Abstraktes Schuldanerkenntnis; Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung; „Entlassung“ aus der Haftung; Notwendigkeit der Änderung der Vollstreckungsklausel
Abstraktes Schuldanerkenntnis; Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung; „Entlassung“ aus der Haftung; Notwendigkeit der Änderung der Vollstreckungsklausel
I. Sachverhalt
Zwei Eheleute sind Miteigentümer eines Grundstücks zu je ½. Zur Finanzierung des Kaufpreises haben sie eine Grundschuld bestellt. In die Urkunde wurde ein abstraktes Schuldanerkenntnis aufgenommen, wonach sich beide wegen des Anerkenntnisses der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen.
Die Eheleute haben sich getrennt und die Ehefrau hat den Grundbesitz nebst Grundschuld übernommen. Die finanzierende Bank, zu deren Gunsten die Grundschuld bestellt worden war, hat den Ehemann aus der persönlichen Haftung entlassen.
Der Ehemann verlangt nun eine entsprechende Änderung der Vollstreckungsklausel. Die Bank lehnt dies als unüblich ab. Ihre Erklärung sei zur Absicherung des Ehemanns ausreichend. Durch die Änderung der Vollstreckungsklausel würden nur unnötige Kosten entstehen.
II. Fragen
1. Kann sich der Ehemann tatsächlich darauf verlassen, dass er wegen der persönlichen Haftung aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis nicht mehr in Anspruch genommen wird, wenn die Vollstreckungsklausel nicht eingeschränkt wird?
2. Müsste er die Erklärung der Bank bis zur Löschung der Grundschuld aufbewahren?
3. Besteht die Gefahr, dass die Bank die Grundschuld mit dem abstrakten Schuldanerkenntnis und der Unterwerfungserklärung an eine andere Bank abtritt und der Ehemann von dort in Anspruch genommen werden kann?
4. Sollte der Ehemann auf einer Änderung bestehen?
III. Zur Rechtslage
1. Rechtsnatur der „Entlassung“ aus der persönlichen Haftung
Einleitend soll zunächst die Rechtsnatur der „Entlassung“ aus der persönlichen Haftung geklärt werden.
Mit dem Schlagwort „persönliche Haftung“ umschreibt man im Kontext des Immobilienerwerbs die Haftung des Käufers gegenüber seiner finanzierenden Bank (1) aus dem Darlehensvertrag selbst sowie (2) aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis gem.
Mit der „Entlassung“ aus der persönlichen Haftung bringt die finanzierende Bank u. E. ihren Willen zum Ausdruck, in Zukunft gegen den zu entlassenden Schuldner (hier: Ehemann) dauerhaft weder aus dem Darlehensvertrag noch aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis vorzugehen. Darin kann man zwar noch keinen einseitigen Verzicht auf die Forderungen aus dem Darlehensvertrag und dem abstrakten Schuldanerkenntnis sehen, denn das deutsche Recht kennt die Möglichkeit eines einseitigen Verzichts auf eine Forderung nicht
(BeckOGK-BGB/Paffenholz, Std.: 15.11.2018, § 397 Rn. 21). Wohl aber dürfte diese Erklärung materiell-rechtlich als Angebot auf Abschluss eines – formfrei möglichen – Erlassvertrags (
Die Wirkung des Erlasses beschränkt sich vorliegend auf das Verhältnis des Ehemanns zur Bank. Eine „Gesamtwirkung“ dergestalt, dass der Erlass auch für die weitere Gesamtschuldnerin (= die Ehefrau) wirkte, tritt nicht ein, da nicht das ganze Schuldverhältnis aufgehoben werden soll (vgl.
2. Änderung der Vollstreckungsklausel notwendig?
Fraglich ist nun, ob der dergestalt aus der Haftung „entlassene“ Schuldner auf eine Änderung der Vollstreckungsklausel bzgl. der Haftung aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis hinwirken sollte (bzgl. der Haftung aus dem Darlehensvertrag stellt sich diese Frage nicht, da die Bank diesen Anspruch in der Regel nicht titulieren lässt).
Rechtstechnisch lässt sich eine solche Beschränkung dadurch herbeiführen, dass die Bank die vollstreckbare Ausfertigung an den Ehemann herausgibt und Antrag auf Erteilung einer neuen vollstreckbaren Ausfertigung stellt, die sich auf die Ehefrau beschränkt. Denn nach dem im Klauselverfahren geltenden Antragsprinzip steht es dem Vollstreckungsgläubiger frei, seinen Antrag auf einen beliebigen Teil des Anspruchs im prozessualen Sinn, bei einem Titel gegen Gesamtschuldner auch auf einen oder einzelne der Schuldner, zu beschränken (Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 4. Aufl. 2019, 35.3). Um eine „weitere vollstreckbare Ausfertigung“ i. S. d.
Freilich müsste in Fällen, in denen sich – wie auch vorliegend – der Vollstreckungsgläubiger weigert, eine Beschränkung der Klausel herbeizuführen, aufseiten des entlassenen Gesamtschuldners ein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung bestehen. Nur durch Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung wird der Vollstreckungsgläubiger gezwungen, eine neue vollstreckbare Ausfertigung zu beantragen, die er zur Vermeidung einer erneuten Herausgabepflicht sinniger- und zulässigerweise (s. o.) auf den verbleibenden Gesamtschuldner beschränkt. Ein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung besteht nach gefestigter BGH-Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur analog
Letztlich mag die Frage offenbleiben. Beim entlassenen Gesamtschuldner dürfte kaum ein Bedürfnis bestehen, sich derart gegen künftige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Bank abzusichern. Denn zum einen kann er, sollte die Bank gegen ihn vorgehen, der Zwangsvollstreckung im Wege der Vollstreckungsgegenklage (
Zum anderen lässt sich in der „Entlassungserklärung“ der Bank eine vom Vollstreckungsgläubiger ausgestellte Privaturkunde i. S. d.
Freilich ist zuzugestehen, dass die Maßnahmen nach
Die Gefahr, dass die Bank den Anspruch aus dem abstrakten Schuldversprechen materiell-rechtlich wirksam abtritt, besteht nach dem Erlassvertrag nicht mehr, da der gutgläubige Erwerb einer titulierten, aber erloschenen Forderung nicht möglich ist (vgl. arg. e contrario aus
170144
Erscheinungsdatum:28.05.2019
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Bürgschaft u.a. Personalsicherheiten
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
ZPO § 794 Abs. 1; BGB § 488; BGB § 780