BGB §§ 181, 875, 1183, 1191, 1192; GBO §§ 19, 29
Insichgeschäft; Löschung einer zugunsten des nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Vertreters bestehenden Grundschuld durch den Vertreter
I. Sachverhalt
Eine GmbH verkauft ein Grundstück, das mit einer Grundschuld zugunsten des P belastet ist. P ist Prokurist der GmbH und mit dem Verkauf des Grundstücks betraut. Er ist zur Verfügung über Grundstücke befugt, jedoch nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Bei der Beurkundung des Kaufvertrags vertritt P die GmbH. Die Kaufvertragsurkunde beinhaltet mit dem Löschungsantrag auch die Zustimmungserklärung des Eigentümers zur Löschung der Grundschuld. Die Löschungsbewilligung erklärt P zu separater Urkunde. Das Grundbuchamt hält den Löschungsantrag nicht für vollzugsfähig und hat eine Zwischenverfügung erlassen. Es verlangt die Genehmigung des Kaufvertrages durch die Geschäftsführerin der GmbH, weil der Antrag auf Löschung der Grundschuld in der Urkunde ein Insichgeschäft darstellen würde.
II. Frage
Besteht in dieser Konstellation tatsächlich ein Problem mit § 181 BGB?
III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines zum Vertretungsausschluss nach § 181 BGB
Nach § 181 BGB kann ein Vertreter, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Neben den ausdrücklich im Wortlaut der Norm verankerten Ausnahmefällen der Gestattung und der Handlung in Erfüllung einer Verbindlichkeit ist es zudem allgemein anerkannt, dass mangels Interessenkonflikt kein Verbot des Insichgeschäfts besteht, wenn das Rechtsgeschäft für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft oder zumindest rechtlich neutral ist (BeckOK-BGB/Schäfer, Std.: 1.11.2024, § 181 Rn. 19).
2. Zur Beseitigung eines Grundpfandrechts erforderliche Erklärungen
Für die Löschung einer (Fremd-)Grundschuld bedarf es materiell-rechtlich sowohl der Aufgabeerklärung des Grundpfandrechtsgläubigers (§ 875 BGB) als auch der Zustimmung des Eigentümers (§§ 1183, 1192 BGB). Grundbuchverfahrensrechtlich sind in Anlehnung hieran die entsprechende Löschungsbewilligung des Grundschuldgläubigers (§§ 19, 29 GBO) sowie die Zustimmung des Eigentümers zur Löschung (§§ 27, 29 GBO) erforderlich. Es handelt sich hierbei keineswegs um höchstpersönliche Erklärungen; eine Stellvertretung ist zulässig. In Frage steht vorliegend jedoch die Anwendbarkeit des § 181 BGB.
Auf verfahrensrechtliche Erklärungen ist § 181 BGB grundsätzlich nicht anwendbar (BeckOGK-BGB/Krafka, Std.: 1.10.2024, § 181 Rn. 225 m. w. N). Liegt der Bewilligung aber materiell-rechtlich eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung zugrunde, wie z. B. bei der Löschungsbewilligung die Aufgabeerklärung gem. § 875 BGB, muss das Grundbuchamt im Hinblick auf seine Pflicht, das Grundbuch richtig zu halten, prüfen, ob der Vertreter (auch) hinsichtlich der materiell-rechtlichen Erklärungen im Einklang mit § 181 BGB handelt. Ist dies nicht der Fall, fehlt dem Erklärenden insoweit die aus dem materiellen Recht abgeleitete Bewilligungsbefugnis (Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 19 Rn. 88).
Es stellt sich somit die Frage, ob § 181 BGB vorliegend auf materiell-rechtlicher Ebene im Rahmen der Löschung einer Grundschuld, die zugunsten des Vertreters besteht, einschlägig ist.
3. Anwendbarkeit von § 181 Alt. 1 BGB auf den vorliegenden Fall
a) Entscheidung des BGH v. 27.2.1980
Für die umgekehrte Vertretungskonstellation hat der BGH dies in seinem Beschluss v. 27.2.1980 (NJW 1980, 1577) bejaht. In dem entschiedenen Fall hatte der Grundstückseigentümer neben der eigenen Zustimmungserklärung (§ 1183 BGB) zugleich als Vertreter des Grundpfandrechtsgläubigers die Aufgabe des Grundpfandrechts (§ 875 BGB) erklärt. Der BGH sah im Hinblick auf die Aufgabeerklärung ein nach § 181 BGB verbotenes Insichgeschäft gegeben, da der Vertreter als Grundstückseigentümer hierdurch letztlich begünstigt wird, was einen entsprechenden Interessenkonflikt impliziert. Dass nach § 875 Abs. 1 S. 2 BGB der Grundpfandgläubiger das Recht durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt oder dem Begünstigten abgeben kann, ändert an der Anwendbarkeit des § 181 BGB nichts, da jedenfalls in beiden Fällen der Eigentümer des belasteten Grundstücks der durch die Aufgabeerklärung materiell Begünstigte ist. Dem hat sich die Literatur weitgehend angeschlossen (NK-BGB/Krause, 5. Aufl. 2021, § 1183 Rn. 9; Grüneberg/Herrler, BGB, 84. Aufl. 2025, § 1183 Rn. 4; BeckOK-BGB/Rohe, Std.: 1.11.2024, § 1183 Rn. 3; MünchKommBGB/Lieder, 9. Aufl. 2023, § 1183 Rn. 13 m. w. N.; a. A. BeckOGK-BGB/Volmer, Std.: 1.11.2024, § 1183 Rn. 24).
b) Vorliegender Fall: Rechtslage umstritten
Für den hier interessierenden Fall, dass der Grundpfandrechtsgläubiger im eigenen Namen die Aufgabeerklärung (§ 875 BGB) und darüber hinaus im fremden Namen als Vertreter des Grundstückseigentümers die Zustimmung zur Löschung (§ 1183 BGB) erklärt, ist die Rechtslage hingegen umstritten. Einige Stimmen in der Literatur halten – überwiegend ohne vertiefte Auseinandersetzung mit der Norm – die Anwendbarkeit des § 181 BGB auch für diesen Fall gegeben (NK-BGB/Krause, § 1183 Rn. 9; MünchKommBGB/Lieder, § 1183 Rn. 13 m. w. N.). Demgegenüber sehen Teile der Literatur einen erkennbaren Unterschied in dieser Fallgestaltung. Insbesondere bestehe hier gerade kein Interessenkonflikt, da dem Grundpfandrechtsgläubiger nach seiner Aufgabeerklärung die Frage des Fortbestehens der Grundschuld gleichgültig sei (Staudinger/Wolfsteiner, 2019, § 1183 Rn. 10; Grüneberg/Herrler, § 1183 Rn. 4).
c) Eigene Auffassung
Letztere Ansicht erscheint u. E. überzeugender. Hinter § 181 BGB steht die Wertung der Vermeidung einer generell-abstrakten Interessengefährdung bedingt durch einen potentiellen Interessenkonflikt in der Person Vertreters. Einen solchen potentiellen Interessenkonflikt, der die Anwendbarkeit des § 181 BGB rechtfertigen würde, können wir im Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem nach Abgabe der Aufgabeerklärung des Grundpfandrechtsinhabers im Hinblick auf die Eigentümerzustimmung nach § 1183 BGB jedoch nicht erkennen. Zwar bestehen durchaus schutzwürdige Interessen des Eigentümers, darüber zu entscheiden, ob die Grundschuld rangwahrend als Eigentümergrundschuld fortbestehen oder erlöschen soll. Hiermit korrespondiert jedoch kein gegenläufiges und somit konfligierendes Interesse des Grundschuldinhabers betreffend das weitere rechtliche Schicksal der Grundschuld. Vielmehr hat der Grundschuldinhaber durch die Aufgabeerklärung gerade zum Ausdruck gebracht, dass er selbst mit der Grundschuld kein Interesse mehr verbindet. Ein potentieller Interessenkonflikt ließe sich allenfalls dann annehmen, wenn der Vertreter gleichzeitig nachrangiger Gläubiger eines weiteren Rechts wäre, welches infolge der Löschung des vorrangigen Grundpfandrechts eine Rangverbesserung erfahren würde. Hierfür ist im unterbreiteten Sachverhalt jedoch nichts vorgetragen.
Eine höchstrichterliche Entscheidung dieser Fallgestaltung steht bisweilen noch aus, sodass die Rechtslage gleichwohl als ungeklärt bezeichnet werden muss. Anzumerken ist indes, dass die Streitfrage nicht ausdrücklich mit Blick auf die Lastenfreistellung im Rahmen eines Kaufvertrages diskutiert wird, sodass u. E. die Kommentarliteratur für den vorliegenden Fall unergiebig ist.
4. Vorliegen der Voraussetzungen des § 181 Alt. 1 BGB im vorliegenden Fall
Nach unserem Dafürhalten kann die Frage nach der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 181 BGB vorliegend dahinstehen, denn selbst wenn man diese bejahen sollte, läge kein Verstoß gegen das Verbot des Insichgeschäfts vor, unabhängig davon, ob auf die Aufgabeerklärung nach § 875 BGB oder die Zustimmungserklärung nach § 1183 BGB abgestellt wird.
a) Lediglich rechtliche Vorteilhaftigkeit im Hinblick auf die Aufgabeerklärung
Stellt man auf die Aufgabeerklärung des Grundpfandrechtsgläubigers nach § 875 BGB ab, so ist festzustellen, dass diese für den Grundstückseigentümer lediglich rechtlich vorteilhaft ist (auch der BGH bezeichnet den Grundstückseigentümer in diesem Kontext als den „materiell Begünstigten“, NJW 1980, 1577). Zumindest wird man anerkennen müssen, dass die Aufgabeerklärung nach § 875 BGB für sich genommenen nicht zum Untergang der Grundschuld führt und somit keinerlei rechtliche Nachteile für Grundstückseigentümer mit sich bringt, sodass diese Erklärung aus der Sicht des Grundstückseigentümers zumindest als rechtlich neutral einzustufen ist. In dieser Konsequenz steht das Verbot des Insichgeschäfts dieser Erklärung vorliegend nicht entgegen.
b) Handeln in Erfüllung einer Verbindlichkeit im Hinblick auf die Zustimmungserklärung
Stellt man auf die Zustimmungserklärung des Grundstückseigentümers nach § 1183 BGB ab, so ist vorliegend festzustellen, dass diese hier mittelbar zwecks Erfüllung einer Verbindlichkeit des Grundstückseigentümers erfolgt. Eine Verbindlichkeit des vertretenen Grundstückseigentümers ergibt sich vorliegend aus dem beurkundeten Kaufvertrag. In diesem wurde der Grundstückseigentümer – dies unterstellen wir – zur lastenfreien Eigentumsverschaffung verpflichtet. Nach dem unterbreiteten Sachverhalt hatte der Prokurist auch eine entsprechende Vertretungsmacht, § 49 Abs. 1 u. 2 HGB. Wenn der Prokurist aber auf schuldrechtlicher Ebene den Grundstückseigentümer zu einer lastenfreien Eigentumsverschaffung an einen Dritten verpflichten kann, wäre es wertungswidersprüchlich, anzunehmen, dass ihm die Mitwirkung an der Erfüllung dieser Leistungspflicht unter Hinweis auf § 181 BGB verwehrt ist. Vielmehr handelt der Prokurist insoweit zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit des Grundstückseigentümers. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Antrag auf Löschung der Grundschuld gemeinsam mit dem Antrag auf Eigentumsumschreibung auf den Erwerber gestellt wird (im Zweifel sind in dieser gleichzeitigen Antragseinreichung sogar verbundene Anträge i. S. v. § 16 Abs. 2 GBO zu sehen, vgl. BayObLG NJW-RR 1994, 718; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 92). Die Gefahr eines Interessenkonflikts, vor der § 181 BGB (Insichgeschäfte) schützen will, kommt hier ersichtlich nicht in Betracht.
5. Ergebnis
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 181 BGB auf die vorliegende Fallgestaltung umstritten und mangels höchstrichterlicher Klärung als unsicher zu bezeichnen ist. Aber auch bei Bejahung der Anwendbarkeit des § 181 BGB steht das Verbot des Insichgeschäfts dem konkreten Rechtsgeschäft vorliegend nicht entgegen, wenn der Antrag auf Löschung der Grundschuld – wie regelmäßig – gemeinsam mit dem Antrag auf Eigentumsumschreibung auf den Erwerber gestellt wird. Jedenfalls in dieser Situation greift § 181 BGB nicht ein.