Online-Gründung; beglaubigte Abschrift einer elektronischen Urkunde, die nicht in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Gutachten-Nr .: 193183
Erscheint in:
Rechtsstand: 3. August 2022
BeurkG §§ 16a-16e, 45 Abs. 3
Online-Gründung; beglaubigte Abschrift einer elektronischen Urkunde, die nicht in der
elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird
I. Rechtsfragen
Kann von einem im Online-Verfahren erstellten Dokument auch ohne Verwahrung in der
elektronischen Urkundensammlung und mithin ohne „Urschrift“ i. S. d.
elektronisch beglaubigte Abschrift erstellt werden? Genügt eine solche elektronisch beglaubigte
Abschrift ggf. als Grundlage der Eintragung einer im Online-Verfahren gegründeten GmbH im
Handelsregister?
II. Zur Rechtslage
1. Ausgangslage
Gem.
(elektronische Urkunde) als Urschrift im Sinne des Beurkundungsgesetzes, wenn es in der
elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird (sog. „gekorene Urschrift“, vgl. dazu
BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.5.2022, § 45 Rn. 37; Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 45
Rn. 18 ff.; Kienzle,
nicht in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird, ist noch keine elektronische
Urschrift entstanden. Das Vorliegen einer Urschrift ist aber – jedenfalls bei der herkömmlichen
Präsenzbeurkundung oder -beglaubigung – Voraussetzung für die Erteilung
einer Ausfertigung (vgl.
vertreten soll. Ausfertigungen von elektronischen Urkunden können also erst nach
Aufnahme in die elektronische Urkundensammlung erteilt werden.
2. Möglichkeit der (elektronisch) beglaubigten Abschrift einer elektronischen Urkunde
Noch nicht beantwortet ist damit die Frage, ob von einer (noch) nicht in der elektronischen
Urkundensammlung verwahrten elektronischen Urkunde eine beglaubigte Abschrift erteilt
werden kann. Bei der Beglaubigung der Abschrift einer Urkunde soll gem.
festgestellt werden, ob die Urkunde eine Urschrift, eine Ausfertigung, eine beglaubigte oder
einfache Abschrift ist (HK-NotarR/Trautrims, 1. Aufl. 2022,
Norm ergibt sich, dass das Ausgangsdokument einer Beglaubigung nicht zwingend die
Urschrift sein muss. § 42 Abs. 4 BeurkG bestimmt, dass bei der Beglaubigung eines Ausdrucks
oder einer Abschrift eines elektronischen Dokuments, das mit einer qualifizierten
elektronischen Signatur versehen ist, das Ergebnis der Signaturprüfung dokumentiert werden
soll. Gem. § 42 Abs. 4 S. 2 i. V. m. § 39a Abs. 3 S. 2 BeurkG genügt die Dokumentation der
Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur des Notars, sofern das elektronische
Dokument mit der qualifizierten elektronischen Signatur eines Notars versehen ist.
Es stellt sich insofern die Frage, ob Ausgangsdokument einer (elektronisch) beglaubigten Abschrift
erst die elektronische Urschrift i. S. d.
elektronische Urkunde i. S. d.
noch nicht vertieft behandelt. Der Wortlaut des
ersichtlich auf analoge Ausgangsdokumente zugeschnitten ist. Der Wortlaut des § 42 Abs. 4
BeurkG deutet darauf hin, dass von jedem elektronischen Dokument eine beglaubigte
Abschrift erstellt werden kann, wenn das Ergebnis der Signaturprüfung dokumentiert wird.
Die Gesetzesbegründung ist an dieser Stelle nicht eindeutig, lässt bei genauerer Betrachtung
aber auf eine Zulässigkeit beglaubigter Abschriften von elektronischen Urkunden schließen.
Dort heißt es wörtlich:
„Ein nach §§ 16a bis 16e oder § 39a BeurkG-E erstelltes elektronisches
Dokument soll mit Einstellung in die elektronische Urkundensammlung
als Urschrift gelten, so dass erst ab diesem Zeitpunkt
Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften erstellt
werden können. Trotz beliebiger Reproduzierbarkeit
elektronischer Urkunden besteht dennoch ein Bedürfnis zur
Ausgabe beglaubigter Abschriften einer elektronischen
Urkunde, da dieser nicht sämtliche qualifizierte elektronische
Signaturen der Beteiligten (beispielsweise nach § 16b Absatz 4
BeurkG-E) beigefügt sind, sondern allein die Signatur der Notarin
oder des Notars. Dies kann in der Praxis eine deutliche Vereinfachung
bedeuten, etwa weil bei der Verwendung des
elektronischen Dokuments nur eine statt mehrerer Signaturprüfungen
erforderlich ist.“
(BT-Drucks. 19/28177, S. 130 / 131 – Hervorhebungen durch das
DNotI)
Der erste Satz besagt zunächst, dass erst ab dem Zeitpunkt der Herstellung der elektronischen
Urschrift Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften erteilt werden können. Leider bleibt
die Formulierung insoweit unvollständig, als das Ausgangsdokument, von dem die Ausfertigung
oder beglaubigte Abschrift erstellt werden soll, nicht benannt wird. Gemeint sein
dürften allerdings nur Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften „von der Urschrift“. Ausfertigungen
können – wie dargestellt – ohnehin nur „von der Urschrift“ erstellt werden.
Sofern für eine Abschrift die Übereinstimmung gerade mit der Urschrift beglaubigt werden
soll, setzt auch dies naturgemäß das Vorhandensein einer Urschrift voraus. Der erste Satz
besagt damit lediglich, dass Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften „von der Urschrift“
erst nach Vorhandensein der Urschrift erteilt werden können. Dies ist von der Frage zu
trennen, ab welchem Zeitpunkt beglaubigte Abschriften „von der elektronischen Urkunde“
erteilt werden können. Klarheit schafft insoweit der folgende Satz, der auf das frühere
Stadium der „elektronischen Urkunde“ rekurriert und auch bereits hier einen Bedarf für
beglaubigte Abschriften anerkennt.
Für die Möglichkeit, eine (elektronisch) beglaubigte Abschrift bereits von der elektronischen
Urkunde erstellen zu können, spricht auch folgende Erwägung: Mit Abschluss des Verfahrens
nach §§ 16a ff. BeurkG entsteht ein mit qualifizierten elektronischen Signaturen versehenes
Dokument in Form der elektronischen Urkunde, das – trotz seiner beliebigen Reproduzierbarkeit
– zuverlässig Auskunft über den Inhalt des Beurkundungsvorgangs gibt (dazu auch
Kienzle
Signaturen ersetzt dabei als Pendant zur Unterschrift in der analogen Welt nicht nur diese,
sondern gewährleistet auch in technischer Hinsicht, dass das Dokument nachträglich nicht
verändert werden kann. Die angebrachten Signaturen ersetzen also gleichsam Schnur und
Prägesiegel, die in der analogen Welt die Unveränderlichkeit der Urkunde sicherstellen. Der
Beurkundungsvorgang ist mit Anbringung aller Signaturen gem. § 16b Abs. 4 BeurkG abgeschlossen.
Das Hochladen der elektronischen Urkunde in die elektronische Urkundensammlung
schafft lediglich darüber hinaus die Eigenschaft als Urschrift, wobei es sich hierbei
allein um eine Fiktion für Zwecke des Beurkundungsrechts handelt, die der mangelnden Einzigartigkeit
der elektronischen Urkunde Rechnung trägt. Dass die Beurkundung zuvor bereits
abgeschlossen und das Rechtsgeschäft damit wirksam ist, dürfte außer Zweifel stehen.
Auch eine Betrachtung der Rechtslage zu § 39a BeurkG stützt dieses Ergebnis. Denn bei
Dokumenten, die nach § 39a BeurkG erstellt wurden, ist die Verwahrung in der
elektronischen Urkundensammlung die Ausnahme. Gem. § 45b Abs. 2 S. 1 BeurkG wird das
nach § 39a BeurkG erstellte Dokument nur dann in der elektronischen Urkundensammlung
verwahrt, wenn dies verlangt wird. Würde man beglaubigte Abschriften allgemein nur von
der Urschrift und nicht auch bereits von elektronischen Urkunden für zulässig erachten,
könnte von nach § 39a BeurkG erstellten Zeugnissen im Standardfall – also dass keine
Verwahrung verlangt wird – keine (elektronisch) beglaubigte Abschrift erstellt werden. Dies
kann ersichtlich nicht gewollt sein. Es würde nämlich bedeuten, dass von den in den Online-
Verfahren typischerweise nach § 39a BeurkG errichteten Handelsregisteranmeldungen jedenfalls
im gesetzlichen Regelfall keine beglaubigten Abschriften erstellt werden könnten. Das
wollte der Gesetzgeber aber gerade ermöglichen, damit bei der Verwendung des
elektronischen Dokuments nur eine statt mehrerer Signaturprüfungen erforderlich ist (BTDrucks.
19/28177, S. 130 / 131).
Die Gesetzesbegründung wird in der bislang zur Thematik veröffentlichten Literatur wiedergegeben,
ohne dass eine nähere Differenzierung danach erfolgt, ab wann eine beglaubigte
Abschrift „von der Urschrift“ einerseits und „von der elektronischen Urkunde“ andererseits
erteilt werden kann (Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 45 Rn. 21; BeckOGKBeurkG/
Regler, Std.: 1.5.2022, § 45 Rn. 36).
Freilich muss im Beglaubigungsvermerk zum Ausdruck kommen, dass die (elektronisch) beglaubigte
Abschrift nicht von der Urschrift, sondern von der elektronischen Urkunde erteilt
wurde. Formuliert werden könnte bspw. wie folgt:
„Hiermit beglaubige ich die Übereinstimmung der in dieser Datei
enthaltenen Bilddaten (Abschrift) zur UVZ-Nr. […] mit der mir
vorliegenden elektronischen Urkunde. Die Prüfung der
qualifizierten elektronischen Signatur des Notars war erfolgreich.“
3. Verwendbarkeit der beglaubigten Abschrift der elektronischen Urkunde beim Vollzug
der Gründung im Registerverfahren
Mit der Erkenntnis, dass eine (elektronisch) beglaubigte Abschrift auch von der elektronischen
Urkunde erstellt werden kann, ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob dieses
Dokument tauglich ist, das Formerfordernis des § 12 Abs. 1 HGB zu erfüllen. Die Norm
spricht davon, dass Dokumente „elektronisch in öffentlich beglaubigter Form“ einzureichen
sind. Ist eine Urschrift oder eine einfache Abschrift einzureichen, genügt die Übermittlung
einer elektronischen Aufzeichnung; ist ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich
beglaubigte Abschrift einzureichen, so ist ein mit einem einfachen elektronischen
Zeugnis (§ 39a des Beurkundungsgesetzes) versehenes Dokument zu übermitteln.
Die Norm sagt also nur etwas darüber aus, welchem analogen Dokument welche elektronische
Form gegenübersteht. Sie wurde auf elektronische Ausgangsdokumente nicht angepasst.
Dementsprechend ist funktional zu bestimmen, welche Anforderungen an das Ausgangsdokument
zu stellen sind. Bei der GmbH-Gründung ist neben der Anmeldung selbst, die im
Online-Verfahren unmittelbar elektronisch öffentlich beglaubigt wird, der Gesellschaftsvertrag
in beglaubigter Abschrift (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG) beizufügen. Gesellschaftsvertrag
meint an dieser Stelle nicht nur die Satzung im engeren Sinne, sondern das vollständige
Gründungsgeschäft, also auch die in der Mantelurkunde befindlichen Erklärungen betreffend
die Feststellung der Satzung und die Übernahme der Geschäftsanteile durch die einzelnen
Gründungsgesellschafter, da diese für die wirksame Errichtung der GmbH erforderlich sind
(MünchKommGmbHG/Herrler, 4. Aufl. 2022, § 8 Rn. 9).
Das Erfordernis der Einreichung in öffentlich-beglaubigter Form dient der Sicherheit des
Registerverkehrs. Der Notar prüft die Identität der Beteiligten und schafft durch die
Errichtung einer öffentlichen Urkunde eine beweissichere Tatsachengrundlage für die Eintragung
(ausführlich Kienzle
vorgenommen, entspricht dieser beweissicheren Tatsachengrundlage die elektronische
Urkunde. Die elektronische Urkunde ist hierbei ein Konstrukt des Beurkundungsverfahrensrechts.
Sie ist nicht per se öffentliche Urkunde (§ 415 ZPO), da die öffentliche
Urkunde zwingend ein verkörpertes Papierdokument voraussetzt. Die elektronische Urkunde
stellt vielmehr ein öffentliches elektronisches Dokument dar (BeckOGK-BeurkG/Regler,
§ 45 Rn. 36). § 371a Abs. 3 S. 1 ZPO erklärt die Vorschriften über die Beweiskraft
öffentlicher Urkunden für entsprechend anwendbar, sodass auch der elektronischen Urkunde
die Beweiswirkungen des § 415 Abs. 1 ZPO zugutekommen (Herrler/Kienzle, Gesellschaftsrecht
in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2022, § 18a Rn. 36).
Daraus ergibt sich, dass bereits der elektronischen Urkunde die Beweiswirkungen des § 415
Abs. 1 ZPO zukommen, auch wenn sie noch nicht zur Urschrift erklärt wurde. Insofern genügt
für Zwecke des Handelsregisterverkehrs auch eine beglaubigte Abschrift der elektronischen
Urkunde.
4. Berufsrechtliche Implikationen
Von den beurkundungsrechtlichen Fragen zu unterscheiden sind die berufsrechtlichen
Pflichten. Gem. § 35 Abs. 1 NotAktVV muss ein nach § 34 NotAktVV in der elektronischen
Urkundensammlung zu verwahrendes Dokument unverzüglich nach der Eintragung in das
Urkundenverzeichnis in die elektronische Urkundensammlung eingestellt werden. Eintragungen
in das Urkundenverzeichnis sind gemäß § 18 NotAktVV spätestens 14 Tage nach
der Beurkundung vorzunehmen, und sofern technische Probleme dies verhindern, sind die
Eintragungen unverzüglich nach Behebung der technischen Probleme vorzunehmen. § 49
NotAktVV verpflichtet den Notar für den Fall, dass ein Zugriff auf das Elektronische
Urkundenarchiv bzw. die elektronische Urkundensammlung nicht möglich ist, die Aufzeichnung
vorübergehend in Papierform oder in elektronischer Form vorzunehmen und die
Aufnahme in die elektronische Urkundensammlung später nachzuholen. Jedenfalls soweit der
Notar eine elektronische Urkunde für die Archivierung in der elektronischen Urkundensammlung
in XNP einem Urkundenverzeichniseintrag zuordnet, sie signiert und damit vollständig
vorbereitet hat, dürften die Voraussetzungen einer Ersatzaufzeichnung nach § 49
NotAktVV ohne Weiteres erfüllt sein.
Beruht also das fehlende Verwahren in der elektronischen Urkundensammlung auf
technischen Hindernissen seitens des Betreibers, so besteht für den Notar erst dann die
berufsrechtliche Pflicht, die Eintragung bzw. die Verwahrung vorzunehmen, wenn die
technischen Hindernisse behoben sind.
5. Ergebnis
Für Zwecke des Vollzugs einer im Wege der Videokommunikation gegründeten GmbH
genügt die Einreichung elektronisch beglaubigter Abschriften der elektronischen Urkunde
i. S. d.
dafür, dass auch Ausfertigungen erteilt werden können, was im Rahmen der GmbHGründung
regelmäßig nicht erforderlich ist. Etwas anderes kann gelten, wenn in der
Gründungsurkunde Vollmachten enthalten sind, die für die Zwecke des § 172 BGB zwingend
in Ausfertigung vorgelegt werden müssen.
193183
Erscheinungsdatum:03.08.2022
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Beurkundungsverfahren
Normen in Titel:BeurkG § 16a; BeurkG § 16e; BeurkG § 45 Abs. 3; BeurkG § 16b