31. Dezember 2006
BeurkG § 16; BeurkG § 13 Abs. 1

Verlesung auch des deutschen Originaltextes, auch wenn alle Beteiligten der Sprache der Übersetzung mächtig sind

Verlesung auch des deutschen Originaltextes, auch wenn alle Beteiligten der Sprache der Übersetzung mächtig sind - BeurkG §§ 16, 13 Abs. 1 S. 5

I. Sachverhalt

Bei einem deutschen Notar soll ein Kaufvertrag zwischen zwei dänischen Staatsangehörigen über ein in Deutschland belegenes Grundstück beurkundet werden. Der Verkäufer spricht ausgezeichnet deutsch, der Käufer kann hingegen kein deutsch. Die Beteiligten würden es vorziehen, wenn lediglich die dänische Übersetzung der Urkunde verlesen wird, nicht aber der deutsche Urtext. Der Notar selbst spricht kein Dänisch.

II. Frage

Muss bei der Übersetzung der Urkunde in eine Sprache, die alle Urkundsbeteiligten verstehen, dennoch auch der deutsche Urkundstext verlesen werden?

III. Rechtslage

1. Beurkundung in der Fremdsprache (§ 5 Abs. 2 BeurkG)

Die Urkunde darf im vorliegenden Fall in dänischer Sprache errichtet werden, wenn auch der Notar des Dänischen hinreichend kundig ist (§ 5 Abs. 2 S. 2 BeurkG). Dann genügt eine Verlesung des dänischen Urkundstextes (§ 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG), sofern auch alle Beteiligten des Dänischen hinreichend mächtig sind (§ 16 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 16 Abs. 1 BeurkG).

Dies ist aber vorliegend nicht möglich, da der Notar selbst nicht hinreichend Dänisch beherrscht.

2. Übersetzung ersetzt Verlesung für Sprachunkundigen

Nach § 16 Abs. 2 i. V. m. § 1 BeurkG ist eine Niederschrift, die die Feststellung enthält, dass ein Beteiligter nach seinen Angaben oder nach der Überzeugung des Notars der Beurkundungssprache nicht hinreichend kundig ist, den sprachunkundigen Beteiligten an Stelle des Vorlesens zu übersetzen. Diesen Beteiligten gegenüber ersetzt damit die Übersetzung die ansonsten nach § 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG erforderliche Verlesung. Daher kann die Verlesung in der Urkundssprache unterbleiben, wenn der Fremdsprachige der einzige Beteiligte ist (Winkler, BeurkG, 15. Aufl. 2003, § 16 BeurkG Rn. 16; Jansen, FGG, 2. Aufl. 1971, § 16 BeurkG Rn. 10; Litzenburger, in: Bamberger/Roth, BGB, 2003, nach § 2233 BGB, § 16 BeurkG Rn. 4).

3. Vorlesen in Urkundssprache für andere Beteiligte, Wirksamkeitsvoraussetzungen (§ 13 Abs. 1 BeurkG)

a) § 16 BeurkG

Den anderen Beteiligten ist die Niederschrift hingegen in der Urkundssprache zu verlesen. Dies ist nach § 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Übersetzung ersetzt insoweit die Verlesung der Niederschrift nicht, da die Ersetzungswirkung nach § 16 Abs. 2 S. 1 BeurkG nur für den mit der Urkundssprache nicht hinreichend kundigen Beteiligten gilt. Dies bringen die uns hierzu ersichtlichen Literaturstellen deutlich zum Ausdruck.

So schreibt Winkler: "Außerdem muss die Niederschrift bei Meidung der Nichtigkeit für Beteiligte, die die Urkundensprache verstehen, gem. §§ 13, 14 auch in der Urkundensprache vorgelesen werden. Ist der Fremdsprachige der einzige Beteiligte, so kann die Vorlesung in der Urkundensprache unterbleiben." (Winkler, § 16 BeurkG Rn. 16).

Ebenso schreibt Jansen: "Eine Vorlesung der Niederschrift, die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 geboten ist, erübrigt sich gegenüber dem sprachunkundigen Beteiligten, der ja die Sprache in der Niederschrift nicht versteht. Die (mündliche) Übersetzung ersetzt nach Abs. 2 Satz 1 das Vorlesen. … Nur des Dolmetschers wegen braucht die Niederschrift nicht vorgelesen zu werden, zumal der Dolmetscher die Niederschrift aus seiner Übersetzung kennt. Sind aber noch andere, der Sprache der Niederschrift kundige Beteiligte vorhanden, so muss ihnen die Niederschrift nach § 13 Abs. 1 S. 1 vorgelesen werden, auch wenn sie der Sprache, in der mit dem Sprachunkundigen verhandelt worden ist, mächtig sind. Ist der Sprachunkundige zwar der einzige Beteiligte, wirken aber Überwachungspersonen mit, die die Sprache der Niederschrift verstehen, so ist zu unterscheiden. Dem Schreibzeugen muss die Niederschrift vorgelesen werden, da er nach § 25 beim Vorlesen zugegen sein muss, ebenso der Vertrauensperson nach § 24 Abs. 1 S. 2 (vgl. § 13 Rn.

8). Gegenüber den Urkundszeugen und dem zweiten Notar, deren Zuziehung nur instruktiv vorgeschrieben ist (§§ 22, 29), ist die Vorlesung zwar ebenfalls angebracht und Amtspflicht des Notars, da sie sonst ihre Überwachungsaufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllen können; die Unterlassung zieht aber keine Unwirksamkeit nach sich." (Jansen, § 16 BeurkG Rn. 10)

Inhaltlich dieselbe Aussage findet sich bei von Schuckmann/ Renner (in: Huhn/von Schuckmann, § 16 BeurkG Rn. 11 - unter zustimmender Zitierung von Winkler und Jansen). In anderen Kommentierungen findet sich die Aussage jedenfalls indirekt: Limmer (in: Eylmann/Vaasen, BNotO und BeurkG, 2. Aufl. 2004, § 16 BeurkG Rn. 8) schreibt, dass die Übersetzung die Verlesung "nur im Hinblick auf den Sprachunkundigen" ersetzt. Ähnlich führt Litzenburger (in: Bamberger/Roth, § 16 BeurkG Rn. 4) aus, dass bei Beteiligung weiterer Personen (als des Sprachunkundigen) diesen die Urkunde zusätzlich zu verlesen ist (also die Übersetzung nicht genügt) - ohne dabei zu differenzieren, ob die der Urkundssprache mächtigen Beteiligten auch die Sprache der Übersetzung verstehen.

b) § 179 FGG

Ähnlich war früher die Auslegung der Vorgängervorschrift des § 179 FGG. Dieser lautete:

"§ 179 FGG a. F.

(1) Erklärt ein Beteiligter, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, so muss bei der Beurkundung ein vereideter Dolmetscher zugezogen werden. Der Zuziehung des Dolmetschers bedarf es nicht, wenn der Richter oder der Notar der Sprache, in der sich der Beteiligte erklärt, mächtig ist; die Beeidigung des Dolmetschers ist nicht erforderlich, wenn der Beteiligte darauf verzichtet.

(2) Das Protokoll muss dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Beteiligten durch den Dolmetscher oder, wenn ein Dolmetscher nicht zugezogen worden ist, durch den Richter oder den Notar in der fremden Sprache vorgetragen werden und die Feststellung enthalten, dass dies geschehen ist.

(3) Im Protokoll muss festgestellt werden, dass der Betei-ligte der deutschen Sprache nicht mächtig ist.

(4) Der Dolmetscher muss das Protokoll unterschreiben.

(5) Eine Beurkundung ist nicht aus dem Grunde unwirksam, weil den Vorschriften des Abs. 1 zuwider die Zuziehung eines Dolmetschers unterblieben ist."

Schlegelberger schreibt hierzu: "Namentlich ist das Protokoll auch in deutscher Sprache vorzulesen, wenn außer dem der deutschen Sprache nicht Mächtigen noch andere Personen beteiligt sind oder neben dem der fremden Sprache mächtigen Urkundsbeamten noch Kontrollpersonen mitwirken, die der fremden Sprache nicht mächtig sind. Kommt aber nur der Sprachfremde als Beteiligter in Betracht und hat mit ihm der Urkundsbeamte gem. Abs. 1 Satz 2 ohne Zuziehung eines Dolmetschers verhandelt, so kann die Verlesung in deutscher Sprache unterbleiben (… KG 6.5.01, KGJ 22 A 19)." (Schlegelberger, Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 6. Aufl. 1952, § 179 FGG Rn. 5)

Die von Schlegelberger zitierte Entscheidung des Kammergerichtes (KGJ 22, A 19) verlangt sogar - entgegen der heute h. M. zu § 16 BeurkG - auch die Verlesung des Protokolls, wenn lediglich ein Sprachfremder beteiligt ist. Auch dann muss nach der Entscheidung des KG das Protokoll dem Dolmetscher vorgelesen werden: "Wird bei der Beurkundung eines Rechtsgeschäfts einer der deutschen Sprache nicht mächtigen Person von dem Richter oder Notar ein Dolmetscher zugezogen, so muss bei Vermeidung der Nichtigkeit das Protokoll dem Dolmetscher als mitwirkender Person vorgelesen werden." (KG KGJ 22, A 19)

c) Sinn der Verlesung des Urkundstextes

Die zitierten Literaturstellen begnügen sich damit, zur Begründung auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut zu verweisen. Fragt man darüber hinaus noch nach dem Sinn der Verlesung des Urkundstextes, wenn doch alle Beteiligten die Übersetzung verstehen, so ist auf die Rangordnung von Urkundstext und Übersetzung abzustellen: Der Inhalt der Urkunde ergibt sich allein aus dem Urkundstext, die Übersetzung ist bloßes Hilfsmittel zum Verständnis für die sprachunkundigen Beteiligten. Bei Abweichungen zwischen Urkundstext und Übersetzung wäre daher allein der Urkundstext maßgeblich. Der fremdsprachige Beteiligte, der meinte, etwas anderes zu erklären, könnte allenfalls wegen Irrtums anfechten (§ 119 BGB) (Staudinger/Hertel, BGB, 2004, Vor §§ 127a, 128 BGB Rn. 543-544). Daher ist es wichtig, dass auch ein Beteiligter, der beider Sprachen mächtig ist, den Urkundstext selbst verlesen hört; denn dieser und nicht die Übersetzung ist die rechtlich maßgebliche Erklärung.

Erscheinungsdatum:

31.12.2006

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

DNotI-Report 2006, 183-184

Normen in Titel:

BeurkG § 16; BeurkG § 13 Abs. 1