28. August 2018
HGBP § 6; HeimG § 14; BGB § 2197

Testamentarische Zuwendung an Pflegekraft eines ambulanten Pflegedienstes in Hessen; Testamentsvollstreckerberufung; Kenntnis des Verbotsadressaten

HeimG § 14; HGBP § 6; BGB § 2197
Testamentarische Zuwendung an Pflegekraft eines ambulanten Pflegedienstes in Hessen; Testamentsvollstreckerberufung; Kenntnis des Verbotsadressaten

I. Sachverhalt
Die Erblasser (Ehemann und Ehefrau) haben ihre behinderte Tochter als Erbin eingesetzt. Als Nacherbin und Testamentsvollstreckerin wünschen sie sich eine langjährige Pflegekraft ihrer Tochter. Die nicht behinderte weitere leibliche Tochter der Erblasser ist bereits verstorben. Andere Verwandte oder Freunde kommen als Erben nicht in Betracht.

Die behinderte Tochter wird über einen ambulanten Pflegedienst betreut, der in drei Schichten arbeitet. Der Pflegedienst wird in Hessen betrieben. Die Dame (D), deren Einsetzung als Schlusserbin von den Erblassern gewünscht ist, gehört diesem Pflegedienst an, ist aber nicht rund um die Uhr in vollem Einsatz, sondern lediglich zeitweise. Zu D besteht aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit ein gefestigtes Vertrauensverhältnis. Die Erblasser haben D bereits ihre Erwägung mitgeteilt, sie zu bedenken oder auch als Bevollmächtigte einzusetzen.

II. Fragen
1. Ist die Einsetzung der Pflegekraft als Nacherbin vor dem Hintergrund des Heimgesetzes bedenklich?

2. Kann die Pflegekraft als Testamentsvollstreckerin eingesetzt werden?
III. Zur Rechtslage
1. Einsetzung der Pflegekraft als Nacherbin bzw. Schlusserbin
a) Rechtslage unter Geltung von § 14 HeimG (Bund)
§ 14 HeimG (Bund) war nur auf Heime anzuwenden, d. h. auf Einrichtungen, in denen pflegebedürftige Personen dauerhaft und stationär untergebracht waren.

Zwar bejahte man eine analoge Anwendung von § 14 Abs. 1 oder Abs. 5 HeimG auf sog. „Umgehungstatbestände“, wenn anstelle des Verbotsadressaten eine diesem nahestehende natürliche oder mit ihm verbundene juristische Person begünstigt wurde und sich die Zuwendung – wenn auch über den Umweg eines Dritten – als Zuwendung an die Verbotsadressaten selbst darstellte (vgl. OLG Düsseldorf MittBayNot 1998, 264; BayObLG NJW-RR 2001, 295; OLG Frankfurt DNotZ 2001, 716). Allerdings lehnte die Rechtsprechung eine analoge Anwendung von § 14 HeimG auf Sachverhalte ab, die mit der Heimsituation vergleichbar waren. So erachtete sie eine letztwillige Zuwendung an einen ambulanten Pflegedienst, der den Behinderten zu Hause versorgte, nicht entsprechend § 14 HeimG für unwirksam (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2001, 2338; LG Bonn NJW 1999, 2977). Gleiches galt für Zuwendungen des behinderten Betreuten an seinen zivilrechtlichen Betreuer i. S. d. §§ 1896 ff. BGB (BayObLG DNotI-Report 1998, 82) oder für Zuwendungen des Vollmachtgebers an seinen Vorsorgebevollmächtigten (vgl. BayObLG DNotZ 2003, 439). Für die Richtigkeit dieser Ansicht sprach vor allem, dass es in diesen Beispielsfällen an der für eine Analogie erforderlichen generellen Rechtsähnlichkeit der Sachverhalte fehlte, denn die Lebenssituation eines ambulant versorgten Betreuten oder Vollmachtgebers lässt sich nicht ohne Weiteres mit der besonders eingeschränkten Lebenssituation eines stationär untergebrachten Heimbewohners vergleichen (Burandt/Rojahn/G. Müller, Erbrecht, 2.Aufl. 2014, § 14 HeimG Rn. 31; Ludyga, NZS 2013, 201, 204 f.).

b) Rechtslage unter Geltung des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP)
Im Zuge der Ersetzung des Heimgesetzes (Bund) durch die Landesheimgesetze (dazu Keim, notar 2017, 119) hat sich die Rechtslage dadurch geändert, dass der Anwendungsbereich der jeweiligen Verbotsnormen teilweise abweichend vom Heimgesetz gestaltet worden ist. So erfasst bspw. die hier einschlägige hessische Verbotsnorm des § 6 HGBP n. F. (Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen v. 7.3.2012, GVBl. S. 34; entspricht § 7 HGBP a. F.) auch ambulante Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen und die Betreuung und Pflege durch vermittelte Pflegekräfte. Während § 14 HeimG (Bund) – wie bereits ausgeführt – auf ambulante Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen und die Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst weder direkt noch analog anzuwenden war, unterfallen in Hessen auch ambulante Pflegedienste dem § 6 HGBP (= § 7 HGBP a. F.; ähnlich ist die Rechtslage in Hamburg, vgl. § 5a HmbWBG; Keim, notar 2017, 119, 122). Nach Ansicht des OLG Frankfurt (NJW 2015, 2351 = FamRZ 2015, 1840) widerspricht daher die Erbeinsetzung der Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes § 7 HGBP a. F. und ist gem. § 134 BGB unwirksam. Dabei geht es nicht um eine analoge, sondern um eine direkte Anwendung der Verbotsnorm des § 7 Abs. 1 S. 2 HGBP a. F. (= § 6 Abs. 1 S. 2 HGBP n. F.).

Für nicht geschäftsführende Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes folgt dasselbe Zuwendungsverbot aus § 6 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGBP n. F. Auch die hier geplante Erbeinsetzung der Pflegekraft als Nacherbin bzw. Schlusserbin wäre daher gem. § 134 BGB unwirksam.

Ein Verstoß gegen das Zuwendungsverbot ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil im vorliegenden Fall Erblasser (Eltern) und Pflegeperson (Tochter) nicht identisch sind. Denn § 6 Abs. 2 HGBP erfasst (wie § 14 HeimG) auch Zuwendungen Dritter zugunsten von Pflegepersonen („von oder zugunsten von Betreuungs- und Pflegebedürftigen“).

c) Ausnahme bei fehlender Kenntnis des Verbotsadressaten
Eine wichtige Ausnahme vom Zuwendungsverbot hat der BGH in seinem noch zu § 14 HeimG ergangenen Beschluss vom 26.10.2011 (IV ZB 33/10, DNotZ 2012, 210 = MittBayNot 2012, 297 m. Anm. G. Müller = DNotI-Report 2012, 12) zugelassen:

§ 14 HeimG – wie auch § 6 Abs. 1 u. 2 HGBP – verbietet es, dass sich der Heimbetreiber bzw. Mitarbeiter eines Heimes oder ambulanten Pflegedienstes eine Leistung „versprechen oder gewähren lässt“. Aus dieser Formulierung hatte bereits die bis zur Entscheidung des BGH h. M. in Rechtsprechung und Literatur gefolgert, dass ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz nur dann vorliegt, wenn sich die Zuwendung auf ein Einvernehmen zwischen Erblasser und Heimträger bzw. Mitarbeiter stützt (BayObLG DNotZ 1992, 258; KG NJW-RR 1999, 2 = DNotI-Report 1998, 142). Dies ist nicht der Fall, wenn der Heimträger erst nach dem Tod des Erblassers von der Zuwendung Kenntnis erlangt.

Der BGH hat diese Ansicht in der vorgenannten Entscheidung ausdrücklich bestätigt. Weil der Heimträger vor dem Tod des Erblassers nichts von dem Testament gewusst habe, habe er sich die Zuwendung nicht „versprechen oder gewähren lassen“; folglich sei keine Unwirksamkeit der Zuwendung anzunehmen. Ein solches Normverständnis gebiete eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 HeimG, der nur deshalb verfassungsgemäß sei, weil dem Heimbewohner das Recht verbleibe, die letztwillige Verfügung dem begünstigten Heimträger oder Heimmitarbeiter nicht mitzuteilen, also „still“ zu verfügen (sog. „stilles Testament“; BGH DNotZ 2012, 210; vgl. auch BVerfG DNotZ 1999, 56; im Anschluss an den BGH OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.3.2013, BeckRS 2013, 20030 = MittBayNot 2014, 353 m. Anm. G. Müller zum HeimG BW; Tersteegen, RNotZ 2012, 376; a. A. noch OLG München DNotZ 2006, 933 für Zuwendungen von Dritten zugunsten von Heimbewohnern).

Diesen zu § 14 HeimG entwickelten Grundsatz hat nun das OLG Frankfurt (NJW 2015, 2351 Tz. 14) wegen des identischen Schutzzwecks auf § 7 HGBP a. F. (= § 6 HGBP n. F.) übertragen. Die im vorliegenden Fall beabsichtigte Verfügung zugunsten der Pflegeperson wäre nach der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung also dann wirksam, wenn die Begünstigte vor dem Tod der Erblasser davon keine Kenntnis erlangen würde. Die Erblasser müssten dabei absolute Diskretion gegenüber der Begünstigten bewahren.

Da die Erblasser laut Sachverhalt der Pflegekraft bereits mitgeteilt haben, dass man sie zu „bedenken“ erwäge, kann man eine „stille“ Verfügung von Todes wegen wohl nicht mehr annehmen. Selbst die noch als unsicher dargestellte Begünstigung dürfte im Hinblick auf den Schutzzweck des § 14 HeimG und der landesrechtlichen Nachfolgenormen bereits genügen, eine Unwirksamkeit der Verfügung von Todes wegen zu begründen: § 6 HGBP n. F. soll ebenso wie § 14 HeimG verhindern, dass die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt wird (zu den Schutzzwecken des § 14 HeimG eingehend BVerfG DNotZ 1999, 56). Laut BVerfG soll § 14 HeimG diese Menschen vor der nochmaligen oder überhöhten Abgeltung von Pflegeleistungen bewahren (DNotZ 1999, 56, 57 m. Verw. auf BT-Drucks. 7/180, S. 12/15). Zweitens solle er verhindern, dass durch die Gewährung finanzieller Zusatzleistungen oder Zusatzversprechen die durch das Gesetz Geschützten unterschiedlich (privilegierend oder benachteiligend) behandelt würden. Drittens diene er auch dazu, die Testierfreiheit der Betroffenen zu sichern (DNotZ 1999, 56, 57). Die Vorschrift solle alte Menschen davor bewahren, dass ihr Recht auf freie Verfügung von Todes wegen durch offenen oder versteckten Druck faktisch gefährdet werde (s. auch Gitter/Schmitt/Küfner-Schmitt, Heimrecht des Bundes und der Länder, Std.: 6/2016, § 7 HGBP Rn. 10). Diese gesetzlichen Schutzzwecke dürften bereits bei einer als unsicher dargestellten Begünstigung tan­giert sein.

2. Einsetzung der Pflegekraft als Testamentsvollstreckerin
Zur Frage, ob und inwieweit die Einsetzung als Testamentsvollstrecker von § 14 HeimG bzw. den landesrechtlichen Nachfolgenormen erfasst ist, existiert nach unserer Kenntnis bisher keine Rechtsprechung. Die Literatur zum hessischen HGBP enthält sich einer Stellungnahme.

In der allgemeinen Aufsatzliteratur wird die Frage kontrovers diskutiert. So führt etwa Rossak (MittBayNot 1998, 407) zu § 14 HeimG aus, dass als geldwerte Leistung in diesem Sinne auch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers anzusehen sei, soweit der Testamentsvollstrecker einen Vergütungsanspruch für seine Tätigkeit habe (vgl. § 2221 BGB). Noch weitergehend vertritt G. Müller (FS Zehn Jahre Deutsches Notarinstitut, 2003, S. 153, 160), dass selbst bei fehlendem Vergütungsanspruch ein – verbotener – Vermögensvorteil naheliege (vgl. § 27 BeurkG).

Dem zuletzt genannten Standpunkt widerspricht Everts (ZEV 2006, 544, 545) im Hinblick auf die unterschiedlichen Schutzzwecke der beurkundungsrechtlichen Vorschriften und des § 14 HeimG sowie auf verfassungsrechtliche Gesichtspunkte (da § 14 HeimG als Einschränkung der grundgesetzlich geschützten Testierfreiheit prinzipiell restriktiv ausgelegt werden müsse). Für den Fall der entgeltlichen Testamentsvollstreckung tendiert aber auch Everts eher zur Annahme eines von § 14 HeimG verbotenen Vermögensvorteils (ZEV 2006, 544, 545 f.). Neuere Stellungnahmen in der Literatur gibt es nach unserer Kenntnis nicht.

Im Ergebnis dürfte die Literatur in der Einsetzung der Pflegekraft als Testamentsvollstreckerin zumindest dann einen Verstoß gegen § 6 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 (u. 2) HGBP erkennen, wenn die Führung des Amts mit einem Vergütungsanspruch verbunden ist (was bei Einsetzung familienfremder Personen regelmäßig der Fall ist).

Tatfrage ist, ob die von der Rechtsprechung zugelassene Ausnahme für „stille“ Zuwendungen zumindest die Testamentsvollstreckereinsetzung erfassen könnte. Nach dem Sachverhalt erscheint dies eher unsicher.

3. Weitere allgemeine Voraussetzungen
Das Zuwendungsverbot aus § 6 Abs. 2 HGBP ist nur dann einschlägig, wenn die Leistungen „für die Erfüllung der Pflichten aus dem Vertrag mit der Betreiberin oder dem Betreiber“ versprochen oder gewährt werden (es sich also um eine unzulässige „Doppelvergütung“ handelt). Damit ist bei der Erbeinsetzung ein Zusammenhang mit der Erfüllung der Verpflichtung aus dem Vertrag notwendig. Dieser Zusammenhang wird jedoch bis zum Be­weis des Gegenteils vermutet (OLG Frankfurt NJW 2015, 2351 Tz. 14; BGH NJW 1990, 1603; OLG Frankfurt DNotZ 2001, 716). Für die Widerlegung der Vermutung ist der volle Beweis des Gegenteils erforderlich (s. etwa BayObLG NJW-RR 2004, 1591, 1593 = DNotI-Report 2004, 147).

Den Beweis des Gegenteils wird man im konkreten Fall wohl nicht führen können. Ein vertrauensvolles oder freundschaftliches Verhältnis zur Zuwendungsempfängerin reicht dafür noch nicht aus. Es muss sich nachweisen lassen, dass kein Zusammenhang zwischen Erbvertrag bzw. Testament und Pflegeleistung bestanden hat (OLG Frankfurt NJW 2015, 2351 Tz. 17). Der vorliegende Sachverhalt spricht hingegen für einen solchen Zusammenhang, da das Vertrauensverhältnis zur Pflegekraft „aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit“ besteht.

Eine Ausnahmegenehmigung, erteilt von der Heimaufsichtsbehörde, kommt nicht in Betracht, wenn – wie hier – die Leistungen durch Herstellung des Einvernehmens mit der Pflegekraft bereits versprochen worden sind (vgl. den Wortlaut des § 6 Abs. 4 HGBP n. F., wonach die Leistungen noch nicht versprochen oder gewährt worden sein dürfen).

4. Ergebnis
Die geplante Erbeinsetzung der Mitarbeiterin des ambulanten Pflegedienstes dürfte wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 2 HGBP nach § 134 BGB unwirksam sein; insbesondere ist mit der Mitarbeiterin bereits über die geplante Erbeinsetzung gesprochen worden. Ebenso unwirksam ist die Berufung zur Testamentsvollstreckerin, sofern der Testamentsvollstreckerin ein Vergütungsanspruch zustehen soll (was bei familienfremden Personen regelmäßig der Fall sein wird) und die Mitarbeiterin zu Lebzeiten der Erblasser Kenntnis von der Zuwendung erlangt (hier Tatfrage).

Gutachten/Abruf-Nr:

163595

Erscheinungsdatum:

28.08.2018

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2018, 123-126

Normen in Titel:

HGBP § 6; HeimG § 14; BGB § 2197