11. November 2024
ErbStG § 9 Abs. 1; ErbStG § 13b Abs. 1

Übergabe eines Einzelunternehmens; Schenkungsteuer; getrennte Betrachtung der betrieblichen Grundstücke und des weiteren Betriebsvermögens

ErbStG §§ 13b Abs. 1 Nr. 2, 9 Abs. 1 Nr. 2
Übergabe eines Einzelunternehmens; Schenkungsteuer; getrennte Betrachtung der betrieblichen Grundstücke und des weiteren Betriebsvermögens

I. Sachverhalt
Mit Übergabevertrag vom 17.10.2022 werden im Rahmen der unentgeltlichen Übertragung eines Einzelunternehmens der im Betriebsvermögen befindliche Grundbesitz sowie das weitere Betriebsvermögen übertragen. Es wird unbedingt und unbefristet die Auflassung der Betriebsgrundstücke erklärt. Die Grundbucheintragung wird bewilligt und beantragt. Der Eigentumswechsel wird sodann zeitnah im Grundbuch eingetragen. Das Datum des Übergangs von Besitz, Nutzungen und Lasten wird im Vertrag einheitlich für alle übertragenen Wirtschaftsgüter auf den 31.12.2022 festgelegt. Das zuständige Schenkungsteuerfinanzamt verweigert die Begünstigung gemäß §§ 13a, 13b ErbStG für den betrieblichen Grundbesitz mit der Begründung, die Schenkung der Betriebsgrundstücke sei steuerlich bereits am 17.10.2022 und somit zeitlich vor dem Übergang des restlichen Betriebs am 31.12.2022 ausgeführt.

II. Frage
Trifft die Auffassung des Finanzamts zu?

III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines zur Steuerentstehung bei Schenkungen
Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die Steuerschuld gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Dies ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die Schenkung bürgerlich-rechtlich vollzogen ist, d. h. das Eigentum erworben wurde. Die Steuerpflicht tritt somit nicht bereits mit dem Wirksamwerden des Schenkungsversprechens ein, sondern erst dann, wenn der Beschenkte tatsächlich etwas erhalten hat.

2.Besonderheiten bei Grundstücksschenkungen
Bei der Schenkung von Grundstücken entsteht die Steuer nach ständiger Rechtsprechung des BFH jedoch zu einem früheren Zeitpunkt. Eine Grundstücksschenkung ist bereits dann ausgeführt, wenn die Auflassung i. S. v. § 925 BGB beurkundet worden ist und der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat (§ 19 GBO).

Der BFH begründet die Vorverlegung des Ausführungszeitpunkts einer Grundstücksschenkung damit, dass der Leistungserfolg (wegen der dazu erforderlichen Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch) der Mitwirkung des Grundbuchamts bedarf sowie damit, dass für „zivilrechtlich abgeschlossene Vorgänge“ ein sinnvoller Ausführungszeitpunkt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zu bestimmen ist (BFH BStBl. II 2005, 312 unter Ziff. II. 1).

In einem vom BFH im Jahr 2005 zu beurteilenden Sachverhalt waren Auflassung und Eintragungsbewilligung bereits notariell beurkundet und es bestand die Abrede, dass die Eigentumsumschreibung durch den Notar erst bei Vorliegen der Sterbeurkunde der Schenkerin zu veranlassen war. Der BFH führte hierzu aus (BStBl. II 2005, 312 – Hervorhebungen durch die DNotI-Redaktion):

„Mit Rücksicht auf den von § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorausgesetzten Leistungserfolg setzt die Ausführung der Grundstücksschenkung voraus, dass der Schenker alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat und der Beschenkte durch die vertragliche Vereinbarung in die Lage versetzt wird, jederzeit den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung durch einen entsprechenden Antrag beim Grundbuch herbeizuführen […]. Daher ist eine Grundstücksschenkung noch nicht ausgeführt, wenn aufgrund vertraglicher Abrede der Beschenkte von der Eintragungsbewilligung erst zu einem späteren Zeitpunkt Gebrauch machen darf […]. In diesem Fall tritt die Ausführung der Zuwendung auch erst zu diesem späteren Zeitpunkt ein.“

Erforderlich zur Steuerentstehung ist außerdem, dass die Eigentumsumschreibung tatsächlich nachfolgt (BFH BStBl. II 2005, 892; so auch R E 9.1 Abs. 1 S. 9 ErbStR).
Darüber hinausgehend vertritt eine Meinung in der Literatur die Auffassung, dass zusätzlich zur Auflassung (§ 925 BGB) und Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) auch noch der Eintragungsantrag (§ 13 GBO) beim Grundbuchamt gestellt sein müsse, um die Schenkungsteuer entstehen zu lassen. Denn erst dann träte die Schutzwirkung des § 17 GBO ein und erst dann hätten die Vertragspartner alles ihrerseits Erforderliche zur Ausführung der Zuwendung getan, so dass der für den Vermögensübergang erforderliche Eigentumswechsel allein noch von der Mitwirkung des Grundbuchamts abhänge (Gottschalk in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, Std.: März 2024, § 9 Rn. 96 m. w. N.).

Dem ist u. E. jedoch entgegenzuhalten, dass § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung – welche durch den Zuwendenden zu bewirken ist – abstellt. Hat dieser alles seinerseits Erforderliche getan, um die Eigentumsumschreibung zu veranlassen und hat er keinen Einfluss mehr auf den Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung, so ist u. E. die Ausführung der Zuwendung bewirkt. Es obliegt dann allein der Entscheidung des Beschenkten, die schützende Wirkung des § 17 GBO in Anspruch zu nehmen; hierzu bedarf er nicht der Mitwirkung des Schenkers. Zwar beruht die Vorverlegung des Steuerentstehungszeitpunkts bei Grundstücksschenkungen in der Tat auf der Überlegung, dass nicht der (zufällige) Bearbeitungszeitpunkt durch das Grundbuchamt maßgebend für die Entstehung der Steuer sein soll. Im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG kommt es jedoch auf die Handlungen des Schenkers an und nicht, was die Gegenansicht verkennt, auf die Handlungen aller Vertragsbeteiligten. Auch der BFH und die Finanzverwaltung halten die Stellung des Eintragungsantrags beim Grundbuchamt für bedeutungslos für die Entstehung der Schenkungsteuer (z.B. BFH BStBl. II 2005, 312; BStBl. II 1983, 19; DNotI-Report 2003, 6; R E 9.1 Abs. 1 S. 5 ErbStR).

Nach alledem ist im vorliegenden Fall die Steuer für die Grundstücksschenkung bereits am 17.10.2022 entstanden (sofern man – mit der derzeitigen Rechtsprechung und Verwaltungsansicht – davon ausgeht, dass keine einheitliche Schenkung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens vorliegt; hierzu nachfolgend).

3. Begünstigte Einheit i. S. v. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG
a) Ganzer Gewerbebetrieb
Gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 ErbStG gehört inländisches Betriebsvermögen i. S. v. §§ 95 bis 97 Abs. 1 S. 1 BewG beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs zum begünstigungsfähigen Vermögen. Der Begriff „ganzer Betrieb“ ist nach ertragsteuerlichen Grundsätzen abzugrenzen (R E 13b.5 Abs. 3 S. 2 ErbStR). Ein Erwerb eines ganzen Betriebs liegt vor, wenn der Betrieb mit seinen wesentlichen Betriebsgrundlagen in der Weise auf einen Erwerber übertragen wird, dass der Betrieb als geschäftlicher Organismus fortgeführt werden kann (R 16 Abs. 1 S. 1 EStR).

Vorliegend geht es um den Erwerb eines „ganzen Gewerbebetriebs“ in der Form eines Einzelunternehmens. Diesem Einzelunternehmen zugehörig war der übertragene Grundbesitz, die Betriebsgrundstücke waren ertragsteuerliches Betriebsvermögen, so dass die Voraussetzungen von § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG grundsätzlich vorliegen.

Es stellt sich aber die Frage, ob es für die steuerliche Begünstigung gemäß §§ 13a, 13b ErbStG erforderlich ist, dass die Schenkungsteuer für sämtliche Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens zum selben Zeitpunkt entsteht (§ 9 ErbStG).

Zu dieser Frage steht höchstrichterliche Rechtsprechung noch aus. Ein ganz ähnliches Problem ergibt sich jedoch bei der Frage der Begünstigung der Übertragung eines Anteils an einer Gesellschaft i. S. v. § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 S. 1 BewG (Mitunternehmeranteil). Hierzu liegt Rechtsprechung vor (dazu nachfolgend).

b) Mitunternehmeranteil
Ebenfalls erbschaft- und schenkungsteuerlich begünstigt ist der sog. Mitunternehmeranteil, der das steuerliche Sonderbetriebsvermögen, welches oft Grundstücke enthält, umfasst (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 Var. 3 ErbStG).

aa) Rechtsprechung
Mit Urteil v. 17.6.2020 entschied der BFH zur Übertragung eines Kommanditanteils inklusive Sonderbetriebsvermögen (BStBl. II 2021, 98 – Hervorhebung durch die DNotI-Redaktion):

„Bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens können die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG aF nur gewährt werden, wenn die Wirtschaftsgüter gleichzeitig mit dem Anteil an der Personengesellschaft übertragen werden. (amtl. Ls.)“

Damit bestätigte der BFH die Vorinstanz (FG Köln, ZEV 2017, 535) und führte aus: Auch wenn das wirtschaftliche Eigentum sämtlicher betrieblicher Wirtschaftsgüter gleichzeitig und somit ertragsteuerlich am selben Stichtag übergehe, habe aus erbschaft- und schenkungsteuerlicher Sicht eine eigene Beurteilung stattzufinden. Der BFH wendet die vorstehend dargestellten Grundsätze zur Grundstücksschenkung an. Da die Steuerentstehungszeitpunkte gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zum einen für die Grundstücksschenkung und zum anderen für die Übertragung des weiteren Betriebsvermögens voneinander abweichen, nimmt der BFH im Ergebnis zwei getrennt zu beurteilende Schenkungen an. Er begründet dies damit, dass das Grundstück und das übrige Betriebsvermögen (im dortigen Urteilsfall: der Kommanditanteil) nicht gleichzeitig übertragen wurden. Die Steuervergünstigungen seien nach ständiger Rechtsprechung nur zu gewähren, wenn das erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a. F. erfülle. Der in dieser Vorschrift durch Bezugnahme auf § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG verwendete Gesellschaftsbegriff sei nicht zivilrechtlich, sondern ertragsteuerrechtlich zu verstehen. Der Begriff des Mitunternehmeranteils umfasse ertragsteuerrechtlich auch etwaiges Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, was im Urteilsfalle in Form von Grundbesitz vorlag. Bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens könnten die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG a. F. nur gewährt werden, wenn die Wirtschaftsgüter gleichzeitig mit dem Anteil an der Personengesellschaft übertragen werden. Durch die alleinige (zeitlich frühere) Übertragung des Sonderbetriebsvermögens ohne gleichzeitige Übertragung des Mitunternehmeranteils gehe die Rechtsstellung des Schenkers als Mitunternehmer auf den Bedachten nicht über. Die isolierte Übertragung von Sonderbetriebsvermögen vermittele dem Erwerber noch keine Mitunternehmerinitiative. Letzteres sei jedoch Voraussetzung für die Steuerbegünstigung. Ob der Erwerber eine Mitunternehmerstellung erlangt habe, sei nicht nach zivil-, sondern allein nach ertragsteuerrechtlichen Kriterien zu entscheiden.

bb) Finanzverwaltung
Das Urteil des BFH v. 17.6.2020 ist vom Bundesfinanzministerium im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht worden (BStBl. II 2021, 98), was gleichbedeutend ist mit einer verwaltungsinternen Anweisung an die Finanzämter, die Urteilsgrundsätze über den entschiedenen Einzelfall hinaus in gleichgelagerten Fällen anzuwenden.

cc) Literatur
Die Entscheidungen des BFH v. 17.6.2020 sowie des FG Köln vom 29.6.2017 sind auf vehemente Kritik in der Literatur gestoßen (z. B. Wälzholz, in: FS 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2018, S. 717 sowie ZEV 2017, 538; Kaiser; MittBayNot 2023, 214; Wachter, MittBayNot 2021, 551). Wälzholz sieht den Grundbesitz als unselbständigen Teil einer Wirtschaftseinheit des Betriebsvermögens. Bei teleologischer Betrachtung der §§ 13a, 13b ErbStG (Förderung der Unternehmensnachfolge; Erhalt von Arbeitsplätzen) dürfe es nur darauf ankommen, dass die gesamte Wirtschaftseinheit geschlossen auf den Erwerber übergehe und von diesem fortgeführt werde. Ob bei einer einheitlichen Zuwendung zwischen den einzelnen Ausführungszeitpunkten einige Tage oder gar Wochen lägen, für die allein der Vollzug bei einem Register verantwortlich sei, könne für § 13b Abs. 1 ErbStG keinen Unterschied machen. Kaiser macht geltend, § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG verweise ausdrücklich auf inländisches Betriebsvermögen i. S. v. §§ 95 bis 97 BewG und somit auf die ertragsteuerliche, wirtschaftliche Betrachtungsweise.

dd) Auffassung des DNotI
Den vorstehenden Ausführungen von Wälzholz und Kaiser ist zuzustimmen. Für die Beantwortung der Frage, ob eine einheitliche Schenkung oder mehrere Schenkungen vorliegen, sollte der Schenkungsgegenstand maßgebend sein. Besteht ein einheitlicher Schenkungswille und werden die Übertragungen zeitnah zueinander ausgeführt, so sollte von einer einheitlichen, in mehreren Teilakten vollzogenen Schenkung ausgegangen werden, wie dies im Übrigen der Rechtslage vor der BFH-Entscheidung vom 17.6.2020 entsprach. Unterschiedliche Vermögenszuwächse, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt werden, können eine einheitliche Schenkung darstellen, etwa wenn die Schenkungen in einem Vertrag zusammengefasst sind oder in zwei Verträgen, aber in einem Notartermin oder aus technischen Gründen binnen weniger Tage (BFH BStBl. II 1982, 351; BStBl. II 1970, 562; FG Münster EFG 1972, 190; Gottschalk, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, Std.: März 2024, § 10 Rn. 55b).

Die Argumentation des BFH, der betriebliche Zusammenhang dürfe nicht, auch nicht kurz, unterbrochen werden, weist eine gewisse Nähe zur ertragsteuerlichen Entnahmebesteuerung auf. Dort genügt bereits eine Entnahme für eine logische Sekunde. Im Zusammenhang mit der Begünstigung von Betriebsvermögen gemäß §§ 13a, 13b ErbStG hingegen ist u. E. in der Tat auf das Telos abzustellen. Eine weitgehende steuerliche Verschonung des Erwerbs wird durch das BFH-Urteil v. 17.6.2020 konterkariert, wenn eine einheitliche Schenkung (in einer Urkunde) künstlich aufgespalten wird in „Grundstücksschenkung“ und „Schenkung aller übrigen betrieblichen Wirtschaftsgüter“. Der Gesetzgeber wollte die steuerfunktionale Einheit „ganzer Gewerbebetrieb“ bzw. „Mitunternehmeranteil“ begünstigen, somit sollte auch diese – nach ertragsteuerlichen Regeln klar umgrenzte – Einheit als Schenkungsgegenstand angesehen werden mit der Folge, dass eine einheitliche, in mehreren Teilakten vollzogene Schenkung vorliegt. Zu fordern ist jedoch – wie bisher – ein enger zeitlicher Zusammenhang der einzelnen Teilakte.

Das vom BFH im Urteil v. 17.6.2020 formulierte Gleichzeitigkeitserfordernis des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wirkt sich – wie gesehen – auf die Frage aus, ob ein „ganzer Gewerbebetrieb“ übertragen wird. Allerdings sollte der Begriff der Gleichzeitigkeit nicht auf die Besonderheiten der Steuerentstehung bei Grundstücksschenkungen i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG abstellen, zumal diese Besonderheiten (aus anderen, berechtigten Gründen) von der Rechtsprechung und der Verwaltung entwickelt wurden und nicht gesetzlich normiert sind. Vielmehr sollten, da nach den Erbschaftssteuerrichtlinien bereits der Begriff des „ganzen Betriebs“ i. S. v. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nach ertragsteuerlichen Grundsätzen zu bestimmen ist (R E 13b.5 Abs. 3 S. 2 ErbStR), auch für die Beurteilung der Gleichzeitigkeit ertragsteuerliche Maßstäbe und somit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gelten.

4. Folgerung für den hier zu begutachtenden Sachverhalt
Die im vorgenannten BFH-Urteil v. 17.6.2020 behandelte Thematik (Übertragung Mitunternehmeranteil mit Sonderbetriebsvermögen) ist grundsätzlich auch auf den angefragten Sachverhalt (Übertragung eines Einzelunternehmens mit betrieblichem Grundbesitz) übertragbar. Entsprechendes hat das FG München in einer Entscheidung vom 14.6.2023 (EFG 2024, 309; hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH anhängig unter Az. II B 45/23) auch bereits so angenommen. Das LfSt Bayern hat sich mit Erlass v. 7.3.2024 (ZEV 2024, 415) ebenfalls der Auffassung des BFH für die hier betroffene Sachverhaltskonstellation angeschlossen. Die Auffassung des Finanzamts im hier zu begutachtenden Sachverhalt entspricht somit der Linie der aktuellen Rechtsprechung sowie der Auffassung der Finanzverwaltung.

Solange die Grundsätze des Urteils v. 17.6.2020 von der Finanzverwaltung angewendet werden, wird für die Gestaltungspraxis die Synchronisation der Zuwendungszeitpunkte der unterschiedlichen Wirtschaftsgüter angeraten. Gestaltungsvorschläge finden sich etwa bei Kaiser (MittBayNot 2023, 214, 219) oder bei Wachter (MittBayNot 2021, 551, 553). Welche Gestaltungen die Finanzverwaltung insoweit anzuerkennen bereit ist, um den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (in Bezug auf die Grundstücke) mit dem Übergang des sonstigen Betriebsvermögens zu synchronisieren, wird in den Erbschaftsteuer-Richtlinien unter R E 9.1 Abs. 1 S. 7, 8 ErbStR angedeutet (Hervorhebungen durch die DNotI-Redaktion):

„Eine Grundstücksschenkung ist jedoch trotz Vorliegens der genannten Voraussetzungen dann noch nicht ausgeführt, wenn die Übereignung des Grundstücks erst zu einem – von den Beteiligten ausdrücklich bestimmten – späteren Zeitpunkt erfolgen soll oder der Beschenkte von der Eintragungsbewilligung erst zu einem späteren Zeitpunkt Gebrauch machen darf. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Zeitbestimmung die Wirksamkeit des zugrunde liegenden schuldrechtlichen Geschäfts oder lediglich dessen Vollzug betrifft.“

5. Fazit
Unseres Erachtens dürfte es für die Begünstigung gemäß §§ 13a, 13b ErbStG nicht erforderlich sein, dass die Schenkungsteuer für sämtliche Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zum selben Zeitpunkt entsteht (§ 9 ErbStG). Dies wird jedoch von Rechtsprechung und Verwaltung zurzeit anders beurteilt, weshalb in der Gestaltungspraxis eine Synchronisation der Zuwendungszeitpunkte angeraten wird.

Gutachten/Abruf-Nr:

203659

Erscheinungsdatum:

11.11.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbschafts- und Schenkungsteuer

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 163-167

Normen in Titel:

ErbStG § 9 Abs. 1; ErbStG § 13b Abs. 1