28. Oktober 2011
EGBGB Art. 25

Texas: gesetzliche Erbfolge und Güterstand in Bezug auf ein in Deutschland belegenes Grundstück; tracing rule

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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 110407 l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 28. Oktober 2011

EGBGB Art. 25 Texas: gesetzliche Erbfolge und Güterstand in Bezug auf ein in Deutschland belegenes Grundstück; tracing rule

I. Sachverhalt Es geht um die Erbfolge nach einem US-amerikanischen Staatsangehörigen. Der Erblasser war US-amerikanischer Staatsangehöriger. Er hatte seinen Wohnsitz zuletzt im US-Staat Texas. Er hinterlässt seine Ehefrau und zwei Kinder. Sie gehen davon aus, dass für die güterrechtlichen Beziehungen der Eheleute grundsätzlich das texanische Recht gelte. Im Nachlass befindet sich auch ein in Deutschland belegenes Grundstück. II. Frage Welche gesetzliche Erbquote gebührt der Ehefrau? III. Zur Rechtslage Aufgrund Rückverweisung durch das internationale Erbkollisionsrecht des US-Staates Texas unterliegt im vorliegenden Fall die Erbfolge in den in Deutschland belegenen Grundbesitz dem deutschen Recht. Insoweit ist § 1931 BGB anzuwenden, welcher die Berechnung der gesetzlichen Ehegattenerbquote vom Güterstand der Eheleute abhängig macht. Bei der Feststellung des Güterstands ist im vorliegenden Fall das anwendbare Recht gem. Art. 15 EGBGB zu bestimmen. Geht man davon aus, dass die Eheleute keine Rechtswahl getroffen haben und beide US-amerikanische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im US-Staat Texas waren, führt im vorliegenden Fall die Verweisung über Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB zum Erbrecht der Vereinigten Staaten. An dieser Stelle ist zu berücksichtigen, dass es in den USA kein einheitliches Eherecht gibt. Vielmehr hat jeder der US-Staaten sein eigenes Ehe- und Güterrecht. Des Weiteren hat auch jeder Staat sein eigenes Internationales Privatrecht auf dem Bereich des Familienrechts. Insoweit wäre über Art. 4 Abs. 3 S. 1 die einschlägige Teilrechtsordnung unter Bezugnahme auf ein einheitliches interlokales Privatrecht in diesem Staat zu bestimmen. Ein entsprechendes einheitliches interlokales Privatrecht besteht z. B. in Spanien. In den USA jedoch gibt es kein
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einheitliches interlokales Kollisionsrecht. Vielmehr gelten in den einzelnen Staaten die Kollisionsnormen des Privatrechts sowohl für internationale Rechtskollisionen als auch für Rechtskollisionen mit den anderen US-Staaten. Daher ist gem. Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB die Teilrechtsordnung anzuwenden, mit welcher der Sachverhalt am engsten verbunden ist. Dies wäre im vorliegenden Fall der Staat, in dem sich die Eheleute beide gemeinsam mit gewöhnlichem Aufenthalt befinden. Insoweit ist also das Recht von Texas anzuwenden. Diese Verweisung erfasst gem. Art. 4 Abs. 1 EGBGB auch das Internationale Privatrecht von Texas. Insbesondere wäre eine Rückverweisung auf das deutsche Recht gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB auch in Bezug auf die güterrechtlichen Folgen der Ehe zu beachten. In den US-Staaten wird das auf die güterrechtlichen Verhältnisse der Ehe anwendbare Recht gespalten angeknüpft: Während für die güterrechtlichen Verhältnisse in Bezug auf das bewegliche Vermögen das Recht des Staates gilt, in dem die Eheleute aktuell ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, gilt für die güterrechtlichen Verhältnisse in Bezug auf Immobilien das Recht des Staates, in dem diese belegen sind (vgl. insoweit Bardy, in: Schotten/Schmellenkamp, Das Internationale Privatrecht in der notariellen Praxis, 2. Aufl. 2007, S. 615). Irritationen ergeben sich nun aus der in den US-Staaten weithin angewandten sog. ,,tracing rule". Diese Regel besagt, dass bei entgeltlichem Erwerb von Grundstücken nach der Eheschließung eine Surrogation eintreten kann. Werden diese Vermögensgegenstände mit Mitteln erworben, die zur Gütergemeinschaft gehören, so soll auch das damit erworbene Grundstück den Eheleuten gemeinsam zugehören ­ und zwar selbst dann, wenn es in einem Staat belegen ist, in dem der gesetzliche Güterstand der Gütertrennung gilt (vgl. insoweit Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl. 2000, S. 192; Bardy, in: Schotten, a. a. O., S. 615). Texas gehört zu den sieben US-Staaten, in dem gesetzlicher Güterstand nicht die common lawGütertrennung ist, sondern in dem aufgrund der spanischen Tradition die Errungenschaftsgemeinschaft gesetzlicher Güterstand ist (sog. community property state, vgl. hierzu Bardy, in: Schotten/Schmellenkamp, a. a. O., S. 628). Insoweit ergäbe sich also im vorliegenden Fall Folgendes: Aufgrund der Rückverweisung durch das Internationale Privatrecht von Texas würde im vorliegenden Fall für das Grundstück deutsches Güterrecht gelten, mit der Folge, dass mangels Vereinbarung güterrechtlicher Art hier der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt. Die gesetzliche Ehegattenerbquote der Ehefrau würde sich also gem. § 1371 Abs. 1 BGB auf ½ erhöhen. Sollte im vorliegenden Fall das Grundstück vom Erblasser erst nach der Eheschließung erworben worden sein und sollte er es mit Mitteln erworben haben, die aus der ehelichen Gütergemeinschaft stammen, müsste es aufgrund der tracing rule in eine Art güterrechtliche Gemeinschaft fallen. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn er es gekauft hat und den Kaufpreis mit Geld bezahlt hat, welches er erst nach der Eheschließung erworben hat. In anderen Fällen hingegen ­ also beim Erwerb vor der Eheschließung oder bei Erwerb durch Schenkung oder Erbfolge bzw. bei Erwerb des Grundstücks mit ehelichem Eigengut des Ehemannes bliebe dieses sein Alleineigentum. Bei der Behandlung der tracing rule im Rahmen einer Rückverweisung gibt es verschiedene theoretische Ansätze: Nach Bardy (in: Schotten/Schmellenkamp, a. a. O., S. 618) sind die deutschen Regeln über die Gütergemeinschaft anzuwenden (ebenso Schurig, IPRax 1990, 392). Diese Ansicht erscheint uns allerdings aus verschiedenen Gründen unzutreffend: Zum einen führt auch im US-amerikanischen Recht die tracing rule nicht dazu, dass in Bezug auf die entsprechenden Gegenstände die Gütergemeinschaft eintritt. Vielmehr wird der Eigentümer-

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Ehegatte als Treuhänder (trustee) für den anderen angesehen, bleibt also auf dingliche Ebene Alleinberechtigter. Darüber hinaus stellt die tracing rule eine Regelung ausschließlich auf sachrechtlicher Ebene dar. Es handelt sich also um eine für internationale Fälle gesondert geprägte Vorschrift des materiellen Eherechts einzelner US-Staaten. Diese Sachnorm wäre im vorliegenden Fall kraft Rückverweisung auf das deutsche Recht und der Geltung deutschen Rechts mithin gar nicht mehr berufen (hierauf weist zu Recht Jayme hin, in FS Siehr, Zürich 2010, S. 247 f.). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall aufgrund der Zugewinngemeinschaft bei Beendigung der Ehe ohnehin das Grundstück in den Zugewinn fiele und damit hälftig zu teilen wäre. Schon auf diese Weise wäre sichergestellt, dass der andere Ehegatte ebenfalls hälftig am Grundstück beteiligt wird. Insoweit führt also bereits die Geltung der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts zum gewünschten Ergebnis. Der oben dargestellten Hilfskonstruktionen bedarf es also gar nicht. Dementsprechend gilt also im vorliegenden Fall u. E. kraft Rückverweisung durch das USamerikanische Kollisionsrecht auch für das Grundstück im vorliegenden Fall in güterrechtlicher Hinsicht das deutsche Recht und sind mangels güterrechtlicher Vereinbarung die Regeln über die Zugewinngemeinschaft anwendbar, so dass sich über § 1371 Abs. 1 BGB das Ehegattenerbteil auf ½ erhöht.

Gutachten/Abruf-Nr:

110407

Erscheinungsdatum:

28.10.2011

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 25