heinemann/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl. 2018, § 16 Rn. 42). Wenn ein Gebärdendolmetscher zugleich als gewöhnlicher Dolmetscher agieren darf, dürfte es erst recht zulässig sein, dass ein Dolmetscher die gleichgelagerte Übersetzungsleistung für verschiedene Beteiligte erbringt. Der Dolmetscher ist dann aus demselben Grund, nämlich der Sprachunkundigkeit der Beteiligten, an dem Beurkundungsverfahren beteiligt.

d) Aus dem Verweis des § 16 Abs. 3 S. 1 BeurkG auf die §§ 6, 7 BeurkG ergibt sich, dass der Dolmetscher in gleicher Weise wie der Notar zur Neutralität verpflichtet ist. Seine Tätigkeit scheidet dann aus, wenn er in einen Interessenkonflikt gerät. Ein solcher Interessenkonflikt ist bei einem Mehrfachübersetzen nicht ersichtlich. Denn gegenüber jedem der Beteiligten ist der Dolmetscher zur bestmöglichen Übersetzung verpflichtet. Zu diesem Zweck kann der Notar den Dolmetscher vereidigen, § 16 Abs. 3 S. 3 BeurkG. Der Dolmetscher ist gerade nicht Interessenvertreter des jeweiligen sprachunkundigen Beteiligten.
e) Nach unserer Einschätzung kann es für das Beurkundungsverfahren förderlich sein, wenn ein Dolmetscher für mehrere sprachunkundige Personen übersetzt. Bei Diskussionen unter den Beteiligten braucht nicht der erste Dolmetscher von der ersten Fremdsprache in die deutsche Sprache zu übersetzen und sodann der zweite Dolmetscher von der deutschen Sprache in die zweite Fremdsprache. Bei diesem ebenfalls zulässigen Weg kann es im Einzelfall eher zu sprachlichen Missverständnissen und Unschärfen in der Übersetzung kommen. Sofern hingegen ein Dolmetscher unmittelbar von der Sprache eines Beteiligten in die Sprache des anderen Beteiligten und in die deutsche Sprache übersetzt, dürfte erst recht eine kohärente Übersetzung sichergestellt sein.

3. Ergebnis
Nach unserem Dafürhalten ist es zulässig, dass ein einziger Dolmetscher für mehrere (verschiedensprachige) Beteiligte in mehrere Sprachen übersetzt. Die Hinzuziehung von mehreren Dolmetschern für jeden sprachunkundigen Beteiligten oder für jede Fremdsprache halten wir für nicht erforderlich. Unmittelbar einschlägige Literatur oder Rechtsprechung ist indes nicht ersichtlich.

Gutachten/Abruf-Nr:

200784

Erscheinungsdatum:

08.12.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 180-182

Normen in Titel:

BeurkG § 16 Abs. 3