Gesamtgläubigerschaft; Zwangssicherungshypothek; Abtretung der Forderung durch einzelne Gesamtgläubiger
Gesamtgläubigerschaft; Zwangssicherungshypothek; Abtretung der Forderung durch einzelne Gesamtgläubiger
I. Sachverhalt
Es wurde ein Kauf- und Abtretungsvertrag beurkundet. Verkauft und abgetreten wurden „zwei Forderungen“, die zwei im Grundbuch eingetragenen Zwangssicherungshypotheken zugrunde liegen. Formuliert war in der Urkunde wie folgt:
„(Die Zedenten) treten die den Zwangshypotheken zugrunde liegenden beiden Forderungen jeweils mit Zinsen seit (…) an (den Zessionar) ab“.
Nach dem Grundbuch waren die beiden Zedenten neben weiteren Personen Gesamtgläubiger der eingetragenen Zwangssicherungshypotheken.
Im Grundbuch ist neben dem Land Hessen (Landesfiskus) zu 1/2 der Zessionar als weiterer Miteigentümer zu 1/2 eingetragen. Die Zwangssicherungshypotheken lasten nur an dem Miteigentumsanteil, der dem Land Hessen gehört. Die Urkunde enthält die Bewilligungen und Anträge aller an der Urkunde Beteiligten zur Eintragung der Abtretungen im Grundbuch.
Das Grundbuchamt meint, zur Abtretung des Rechts müssten auch die anderen im Grundbuch vermerkten Gläubiger der Zwangssicherungshypothek zustimmen.
II. Frage
Ist die Ansicht des Grundbuchamts zutreffend? Nach Auffassung des Notars sei zu berücksichtigen, dass die Gläubiger als Gesamtberechtigte eingetragen sind, weshalb sie forderungsberechtigt sind, mithin Leistung an alle verlangen und daher auch die Forderungen abgetreten werden könnten, ohne dass die anderen Gläubiger zustimmen.
III. Zur Rechtslage
I. Allgemeines zur Übertragung einer Sicherungshypothek
Für die Übertragung einer Sicherungshypothek, bei der es sich stets um eine Buchhypothek handelt, bedarf es der Abtretung der zugrunde liegenden Forderung nach §§ 1153, 1154 Abs. 3 i. V. m.
Da sich der Gläubiger einer Forderung, die mit einer Sicherungshypothek gesichert wird, hinsichtlich des Bestands der Forderung nicht auf die Eintragung berufen kann (
II. Rechtliche Würdigung des Sachverhalts
Zu untersuchen ist zum einen, inwieweit bzw. worüber die Zedenten verfügungsbefugt sind bzw. waren und zum anderen, worüber sie nach den Erklärungen der Urkunde verfügt haben.
1. Verfügungsbefugnis bei Gesamtgläubigern; „Forderung“ und „Forderungsberechtigung“
Voraussetzung jeder Abtretung ist, dass der Zedent verfügungsbefugt ist (Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2022, Einl. zu §§ 398 ff. Rn. 12). Genauer zu betrachten ist, inwieweit bzw. worüber bei Bestehen einer Gesamtgläubigerschaft der einzelne Gläubiger verfügungsbefugt ist.
Ganz allgemein gehört zu den Merkmalen der Gesamtgläubigerschaft, dass jeder der Gläubiger voll „forderungsberechtigt“ ist (MünchKommBGB/Heinemeyer, 9. Aufl. 2022, § 428 Rn. 3). Dies bedeutet in erster Linie, dass jeder Gläubiger die Leistung ganz oder teilweise fordern und dass der Schuldner nach seinem Belieben an einen der Gläubiger leisten kann (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 428 Rn. 1).
Diese „Forderungsberechtigung“ ist allerdings sowohl begrifflich als auch rechtlich von der „Forderung“ selbst zu unterscheiden. Jeder einzelne Gesamtgläubiger hat ein separat zu betrachtendes Forderungsrecht inne, dessen Bezugsobjekt gewissermaßen die gemeinsame Forderung ist. Der BGH hat dies im Kontext eines zwei Ehegatten zustehenden Oder-Kontos wie folgt beschrieben (
„Die Inhaber eines Oder-Kontos sind Gesamtgläubiger i. S. des
Zu dieser Forderungsberechtigung, die jedem Gesamtgläubiger zusteht und die das Außenverhältnis gegenüber dem Schuldner betrifft, tritt hinzu, dass jeder einzelne Gesamtgläubiger gegenüber den anderen Gesamtgläubigern i. d. R. im Innenverhältnis zu Bruchteilen i. S. v.
Bei Gesamtgläubigerschaft ist anerkannt, dass jeder für sich „seine ihm zustehende Forderung“ übertragen kann und dass die Rechte der übrigen Gesamtgläubiger hiervon unberührt bleiben, § 429 Abs. 3 S. 1 i. V. m.
Der Wortlaut der Vorschrift dürfte jedoch ungenau sein. Bei der Abtretung durch einen von mehreren Gesamtgläubigern tritt dieser nämlich nicht „die Forderung“, sondern seine Binnenberechtigung an dem Vermögensgegenstand „Forderung“ sowie seine Forderungsberechtigung gem.
Die Zedenten konnten mithin ihre Binnenberechtigung an der Forderung, die den Sicherungshypotheken zugrunde liegt, sowie ihre Forderungsberechtigung i. S. v.
Looschelders führt hierzu aus (Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 429 Rn. 68):
„§ 429 Abs 3 S 2 BGB stellt sicher, dass durch die Abtretung der Forderung eines einzelnen Gesamtgläubigers gegen den Schuldner an einen Dritten die Rechte der übrigen Gesamtgläubiger unberührt bleiben. Wie jedem anderen Gläubiger auch ist es dem einzelnen Gesamtgläubiger ohne Beteiligung des Schuldners möglich, seine Forderung auf eine andere Person durch Abtretung (
Obwohl diese Kommentarstelle – nach der hier verwendeten Diktion sprachlich ungenau – von der „Forderung“ spricht, wenn eigentlich die dem einzelnen Gesamtgläubiger zustehende „Forderungsberechtigung“ gemeint ist, so wird doch deutlich, dass entsprechend zu differenzieren ist. Denn ein einzelner abtretender Gesamtgläubiger verfügt gerade nicht über die Substanz des Rechts (also nicht über die Forderung).
Sofern der Zedent nicht nur seine „Position in der Gruppe der Gesamtgläubiger“ übertragen möchte, sondern die Forderung dergestalt auf den Zessionar übertragen will, dass dieser anschließend alleine berechtigt und die Gesamtgläubigerschaft beendet ist, müsste er hierzu von den anderen Gesamtgläubigern ermächtigt sein (Staudinger/Looschelders, § 429 Rn. 69). Denn dann läge letztlich eine Verfügung über den gemeinschaftlichen Gegenstand „Forderung“ im Ganzen vor, die nur gemeinschaftlich vorgenommen werden kann (vgl.
2. Abtretungsgegenstand im vorliegenden Fall – Verständnis des Grundbuchamts
Es liegt nahe, dass das Grundbuchamt die Urkunde dahingehend verstanden hat, dass die Forderung mit Wirkung für alle Gesamtgläubiger an den Zessionar übertragen werden sollte. Vor diesem Hintergrund ist das Verlangen des Grundbuchamtes nach Zustimmung der übrigen Gesamtgläubiger zutreffend (
Unter Umständen ließe sich gegenüber dem Grundbuchamt jedoch darstellen, dass die Auslegung der Erklärungen ergibt, dass gerade nicht „die Forderung“ abgetreten werden sollte, sondern nur die den Zedenten insoweit zustehenden Rechte.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist im Zweifel anzunehmen, dass die Parteien Vernünftiges gewollt haben und dass sie eine Regelung frei von Widersprüchen treffen, sich gesetzeskonform verhalten und nichts Unredliches anstreben wollten. Des Weiteren gebührt im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug, die die Unzulässigkeit des Rechtsgeschäfts vermeidet (vgl. Grüneberg/Ellenberger, § 133 Rn. 25, 26, m. w. N.)
Führt man sich vor Augen, dass die Zendenten ohne Ermächtigung der übrigen Gesamtgläubiger „die Forderung“ gar nicht abtreten konnten, so sprechen die vorliegenden Maßstäbe für eine Auslegung dahingehend, dass nur die den Zedenten zustehenden und separat übertragbaren Rechtspositionen abgetreten werden sollten. Dem steht auch der Wortlaut der Urkunde nicht zwingend entgegen, was sich schon daran zeigt, dass auch das Gesetz, namentlich
197610
Erscheinungsdatum:05.05.2023
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Allgemeines Schuldrecht
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 428