19. April 2018
BGB § 2136; BGB § 164; BGB § 2112; BGB § 2113; BGB § 1922; BGB § 168

Erteilung einer transmortalen Vorsorgevollmacht zugunsten des alleinigen Vorerben

BGB §§ 164, 168, 1922, 2112, 2113, 2136
Erteilung einer transmortalen Vorsorgevollmacht zugunsten des alleinigen Vorerben
I. Sachverhalt
Der Vollmachtgeber hat eine notariell beurkundete Vorsorgevollmacht errichtet. Diese soll auch nach dem Tod des Vollmachtgebers fortgelten.

Bevollmächtigter ist der Sohn des Vollmachtgebers. Der Vollmachtgeber errichtet nun ein Testament, in dem er seinen Sohn – also den zugleich Bevollmächtigten – zu seinem weitgehend nicht befreiten ein­zigen Vorerben einsetzt; Nacherben sind Enkelkinder.

Der alleinige Vorerbe ist somit zugleich der Bevollmächtigte der transmortalen Vollmacht.

II. Fragen
1. Wie weit reichen die Vertretungsbefugnisse des bevollmächtigten einzigen Vorerben?

2. Greift § 2113 Abs. 1 BGB ein? Kann der Vorerbe aufgrund der Vollmacht die Nacherben vertreten und so ggf. ein Mitwirkungserfordernis aushebeln?

III. Zur Rechtslage
1. Wirkungen einer transmortalen Vollmacht
Eine Vollmacht erlischt grundsätzlich nicht mit dem Tod des Erblassers, sondern gilt im Zweifel darüber hinaus (vgl. §§ 672 S. 1, 168 S. 1 BGB). Im vorliegenden Fall ist die Fortgeltung der Vollmacht nach dem Tod des Erblassers ausdrücklich angeordnet.

Mit dem Tod des Vollmachtgebers wandelt sich die transmortale Vollmacht in eine Voll­macht für die Erben des Vollmachtgebers um (vgl. § 1922 Abs. 1 BGB); der Bevollmächtigte handelt im Namen der Erben (BGH NJW 1983, 1487, 1489).

2. Erlöschen einer Vollmacht an den alleinigen Erben
Fraglich ist, ob die transmortale Vollmacht gegenstandslos wird, wenn der Bevollmächtigte der Alleinerbe des Vollmachtgebers ist. Diese Frage ist stark umstritten und von der Recht­sprechung noch nicht abschließend geklärt worden.

Mehrere Entscheidungen gehen davon aus, dass die Vollmacht mit dem Erbfall durch Kon­fusion erlischt (OLG Hamm DNotZ 2013, 689; OLG Stuttgart NJW 1947/48, 627). Dies soll auch dann gelten, wenn es sich beim Bevollmächtigten um einen Vorerben handelt (KGJ 43, A 157; jurisPK-BGB/Hamdan/Hamdan, 8. Aufl. 2017, § 2112 Rn. 17; Staudinger/Avenarius, BGB, 2013, § 2112 Rn. 33; BeckOGK-BGB/Müller-Christmann, Std.: 15.1.2018, § 2112 Rn. 67).

Die wohl überwiegende Literatur sieht dies anders und beruft sich u. a. auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs und die Interessen des Erblassers (BeckOK-GBO/Wilsch, Std.: 1.2.2018, § 35 Rn. 78; Herrler, DNotZ 2017, 508, 520 ff.; Keim, MittBayNot 2017, 111, 113; zur Vollmacht an den alleinigen Vorerben Palandt/Weidlich, BGB, 77. Aufl. 2018, § 2112 Rn. 4; MünchKommBGB/Schubert, 7. Aufl. 2015, § 168 Rn. 52; Wendt, ErbR 2016, 74, 75).

Die letztgenannte Ansicht ist u. E. jedenfalls insoweit überzeugend, als es um eine Vollmacht an den Vorerben geht. Mit dem Erbfall vereinigen sich zwar die Rechtsstellungen von Bevollmäch­tigtem und Erben. Allerdings entstehen in der Person des Vorerben zwei verschiedene Ver­mögensmassen. Insoweit verbleibt durchaus ein Bedürfnis, die Vollmacht aufrechtzuer­halten. Insbesondere wäre es denkbar, dass der Vorerbe die Nacherben vertritt, wenn der Nacherbfall eintritt. Das Erlöschen der Vollmacht wäre daher nicht sachgerecht.

3. Beschränkung der §§ 2113 ff. BGB
Wiederum umstritten ist die Frage, ob die Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB gelten, wenn der Bevollmächtigte im Namen der Erben Rechtsgeschäfte abschließt.

Nach teilweise vertretener Ansicht berechtigt die Vollmacht bis zum Nacherbfall nur zur Vertretung des Vorerben; die Nacherben könne der Bevollmächtigte erst mit dem Ein­tritt des Nacherbfalls vertreten (BeckOGK-BGB/Müller-Christmann, § 2112 Rn. 67; jurisPK-BGB/Hamdan/Hamdan, § 2112 Rn. 17; MünchKommBGB/Grunsky, 7. Aufl. 2017, § 2112 Rn. 10; Soergel/Harder/Wegmann, BGB, 13. Aufl. 2003, § 2112 Rn. 10; Staudinger/Avenarius, § 2112 Rn. 33; der Sache nach auch RGZ 77, 177, 179). Begründet wird dies vor allem mit dem Argument, dass eine vom Vorerben erteilte Vollmacht nicht die Nach­erben verpflichten könne. Zudem erlaube es § 2136 BGB nicht, den Vorerben umfassend von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB zu befreien. Darauf liefe eine Vollmacht zur Vertretung der Nacherben aber hinaus (vgl. RGZ 77, 177, 178 f.). Des Weiteren führt man an, dass das Erbrecht nur die Nacherbenvollstreckung (§ 2222 BGB) als Instrument der Einflussnahme auf die Rechtsstellung der Nacherben zulasse (Staudinger/Avenarius, § 2112 Rn. 34). Außerdem sei der Nacherbe nicht an dem Rechtsverhältnis der Vollmacht beteiligt und könne die Vollmacht nicht widerrufen (MünchKommBGB/Grunsky, § 2112 Rn. 10).

Nach der Rechtsprechung des KG (KGJ 36, A 166; KGJ 43, A 157, A 159 f.) und einer vordrin­genden Gegenansicht soll der Bevollmächtigte jedoch auch die Nacherben ver­treten und für diese eine Zustimmung zur Verfügung des Vorerben erteilen können (Keim, DNotZ 2008, 175, 178 f.; Amann, MittBayNot 2013, 367; Weidlich, ZEV 2016, 57, 64; Zimmer, ZEV 2014, 526, 532). Dafür spricht insbesondere, dass der Erblasser dem Nacherben die Rechte während der Vorerbschaft ebenso durch Ernennung eines Testamentsvollstreckers nach § 2222 BGB entziehen kann (Weidlich, ZEV 2016, 57, 64). Schließlich lässt sich anführen, dass der Bevollmächtigte sämtliche Erben des Erblassers vertritt und somit auch die Nacherben (Amann, MittBayNot 2013, 367).

4. Ergebnis
Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind noch nicht abschließend geklärt. Unseres Erachtens dürfte die Voll­macht nach dem Erbfall fortgelten. Ob der Bevollmächtigte die Nacherben vertreten kann, ist unsicher.

In Betracht zu ziehen ist die Anordnung einer Nacherbenvollstreckung gem. § 2222 BGB. Der Nacherbenvollstrecker könnte bis zum Eintritt des Nacherbfalls für die Nacherben die Zustimmung zu Verfügungen des Vorerben erteilen. Allerdings kann nach ganz überwiegender Meinung der alleinige Vorerbe wegen des damit verbundenen Interessenkonflikts nicht zum Nacherbenvollstrecker ernannt werden (MünchKommBGB/Zimmermann, § 2222 Rn. 4; im Übrigen vgl. für ein Muster Keim, in: Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, C.II.7).

Gutachten/Abruf-Nr:

161223

Erscheinungsdatum:

19.04.2018

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Gesetzliche Erbfolge

Erschienen in:

DNotI-Report 2018, 60-61

Normen in Titel:

BGB § 2136; BGB § 164; BGB § 2112; BGB § 2113; BGB § 1922; BGB § 168