BGB §§ 260 Abs. 1, 2314 Abs. 1; BeurkG § 37
Nachlassverzeichnis; Verweis auf Fotos/Lichtbilder als Anlage
I. Sachverhalt
Der Notar hat ein Nachlassverzeichnis erstellt. Hierbei wurden Teile des Hausrats in Form einer Fotodokumentation in Bezug genommen, ohne diese im Nachlassverzeichnis einzeln zu benennen. Der Pflichtteilsberechtigte rügt diese Darstellung und verlangt die einzelne Aufstellung aller Hausratsgegenstände im Nachlassverzeichnis.
II. Frage
Ist eine solche Fotodokumentation grundsätzlich zulässig oder ist hierfür die Zustimmung des Pflichtteilsberechtigten erforderlich?
III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzliches zum Inhalt des Nachlassverzeichnisses
Gem. § 2314 Abs. 1 BGB hat der Erbe den Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann hierbei verlangen, dass ein Verzeichnis i. S. d. § 260 Abs. 1 BGB vorgelegt wird, in dem die Nachlassgegenstände aufgeführt sind. Gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB kann verlangt werden, dass das Verzeichnis durch einen Notar oder eine Behörde aufgenommen wird. Privatverzeichnis und notarielles Nachlassverzeichnis unterscheiden sich hierbei grundsätzlich vom Umfang her nicht (vgl. BGHZ 33, 373 ff.). Durch das Nachlassverzeichnis soll der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt werden, seinen Pflichtteilsanspruch gegen den Erben spezifiziert geltend machen zu können (Schlitt/Müller/G. Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht. 2. Aufl. 2017, § 10 Rn. 170; Braun, MittBayNot 2008, 351).
2. Aufführung einzelner Gegenstände
Im Ausgangspunkt ist anerkannt, dass alle Nachlassgegenstände einzeln in einem übersichtlichen Verzeichnis zusammenzustellen sind (BGH, Beschl. v. 21.2.1996 – IV ZB 27/95, Rn. 4 [juris]; LG Bielefeld, Teilurt. v. 16.1.2019 – 3 O 138/18 [juris]; Groll/Steiner/Rösler, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 5. Aufl. 2019, Rn. 26.158; Staudinger/Herzog, BGB, Neubearb. 2015, § 2314 Rn. 13). Grundsätzlich unzulässig ist daher eine saldierende Zusammenfassung bestimmter Gruppen von Nachlassgegenständen und Schulden (BGH, Beschl. v. 21.2.1996 – IV ZB 27/95, Rn. 4 [juris]; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn. 13), bspw. „Guthaben auf allen Konten insg. […] EUR“.
Eine Ausnahme hiervon gilt nach h. M. bei weniger wertvollen Gegenständen, wie persönlichen Gegenständen und dem üblichen Hausrat. Diese dürfen nach überwiegender Auffassung in Sachgruppen zusammengefasst werden (vgl. ausführlich DNotI-Report 2003, 137, 139; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn. 13; Groll/Steiner/Rösler, Rn. 26.158; Schlitt/Müller/G. Müller, § 10 Rn. 169; LG Bielefeld, Teilurt. v. 16.1.2019 – 3 O 138/18, Rn. 34 [juris]). Wo genau die Grenze zwischen „wertvollen“ und „weniger wertvollen“ Gegenständen und damit zulässiger und unzulässiger Gruppierung verläuft, lässt sich abstrakt nicht bestimmen. So wird bspw. in der Literatur – u. E. zutreffend – davon ausgegangen, dass eine schlagwortartige Bezeichnung mit „Bilder“ oder „Antiquitäten“ nicht ausreichend ist (BeckOGK-BGB/Blum, Std.: 1.5.2020, § 2314 Rn. 7.1). Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Erstellung des Verzeichnisses nach h. M. dem Erben (und damit auch dem Notar) mit Blick auf Arbeits- und Zeitaufwand zumutbar sein muss (MünchKommBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2314 Rn. 6; Kurth, ZErb 2018, 225, 227; Sagmeister, MittBayNot 2013, 519, 520).
Der IX. Zivilsenat des BGH hat eine Gruppierung von Gegenständen des persönlichen Bedarfs und von Haushaltsgegenständen (allerdings für die Auskunftspflicht gem. § 1379 Abs. 1 S. 1 BGB) anerkannt. Wörtlich führt er aus:
„Bei der Angabe von Gegenständen des persönlichen Bedarfs und von Haushaltsgegenständen können Sachgesamtheiten und Inbegriffe von Gegenständen im Vermögensverzeichnis als solche aufgeführt werden, wenn und soweit der Verzicht auf eine detaillierte Aufschlüsselung im Verkehr üblich ist und eine ausreichende Orientierung des Auskunftsberechtigten nicht verhindert. Wertvolle Gegenstände sind in jedem Fall einzeln anzugeben.“
(BGH, Urt. v. 1.12.1983 – IX ZR 41/83 [juris])
Dem würden wir uns anschließen. Eine Klärung durch den für das Erbrecht zuständigen IV. Zivilsenat steht gleichwohl aus. Letztlich muss bei der genauen Bestimmung des Auskunftsanspruchs nach § 2314 Abs. 1 BGB zum einen das Interesse des Pflichtteilsberechtigten berücksichtigt werden, seinen Pflichtteilsanspruch hinreichend bestimmt geltend machen zu können, zum anderen muss sich die Erstellung für den Erben respektive den Notar im Rahmen des Möglichen bzw. Zumutbaren halten. Für die genaue Abgrenzung ist u. E. der Zweck des Auskunftsanspruchs in den Blick zu nehmen. Der Pflichtteilsberechtigte soll in die Lage versetzt werden, mithilfe des Verzeichnisses die Ermittlung des Wertes durch einen Sachverständigen zu veranlassen. Danach genügt eine Auskunft dann den Ansprüchen des § 2314 Abs. 1 BGB, wenn der Pflichtteilsberechtigte hierzu in die Lage versetzt wird (so ausdrücklich auch BGH, Beschl. 21.2.1996 – IV ZB 27/95, Rn. 4 [juris]). Vor diesem Hintergrund muss der Pflichtteilsberechtigte die Gegenstände nur hinreichend individualisieren können. Die teilweise in der Literatur zu findenden Formulierungsvorschläge für wertlose Gegenstände (bspw. „Teigschüssel, 2,75 Liter, Marke Tupperware“ – vgl. Schönenberg-Wessel, Das notarielle Nachlassverzeichnis, 1. Aufl. 2020, § 28 Rn. 25) erscheinen hierbei eher zu detailliert. Denn auch dem Pflichtteilsberechtigten hilft die genaue Umschreibung eines wertlosen Gegenstands nicht weiter, da sein Pflichtteilsanspruch sich hierdurch nicht erhöht.
Argumentativ lässt sich dieses Ergebnis durch einen Vergleich mit dem Bestimmtheitserfordernis gem. § 253 Abs. 1 ZPO absichern. Da die Geltendmachung des Anspruchs auf Verzeichniserstellung in der Regel dazu dient, in der Folge den Wertermittlungsanspruch gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB (ggf. gerichtlich) durchzusetzen. Auch bei der Individualisierung von Gegenständen im Rahmen der Klageerhebung werden an die Umschreibung der Gegenstände keine überzogenen Anforderungen gestellt – die Gegenstände müssen nur dergestalt bezeichnet werden, dass sie hinreichend bestimmt sind, um nicht das Vollstreckungsverfahren mit der Individualisierung zu belasten. Nicht vermeidbare Unsicherheiten sind hinzunehmen (BeckOK-ZPO/Bacher, Std.: 1.7.2020, § 253 Rn. 65). Bei Klagen bspw. auf „Herausgabe des Hausrats“ lässt die Praxis eine möglichst genaue Beschreibung nach Sachgruppen, ggf. mit Aufbewahrungsort zu (MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, § 253 Rn. 148). Auch im Rahmen der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses muss also eine Umschreibung dergestalt genügen, dass der Pflichtteilsberechtigte anhand des Nachlassverzeichnisses seinen Wertermittlungsanspruch bzgl. konkreter Gegenstände durchsetzen kann – insbes. vor dem Hintergrund, dass persönliche Gegenstände und Hausrat häufig ohnehin nur einen ideellen Wert aufweisen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es nach h. M. ausreicht, wenn weniger wertvolle Gegenstände in Gruppen zusammengefasst werden und nicht einzeln bezeichnet werden. Wertvollere Gegenstände (Gemälde, wertvoller Schmuck etc.) sind hingegen einzeln mit ihren wertbildenden Faktoren anzugeben.
3. Ersatz bzw. Ergänzung der Textdokumentation durch eine Fotodokumentation
Damit noch nicht beantwortet ist die Frage, ob die Umschreibung bestimmter Gegenstände in Gruppen in der Urkunde auch durch beigefügte Fotografien ergänzt oder gar ersetzt werden kann. Diese Frage wird in der Literatur nur selten diskutiert. Teilweise wird nur festgestellt, dass es „sinnvoll“ sein kann, Gegenstände abzufotografieren und das Foto als Anlage zum Nachlassverzeichnis zu nehmen (Sagmeister, MittBayNot 2013, 519, 521, Fn. 20). U. E. muss strikt zwischen den beiden Fragen getrennt werden, ob die Auflistung durch die Fotos ergänzt wird oder diese vielmehr ersetzen soll. Welche Variante genau gewählt wurde, lässt sich dem vorliegenden Sachverhalt nicht entnehmen.
Zunächst ist festzustellen, dass beurkundungsrechtlich gegen die Beifügung von Fotos keine Bedenken bestehen. Es gibt hierbei zwei Möglichkeiten, das Nachlassverzeichnis zu erstellen (gem. §§ 8 ff. BeurkG als Beurkundung von Willenserklärungen oder – wie üblich – gem. den §§ 36, 37 BeurkG als Tatsachenprotokoll). In beiden Fällen ist die Beifügung von Abbildungen zulässig. Bei der Beurkundung von Willenserklärungen gem. § 9 Abs. 1 S. 3 BeurkG und bei der Beurkundung als Tatsachenprotokoll gem. § 37 Abs. 1 S. 3 BeurkG (vgl. zum Verfahren bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses ausführlich Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 36 Rn. 6; Braun, MittBayNot 2008, 351).
Daran schließt die Frage an, ob die beigefügte Ablichtung zur Erfüllung des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten genügt. Für das Nachlassverzeichnis gilt grundsätzlich § 260 Abs. 1 BGB, sodass ein „Verzeichnis des Bestandes“ vorzulegen ist. Das Wort „Verzeichnis“ suggeriert, dass dies schriftlich als verkörperte Erklärung – nicht jedoch zwingend in Schriftform i. S. d. § 126 BGB – zu erfolgen habe (BeckOGK-BGB/Röver, Std.: 1.5.2020, § 260 Rn. 73; MünchKommBGB/Krüger, § 260 Rn. 42). Ob dies auch die Darstellung anhand von Lichtbildern umfasst, ließ sich anhand der uns zur Verfügung stehenden Literatur und Rechtsprechung nicht verifizieren.
Soweit die Literatur die Zulässigkeit des Verweises auf Fotografien im Anhang überhaupt diskutiert, wird sie überwiegend bejaht (vgl. Damm, notar 2016, 219, Fn. 168; Damm, Notarielle Verzeichnisse in der Praxis, 1. Aufl. 2017, Rn. 204; Klingelhöffer, Pflichtteilsrecht, 4. Aufl. 2014, Rn. 307; Sagmeister, MittBayNot 2013, 519, 521 Fn. 20; Weidlich, ErbR 2013, 134, 137/138; vgl. auch Zimmermann, ZEV 2019, 197, 200, für das Nachlassverzeichnis des Testamentsvollstreckers), jedenfalls zur Konkretisierung des schriftlichen Verzeichnisses. Dies erscheint u. E. konsequent. Denn wo schon eine Gruppierung nach oben genannten Kriterien zulässig ist, so muss es erst Recht zulässig sein, die gruppierten Gegenstände mit Lichtbildern als Anlage zu konkretisieren (bspw.: „1 Briefmarkenalbum – Lichtbilder der einzelnen Seiten sind als Anlage beigefügt“ oder „Verschiedene Bücher im Regal im Wohnzimmer – Lichtbilder anbei“). Nicht zulässig dürfte hingegen sein, das Verzeichnis insgesamt lediglich unter der Verwendung von Lichtbildern statt der schriftlichen Auflistung zu erstellen (bspw. „Für die Haushaltsgegenstände wird auf die beigefügten Fotos verwiesen“). Rechtsprechung zu dieser Fragestellung konnten wir nicht ausfindig machen, sodass für die Praxis eine gewisse Rechtsunsicherheit verleibt.
4. Zusammenfassung
Nach dem Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses erscheint es uns grundsätzlich zulässig, nicht besonders werthaltige Gegenstände in Gruppen zusammenzufassen und ggf. dem Nachlassverzeichnis ergänzend Lichtbilder als Anlage, auf die gem. § 37 Abs. 1 S. 3 BeurkG verwiesen wird, beizufügen. Konkretisierende Lichtbilder dürften auch bei wertvollen Gegenständen zulässig sein, solange diese Gegenstände auch einzeln im Textteil des Verzeichnisses genannt sind. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei (BGH, Beschl. v. 13.9.2018 – I ZB 109/17, Rn. 32 [juris]), wobei am Ende des Verfahrens freilich ein Verzeichnis vorliegen muss, das den Erfordernissen des § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB genügt.