26. September 2019
BGB § 1585c

Adoption; künstliche Befruchtung; Freistellungsvereinbarung; Verzicht auf Betreuungsunterhalt

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 171935
letzte Aktualisierung: 26. September 2019

BGB § 1585c
Adoption; künstliche Befruchtung; Freistellungsvereinbarung; Verzicht auf
Betreuungsunterhalt

I. Sachverhalt

Eine Ehepaar (Ehemann 1960 geboren, Ehefrau 1969 geboren) ist kinderlos. Die Ehefrau
möchte im Wege der Adoption oder künstlichen Insemination ein Kind empfangen/annehmen.

Der Ehemann möchte nur zustimmen, wenn zugleich eine Vereinbarung geschlossen wird,
wonach sie ihn von Kindesunterhalt freistellt und auf Betreuungsunterhalt verzichtet. Sie gibt
an, nicht auf die finanzielle Unterstützung durch ihn angewiesen zu sein, eine Gefahr der Sozialhilfebedürftigkeit
ist nicht gegeben.

II. Frage

Kann die Vereinbarung rechtswirksam geschlossen werden?

III. Zur Rechtslage

1. Grundsätzliches zur Unterhaltspflicht

Ein Ehepaar kann ein Kind gem. § 1741 Abs. 2 S. 2 BGB nur gemeinschaftlich annehmen;
die bloße „Zustimmung“ des Ehepartners reicht nicht aus. Mit der Annahme erlangt das
Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes, § 1754 Abs. 1, 3 BGB. Damit
werden beide Elternteile als Verwandte unterhaltspflichtig, § 1601 BGB.

Bei der heterologen Insemination handelt es sich um einen adoptionsähnlichen Vorgang
(Grziwotz, notar 2018, 163, 170). Ist der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet, gilt
§ 1592 Nr. 1 BGB. Danach ist Vater des Kindes derjenige, der zum Zeitpunkt der Geburt
des Kindes mit der Mutter verheiratet ist; dies gilt auch dann, wenn der Betroffene nicht der
biologische Erzeuger des Kindes ist (Wilms, RNotZ 2012, 141, 144). Bis zu einer rechtskräftigen
Feststellung der Nichtehelichkeit steht dem Kind deshalb ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch
gegen den Ehemann seiner Mutter zu, auch wenn dieser nicht sein leiblicher
Vater ist (s. bereits BGH NJW 1995, 2028; die Anfechtung der Mutter und des Vaters sind
jedoch nach § 1600 Abs. 4 BGB ausgeschlossen). Besteht die rechtliche Elternschaft von
Vater und Mutter, bedeutet dies mithin, dass die üblichen unterhaltsrechtlichen Folgen
hieran geknüpft sind (Wilms, RNotZ 2012, 141, 150).

2. Anspruch auf Familienunterhalt

Der Anspruch auf Familienunterhalt gehört zum Kernbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft.
Er ist weitgehend, aber nicht vollständig, einer Disposition entzogen (§ 1360a
Abs. 3, § 1614 Abs. 1 BGB). Jedenfalls ist danach ein Unterhaltsverzicht für die Zukunft
unwirksam (BeckOGK-BGB/Preisner, Stand: 1.8.2019, § 1360 Rn. 76).

3. Anspruch auf Kindesunterhalt

Vereinbarungen zum Kindesunterhalt (§§ 1601, 1610 BGB) sind nur stark eingeschränkt
möglich. Insbesondere ein Verzicht auf Unterhalt ist nur für die Vergangenheit zulässig; auf
künftigen Kindesunterhalt darf dagegen nicht – auch nicht nur teilweise – verzichtet werden
(§ 1614 Abs. 1 BGB). Auch Vereinbarungen, die im Ergebnis auf einen (teilweisen) Verzicht
hinauslaufen, sind unzulässig (OLG Hamm FamRZ 2010, 2080). Entscheidend ist, ob der
dem Unterhaltsberechtigten von Gesetzes wegen zustehende Unterhalt objektiv verkürzt
wird (BGH NJW 1985, 64). Es besteht lediglich nach Maßgabe des § 1610 Abs. 1 BGB für
die Bemessung des Kindesunterhalts ein Angemessenheitsrahmen, der von den Vertragsparteien
ausgeschöpft werden kann (OLG Brandenburg FamRZ 2004, 558). Nur Vereinbarungen,
die sich innerhalb dieses Rahmens halten und sich als Konkretisierung des
gesetzlichen Unterhaltsanspruchs darstellen, sind gestattet. So wird in der Rechtsprechung
eine Unterschreitung der gebräuchlichen Tabellensätze bis zu 20 % als hinnehmbar erwogen,
eine Unterschreitung um ein Drittel dagegen als im Regelfall mit § 1614 Abs. 1 BGB
unvereinbar angesehen (BGH NJW 1985, 64). Entsprechende Vereinbarungen der Kindeseltern
stellen einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter (des Kindes) dar.

Nicht zu beanstanden ist allerdings nach h. M., wenn die Kindeseltern eine Freistellungsvereinbarung
dergestalt abschließen, dass die Mutter den Vater im Innenverhältnis
vollständig von einer Unterhaltsleistung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt freistellt (BGH
NJW 2009, 1667; OLG Hamm FamRZ 1980, 724; Palandt/Brudermüller, BGB, 78. Aufl.
2019, § 1606 Rn. 19). Eine solche interne Freistellungsvereinbarung bedeutet keinen (teilweisen)
Unterhaltsverzicht für das Kind, da die Vereinbarung Wirkung nur im Innenverhältnis
hat und im Außenverhältnis zwischen dem Kind und dem freigestellten Elternteil
ohne Wirkung bleibt (Palandt/Brudermüller, § 1606 Rn. 19). Der im Außenverhältnis in
Anspruch genommene freigestellte Elternteil hat dann aber einen Anspruch gegenüber dem
anderen Elternteil auf Erstattung und im Übrigen auf Freistellung (OLG Brandenburg
FamRZ 2003, 1965; OLG Jena FamRZ 2009, 892).

4. Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt

Auch wenn es keinen festen Kern der Scheidungsfolgen gibt, der prinzipiell nicht disponibel
wäre, bestehen zwischen den gesetzlichen Scheidungsfolgen Rangabstufungen im Hinblick
auf ihren „Gerechtigkeitsgehalt“. Dieser Gerechtigkeitsgehalt ist aber nicht statisch,
sondern bemisst sich in erster Linie danach, „welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen
für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben“ (BGH NJW 2004,
930, 934). Die Rangabstufung der Disponibilität nimmt mithin Rücksicht auf die jeweilige,
d. h. einzelfallspezifische Situation, vor allem der individuell geplante Ehezuschnitt ist maßgebend.

Die von der Rechtsprechung entwickelte Rangabstufung der Disponibilität der
Regelungen zum Scheidungsfolgenrecht innerhalb der Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen
ist damit eine fallgruppenspezifizierte Konkretisierung der jeweiligen
Dispositivitätsreichweite, die nur im Einzelfall mit Blick auf das konkrete Ehemodell festgelegt
werden kann (vgl. BeckOK-BGB/Cziupka, Stand: 1.8.2019, § 1372 Rn. 12).

Auch wenn der Anspruch auf Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) nach der Kernbereichslehre
einer Disposition der Parteien am wenigsten zugänglich ist, ist eine Modifikation
oder gar ein gänzlicher Ausschluss nicht stets sittenwidrig und damit nichtig. Es gibt
weder einen festen Kern der Scheidungsfolgen noch einen Randbereich, der prinzipiell und
in jeder Situation nachgiebig wäre. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein vollständiger
Verzicht unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB etwa dann unbedenklich, wenn
kein gemeinsamer Kinderwunsch der Ehegatten besteht und auch sonst für deren Absicht,
eine Familie mit Kindern zu gründen, nichts ersichtlich ist (BGH NJW 2004, 930 = FamRZ
2004, 601).

So liegt der Fall hier aber nicht. Geplant ist gerade keine kinderlose Ehe. Vielmehr soll ein
Kind im Wege der Adoption angenommen oder durch heterologe Insemination empfangen
werden. Damit sind auch Kindesbelange zu berücksichtigen. Insofern ergibt sich keine
abweichende Beurteilung zur Empfängnis auf natürlichem Weg. Den Kindesbelangen
kommt wegen ihrer besonderen unterhaltsrechtlichen Bedeutung auch bei der Beurteilung
der Nichtigkeit einer Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt besonderes Gewicht zu
(so MünchKommBGB/Maurer, 7. Aufl. 2017, § 1585v Rn. 67). Dies heißt indes nicht, dass
bei vorhandenen oder geplanten Kindern ein Ausschluss des Betreuungsunterhalts stets
sittenwidrig wäre. Vielmehr müssen auch hier besondere Umstände hinzukommen. Entscheidend
wird es insoweit darauf ankommen, ob sich eine Tendenz zur Alleinverdienerehe
herausbildet oder ob vielmehr die Ehegatten davon ausgehen, dass beide weiterhin ohne
erhebliche Beschränkung ihrer Erwerbstätigkeit nachkommen können (BGH NJW 2013,
380 = FamRZ 2013, 195; BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 605). Dies wird vor allem
dann denkbar sein, wenn einverständlich eine Fremdbetreuung des Kindes geplant ist (dazu
und für einen entsprechenden Formulierungsvorschlag Langenfeld/Milzer, Handbuch der
Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 8. Aufl. 2018, Rn. 620 f.) Hinzu kommt: Um
ehevertragliche Vereinbarungen als sittenwidrig gem. § 138 BGB einzustufen, genügt es
nicht, wenn diese objektiv zu einer einseitigen Benachteiligung eines Ehegatten, auch im
Lichte des Gesamtvertrages, führen (BGH NJW 2017, 1883, 1885). Auch eine für sich
genommen wesentliche Benachteiligung kann nicht für sich genommen zum Verdikt der
Sittenwidrigkeit führen. Stets muss hinzukommen, dass diese Benachteiligung auf einer
unterlegenen Verhandlungsposition beruht (s. BGH NJW 2017, 1883, 1886: keine vorherige
Zusendung eines Vertragsentwurfs, kein Exemplar zum Durchlesen bei der Verhandlung,
Anwesenheit des Kindes beim Notar; recht weitgehend; s. auch BGH DNotZ
2013, 376, 382) und somit den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung zulässt. Zwar
kann dies ein unausgewogener Vertragsinhalt nahelegen; zwingend ist dieser Schluss aber
nicht. Damit wird es entscheidend auf eine Gesamtabwägung der Einzelfallumstände
ankommen, die wir freilich nicht vornehmen können. Auch im Lichte des zu schützenden
Kindeswohls halten wir es mit dieser Einschränkung allerdings für durchaus denkbar, dass
ein Ausschluss des Betreuungsunterhalts wirksam ist, sofern der betreuende Ehegatte nicht
die finanzielle Unterstützung des anderen benötigt. Gleichwohl aber kann trotz dieser
mangelnden wirtschaftlichen Abhängigkeit, je nach geplantem Ehezuschnitt, vor allem der
Kinderbetreuung, für den betreuenden Elternteil ein daraus resultierender ehebedingter
Nachteil entstehen; dies etwa dann, wenn erhebliche Einschränkungen der bisherigen
Erwerbstätigkeit erforderlich wären. Schon aus diesem Grund ist ein Sittenwidrigkeitsverdikt
keineswegs auszuschließen. Jedenfalls denkbar wäre, dass bei einer erheblichen
Abweichung vom geplanten Rollenmodell eine Berufung auf den Ausschluss des
Betreuungsunterhalts als treuwidrig erschiene; insoweit könnte der Totalausschluss
möglicherweise dann einer Ausübungskontrolle nicht standhalten. Zu betonen ist, dass
diese Ausführungen indes unabhängig davon gelten, ob das betreffende Kind durch
Insemination gezeugt bzw. adoptiert wurde oder ein leibliches Kind ist.

Gutachten/Abruf-Nr:

171935

Erscheinungsdatum:

26.09.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Ehegatten- und Scheidungsunterhalt

Normen in Titel:

BGB § 1585c