10. Juli 2018
GrdstVG § 2; BauGB § 28; BGB § 925; BGB § 311b; GrEStG § 22

Messungskauf; Abweichung nach Vermessung; Erfordernis neuer Unbedenklichkeitsbescheinigung, neuen Vorkaufsrechtszeugnisses und neuer Grundstücksverkehrsgenehmigung

BGB §§ 311b, 925; GrEStG § 22; BauGB § 28; GrdstVG § 2
Messungskauf; Abweichung nach Vermessung; Erfordernis neuer Unbedenklichkeitsbescheinigung, neuen Vorkaufsrechtszeugnisses und neuer Grundstücksverkehrsgenehmigung

I. Sachverhalt
Es wurde ein Kaufvertrag über eine noch zu vermessende Teilfläche beurkundet. Die Größe der Teilfläche beträgt „ca. 18.000 m²“. Die zu vermessende Teilfläche ergibt sich aus einem der Niederschrift beigefügten Lageplan.

Nach der Beurkundung holte der Notar eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, einen Vorkaufsrechtsverzicht und eine Grundstücksverkehrsgenehmigung ein. Sodann erfolgte die Vermessung. Das Vermessungsergebnis weicht um 88 m² von der angenommenen Größe ab. Die Grenzen des neu vermessenen Flurstücks weichen an der östlichen Grenze des Grundstücks in der Breite vom Lageplan ab.

Die Vertragsbeteiligten haben im Nachtrag zur Urkunde die Auflassung erklärt und eine Identitätserklärung des Inhalts abgegeben, dass das neu vermessene Flurstück mit dem Vertragsgegenstand identisch sei.

Das Grundbuchamt verweigert den Vollzug der Auflassung. Es seien eine neue Unbedenklichkeitsbescheinigung, ein neuer Vorkaufsrechtsverzicht und eine neue Grundstücksverkehrsgenehmigung einzuholen.

II. Frage
Sind die Bedenken des Grundbuchamts berechtigt?

III. Zur Rechtslage
1. Unbedenklichkeitsbescheinigung
Zunächst ist zu prüfen, ob eine neue Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 22 Abs. 1 S. 1 GrEStG erforderlich ist, wenn es nach der Vermessung der Grundstücksteilfläche zu Abweichungen gekommen ist. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung muss unzweideutig darüber Auskunft geben, auf welches Grundstück sie sich bezieht. Eine Vermessung des Grundstücks ist dafür nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass das Grundstück in der notariellen Urkunde hinreichend bestimmt bezeichnet wurde (BFH BStBl II 1976, S. 32 = BeckRS 1975, 22003339; Boruttau/Viskorf, GrEStG, 18. Aufl. 2016, § 22 Rn. 44; vgl. jedoch auch OFD München v. 12.5.1976, BeckVerw 266868).

Beim Teilflächenkauf kann die Grunderwerbsteuer jedoch grundsätzlich erst auf Grundlage des Messungsergebnisses abschließend festgesetzt werden. In aller Regel ist daher zum grundbuchamtlichen Vollzug eine (weitere) Unbedenklichkeitsbescheinigung gem. § 22 Abs. 1 S. 1 GrEStG vorzulegen, wenn die Messungsanerkennung eine gegenüber der Vorurkunde größere Erwerbsfläche ausweist (OFD München v. 5.12.1974, BeckVerw 266867; Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. 2018, § 22 Rn. 3).

Eine Ausnahme ist dann zu bejahen, wenn im Teilflächenkaufvertrag ein Festpreis vereinbart wurde, der unabhängig von etwaigen Mehr- oder Minderflächen gelten soll. Denn dann kann sich die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer (§ 8 Abs. 1 GrEStG) nicht verändern (Gutachten DNotI-Report 2012, 141, 142).

Keine neue Unbedenklichkeitsbescheinigung ist außerdem erforderlich, wenn die Steuer bereits auf Grundlage des Kaufvertrags endgültig festgesetzt wurde, weil das Finanzamt davon ausging, dass sich die Gegenleistung durch das Vermessungsergebnis voraussichtlich nicht erhöhen wird; hierin liegt ein Verzicht der Finanzverwaltung auf eine Steuererhebung auf Grundlage des erhöhten Kaufpreises (vgl. Gutachten DNotI-Report 2012, 141, 142).

In dem Schreiben betreffend die Verwaltungsvereinfachung bei der Ermittlung der Gegenleistung v. 13.12.1984 (FM Bayern 37 - S 4521 - 23/37 - 66350; koordinierter Ländererlass), geändert durch Schreiben FM Bayern v. 15.10.1992, 19.7.1996, 12.3.1997 und 26.1.2001 (BeckVerw 027370), hat das Finanzministerium unter Ziff. II.3 im Hinblick auf Teilflächenverkäufe Folgendes ausgeführt (so auch FM Sachsen-Anhalt DStR 1992, 1690; FM Baden-Württemberg DStR 1996, 1366; OFD Cottbus v. 29.4.1997, S 4521 – 2 – St 137; OFD Erfurt v. 11.4.2002, S 4521 A-02-L 244):

„Ist beim Erwerb eines Grundstücks die Flächengröße noch nicht bekannt und berechnet sich die Höhe der Gegenleistung nach der Fläche des Grundstücks, so ist die Grunderwerbsteuer sofort endgültig festzusetzen, wenn sich die Gegenleistung durch das Vermessungsergebnis voraussichtlich nicht um mehr als 5000,- DM erhöhen wird. Ansonsten ist die Steuer vorläufig festzusetzen, und der Bescheid ist bei Vorliegen des genauen Vermessungsergebnisses zu ändern. Wurde die Grunderwerbsteuer nach Satz 1 endgültig festgesetzt und ermäßigt sich die Gegenleistung aufgrund der Vermessung, so ist auf entsprechenden und vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellten Antrag der Grunderwerbsteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.“

Die OFD Niedersachsen hat die Finanzbehörden angewiesen, die Steuer in aller Regel ohne Abwarten des Vermessungsergebnisses sofort endgültig festzusetzen. Der Steuerausfall wird in Kauf genommen (OFD Niedersachsen v. 7.5.2014, BeckVerw 285523).

Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt. Sofern sich aus der Bescheinigung keine abweichenden Anhaltspunkte ergeben, dürfte davon auszugehen sein, dass die Steuer endgültig festgesetzt wurde. Denn anderenfalls hätte das Finanzamt noch keine für den Grundbuchvollzug geeignete Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilen dürfen. Demzufolge darf das Grundbuchamt keine neue Unbedenklichkeitsbescheinigung verlangen.

2. Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz
Fraglich ist, ob eine neue Genehmigung nach dem GrdstVG (§ 2 Abs. 1 S. 1 GrdstVG) erforderlich ist. Hiernach bedarf die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks der Genehmigung, sofern der Anwendungsbereich des GrdstVG eröffnet ist. Ist ein schuldrechtlicher Vertrag genehmigt worden, so gilt auch die in Ausführung des Vertrages vorgenommene Auflassung als genehmigt (§ 2 Abs. 1 S. 2 GrdstVG). Die Genehmigung ist dem Grundbuchamt nachzuweisen (§ 7 Abs. 1 GrdstVG)

Ändert sich der Vertragsgegenstand nach der Vermessung des Grundstücks, könnte die bisherige Genehmigung nicht mehr ausreichend sein, weil sich die Genehmigung auf einen anderen Vertragsgegenstand bezieht. Es könnte an der Kongruenz von genehmigtem und tatsächlich abgeschlossenem Rechtsgeschäft fehlen. Es erscheint allerdings sehr zweifelhaft, ob auch bei nur geringfügigen Änderungen eine neue Genehmigung erforderlich ist.

a) Auflassungsvollmacht beim Teilflächenverkauf
Erörtert wird in Rechtsprechung und Literatur die Frage, ob eine Auflassungsvollmacht für einen Vertragsteil eines Teilflächenkaufvertrags gilt, wenn es zwischen der verkauften und der tatsächlich veräußerten Fläche zu Abweichungen kommt. Die einhellige Auffassung nimmt dabei an, dass eine Vollmacht zur Identitätsfeststellung und Auflassung dann an ihre Grenzen stößt, wenn zwischen der Beschreibung der Teilfläche im Vertrag und ihrem Zuschnitt nach Vermessung mehr als nur geringfügige Differenzen bestehen (BayObLG DNotZ 1989, 373, 374; MittBayNot 1996, 287, 288; OLG Hamm MittBayNot 1985, 197, 198; Gutachten DNotI-Report 1997, 225, 226; Geißel, MittRhNotK 1997, 333, 336 f.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 870). Da die Beteiligten ihren Willen zur Vollmachtserteilung vor dem Hintergrund des Beschriebs des Vertragsobjekts bilden, deckt die Vollmacht grundsätzlich nur Erklärungen im Hinblick auf das jeweilige Vertragsobjekt ab (vgl. BayObLG Rpfleger 1985, 105). Handelt es sich bei dem Objekt nach Vermessung um ein anderes Objekt, so kann die Auflassung nicht auf Grundlage der im Vertrag erteilten Vollmacht erklärt werden.

Die Literatur neigt dazu, die Grenze für die Vollmacht bei einem Größenunterschied von 10 % zwischen verkaufter und anschließend vermessener Fläche anzusetzen (vgl. Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB, 2017, § 925 Rn. 62).

b) Behördliche Genehmigungen
Diese Grenze hat auch die Rechtsprechung als Richtwert für die Frage herangezogen, ob eine behördliche Teilungsgenehmigung wegen mehr als nur unerheblicher Flächenabweichung nach Vermessung nochmals erteilt werden muss (BayObLG DNotZ 1986, 221). Abweichungen, die 10 % der Fläche nicht überstiegen, seien in der Regel geringfügig und lösten kein Erfordernis einer erneuten Teilungsgenehmigung aus (BayObLG DNotZ 1986, 221 f.; zust. Geißel, MittRhNotK 1997, 333, 339; für geringfügige Abweichungen auch BayObLGZ 1974, 263, 266 f.). Geringfügige Abweichungen zwischen dem Beschrieb und dem Messungsergebnis lägen noch im Rahmen der Bodenverkehrsgenehmigung, denn sie seien den Beteiligten vorhersehbar, solange sie nur messungstechnisch bedingt seien und nicht auf einer Inhaltsänderung des Kaufvertrags beruhten (BayObLGZ 1974, 263, 266 f.). Entsprechendes hat die Rechtsprechung für die Frage angenommen, ob es einer erneuten Beschlussfassung des Gemeinderats bei einem Teilflächenverkauf bedarf. Wenn das Flächenmaß nach der Vermessung eindeutig im Rahmen des in den Kaufverträgen angenommenen ungefähren Flächenmaßes liege, sei keine erneute Genehmigung des Gemeinderats erforderlich (BayObLGZ 1974, 81, 86).

c) Grundstücksverkehrsgenehmigung
Diese Erwägungen wird man ohne Weiteres auf die Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung übertragen können. Geringfügige Abweichungen im Flächenmaß dürften grundsätzlich unschädlich sein, sofern sie nicht zu einer erstmaligen Überschreitung eines Schwellenwerts führen. Für diese Betrachtung spricht nicht zuletzt auch der Zweck des Genehmigungserfordernisses, eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden zu verhindern. Kommt es nur zu einer kleinen Flächenabweichung, würde sich die Behörde nicht zu einer anderen Entscheidung veranlasst sehen. Eine Ausnahme wird man auch bei kleinen Flächenabweichungen annehmen können, wenn sich die Lage oder geometrische Form des Grundstücks wesentlich verändert. In diesem Fall ist sogar bei gleichbleibender Fläche eine abweichende behördliche Entscheidung denkbar.

Dass im vorliegenden Fall eine wesentliche Änderung der Lage oder der Form des Grundstücks eingetreten ist, lässt sich dem mitgeteilten Sachverhalt nicht entnehmen. Die Flächenabweichung beträgt lediglich 0,0048 %. Dass sich die Grenze in der Breite verschoben hat, wird man auch nicht als erheblich ansehen können, sofern nicht erkennbar besondere Gegebenheiten in der Lage des Grundstücks zu einer abweichenden Beurteilung zwingen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt gehen wir daher davon aus, dass keine neue Genehmigung nach dem GrdstVG erforderlich ist.

3. Vorkaufsrecht
Nach § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB kann die Auflassung im Grundbuch nur vollzogen werden, wenn dem Grundbuchamt ein Zeugnis über das Nichtbestehen oder die Nichtausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts vorliegt. Auch hier stellt sich die Frage, ob bei Messungsabweichungen ein neues Negativzeugnis erforderlich ist. Diese Frage ist nicht geklärt. Man wird aber die oben geschilderten Erwägungen zur Grundstücksverkehrsgenehmigung übertragen können. Kommt es – wie im vorliegenden Fall – nur zu geringfügigen Abweichungen in der Fläche von weniger als 1 % und haben Form und Lage des Grundstücks keine wesentliche Änderung erfahren, liefe es auf einen bloßen Formalismus hinaus, ein weiteres Negativzeugnis zu verlangen. Denn dass die Gemeinde das Vorkaufsrecht ausüben könnte oder ausüben würde, ist dann sehr unwahrscheinlich. Das bisherige Vorkaufsrechtszeugnis dürfte daher ausreichend sein.

Gutachten/Abruf-Nr:

162892

Erscheinungsdatum:

10.07.2018

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grunderwerbsteuer
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Öffentliches Baurecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2018, 97-100

Normen in Titel:

GrdstVG § 2; BauGB § 28; BGB § 925; BGB § 311b; GrEStG § 22