15. Juni 2017
BayGO Art. 38 Abs. 1; BGB § 925 Abs. 2; GBO § 20

Vollwertigkeitserklärung durch die Ge meinde bei Veräußerung gemeindlichen Grund­besitzes; Handeln vorbehaltlich Ge nehmigung durch den Gemeinderat

BayGO Art. 38 Abs. 1, 75; GBO § 20; BGB § 925 Abs. 2
Vollwertigkeitserklärung durch die Ge
meinde bei Veräußerung gemeindlichen Grund­besitzes; Handeln vorbehaltlich Ge
nehmigung durch den Gemeinderat

I. Sachverhalt
Eine bayerische Gemeinde hat ein Gewerbegrundstück an eine GmbH verkauft.

Der Bürgermeister der Gemeinde handelte in der Urkunde vorbehaltlich Genehmigung des Gemeinderats. Der Notar hat die Umschreibung des Grundbesitzes beantragt.

Das Grundbuch­amt verweigert die Eintragung und verlangt eine Versicherung des Bürgermeisters, dass keine verbotene Unterwertveräußerung vorliegt oder dass eine Veräußerung unter Wert wegen der Erfüllung einer näher zu bezeichnenden kommunalen Aufgabe zulässig ist. Weshalb es im konkreten Fall Zweifel an der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts hat, legt das Grundbuchamt nicht dar.

II. Fragen
1.    Ist die Auflassung wirksam?

2.    Ist das Verlangen des Grundbuchamts berechtigt?
III. Zur Rechtslage
1.    Voraussetzungen der Eintragung der Auflassung im Grundbuch nach § 20 GBO
Nach § 20 GBO darf im Falle der Auflassung eines Grundstücks die Eintragung des Rechts­übergangs im Grundbuch nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berech­tigten und des anderen Teils erklärt ist. Hierzu muss dem Grundbuchamt die Einigung so nach­gewiesen werden, wie sie nach dem materiellen Recht zur Herbeiführung der Rechts­änderung erforderlich ist. Notwendig ist nach §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 S. 1 BGB die Erklärung der Einigung von Veräußerer und Erwerber bei gleichzeitiger Anwesenheit vor einer zuständigen Stelle. In diesem Rahmen muss das Grundbuchamt von Amts wegen prü­fen, ob die Einigungserklärung von dem Verfügungsberechtigten abgegeben wurde, ob dieser die erforderliche Vertretungsmacht hatte und ob der Bewilligende Verfügungsbeschränkungen unterliegt (vgl. OLG Nürnberg FGPrax 2014, 203; BayObLG DNotZ 2001, 557, 558).

§ 20 GBO verlangt hingegen nicht, dass die Wirk­samkeit der Einigung vom Grundbuchamt positiv festgestellt werden muss. Vielmehr darf das Grundbuchamt nach erbrachtem Nachweis der Einigung die Eintragung nur ablehnen, wenn es aufgrund feststehender Tatsachen zu der Überzeugung gelangt, dass das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig würde (siehe BayObLG FGPrax 2005, 56, 57; Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 20 Rn. 38).

2.    Vertretungsmacht des Bürgermeisters
Zunächst fragt sich, ob der Bürgermeister die Gemeinde wirksam vertreten hat. Nach Art. 38 Abs. 1 der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) vertritt der erste Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Nach Art. 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayGO erledigt der erste Bürgermeister in eigener Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Im Übrigen ist der Gemeinderat zuständig (Art. 29, 30 Abs. 2 BayGO).

Ob die Zuständigkeitsnorm des Art. 37 BayGO auch die Vertretungsmacht des Bürgermeisters nach Art. 38 Abs. 1 BayGO beschränkt, war längere Zeit umstritten: Die für die Praxis bislang maßgebliche Rechtsprechung bayerischer Gerichte ging davon aus, dass die Zuständigkeitsnormen auch die Vertretungsmacht beschränken und der Bürgermeister damit keine unbeschränkte Vertretungsmacht hat (vgl. etwa BayObLGZ 1997, 37, 41; OLG München MittBayNot 2009, 222 f.; BayVGH BayVBl 2012, 177 Rn. 30; ebenso bislang auch das BAG, Urt. v. 8.12.1959 – 3 AZR 348/56).

In einer Entscheidung vom 18.11.2016 (V ZR 266/14, WM 2017, 256) hat der BGH demgegenüber die Auffassung vertreten, dass die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen Gemeinde im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt ist; infolgedessen wird die Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des ersten Bürgermeisters berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne Beschlussfassung des Gemeinderats vorgenommen hat. Der BGH hat dies damit begründet, dass Art. 37 BayGO eine bloße Zuständigkeitsnorm im Innenverhältnis sei, sich die Vertretungsmacht des Bürgermeisters aber aus Art. 38 BayGO ergebe. Vor allem sei auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit maßgeblich. Der Erklärungsempfänger müsse sich auf die Vertretungsbefugnis des handelnden Organs verlassen können. Es sei unangemessen, das Risiko fehlerhaften Organhandelns dem Erklärungsempfänger aufzubürden. Auch das BAG hat sich dieser Auffassung angeschlossen (BAG NZA 2016, 1296).

3.    Wirksamkeit der Auflassungserklärung
Die Praxis ging bislang davon aus, dass zur Wirksamkeit der Verträge die Zustimmung des Gemeinderats erforderlich sei. Tatsächlich bestand aber nach der nunmehrigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kein entsprechendes Zustimmungserfordernis.

Dies wirft zumindest bei erster Betrachtung die Frage auf, ob eine entsprechende Auflassungserklärung vorbehaltlich der Genehmigung durch den Gemeinderat überhaupt wirksam ist. Nach § 925 Abs. 2 BGB ist eine bedingte Auflassungserklärung unzulässig.

Demgegenüber ist es unproblematisch möglich, die Wirksamkeit der Auflassung unter eine Rechtsbedingung wie eine erforderliche gerichtliche Genehmigung oder eine Genehmigung des Berechtigten (§ 185 Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB) zu stellen (vgl. BGH NJW 1952, 1330, 1332; Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB, 2017, § 925 Rn. 97; Staudinger/Bork, BGB, 2015, Vor § 158 Rn. 25). Denn der Eintritt der Bedingung ist insoweit lediglich gesetzliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Auflassung. Anders liegt der Fall, in dem die Parteien eine Bedingung zur rechtsgeschäftlichen Bedingung erheben, weil sie einen von der gesetzlichen Wirksamkeit unabhängigen Zustand der Ungewissheit eintreten lassen wollen (Staudinger/Pfeifer/Diehn, § 925 Rn. 97).

Gehen die Parteien lediglich irrtümlich von einer Rechtsbedingung aus, die von Gesetzes wegen aber nicht besteht, ist dies unschädlich (Staudinger/Bork, Vor § 158 Rn. 25). Die Parteien wiederholen hier lediglich deklaratorisch ein Genehmigungserfordernis. Das Nichtbestehen des Genehmigungserfordernisses hat auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts keinen Einfluss (BGH NJW 1976, 519; WM 1961, 407, 408; WM 1959, 669, 671). Das Rechtsgeschäft ist somit bereits ohne den Eintritt der nur irrig angenommenen gesetzlichen Bedingung wirksam (BGH WM 1961, 406, 407; BeckOGKBGB/J. Weber, Stand: 1.5.2017, § 925 Rn. 93).

Demzufolge ist auch im vorliegenden Fall das Rechtsgeschäft unabhängig vom Bedingungseintritt wirksam. Der Vorbehalt der Zustimmung des Gemeinderats war ersichtlich der zwischenzeitlich überholten Rechtsprechung geschuldet.

Davon abgesehen ist in aller Regel davon auszugehen, dass wenn der Vertrag keine ausdrückliche Bestimmung dazu enthält, ob sich die Bedingung nur auf den schuldrechtlichen Teil des Rechtsgeschäfts oder auch auf die Auflassung erstreckt, die Auflassung unbedingt und nur das schuldrechtliche Kausalgeschäft bedingt ist (KG NJOZ 2013, 1928, 1929).

4.    Aktuelle Entwicklungen
Die bayerische Staatsregierung hat am 6. Dezember 2016 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Gemeinde und Landkreiswahlgesetzes und anderer Gesetze vorgelegt (LTDrucks. 17/14651, S. 1, 17). Hiernach soll in Art. 38 BayGO „klargestellt“ werden, dass der Umfang der Vertretungsmacht auf die Befugnisse des Bürgermeisters beschränkt ist (Art. 38 Abs. 1 S. 2 BayGOE). Dadurch soll an der Rechtslage vor der BGHEntscheidung vom 18.11.2016 festgehalten werden.

Es stellt sich somit die Frage, wie die Praxis bis zum Inkrafttreten der Neuregelung verfahren sollte, falls Bürgermeister weiterhin die Wirksamkeit der Erklärungen unter den Vorbehalt einer Zustimmung des Gemeinderats stellen möchten. Grziwotz (MittBayNot 2017, 302, 303; BayGT 2017, 156) schlägt vor, dass der Bürgermeister den Vertragspartner auf seine fehlenden Befugnisse und ihre Überschreitung im Innenverhältnis hinweisen solle. Wenn der Geschäftspartner die fehlende interne Zustimmung des Gemeinderats kenne, sei das Vertrauen in die Vertretungsmacht des Bürgermeisters nicht schutzwürdig. Die Vertretungsmacht bestehe dann nicht. Der Vertrag stehe somit von Gesetzes wegen unter der Bedingung der Zustimmung des Gemeinderats.

5.    Vollwertigkeitsbescheinigung bei Veräußerung gemeindlicher Grundstücke
Nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 BayGO darf die Gemeinde Ver­mögensgegenstände, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht benötigt, veräußern. Gem. Satz 2 dieser Vorschrift dürfen Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vol­len Wert veräußert werden. Vergleichbare Regelungen finden sich auch im Kommunal­recht anderer Bundesländer.

a)    Rechtsprechung
Das BayObLG hat Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO als Beschränkung der Verfügungsmacht bayerischer Gemeinden eingeordnet. Verstöße führen zur Nichtigkeit des Rechts­geschäfts nach § 134 BGB (siehe BayObLG MittBayNot 1995, 389 f.; BayObLGZ 1969, 278, 283). Hieraus hat das BayObLG gefolgert, dass an sich die Tatsache, dass keine Veräußerung unter Wert vor­liege, nach § 29 Abs. 1 GBO durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden müsse. In der Praxis ist dies allerdings kaum möglich.

Das BayObLG hat deshalb zur „verstär­kenden Glaubhaftmachung“ des Erfahrungssatzes, dass die Bestimmungen der GO in der Regel eingehalten werden, eine auf die Einhaltung von Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO bezogene Erklärung des Bürgermeisters verlangt. Eine solche Erklärung solle im Regelfall an die Stelle des eigentlich erforderlichen urkundlichen Nachweises der Einhaltung von Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO treten (vgl. BayObLG MittBayNot 1995, 389, 390; BayObLGZ 1969, 278, 283).

Unter Hinweis insbesondere auf vorgenannte Entscheidung des BayObLG wird vertreten, dass eine solche Versicherung gegenüber dem Grundbuchamt stets erforderlich sei (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 4078). Nach Auffassung des BayObLG genügt dabei jedoch die Schriftform. Die Form des § 29 Abs. 1 GBO müsse nicht eingehalten werden (BayObLG MittBayNot 1995, 389, 390; a. A. OLG Dresden NJWRR 2016, 140 = NotBZ 2015, 306, gesiegelte Erklärung der Gemeinde nach § 29 Abs. 3 GBO; ablehnend Primaczenko NotBZ 2015, 306, 307; für Form des § 29 Abs. 3 GBO auch, wenn nach einer gesetzlichen Vorschrift für die Genehmigungsfreiheit eine Erklärung der Gemeinde als bewirkende und nicht nur bezeugende Urkunde erforderlich ist vgl. OLG Jena LKV 2001, 527, 528).

b)    Stellungnahme
aa)    Unterscheidung zwischen Verfügungsbeschränkung und Verbotsgesetz
Zunächst ist die unterschiedslose Gleichsetzung von Ver
fügungsbeschränkung und Verbotsgesetz durch das BayObLG bemerkenswert. Das BayObLG führt aus, dass

„[die] Verfügungsmacht einer bayerischen Gemeinde durch Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO beschränkt [wird]. […] Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB.“

Im Grundsatz ist hingegen zwischen Geschäften, die gegen zwingendes Recht ver­stoßen, und verbotswidrigen Geschäften zu unterscheiden. Die Anwendung von § 134 BGB setzt das grundsätzliche Bestehen rechtsgeschäftlicher Gestaltungs und Verfügungsmacht voraus. Fehlt diese Verfügungsmacht, so ist das Rechtsgeschäft stets nichtig (zu § 719 BGB siehe BGH NJW 1954, 1155; zu § 399 Var. 2 BGB vgl. BGH NJW 1964, 243). Auf § 134 BGB und die daraus nur unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der verletzten Norm folgende Nichtigkeitssanktion kommt es bei Beschränkungen der Verfügungsmacht nicht an (MünchKommBGB/Armbrüster, 7. Aufl. 2015, § 134 Rn. 5).

bb) Regelungsgehalt von Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO
Der Schwerpunkt der Ausführungen des BayObLG in vorstehend genannter Ent­scheidung liegt auf der Begründung des Verbotscharakters von Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO und der daraus folgenden Nichtigkeit nach § 134 BGB bei Verletzung von Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayGO. Demgegenüber wird die Beschränkung der Verfügungs­macht bayerischer Gemeinden durch Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO nur einleitend an­gesprochen, in der Folge aber nicht vertiefend behandelt.

Für die Annahme eines gesetzlichen Verbots i. S. v. § 134 BGB und gegen eine Beschränkung der Verfü­gungsmacht der Gemeinde durch Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO spricht, dass die Veräußerung von Gemeindevermögen unter Wert nicht generell unzulässig, son­dern in Ausnahme von der Regelvorschrift dann anzuerkennen ist, wenn die Erfül­lung kommunaler Aufgaben, insbesondere auch soziale Gesichtspunkte, im Vorder­grund stehen und die Unterwertveräußerung durch die Verfolgung legitimer öffent­licher Aufgaben gerechtfertigt werden kann (vgl. nur Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Stand: 1.9.2016, Art. 75 Rn. 5).

Demgemäß hat auch der BGH entschieden, dass Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayGO ein gesetzliches Verbot i. S. v. § 134
BGB begründet (BGH NJW 2013, 3779 Tz. 14 ff.; anders offenbar Schöner/Stöber, Rn. 4077 ff., die Unterwertveräußerungen unter der Überschrift „Inhalt der Verfü­gungsbeschränkungen nach Gemeinderecht“ behandeln; ebenso Munzig, in: Kel­ler/ders., KEHE, Grundbuchrecht, 7. Aufl. 2015, § 20 Rn. 163, der Unterwert­veräußerungen unter der Überschrift „Verfügungs­beschränkungen bei Ge
meinden, Landkreisen und Verbänden“ thematisiert). Diese BGHRechtsprechung bleibt von der neueren Recht
sprechung zur organschaftlichen Vertretungsmacht des Bürgermeisters unberührt.

Die vom BayObLG angenommene Parallelbehandlung von Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO und der grundsätzlich auf entgeltli­che Verfügungen beschränkten Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nach §§ 2205, 2216 BGB (vgl. dazu BayObLGZ 1969, 278, 283; BayObLG MittBayNot 1995, 389, 390) erscheint uns insofern überholt.

cc)    Grundbuchverfahrensrechtliche Behandlung bei möglicher Nichtigkeit des einzutragenden Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB
Wie unter 1. dargelegt, sind die Prüfungsaufgaben und
befugnisse des Grundbuchamtes bei Verfügungsbeschränkungen und der möglichen Nichtigkeit der Einigung aufgrund Ver­stoßes gegen ein Verbotsgesetz i. S. v. § 134 BGB verschieden. Während mögliche Verfügungsbeschränkungen von Amts wegen zu prüfen sind, verlangt § 20 GBO nicht, dass das Grundbuchamt die Wirksamkeit der Eini­gung positiv festgestellt hat. Vielmehr darf es nach erbrachtem Nachweis der Einigung die Eintragung nur ablehnen, wenn es aufgrund feststehen­der Tatsachen zu der Überzeugung gelangt, dass das Grundbuch durch die Ein­tragung unrichtig würde (siehe wiederum BayObLG FGPrax 2005, 56, 57; Demharter, § 20 Rn. 38).

dd) Folgerungen
Mit vorgenannten Grundsätzen ist das von konkreten Anhaltspunkten unabhängige Verlangen des Grundbuchamtes nach einer Vollwertigkeitserklärung durch das Vertretungsorgan der Gemeinde u. E. nicht zu vereinbaren. Entgegen dem BayObLG (BayObLG MittBayNot 1995, 389, 390) muss die Tatsache, dass keine Veräußerung unter Wert vorliegt, grundsätzlich gerade nicht durch öffent­liche Urkunden nachgewiesen werden. Denn insofern handelt es sich um einen Gesichts­punkt, der möglicherweise zur Unwirksamkeit der nachgewiesenen und von dem Verfügungsberechtigten erklärten Einigung führt. Einen solchen Nachweis sieht § 20 GBO nicht vor, sodass ein solches Verlangen des Grundbuchamts nur in begründeten Fällen statthaft ist, nicht aber generell bei jeder Veräußerung gemeind­lichen Grundbesitzes (ebenso Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl. 2015, Teil 6 Rn. 155; so auch zu Art. 92 GemO BW OLG Karlsruhe BeckRS 2012, 09289).

Auch das BayObLG geht von dem „Erfahrungssatz“ aus, dass die Bestimmungen der Gemeindeordnung in der Regel eingehalten wer­den, verlangt aber eine entsprechende Erklärung des Vertretungsorgans als „ver­stärken­de Glaubhaftmachung“ (BayObLG MittBayNot 1995, 389, 390). Auf welcher rechtlichen Grundlage das Erfordernis einer solchen „verstärkenden Glaubhaftma­chung“ im Grundbuchverfahren beruhen soll, führt das BayObLG nicht aus.

Anders als in anderen Bundesländern findet sich in Bayern auch in den kommunal­rechtlichen Vorschriften keine Grundlage für das Verlangen nach einer Vollwertig­keitserklärung (vgl. demgegenüber etwa § 56 Abs. 7 der Kommunalverfassung MV, wonach die rechtsaufsichtliche Genehmi­gung einer Unterwertveräußerung durch die Gemeinde entbehrlich ist, wenn der Bürger­meister und einer seiner Stellvertreter bzw. der Bürgermeister und der leitende Verwaltungsbeamte gegenüber dem Grundbuchamt erklären, dass das Rechts­geschäft zum vollen Wert erfolgt; vgl. hierzu auch Suppliet, NotBZ 2005, 95; gegen das Erfordernis einer Vollwertigkeitsbescheinigung in Sachsen Primaczenko, NotBZ 2015, 306, 308).

Soweit in anderen Bundesländern die Vollwertigkeitserklärung an die Stelle einer sonst erforderlichen gesetzlichen Genehmi­gungsbedürftigkeit für die Veräußerung gemeindlichen Grundbesitzes tritt, lässt sich eine Prüfungsbefugnis des Grundbuchamts hinsichtlich der Vollwertig­keitserklärung mit der andernfalls bestehenden öffentlichrechtlichen Genehmi­gungsbedürftigkeit begründen, die anerkanntermaßen zur Prüfungsbefugnis des Grundbuchamts im Rahmen von § 20 GBO führt (siehe nur BeckOKGBO/Hügel, Stand: 1.11.2016, § 20 Rn. 67). Auf die bayerische Rechtslage ist das indes nicht übertragbar, da eine Genehmigungspflicht für die Veräußerung gemeindlichen Grundbesitzes in Bayern nicht besteht (Schöner/Stöber, Rn. 4075).

Der praktische Mehrwert einer solchen Vollwertigkeitserklärung erscheint zudem grundsätzlich sehr fragwürdig. Legt man mit dem BayObLG den Erfahrungssatz zugrunde, dass die Bestimmungen der GO eingehalten werden (BayObLG MittBayNot 1995, 389, 390), spricht prima facie schon der erfolgte Vertragsschluss dafür, dass die vertraglichen Bedin­gungen Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO entsprechen. Sofern eine Vollwertigkeitserklärung zutrifft, ist sie überflüssig. Trifft sie nicht zu, vermag sie an der Nichtigkeit der erklärten Einigung nach Art. 75 Abs. 1 S. 2 GO i. V. m. § 134 BGB nichts zu ändern. Mangels gesetzlicher Grundlage für die Abgabe einer Vollwertigkeitserklärung wird man auch nur schwer zu einer mit Haftungsrisiken verbundenen gesteigerten Verantwortung des gemeindlichen Ver­tretungsorgans gelangen können, wie dies – letztlich allerdings im Ergebnis auch nur wenig überzeugend – in Bundesländern mit gesetzlich verankerter Vollwertig­keitserklärung vertreten wird (vgl. zu MV Suppliet, NotBZ 2005, 95).

6.    Ergebnis
Die Auflassungserklärungen sind wirksam.

U. E. kann das Grundbuchamt entsprechend den anerkannten grundbuchverfahrens­rechtlichen Grundsätzen eine Vollwertigkeitserklärung nur dann verlangen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Veräußerung unter Wert bestehen. Für das grundbuchamtliche Ver­langen nach einer Vollwertigkeitserklärung bei jeder Veräußerung gemeindlichen Grund­besitzes fehlt es hingegen an einer gesetzlichen Grundlage.

Gutachten/Abruf-Nr:

153331

Erscheinungsdatum:

15.06.2017

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Kommunalrecht
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2017, 83-86

Normen in Titel:

BayGO Art. 38 Abs. 1; BGB § 925 Abs. 2; GBO § 20