GmbHG §§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. e, 8 Abs. 3 S. 1, 39 Abs. 3 S. 1; StGB §§ 265c, 265d, 265e
Versicherung des Geschäftsführers bzgl. fehlender Verurteilungen; neue Straftatbestände zur Manipulation von Sportwett-bewerben; Ergänzung der herkömmlichen Versicherung
I. Sachverhalt
Mit dem 51. Strafrechtsänderungsgesetz vom 11.4.2017 hat der Gesetzgeber neue Straftatbestände zur Manipulation von Sportwettbewerben geschaffen (BGBl. 2017 I, S. 815). Nach § 265c StGB ist der Sportwettbetrug strafbar, nach § 265d StGB die Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben. § 265e StGB betrifft besonders schwere Fälle dieser Straftaten. Das Gesetz ist am 12.4.2017 in Kraft getreten. Änderungen im GmbHG hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen.
Anfang Mai 2017 hat ein GmbH-Geschäftsführer bei der Anmeldung der Gesellschaft gegenüber dem Registergericht u. a. eine Versicherung gem. § 8 Abs. 3 S. 1 GmbHG abgegeben. In der Versicherung sind die §§ 265b, 266 und 266a StGB erwähnt, nicht aber die neu eingeführten Straftatbestände der §§ 265c, 265d und 265e StGB.
Das Registergericht beanstandet die Versicherung als unvollständig. Die Geschäftsführerversicherung müsse auch die neuen Straftatbestände abdecken. Denn nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. e GmbHG dürfe der Geschäftsführer nicht nach den „§§ 265b bis 266a StGB“ verurteilt worden sein.
II. Frage
Ist die Beanstandung des Registergerichts gerechtfertigt?
III. Zur Rechtslage
1. Problemaufriss
Nach § 8 Abs. 3 S. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer bei der Erstanmeldung der Gesellschaft zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 u. 3 sowie § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG entgegenstehen; für Folgeanmeldungen gilt Entsprechendes gem. § 39 Abs. 3 S. 1 GmbHG. Nicht Geschäftsführer kann gem. § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. e GmbHG derjenige sein, der nach den „§§ 263 bis 264a“ StGB oder den „§§ 265b bis 266a“ StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist.
Die Versicherung ist strafbewehrt: Wer als Geschäftsführer in der Versicherung nach § 8 Abs. 3 S. 1 GmbHG falsche Angaben macht, kann sich strafbar gem. § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG machen.
Nach Einführung der neugeschaffenen §§ 265c, 265d und 265e StGB ist fraglich, ob sich die Versicherung des Geschäftsführers auch auf diese Straftatbestände beziehen muss. Dafür spricht zunächst, dass sich § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. e GmbHG auf die Straftatbestände der §§ 265b bis 266a StGB insgesamt bezieht und damit seinem Wortlaut nach auch die neuen Vorschriften umfasst.
Als § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. e GmbHG mit dem MoMiG vom 13.10.2008 (BGBl. 2008 I, S. 2026) geschaffen wurde, existierten die Straftatbestände der §§ 265c bis 265e StGB freilich noch nicht. Der Gesetzgeber hat das GmbHG seitdem nicht mehr angepasst, auch nicht durch das 51. Strafrechtsänderungsgesetz. In den Gesetzesmaterialien zum 51. Strafrechtsänderungsgesetz findet sich kein Hinweis darauf, dass eine Verurteilung wegen der neugeschaffenen Delikte des Sportwettenbetrugs ein Ausschlussgrund für die Bestellung einer Person zum GmbH-Geschäftsführer sein soll (vgl. den Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/8831, sowie die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BR-Drucks. 18/11445). Soweit ersichtlich, hat der Gesetzgeber die Frage nicht erörtert.
Vor diesem Hintergrund würde eine Verurteilung nach den §§ 265c bis 265e StGB nur dann zur Inhabilität einer Person als Geschäftsführer führen, wenn § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. e GmbHG mit seiner Inbezugnahme der §§ 265b bis 266a StGB nicht bloß eine statische, sondern eine dynamische Verweisung auch auf künftige, neugeschaffene Paragrafen enthielte.
2. Problemdiskussion
a) Gesetzesentstehungsgeschichte des MoMiG
Zunächst fragt sich, welche Intention der Gesetzgeber des MoMiG mit der Inbezugnahme der „§§ 265b bis 266a StGB“ verfolgte. Im Regierungsentwurf (BT-Drucks. 16/6140, S. 6) wurden die Straftatbestände in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. e GmbHG noch einzeln aufgeführt („§ 265b, § 266 oder § 266a“). Solche Straftaten hatten zuvor keine Inhabilität begründet. Hintergrund der Ergänzung war, dass auch „allgemeine Vermögensdelikte“ zur Inhabilität des Geschäftsführers führen sollten (BT-Drucks. 16/6140, S. 32 reSp.), nicht dagegen etwa eine Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 StGB (BT-Drucks. 16/6140, S. 33 liSp.).
Mit dieser restriktiven Haltung konnte sich die Bundesregierung jedoch nicht durchsetzen. Auf Veranlassung des Bundesrates wurden zum einen die §§ 263 bis 264a StGB in den Katalog aufgenommen. Zum anderen wurde die Aufführung der einzelnen Paragrafen durch die Sammelbezeichnung „§§ 265b bis 266a StGB“ ersetzt.
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber damit eine dynamische Verweisung schaffen wollte, finden sich in der Gesetzesbegründung des Bundesrats nicht (BR-Drucks. 354/07 [B], S. 9 f.). Vielmehr führte auch die Gesetzes-begründung des Bundesrats die Strafnormen einzeln auf. Die Aufnahme der „§§ 263, 263a, 264, 264a StGB“ als Ausschlusstatbestände sei „angezeigt, weil derjenige, der deswegen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine zweifelhafte Einstellung zu fremden Vermögensmassen hat“ (BR-Drucks. 354/07 [B], S. 10; Hervorhebung durch die DNotI-Redaktion). Der Rechts-ausschuss des Bundestages ist diesem Vorschlag gefolgt, ohne dies näher zu begründen (vgl. BT-Drucks. 16/9737, S. 6, 55).
Anhaltspunkte für eine dynamische Verweisung lassen sich den Gesetzesmaterialien also nicht entnehmen. Vielmehr zeigt die Gesetzesentstehungsgeschichte, dass die Inbezugnahme der einzelnen Vermögensstraftaten durchaus rechtspolitisch umstritten war und der Gesetzgeber genau erwogen hat, welche Verurteilung wegen einer Straftat die Inhabilität des Geschäftsführers begründen soll. Dies belegt nicht zuletzt die Bezugnahme auf die einzelnen Straftaten im Regierungsentwurf. Dem Willen des Gesetzgebers dürfte daher ein statischer Verweis entsprochen haben und in der Sammelbezeichnung („bis“) lediglich eine Zusammenfassung der einzelnen Paragrafen aus redaktionellen Gründen zu sehen sein. Die Vorschrift fungiert lediglich als Platzhalter für die seinerzeit geltenden Paragrafen.
b) Gesetzesmaterialien des 51. Strafrechtsänderungsgesetzes
Aus den Gesetzesmaterialien des 51. Strafrechtsänderungsgesetzes ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber das Verweisungsproblem gesehen hat. Es kann dem Gesetzgeber kaum unterstellt werden, er sei stillschweigend davon ausgegangen, dass auch die Verurteilung wegen eines Sportwettenbetrugs einen Ausschlussgrund für die Geschäftsführerbestellung bilde. Daraus, dass der Gesetzgeber die Vorschriften in die §§ 265b bis 266a StGB integriert hat, wird man schwerlich eine belastbare Schlussfolgerung ziehen können. Ebenso gut hätte der Gesetzgeber die Vorschriften hinter § 266b StGB stellen können.
c) Unrechtsgehalt und Schutzgut der verschiedenen Straftatbestände
Eine Erstreckung des § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. e GmbHG auf die neugeschaffenen Strafvorschriften erscheint umso problematischer, als diese eine andere Schutzrichtung als die eindeutig in Bezug genommenen Tatbestände haben.
§ 263 StGB (Betrug) und § 263a StGB (Computerbetrug) dienen jeweils dem Schutz des Vermögens des Einzelnen, § 264 StGB (Subventionsbetrug) dient dem Schutz des Vermögens der öffentlichen Hand und der Institution der Subvention als Instrument staatlicher Lenkung (Schönke/Schröder/Perron, StGB, 29. Aufl. 2014, § 264 Rn. 4). § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) schützt zum einen das Vermögen, zum anderen die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als überindividuelles Rechtsgut (Schönke/Schröder/Perron, § 264a Rn. 1). Die bisherigen §§ 265b bis 266a StGB dienen ebenfalls dem Vermögensschutz. Der Tatbestand des Kreditbetrugs schützt zum einen das Vermögen des Kreditgebers, zum anderen das Kreditwesen insgesamt (Schönke/Schröder/Perron, § 265b Rn. 3). Geschütztes Rechtsgut der Untreue ist allein das Vermögen (Schönke/Schröder/Perron, § 266 Rn. 1). § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) bezieht sich auf das Gesamtinteresse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des Sozialversicherungsaufkommens sowie (§ 266a Abs. 3 StGB) auf das Vermögen des Arbeitnehmers (Schönke/Schröder/Perron, § 266a Rn. 2).
Im Mittelpunkt der neuen Bestimmungen stehen dem-gegenüber die Integrität des Sports und seiner Unverfälschtheit und Authentizität (BT-Drucks. 18/8831, S. 10; Swoboda/Bohn, JuS 2016, 686). Der Gesetzgeber nimmt zwar auch auf die große wirtschaftliche Bedeutung des Sports Bezug. Die Notwendigkeit eines zusätzlichen Straftatbestands wird aber u. a. mit der über den Betrugstatbestand hinausgehenden Beeinträchtigung der Integrität des Sports begründet (BT-Drucks. 18/8831, S. 11). Die neuen Strafvorschriften lassen sich daher nicht als bloße Ergänzung oder folgerichtige Fortschreibung der §§ 265b, 266 und 266a StGB verstehen.
Davon abgesehen weisen die Neuregelungen eine Parallele zu den Bestechungsdelikten (§§ 299 ff. StGB) auf, denn § 265c StGB und § 265d StGB verlangen das Annehmen eines Vorteils. Die Bestechungsdelikte sind nicht in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG als Inhabilitätsgründe genannt. Dann wäre es aber befremdlich, wenn gerade die Annahme eines Vorteils zur Sportmanipulation die Inhabilität begründete.
Festhalten lässt sich also, dass die neuen Vorschriften eine andere Schutzrichtung als die bisher in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG genannten Delikte verfolgen und ein dynamischer Verweis auch vor diesem Hintergrund problematisch erscheint. Man wird in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 lit. e GmbHG keinen dynamischen Verweis auf sämtliche Vorschriften erblicken können, die der Gesetzgeber zu einem späteren Zeitpunkt in diese Kette einfügt und die möglicherweise eine ganz andere Schutzrichtung verfolgen.
d) Strafrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz
Dass eine falsche Erklärung im Hinblick auf die §§ 265c bis 265e StGB zu einer Strafbarkeit nach § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG führen kann, erscheint auch wegen des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG) nicht unbedenklich. Es ist zwar zulässig, dass eine Strafnorm einen Blankettverweis auf eine andere Norm ausspricht (vgl. MünchKommStGB/Schmitz, 3. Aufl. 2017, § 1 Rn. 60 ff.). Allerdings muss auch die in Bezug genommene Norm hinreichend bestimmt sein (vgl. BVerfG NJW 2010, 754, 755 Tz. 24; MünchKommStGB/Schmitz, § 1 Rn. 60). Bei einem Tatbestandskatalog, der unter Verwendung des Wortes „bis“ offenbar auf bestimmte Tatbestände verweist, rechnet der Leser der Norm nicht ohne Weiteres mit einem dynamischen Verweis.
Wenn eine Erklärung nach § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG über eine Verurteilung nach den §§ 265c, 265d und 265e StGB nicht strafbewehrt ist, erscheint es nicht sinnvoll, der Versicherung i. S. v. § 8 GmbHG einen anderen Umfang zu geben.
3. Ergebnis
Das Wort „bis“ in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StGB lässt sich u. E. nicht als Platzhalter für sämtliche Tatbestände verstehen, die bei irgendeiner künftigen Gesetzesänderung einmal geschaffen werden. Dies gilt auch deshalb, weil ein „Dazwischenschieben“ von Normen (oder Unternormen) kein Regelfall der Gesetzgebung ist.
Wir halten daher eine auf die §§ 265c bis 265e StGB bezogene Versicherung des Geschäftsführers nicht für erforderlich (zweifelnd ebenfalls Melchior, Ausschluss vom Amt als Geschäftsführer wegen Sportwettenbetruges (?), zur Veröffentlichung in GmbHR 13/2017 vorgesehen).
Möchte man von vornherein Schwierigkeiten mit dem Registergericht vermeiden, kann man selbstverständlich die §§ 265c bis 265e StGB mit in den Straftatenkatalog aufnehmen. Erforderlich ist eine solche Konkretisierung indes nicht (vgl. BGH DNotZ 2010, 930 f. Tz. 8; MünchKommGmbHG/Herrler, 2. Aufl. 2015, § 8 Rn. 67 ff.). Das Problem der unvollständigen Versicherung stellt sich somit nur dann ein, wenn man die einzelnen Straftatbestände in der Versicherung aufführt (dafür etwa Herrler/Haines, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2017, § 6 Rn. 51).