16. Oktober 2018
BGB § 1896; BGB § 164; BGB § 709; AktG § 134; HGB § 119; GmbHG § 47 Abs. 3

Vollmacht des Gesellschafters zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung der GmbH oder Personengesellschaft sowie an der Hauptversammlung der AG; Stimmrechtsvollmacht; statutarische Vertretungsbeschränkung; Zulässigkeit und Grenzen der Beschränkung im Hinblick auf Vorsorgebevollmächtigte; Ergänzung zu Gutachten DNotI-Report 2018, 81

DNotI Gutachten-Abruf-Dienst
Gutachten des Deutschen Notarinstituts

Abruf-Nr.: 164281

letzte Aktualisierung: 12. Oktober 2018

GmbHG § 47 Abs. 3; BGB §§ 164, 1896, 709; HGB § 119; AktG § 134

Vollmacht des Gesellschafters zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung der
GmbH oder Personengesellschaft sowie an der Hauptversammlung der AG;
Stimmrechtsvollmacht; statutarische Vertretungsbeschränkung; Zulässigkeit und Grenzen
der Beschränkung im Hinblick auf Vorsorgebevollmächtigte; Ergänzung zu Gutachten
DNotI-Report 2018, 81

I. Sachverhalt

Viele GmbH-Satzungen beschränken die rechtsgeschäftliche Vertretung des Gesellschafters in
der Gesellschafterversammlung, und zwar häufig in der Weise, dass den Gesellschafter allein
Mitgesellschafter, Steuerberater und Rechtsanwälte vertreten dürfen.
Im Gutachten DNotI-Report 2018, 81 wird die Frage erörtert, ob die Vertretung eines Gesellschafters
durch einen Vorsorgebevollmächtigten die Zustimmung der übrigen Gesellschafter
erfordert. Das Gutachten hält diese Zustimmung im Ergebnis für entbehrlich.

II. Fragen

1. Steht das Gutachten DNotI-Report 2018, 81 einer statutarischen Vertretungsbeschränkung im
oben skizzierten Sinne entgegen?

2. Wie ist die Rechtslage in der Personengesellschaft und in der Aktiengesellschaft?

III. Zur Rechtslage

Wir weisen vorab darauf hin, dass das DNotI zu Fragen der Vertrags- und Satzungsgestaltung
nach seinen Leistungsgrundsätzen nicht Stellung nehmen darf. Die folgenden Hinweise verstehen
sich daher kollegialiter und unverbindlich.

1. Statutarische Vertretungsbeschränkung in der GmbH-Satzung

a) Allgemeines

Der GmbH-Gesellschafter kann sich grundsätzlich ohne Weiteres in der Gesellschafterversammlung
durch einen rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten vertreten lassen (vgl. § 47
Abs. 3 GmbHG; Römermann,
in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 48 Rn. 47;
s. auch MünchKommGmbHG/Liebscher, 2. Aufl. 2016, § 48 Rn. 29: Stimmrechtsvollmacht
enthalte zugleich Ermächtigung zur Teilnahme). Allerdings kann die Satzung
den Kreis der zulässigen Vertreter nach h. M. einschränken (RGZ 80, 385, 388;
OLG Brandenburg GmbHR 1998, 1037, 1038; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl. 2014,
§ 47 Rn. 96 f.; Römermann, § 47 Rn. 389; BeckOK-GmbHG/Schindler, Stand: 1.2.2018,
§ 47 Rn. 91; Ganzer, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 47
Rn. 61; GroßkommGmbHG/Hüffer/Schürnbrand, 2. Aufl. 2014, § 47 Rn. 108;
Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 47 Rn. 25; Zöllner/Noack, in:
Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 47 Rn. 45; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse
und Gesellschafterversammlung, 2. Aufl. 1986, S. 56 f.). Verbreitet ist – neben der
Beschränkung auf Mitgesellschafter – die Beschränkung auf Angehörige von Berufen mit
Verschwiegenheitspflicht, also auf Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Bei
einer Beschränkung auf Mitgesellschafter soll ausnahmsweise dennoch ein bevollmächtigter
Dritter handeln können, wenn die Vertretung erforderlich und die Bevollmächtigung eines
Mitgesellschafters unzumutbar ist (Zöllner/Noack, § 47 Rn. 45; BeckOKGmbHG/Schindler, § 47 Rn. 91).

Nach Römermann (§ 47 Rn. 447) verliert ein
„Vertretungsverbot“ sogar immer dann seine Wirkung, wenn der betroffene Gesellschafter
dadurch praktisch stimmrechtslos gestellt würde. Dies gelte insbesondere bei Erkrankung
und Inhaftierung, aber auch im Falle weiterer sachlicher Gründe. Ähnlich formuliert es
Bayer (in: Lutter/Hommelhoff, § 47 Rn. 25): Sei ein Gesellschafter durch Krankheit o. Ä.
gehindert, persönlich an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, so seien die
Mitgesellschafter aus der Treuepflicht regelmäßig gehalten, einen Bevollmächtigten zur
Teilnahme, Aussprache und Stimmabgabe zuzulassen. Abweichungen von der Satzung
könnten formlos, auch konkludent gestatten werden.

b) Vertretungsbeschränkung und Vorsorgebevollmächtigter

Die im erwähnten DNotI-Reportgutachten behandelte Frage, ob die Erteilung einer Vorsorgevollmacht
der Zustimmung der Mitgesellschafter bedarf, hat u. E. auf die
Zulässigkeit einer statutarischen Vertretungsbeschränkung keine Auswirkung. Der
Sachverhalt des Gutachtens geht gerade davon aus, dass die Satzung keine
Vertretungsbeschränkung enthält (DNotI-Report 2018, 81, 82 liSp.). Wenn sie eine solche
enthielte und der Vorsorgebevollmächtigte nicht in den Kreis der zugelassenen Vertreter
fiele, wäre er grundsätzlich von der Vertretung ausgeschlossen, mit der Folge, dass lediglich
das Handeln eines Betreuers in Betracht käme. Grundsätzlich kann eine Vorsorgevollmacht
nach unserem Verständnis nämlich nur dort weiterhelfen, wo Vertretung zugelassen ist.
Gegen einen statutarischen, also quasi „dinglichen“ Vertretungsausschluss vermag sie sich
daher nicht durchzusetzen. Dennoch wäre denkbar, dass der Vorsorgebevollmächtigte etwa
aus Treuepflichterwägungen ausnahmsweise zur Gesellschafterversammlung zuzulassen
wäre. Dies müsste u. E. aber nicht zwingend in der Satzungsregelung zum Ausdruck
kommen, sondern würde im Einzelfall ohnehin nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen
Grundsätzen gelten. Anders gesagt: Die Nichtigkeit der statutarischen
Vertretungsbeschränkung wegen Nichtberücksichtigung des Vorsorgebevollmächtigten wäre
wohl nicht zu befürchten. Will man ganz sichergehen, so kann man freilich klarstellende
Regelungen in die Satzung aufnehmen. Erwägenswert wäre z. B. eine Erstreckung des
Vertreterkreises auf Vorsorgebevollmächtigte oder auch eine Art Öffnungsklausel, die es der
Gesellschafterversammlung im Einzelfall gestattet, über die Zulassung eines an sich
ungeeigneten Vertreters durch Gesellschafterbeschluss mehrheitlich zu entscheiden (zu
Satzungsregeln für den Vorsorgefall vgl. auch Reetz, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 6.
Aufl. 2015, F. Rn. 116; Heckschen/Kreußlein, NotBZ 2012, 321, 323 ff.).

Dass der Vorsorgebevollmächtigte eine Vertretungsbeschränkung durch
Unterbevollmächtigung einer geeigneten Person aushebeln kann, erscheint ungewiss. Damit
würde zwar tatsächlich verhindert, dass eine unerwünschte Person an der
Gesellschafterversammlung teilnähme. Es fragt sich jedoch, ob sich die Bedeutung der
statutarischen Vertretungsbeschränkung darauf beschränkt oder ob die Beschränkung nicht
vielmehr jegliche – auch mittelbare – Einflussnahme der nicht zugelassenen Personen
ausschließen soll. Letztlich handelt es sich um eine Auslegungsfrage.

3. Rechtslage in der Personengesellschaft und in der AG

Was für die GmbH gilt, dürfte im Ergebnis auch für die Personengesellschaft gelten. Im
Ausgangspunkt ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Ausübung des Stimmrechts in der
Personengesellschaft grundsätzlich höchstpersönlich ist und der Gesellschaftsvertrag die
Stimmrechtsvollmacht zunächst zulassen muss (MünchKommHGB/Enzinger, 4. Aufl. 2016,
§ 119 Rn. 19; BeckOK-HGB/Klimke, Stand: 15.7.2018, § 119 Rn. 6; Baumbach/Hopt/Roth,
HGB, 38. Aufl. 2018, § 119 Rn. 21). Damit ist es erst recht zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag
nur Stimmrechtsvertreter mit bestimmten Eigenschaften anerkennt.

Gleichermaßen lässt sich aber eine Zulassung von Stimmrechtsvertretern aus
Treuepflicht erwägen (Oetker/Lieder, HGB, 5. Aufl. 2017, § 119 Rn. 17, der
ausdrücklich den Vorsorgebevollmächtigten erwähnt, aber auch für dessen Vertretung
grundsätzlich wohl eine gesellschaftsvertragliche Zulassung verlangt;
BeckOK-HGB/Klimke, § 119 Rn. 6; Baumbach/Hopt/Roth, § 119 Rn. 21; weitergehend
Freitag, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 119 Rn. 30:
Vorsorgebevollmächtigter ipso iure zur Abstimmung zugelassen; für die GbR
MünchKommBGB/Schäfer, 7. Aufl. 2017, § 709 Rn. 61; BeckOK-BGB/Schöne,
Stand: 1.8.2018, § 709 Rn. 57), ohne dass dies im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich geregelt
sein müsste.

Anders stellt sich die Rechtslage bei der AG dar: Hier kann die Satzung die
Stimmrechtsvertretung weder ausschließen noch Vorgaben zur Person des
Bevollmächtigten machen (OLG Braunschweig, Beschl. v. 27.8.2013, BeckRS 2014,
20216; MünchKommAktG/Arnold, 4. Aufl. 2018, § 134 Rn. 45 m. w. N.;
Spindler/Stilz/Rieckers, AktG, 3. Aufl. 2015, § 134 Rn. 51; Hüffer/Koch, AktG,
13. Aufl. 2018, § 134 Rn. 25).

Gutachten/Abruf-Nr:

164281

Erscheinungsdatum:

16.10.2018

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
OHG
Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH

Normen in Titel:

BGB § 1896; BGB § 164; BGB § 709; AktG § 134; HGB § 119; GmbHG § 47 Abs. 3