Fusion nicht rechtsfähiger und eingetragener Vereine; Vermögensübertragung außerhalb des Umwandlungsgesetzes; vereinsrechtliche Verschmelzung; Schenkung von Vereinsvermögen an neu gegründeten gemeinnützigen Verein; Anfallberechtigung nach Liquidation gemeinnütziger Vereine
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 163732
letzte Aktualisierung: 7. November 2018
BGB §§ 45, 47, 54;
Fusion nicht rechtsfähiger und eingetragener Vereine; Vermögensübertragung außerhalb
des Umwandlungsgesetzes; vereinsrechtliche Verschmelzung; Schenkung von
Vereinsvermögen an neu gegründeten gemeinnützigen Verein; Anfallberechtigung nach
Liquidation gemeinnütziger Vereine
I. Sachverhalt
Die Gesellschaft hat in mehreren Städten bzw. Stadtbezirken Betriebssportgruppen.
Zwei der Betriebssportgruppen (G und H) haben keine Satzung.
Eine Betriebssportgruppe (W) hat eine Vereinssatzung; der Verein ist aber nicht im Vereinsregister
eingetragen. Allerdings ist dieser Verein vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt
worden und hat ein Vermögen von 1.500,00 EUR.
Eine Betriebssportgruppe (B) ist ein im Vereinsregister eingetragener Verein, der nach der Satzung
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der AO verfolgt. Zweck
des Vereins ist die Förderung des Sports, der öffentlichen Gesundheit und der Jugendhilfe. Der
Verein hat ein Vereinsvermögen von ca. 3.500,00 EUR.
§ 13 der Vereinssatzung lautet wie folgt:
„Die Auflösung des Vereins kann nur in einer zu diesem Zweck
einberufenen Mitgliederversammlung beschlossen werden.
Voraussetzung ist, dass 2/3 der abgegebenen Stimmen zustimmen.
Sofern die Mitgliederversammlung nichts anderes beschließt,
sind 2 Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes
gemeinsam vertretungsberechtigte Liquidatoren.
Bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder nach Wegfall
der steuerbegünstigten Zwecke fällt das nach Beendigung der Liquidation
vorhandene Vereinsvermögen an die Sonderschule, die
es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige Zwecke zu
verwenden hat.
Im Falle einer Fusion des Vereins mit einem anderen Verein fällt
das Vermögen nach Vereinsauflösung an den neu entstehenden,
steuerbegünstigten Fusionsverein bzw. den aufnehmenden steuerbegünstigten
Verein, der es ausschließlich und unmittelbar für
gemeinnützige Zwecke zu verwenden hat.
Beschlüsse hierüber dürfen erst nach Einwilligung des Finanzamtes
ausgeführt werden.“
Nunmehr sollen die drei Betriebssportgruppen (G/H/W) und der e.V. (B) zu einer neuen Gemeinschaft
zusammengeführt werden. Diese neue Betriebssportgruppe soll nicht im Vereinsregister
eingetragen werden. Das Vermögen des e.V. (B) soll auf die neue Gemeinschaft (E) übertragen
werden.
II. Fragen
1. Kann das Vermögen des e.V. (B) auf eine neue, nicht eingetragene Betriebssportgruppe,
übertragen werden und ist hierfür bereits wegen § 13 der Satzung die Genehmigung des Finanzamts
notwendig oder erst nach Übertragung wegen des Beschlusses der Liquidation?
2. Ist es nach der AO, insb.
auf den neuen Verein (E) zu übertragen oder muss das Vermögen von (B) vielmehr im
Rahmen der Liquidation verwendet werden, wie es in § 13 der Satzung steht?
3. Sollte die neue Betriebssportgruppe als nicht eingetragener Verein geführt werden?
4. Wie läuft die Übertragung des Vereinsvermögens rechtlich ab? Durch Übertragung des
Vermögens des e.V. (B) auf den neu zu gründenden Verein (E) im Wege der Einzelrechtsnachfolge
(Schenkung) und Auflösung des e.V. (B) nach Übertragung sowie Neuaufnahme
aller Mitglieder von G, H, W und B?
III. Zur Rechtslage
Wir setzen mangels näherer Angaben voraus, dass es sich bei sämtlichen nicht eingetragenen
Betriebssportgruppen um nicht rechtsfähige Vereine handelt.
1. Gemeinnütziger nicht rechtsfähiger Verein
Nach heute wohl h.M. ist auch der nicht rechtsfähige Verein (evtl. besser: nicht
eingetragener Verein) teilrechtsfähig, wenn er durch Teilnahme am Rechtsverkehr Rechte
und Pflichten erwirbt bzw. begründet (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 54 Rn.
2; jurisPK-BGB/Bergmann, 8. Aufl. 2017, § 54 Rn. 27; Sikora, in: Baumbach/Sikora, Handund
Formularbuch zum Vereinsrecht, 2. Aufl. 2017, § 3 Rn. 16; Gummert, in: Münchener
Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 66 Rn. 1; zur aktiven
Parteifähigkeit BGH
Tz. 13). Entgegen dem Wortlaut von
entsprechend anzuwenden, soweit diese Vorschriften nicht die Eintragung im
Vereinsregister voraussetzen (BeckOK-BGB/Schöpflin, Stand: 1.11.2017, § 54 Rn. 15).
Voraussetzung auch des nicht rechtsfähigen Vereins dürfte ein ideeller Vereinszweck sein.
Ein nicht rechtsfähiger Wirtschaftsverein soll hingegen eine Gesellschaft (GbR oder OHG)
darstellen (BeckOK-BGB/Schöpflin, § 54 Rn. 8) oder zumindest wie eine solche zu
behandeln sein (zu den verschiedenen Ansichten Gummert, § 66 Rn. 10 ff.).
greift insoweit also wieder ein.
Ein nicht rechtsfähiger Verein kann gemeinnützig sein.
dass die zu privilegierende Körperschaft eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse
i. S. d. des Körperschaftsteuergesetzes ist.
körperschaftsteuerpflichtig ausdrücklich auch nicht rechtsfähige Vereine (vgl. auch
Schauhoff/Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl. 2010, § 6 Rn. 1;
Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 11. Aufl. 2015, 2.1.2.3).
Allerdings muss zusätzlich die Voraussetzung des
darf also nicht unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern sein
(Martini, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, 2017,
um einen nicht rechtsfähigen Verein handelt, nicht etwa um eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts. Die Abgrenzung kann schwierig sein, ist aber gleichwohl sorgfältig vorzunehmen,
da eine GbR nicht in den Genuss steuerlicher Vergünstigungen kommen kann
(Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, 2.1.2.3; vgl. auch Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler,
AO/FGO, Erg.Lfg. 7/2017,
Die Anerkennung als gemeinnützig setzt voraus, dass die Satzung der betreffenden Vereinigung
den Anforderungen gem.
Anlage 1 zu
nach Auflösung des Rechtsträgers i. S. d.
des eingetragenen Vereins enthält offenbar eine solche Bestimmung und sieht sowohl
für die Beendigung nach Liquidation als auch nach „Fusion“ den Anfall bei einem gemeinnützigen
Rechtsträger zur ausschließlichen Verwendung für gemeinnützige Zwecke vor.
Wenn auch die Betriebssportgruppe W vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt worden
ist, dann muss sie ebenfalls über eine solche oder ähnliche Klausel verfügen (wobei eine
ausdrückliche Bestimmung für den Fusionsfall nicht zwingend erscheint).
2. Vereinsfusion unter Beteiligung nicht rechtsfähiger Vereine, vereinsrechtliche Verschmelzung
Zwar kann ein eingetragener Verein als Ausgangs- und Zielrechtsträger an einer Umwandlung
nach UmwG teilnehmen (
Abs. 2 UmwG für Mischverschmelzung), ein anerkannter wirtschaftlicher Verein (§ 22
BGB) immerhin als übertragender Rechtsträger (
beteiligungsfähig nach dem UmwG ist aber der nicht rechtsfähige Verein
(Widmann/Mayer/Fronhöfer, Umwandlungsrecht, Erg.Lfg. 7/2005,
scheidet die „echte“ Verschmelzung des eingetragenen Vereins mit den nicht rechtsfähigen
Vereinen unter Anwendung des UmwG aus.
Ein Weg zur Verschmelzung bestünde darin, dass sich der nicht rechtsfähige Verein übergangsweise
in das Vereinsregister eintragen lässt und der sich nach Umwandlung entstandene
eingetragene Verein durch Verzicht auf die Rechtsfähigkeit in einen nicht rechtsfähigen
Verein identitätswahrend zurückverwandelt (vgl. Baumann/Sikora/Weiß, § 13 Rn. 18). Näherliegend
ist aber womöglich eine „Verschmelzung“ nach allgemeinen Grundsätzen, auch
„unechte Fusion“ oder „vereinsrechtliche Verschmelzung“ genannt (vgl. Stöber/Otto, Handbuch
zum Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016, Rn. 11, 12 ff.; Baumbach/Sikora/Weiß, § 13
Rn. 223 ff.; Reichert/Schimke/Dauernheim, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl. 2018,
Rn. 4526 ff.). An dieser kann sich auch der nicht rechtsfähige Verein beteiligen
(Reichert/Schimke/Dauernheim, Rn. 4526; Baumann/Sikora/Stiebitz, § 4 Rn. 252). Es handelt
sich dabei im Ergebnis um eine Kombination von Auflösung der bestehenden Vereine,
Gründung eines neuen Vereins und Einzelrechtsübertragung auf den neuen Verein; es findet
also keine Gesamtrechtsnachfolge statt (außer für den Fall, dass die Satzung den Fiskus als
Anfallberechtigten nach Liquidation vorsieht, vgl.
der „übertragenden“ Vereine dem neuen Verein nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen
übereignet werden. Ferner müssen die Mitglieder der übertragenden Vereine dem
neuen Verein beitreten (laut Stöber/Otto, Rn. 1115, soll die Satzung des neuen Vereins
vorsehen können, dass die Mitglieder der bisherigen Vereine mit ihrer Zustimmung durch
den neuen Verein „berufen“ werden; die Berufung sei den Mitgliedern der bisherigen
Vereine mitzuteilen; ihr Schweigen darauf sei nach angemessener Zeit als stillschweigend
erklärtes Einvernehmen zu werten).
Soweit die Vermögensübertragung wahlweise vor Auflösung als auch nach Liquidation als
Auskehrung an den Anfallberechtigten möglich sein soll, ist dies u. E. mit der
Einschränkung zu verstehen, dass eine Übertragung durch Schenkung vor der Auflösung
ausscheidet. Es ist zwar umstritten, ob
(vgl. Staudinger/Weick, BGB, 2005, § 47 Rn. 1). Klar dürfte jedoch sein, dass jede
Verteilung von Vereinsvermögen an andere Personen als den Fiskus nur im Wege eines
Liquidationsverfahrens stattfinden darf (BeckOK-BGB/Schöpflin, Stand: 1.11.2017, § 41
Rn. 4; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, Vor § 41 Rn. 4; Baumann/Sikora/Weiß, § 13
Rn. 260; ausführlich K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht,
1984, S. 296 f.: Vorschrift „besagt nur, daß eine Vermögensverteilung anders als im Liquidationswege
nicht erfolgen darf. Sie betrifft also […] nicht die Frage nach dem weiteren
Schicksal des Vereins (Fortbestand oder Zerschlagung), sondern sie regelt für den Fall der
Zerschlagung nur die Technik der Vermögensverteilung.“.
Zu beachten wäre also beim eingetragenen Verein insbesondere das Sperrjahr nach § 51
BGB. Ob
abschließend geklärt (dagegen aber BeckOK-BGB/Schöpflin, § 54 Rn. 55; Soergel/Hadding,
§ 54 Rn. 9; jurisPK-BGB/Bergmann, 8. Aufl. 2017, § 54 Rn. 39; dafür Gummert, § 76
Rn. 8).
Auch mit Rücksicht auf das Gemeinnützigkeitsrecht ist zu beachten, dass das Vereinsvermögen
nach Liquidation dem statutarisch bezeichneten (gemeinnützigen) Rechtsträger zufällt.
Es wäre also nicht nur entscheidend, dass das Vereinsvermögen irgendeinem gemeinnützigen
Rechtsträger zugewendet wird, sondern dass dies im Einklang mit der Satzung geschieht.
Alles andere wäre wohl als Verstoß gegen die Vermögensbindung i. S. d.
anzusehen (vgl. Schauhoff/Bott, § 10 Rn. 117 f.). Die Satzung des eingetragenen Vereins
enthält vorliegend freilich eine spezielle Klausel für die „Fusion“ des Vereins, die vom Finanzamt
offenbar anerkannt worden ist (vgl. auch zur Frage, ob eine fehlende Bestimmung
der – echten – Verschmelzung entgegensteht, wenn die Satzung einen anderen Anfallberechtigten
vorsieht:
4. Aufl. 2017, § 99 Rn. 20 ff.; Stöber/Otto, Rn. 1066). Die Verwendung des Begriffs
„Fusion“ ist unspezifisch, sodass sie auch die Fusion nach allgemeinen Grundsätzen umfassen
könnte, ebenso unspezifisch ist der verwendete Begriff des „Vereins“, sodass er sich
auf den nicht rechtsfähigen Verein als Zielrechtsträger erstrecken könnte. Letztlich sind dies
Auslegungsfragen, die wir im Rahmen eines Gutachtens nicht verbindlich beantworten
können. Will man ganz sichergehen, muss man durch Satzungsänderung den genau bezeich
auch für den gemeinnützigen nicht rechtsfähigen Verein gelten, dessen Satzung wir nicht
kennen.
Im Übrigen sieht die Satzung des eingetragenen Vereins selbst vor, dass auflösungs- oder
fusionsbezogene Beschlüsse erst nach Einwilligung des Finanzamts ausgeführt werden dürfen.
Es erscheint also schon von daher eine Abstimmung mit dem Finanzamt geboten.
163732
Erscheinungsdatum:15.11.2018
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Verein
Umwandlungsrecht
AO § 58; UmwG § 3; BGB § 55; AO § 55 Abs. 1; BGB § 45; AO § 60; BGB § 47; AO § 51 Abs. 1; AO § 61