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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 121282 l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 5. September 2012
BGB §§ 307, 309 Nr. 6, 310 Abs. 3 Vertragsstrafe bei Verstoß gegen mietrechtliche Sozialcharta; Weitergabe im Rahmen eines Kaufvertrags über ein Wohnungseigentum an einen Verbraucher
I. Sachverhalt Eine Eigentumswohnung soll von der G GmbH, die ein größeres Wohngebäude erworben und sodann in Wohnungseigentum aufgeteilt hat, nunmehr an den Verbraucher X verkauft werden, der sie als Anlageobjekt halten möchte. Der Kaufpreis soll 110.000, 00 betragen. Beim Erwerb des Objekts von der öffentlichen Hand hatte sich die G GmbH dem damaligen Verkäufer gegenüber in einer sog. ,,Sozialcharta" verpflichtet, bestimmte Restriktionen insbesondere bei Mieterhöhungen und Kündigung der Mieter zu beachten und die Verpflichtungen aus der Sozialcharta an Rechtsnachfolger weiterzugeben. Unter anderem sieht die Sozialcharta eine Vertragstrafe für den Fall vor, dass die eingegangenen Verpflichtungen verletzt werden. Nach dem von der G GmbH vorgelegten Vertragsentwurf soll der Käufer X dem ursprünglichen Verkäufer (öffentliche Hand) im Wege eines echten Vertrags zugunsten Dritter eine Vertragstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen der Sozialcharta in Höhe von 125.000,00 versprechen. § 343 Abs. 1 BGB bleibt vorbehalten. Die Vertragstrafe soll verschuldensunabhängig verwirkt sein. Sie entfällt, wenn der Käufer innerhalb von drei Monaten die Verletzung der Sozialcharta rückgängig macht oder wenn sein Verhalten der Einhaltung gesetzlicher oder behördlicher Anordnungen dient. Die G GmbH ist nur zum Vertragsschluss bereit, wenn die Vertragsstrafklausel wortwörtlich in den Vertrag aufgenommen wird. II. Frage Bestehen Bedenken gegen die Wirksamkeit der geschilderten Vertragstrafklausel in dem Vertrag zwischen der G GmbH und X?
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III. Zur Rechtslage 1. Vorliegen von AGB Das Hauptaugenmerk einer Wirksamkeitsprüfung der vorstehenden Klauseln dürfte auf der Inhaltskontrolle gem. §§ 305 ff. BGB liegen. Hierfür müsste die im Kaufvertrag enthaltenen Regelungen Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem vorliegenden Vertrag um einen Verbrauchervertrag i. S. von § 310 Abs. 3 BGB handelt, bei dem gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB Allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt gelten, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden. Des Weiteren sind die §§ 305 ff. BGB gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch dann weitgehend anwendbar, wenn die vorformulierte Vertragsbedingung nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist, soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Vorliegend wird aber auch unabhängig von den Erweiterungen des Anwendungsbereichs der Inhaltskontrolle gem. § 310 Abs. 3 BGB vom Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen (Mehrfachverwendungsabsicht, stellen durch die G GmbH als Käufer) ausgegangen werden können. Somit dürfte der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB eröffnet sein. 2. Verstoß gegen § 309 Nr. 6 BGB Im Hinblick auf die angedrohten Vertragsstrafen könnte ein Verstoß gegen § 309 Nr. 6 BGB vorliegen. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird. § 309 Nr. 6 BGB erklärt Vertragsstrafen nicht generell für unzulässig. Vielmehr verbietet die Vorschrift nur bestimmte Typen von Vertragsstrafen (vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGBRecht, 5. Aufl. 2009, § 309 Nr. 6 Rn. 30). Vorliegend verspricht der Klauselgegner dem Klauselverwender bzw. einem Dritten eine Vertragsstrafe für eine vertragswidrige Kündigung bestimmter Mietverhältnisse, die Überschreitung des vertraglich erlaubten Maßes einer Mieterhöhung bzw. die Durchführung einer Luxusmodernisierung. Somit dürfte keiner der Anwendungsfälle des § 309 Nr. 6 BGB verwirklicht sein. 3. Verstoß gegen § 307 BGB Es ist jedoch weiterhin zu berücksichtigen, dass neben § 309 Nr. 6 BGB auch die Generalklausel des § 307 BGB in vollem Umfang Anwendung findet (vgl. BGH NJW 1988, 1373, 1374; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, 11. Aufl. 2011, § 309 Nr. 6 Rn. 12; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 6 Rn. 61). Das Schwergewicht der richterlichen Inhaltskontrolle von Vertragsstrafeklauseln richtet sich in der Praxis nicht nach § 309 Nr. 6 BGB, weil die danach geforderten Voraussetzungen nur selten bei der Forderung nach einer Vertragsstrafe vorliegen, sondern nach den allgemeinen Kriterien, wie sie entweder in § 307 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 BGB verankert sind (vgl. Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Stand: Dezember 2009, Rn. 14). Im Einzelnen gelten folgende Leitlinien für die Angemessenheitsprüfung i. S. des § 307 BGB:
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a) Bestimmtheitsgebot Die Vertragsstrafe muss nach Voraussetzung und Inhalt dem Bestimmtheitsgebot entsprechen, so dass für den Vertragspartner konkret erkennbar ist, welcher Verstoß welche Sanktion nach sich ziehen soll (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 6 Rn. 27; MünchKommBGB/Wurmnest, 6. Aufl. 2012, § 309 Nr. 6 Rn. 14). b) Berechtigtes Interesse an der Vereinbarung einer Vertragsstrafe Materiell-rechtlich ist grundsätzlich zu verlangen, dass der AGB-Verwender für die Verhängung einer formularmäßigen Vertragsstrafe geltend machen kann, dass er an der gesicherten Forderung und damit an der Vertragsstrafe dem Grunde nach ein berechtigtes Interesse hat (vgl. Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsstrafe, Rn. 14; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 6, Rn. 14). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Möglichkeit von Schadenspauschalierungen als Druckmittel für die Erfüllung ausscheidet, weil es an einem messbaren und erstattungsfähigen Schaden fehlt oder wenn Schadensersatzansprüche wegen der Geringfügigkeit des Schadens kein ausreichendes Druckmittel darstellen (vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 6 Rn. 61; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 6 Rn. 27). Dann ist es aber auch grundsätzlich unerheblich, ob durch die Vertragsstrafe die Einhaltung einer Haupt- oder Nebenpflicht gesichert werden soll (Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsstrafe, Rn. 14). Umfangreiche und prinzipiell vergleichbare Rechtsprechung zu Vertragsstrafen im Zusammenhang mit Privatisierungsverträgen der öffentlichen Hand existiert insbesondere zu Investitionsund Beschäftigungszusagen in Treuhandprivatisierungsverträgen (vgl. hierzu zusammenfassend Wächter/Stender, NJW 2000, 395 ff.). In diesem Zusammenhang ist die Rechtsprechung grundsätzlich von der Wirksamkeit von Vertragsstrafeklauseln in den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt ausgegangen (vgl. BGH NJW 1998, 2600; NJW 1999, 2662; VIZ 2003, 307). In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen die Androhung von Schadenersatzforderungen wirkungslos bleibt, weil der Schaden, der aus der Verletzung der Privatisierungsverträge entsteht, in aller Regel nicht die Treuhandanstalt und ihre Rechtsnachfolger trifft, sondern die Volkswirtschaft insgesamt oder die zur Auszahlung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe verpflichteten Träger der öffentlichen Verwaltung (MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 6 Rn. 23). Des Weiteren wird darauf verwiesen, dass zugunsten der Wirksamkeit dieser Klauseln allgemeine Interessen streiten, die in dem besonderen gesetzlichen und politischen Auftrag der Treuhandanstalt zur Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe in den neuen Bundesländern ihren Ausdruck gefunden haben (vgl. Baetge, AcP 202 [2002], 972). Analog hierzu kann auch für das Vorsehen einer Vertragsstrafe im Rahmen einer Sozialcharta anlässlich eines Erwerbs von Mietwohnungen der öffentlichen Hand davon ausgegangen werden, dass die Androhung von Schadenersatzforderungen insofern wirkungslos ist, als der durch den Verstoß gegen die Sozialcharta eintretende Schaden nicht beim Veräußerer, sondern bei den betreffenden Mietern eintritt. Zudem spricht für die Aufnahme einer entsprechenden Sozialcharta auch der Gesichtspunkt des allgemeinen Interesses, da insbesondere in jüngster Zeit über erhebliche Auswirkungen der Privatisierung kommunaler Wohnungen auf Mieten und Wohnqualität berichtet wird (vgl. Kofner, WuM 2010, 20, 22). Somit würde der Sachbearbeiter persönlich davon ausgehen, dass grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an einem
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formularvertraglichen Vertragsstrafeversprechen zur Sicherung einer Sozialcharta in einem Wohnungsprivatisierungsvertrag besteht. c) Verschuldensunabhängige Vertragsstrafe Relativ großen Raum nimmt in der Rechtsprechung die Frage ein, ob eine verschuldensunabhängige Ausgestaltung von Vertragsstrafen unangemessen i. S. von § 307 BGB ist. In diesem Zusammenhang ist von der Rechtsprechung des BGH auszugehen, wonach eine formularmäßige Abbedingung des Verschuldenserfordernisses bei Vertragsstrafen nur dann zulässig ist, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen (vgl. BGH NJW 1979, 105, 106; NJW 1985, 57, 58; NJW-RR 1991, 1013, 1015; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 6 Rn. 69). Eine solche Gestaltung widerspricht grundsätzlich dem gesetzlichen Leitbild des § 339 BGB und führt damit über die Unwirksamkeitsvermutung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich zur Unangemessenheit. Im Zusammenhang mit den bereits erwähnten Treuhandprivatisierungsverträgen hat der BGH in seiner Entscheidung vom 26.5.1999 die Zulässigkeit von verausdrücklich bejaht. Die schuldensunabhängigen Vertragsstrafen Unwirksamkeitsvermutung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG ausräumende gewichtige Umstände könnten nicht verneint werden, wenn man die öffentliche und gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensprivatisierung der Treuhandanstalt, die notwendige Abschreckungswirkung der Vertragsstrafen sowie die trotz der aus den §§ 282, 285 BGB herzuleitenden Beweislastumkehr bestehenden Schwierigkeiten eine Klärung der Verschuldensfrage berücksichtigt. Die mit der Treuhandanstalt vereinbarten Beschäftigungs- und Investitionszusagen stellten regelmäßig Hauptleistungspflichten des Käufers dar, die neben die Zahlungspflicht traten und bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt wurden, mithin im weiteren Sinne kaufpreisersetzende Funktion hatten. Es sei der erkennbare Zweck derartiger Vereinbarungen, die von der Treuhandanstalt im Rahmen ihrer Unternehmensprivatisierung verfolgten sog. ,,weichen" Ziele volkswirtschaftlicher, sozial- und strukturpolitischer Art soweit wie möglich auch bei dem Weiterverkauf ehemaliger staatlicher Unternehmen sicherzustellen. Das rechtfertige grundsätzlich auch die formularmäßige Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Vertragsstrafe (BGH NJW 1999, 2662, 2664). Dieser Aspekt lässt sich uE ebenfalls weitgehend auf Vertragsstrafen zur Sicherung einer Sozialcharta bei Wohnungsprivatisierungen übertragen, da auch insofern die Zusagen des Erwerbers hinsichtlich der bestehenden Mietverhältnisse in der Sozialcharta regelmäßig eine Verpflichtung darstellt, die neben die Kaufpreiszahlungspflicht tritt und bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt wird. Mithin ist auch in diesem Kontext von einer kaufpreisersetzenden Funktion der Verpflichtungen aus der mietrechtlichen Sozialcharta auszugehen. Somit können in Wohnungsprivatisierungsverträgen die Bestimmungen einer Sozialcharta nach der persönlichen Auffassung des Sachbearbeiters über verschuldensunabhängige Vertragsstrafen abgesichert werden. d) Höhe der Vertragsstrafe Wenngleich es grundsätzlich mit § 307 Abs. 1 BGB vereinbar ist, dass der AGBVerwender Vertragsstrafeversprechen einsetzt, um auf den Kunden Druck auszuüben, dass dieser seine Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt, so ergeben sich gleichwohl
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Wirksamkeitsgrenzen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach § 307 BGB ist u.a. eine unangemessen hohe Vertragsstrafe unwirksam (vgl. BGH NJW 1998, 2600, 2602). Es ist unerlässlich, dass zwischen der Höhe der Vertragsstrafe einerseits und der maximalen Belastung des Kunden aufgrund der verwirkten Vertragsstrafe andererseits eine angemessene Relation besteht (BGH NJW 2009, 1882, 1885; Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsstrafe, Rn. 15). Die Höhe der Vertragsstrafe wird deshalb dann unangemessen i. S. von § 307 Abs. 1 BGB, wenn ihre Sanktion außerhalb eines angemessenen Verhältnisses zum Vertragsverstoß, seinem Gewicht und seinen Folgen für den AGB-Verwender steht (BGH NJW 2009, 1882, 1885; NJW 1998, 2600). Auch in den Treuhandprivatisierungsfällen hat der BGH zur Unangemessenheit der Höhe einer Vertragsstrafe Stellung genommen (BGH NJW 1998, 2600). Der BGH hat in dem entschiedenen Fall entgegen dem Berufungsgericht eine Vertragsstrafe als nicht überhöht angesehen, die bei einem Wert des Kaufgegenstandes von allenfalls 935.000,00 DM insgesamt Vertragsstrafen in Höhe von 6.340.000,00 DM hätte bewirken können. Nach dem BGH solle die Vertragsstrafe einen Schuldner als Druckmittel zur ordnungsgemäßen Erbringung der Leistung anhalten und dem Gläubiger die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung eröffnen. Bei den von der Treuhandanstalt vorgenommenen Verkäufen ging es allein um das Ziel, die Erfüllung sicherzustellen (BGH NJW 1998, 2600, 2602). Zur Verfolgung dieses Zweckes sei es sachgerecht und nicht unverhältnismäßig, ,,wenn die Höhe der Strafe an den Umfang der geschuldeten Leistung anknüpft und durch ihn nach oben begrenzt wird". Dies bejahte der BGH in dem zu entscheidenden Fall. ,,Der Beklagte schuldete bei Verwirkung der Vertragsstrafe wirtschaftlich nicht mehr, als er bei gehöriger Erfüllung der übernommenen Verpflichtung an Leistung zu erbringen gehabt hätte" (BGH NJW 1998, 2600, 2602). Mit dem gleichen Argument wird auch der vom Berufungsgericht noch als unangemessen angesehene ,,Summierungseffekt" verschiedener Vertragsstrafen als nicht erheblich angesehen. Selbst wenn eine Unterlassung von Investitionen dazu führe, dass zugleich eine Arbeitsplatzzusage nicht erfüllt wird, und hierdurch zwei Strafen verwirkt würden, die in der Summe einen sehr hohen Betrag erreichen, führe dies nicht dazu, dass die Sanktionen unverhältnismäßig wären, weil die Strafen, auch wenn sie nebeneinander verwirkt würden, an das Gewicht der jeweiligen Vertragsverstöße anknüpften (BGH NJW 1998, 2600, 2602). Die Übertragung dieser Rechtsprechungsgrundsätze auf die Inhaltskontrolle der Vertragsstrafenhöhe zur Sicherung einer Sozialcharta bei Wohnungsprivatisierungsverträgen gestaltet sich jedoch deshalb schwierig, weil es sich bei den im Rahmen der Sozialcharta übernommenen Verpflichtungen um Unterlassungspflichten handelt (Unterlassung von Kündigungen gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2, 3 BGB, Mieterhöhungen, Luxussanierungen etc.) und demgemäß gerade keine echten Leistungen zu erbringen sind. Somit dürfte es schwer fallen, die Höhe der angedrohten Vertragsstrafen an den Umfang der geschuldeten Leistung anzuknüpfen. Sachgerecht ist daher allein, die Unangemessenheit der Höhe der vertragsmäßig ausbedungenen Vertragsstrafe danach zu beurteilen, ob die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht (BGH NJW 1994, 1060, 1064; NJW 1997, 3233, 3234; NJW 1998, 2600, 2602). Dies ist u. a. dann der Fall, wenn die Höhe der Vertragsstrafe nicht an das Gewicht des Vertragsverstoßes anknüpft, sich mit fortschreitender Dauer des vertragswidrigen Zustandes kontinuierlich steigert und weder eine zeitliche noch eine summenmäßige Beschränkung vorgesehen ist. Dann liege die unangemessene Benachteiligung des Vertragsstrafenschuldners vor allem in der Gefahr, dass die ständig wachsende Vertrags-
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strafe seine eigenen Vertragsansprüche aufzehren, außer Verhältnis zum möglichen Schaden des Vertragsstrafengläubigers geraten und diesem sogar eine von seinem Sachinteresse nicht mehr gedeckte Geldquelle eröffnen kann (vgl. BGH NJW 1997, 3233, 3234 m. w. N.). e) Vorliegender Fall Gemessen an diesen Grundsätzen begegnet das vorliegend zu beurteilende Vertragsstrafeversprechen insofern Bedenken, als die Höhe der Vertragsstrafe nicht an die Art, das Ausmaß bzw. das Gewicht des Vertragsverstoßes anknüpft und auch nur eine zeitliche, aber keine summenmäßige Beschränkung vorgesehen ist. Zudem steht die hier infrage stehende Höhe des Vertragsstrafeversprechens wohl auch in keiner angemessenen Beziehung mehr zu den Folgen eines Verstoßes für den Klauselverwender bzw. für die von der Wohnungsprivatisierung betroffenen Mieter. Die Verwirkung einer Vertragsstrafe in Höhe von 125.000,00 bei einmaligem Verstoß gegen die Sozialcharta steht nach der persönlichen Auffassung des Sachbearbeiters außer Verhältnis zu dem mit der Sozialcharta bezweckten Schutz des Mietverhältnisses vor Kündigungen, Mieterhöhungen bzw. Luxusmodernisierungen. Insofern dürfte die Vertragsstrafenklausel ihrer Höhe nach uE wohl gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen. Die daraus folgende Unwirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingung besteht unabhängig von der Möglichkeit der Herabsetzung einer zu hohen Vertragsstrafe gem. § 343 BGB, da letztere nur im Einzelfall greift und keine hinreichende Präventionswirkung entfaltet (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 6 Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 6 Rn. 72). Wir weisen jedoch an dieser Stelle darauf hin, dass die Rechtslage angesichts des Fehlens unmittelbar einschlägiger Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur als unsicher zu bezeichnen ist. 4. Beurteilung der Weitergabe der Vertragsstrafe an einen Verbraucher Im vorliegenden Sachverhalt geht es jedoch nicht um eine Inhaltskontrolle des ursprünglichen Vertragsstrafeversprechens im Wohnungsprivatisierungsvertrag, sondern vielmehr um die Beurteilung der Angemessenheit der Weitergabe einer derartigen Sozialcharta an einzelne Erwerber von vermieteten Wohnungseigentumseinheiten, die wiederum als Verbraucher auftreten. Insofern muss Berücksichtigung finden, dass im Geschäftsverkehr mit Unternehmern ein erheblich weiterer Spielraum für die Vereinbarung von Vertragsstrafen besteht (vgl. formularmäßige Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 6 Rn. 35; so auch Staudinger/Coester-Waltjen, BGB, Neubearb. 2006, § 309 Nr. 6 Rn. 28 unter Hinweis auf § 348 HGB). Hinsichtlich der Verschuldensunabhängigkeit des Vertragsstrafeversprechens wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, dass im Verkehr mit Verbrauchern von dem etablierten Verschuldenserfordernis nicht formularvertraglich abgewichen werden kann (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 309 Nr. 6 Rn. 33; a. A. wohl Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 6 Rn. 69; Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsstrafe, Rn. 28). Zudem kann im Verhältnis zu Verbrauchern nicht unmittelbar auf die verschuldensunabhängige Vertragsstrafen rechtfertigende Rechtsprechung zu den Treuhandprivatisierungsverträgen rekurriert werden, da diese gerade zur Inhaltskontrolle im unternehmerischen Verkehr ergangen ist. Somit würde der Sachbearbeiter persönlich davon ausgehen, dass die formularvertragliche Vereinbarung eines verschuldensunabhängigen Vertragsstrafeversprechens gegenüber einem Verbraucher auch dann mit hoher Wahrscheinlichkeit unangemessen i. S. von § 307 Abs. 1 BGB ist, wenn die zu sichernden Verpflichtungen
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aus der Sozialcharta kaufpreisersetzende Funktion haben. Jedenfalls besteht diesbezüglich eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Zudem wird im unternehmerischen Verkehr auch der Spielraum für die Höhe einer angemessenen Vertragsstrafe allgemein als größer angesehen (vgl. Staudinger/CoesterWaltjen, § 309 Nr. 6 Rn. 28). Insofern bestehen die bereits oben geäußerten Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der formularvertraglichen Vertragsstrafe in verstärktem Maße auch für die Weitergabe der entsprechenden Vorgaben der Sozialcharta an einen Verbraucher. Insbesondere beziehen sich die zu übernehmenden Verpflichtungen im Verhältnis zum Erwerber i. d. R. allein auf die zu erwerbende Eigentumswohnung. Insbesondere im Hinblick auf den Kaufpreis von 110.000,00 erscheint eine Vertragsstrafenandrohung von 125.000,00 für jeden Verstoß gegen die übernommene Sozialchartaverpflichtung als evident unangemessen. Insoweit würde es überhaupt nicht auf den vom BGH in den Treuhandprivatisierungsfällen angesprochenen sog. Summierungseffekt ankommen. Vor diesem Hintergrund halten wir die vorgeschlagene Klausel in Bezug auf das dort vorgesehene Vertragsstrafeversprechen wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB für unwirksam. Wir weisen jedoch darauf hin, dass wir zu dem gesamten Fragenkomplex der Inhaltskontrolle von mietrechtlichen Sozialchartaverpflichtungen und den damit zusammenhängenden Vertragsstrafeversprechen keine ausdrücklichen Stellungnahmen in der Rechtsprechung und Literatur auffinden konnten, so dass die Rechtslage insgesamt als unsicher zu bezeichnen ist. Die vorstehenden Ausführungen basieren daher allein auf der persönlichen Rechtsansicht des Sachbearbeiters. Wir bitten dies, bei der Würdigung des Vorstehenden zu berücksichtigen.