31. März 2023
BGB § 1767; BGB § 2069

Volljährigenadoption mit schwachen Wirkungen; Ersatzberufung des Angenommenen im Rahmen eines Berliner Testaments

BGB §§ 1767 ff., 2069
Volljährigenadoption mit schwachen Wirkungen; Ersatzberufung des Angenommenen im Rahmen eines Berliner Testaments

I. Sachverhalt
Herr K ist von seiner Adoptivmutter AM im Jahre 2011 als Volljähriger adoptiert worden (Volljährigenadoption mit schwacher Wirkung). Nach dem Ausspruch der Adoption durch das Familiengericht verstarb die Adoptivmutter.

Nunmehr sind die Eltern der Adoptivmutter verstorben, die ihre Tochter AM im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments zum Erben des längstlebenden Elternteils bestimmt haben.

II. Frage
Ist K – aufgrund des Vorversterbens seiner Adoptivmutter AM – nach dem längstlebenden Elternteil von AM Erbe geworden oder ist dies aufgrund der schwachen Wirkungen der Volljährigenadoption ausgeschlossen?
III. Zur Rechtslage
1. Wirkungen der Volljährigenadoption
Die normale Volljährigenadoption nach den §§ 1767 ff. BGB stellt keine Volladoption dar, sondern begründet nur schwache Rechtswirkungen. Der Angenommene wird zwar Kind des Annehmenden und auch seine etwaigen Abkömmlinge werden von der Annahme erfasst. Zwischen dem Angenommenen und den Verwandten des Annehmenden entsteht aber kein Verwandtschaftsverhältnis, § 1770 Abs. 1 S. 1 BGB. Ferner bleiben gem. § 1770 Abs. 2 BGB die Rechtsbeziehungen des Angenommenen und seiner Abkömmlinge zu den leiblichen Verwandten in vollem Umfang bestehen.

Damit lässt sich zunächst festhalten, dass der Adoptivsohn K (und dessen etwaige Kinder) durch die Adoption zwar mit der Adoptivmutter AM, nicht aber mit deren Eltern, verwandt wurde, so dass in Bezug auf die „Adoptiv-Großeltern“ und damit auch in Bezug auf den letztverstorbenen Elternteil der Adoptivmutter, dessen Beerbung nun zu klären ist, kein gesetzliches Erb- bzw. Pflichtteilsrecht besteht.

2. Ersatzberufung aufgrund Verfügung von Todes wegen
Eine andere Frage ist, inwieweit K aufgrund Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) zur Erbfolge nach dem Erblasser berufen sein kann. In Betracht käme insoweit eine Ersatzerbenberufung nach Wegfall der zur Schlusserbin berufenen Tochter des Erblassers und Adoptivmutter von K.

a) Soweit ersichtlich, hat der Erblasser lediglich eine Verfügung von Todes wegen (gemeinschaftliches Testament mit dem Ehegatten) hinterlassen. Enthält das Testament keine Ersatzerbenberufung, kann sich eine Ersatzberufung aus § 2069 BGB ergeben. § 2069 BGB enthält eine Auslegungsregel dahingehend, dass dann, wenn der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht hat und dieser nach der Errichtung des Testaments weggefallen ist, im Zweifel anzunehmen ist, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden. Nach der Auslegungsregel ist bei Wegfall eines bedachten Abkömmlings des Erblassers nach Testamentserrichtung also im Zweifel ersatzweise der betreffende Stamm berufen (Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2069 Rn. 1).

Voraussetzung des § 2069 BGB ist zum einen, dass der Bedachte ein Abkömmling des Erblassers ist, und zum anderen, dass dieser nach Testamentserrichtung weggefallen ist. Beide Voraussetzungen sind hinsichtlich der vorverstorbenen Adoptivmutter von K erfüllt.

Als Ersatzberufene treten an die Stelle des Weggefallenen aber nur dessen Abkömmlinge, soweit sie bei der gesetzlichen Erbfolge nach dem Erblasser (nicht nach dem Weggefallenen) nachrücken würden (Grüneberg/Weidlich, § 2069 Rn. 7; MünchKommBGB-Leipold, 9. Aufl. 2022, § 2069 Rn. 22; BeckOGK-BGB/Gomille, Stand: 1.8.2022, § 2069 Rn. 35). Der Personenkreis der Ersatzberufenen richtet sich also danach, wer gem. § 1924 BGB zum Zeitpunkt des Erbfalls in Bezug auf den Erblasser, um dessen Beerbung es geht (hier: letztverstorbener Elternteil der Adoptivmutter), dessen gesetzlicher Erbe geworden wäre (Grüneberg/Weidlich, § 2069 Rn. 7). Dies führt dazu, dass zum Kreis der Ersatzbedachten nach § 2069 BGB neben den leiblichen Abkömmlingen Adoptivkinder des weggefallenen Abkömmlings nur dann zählen, wenn die Adoption mit starken Wirkungen (Minderjährigenadoption oder Volljährigenadoption nach § 1772 BGB) erfolgt ist (Müller-Engels, in: MüllerEngels/Sieghörtner/Emmerling de Oliveira, Adoptionsrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2020, Rn. 417). Handelt es sich dagegen wie im vorliegenden Fall um eine normale Volljährigenadoption i. S. d. §§ 1767 ff. BGB, wäre der Adoptierte zwar als Abkömmling des Weggefallenen anzusehen, aber wegen § 1770 Abs. 1 BGB nicht mit dem Erblasser i. S. v. § 2069 BGB verwandt (vgl. Ziff. 1), so dass er auch bei gesetzlicher Erbfolge nach dem Erblasser nicht nachrücken würde (vgl. auch BeckOGK-BGB/Gomille, § 2069 Rn. 35 m. w. N.). Über § 2069 BGB sind solche volljährigen Angenommenen daher nicht ersatzberufen (BayObLGZ 1985, 246, 254 = FamRZ 1985, 426).

b) Die gleiche Rechtslage würde sich ergeben, wenn im Testament eine ausdrückliche Ersatzberufung der Abkömmlinge i. S. v. § 2096 BGB enthalten wäre, die den Tatbestand des § 2069 BGB wiederholt; denn dann würde § 2069 BGB in Bezug auf die Rechtsfolgen zur Anwendung gelangen (BayObLG NJW 1961, 1678, 1679; OLG Brandenburg BeckRS 1998, 3667; BeckOGK-BGB/Gomille, § 2069 Rn. 48).

c) Etwas anderes würde u. E. nur gelten, wenn im Testament eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge der Weggefallenen i. S. v. § 2096 BGB enthalten wäre, die sich (allgemein) auch auf adoptierte Abkömmlinge erstreckt (was ggf. durch Auslegung zu ermitteln wäre).

3. Ergebnis
Im vorliegenden Fall liegt eine Volljährigenadoption mit schwachen Wirkungen nach den §§ 1767 ff. BGB vor. Aufgrund der Adoption wurde daher kein Verwandtschaftsverhältnis zu den Verwandten der Adoptivmutter, und damit auch nicht zum Erblasser, begründet (vgl. § 1770 Abs. 1 S. 1 BGB), so dass es an den Voraussetzungen für eine Ersatzberufung kraft gesetzlicher Auslegungsregel (§ 2069 BGB) fehlt. K könnte daher nur aufgrund einer im Testament enthaltenen Ersatzberufung (§ 2096 BGB), die auch (volljährig) adoptierte Abkömmlinge miteinbezieht, zur Schlusserbfolge berufen sein.

Gutachten/Abruf-Nr:

193360

Erscheinungsdatum:

31.03.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 52-54

Normen in Titel:

BGB § 1767; BGB § 2069