03. März 2023
FamFG § 352 Abs. 2; FamFG § 352e

Erbscheinsantrag; Anforderungen an den Inhalt bei Berufung aufgrund letztwilliger Verfügung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 192540
letzte Aktualisierung: 03. März 2023

FamFG §§ 352 Abs. 2, 352e
Erbscheinsantrag; Anforderungen an den Inhalt bei Berufung aufgrund letztwilliger
Verfügung

I. Sachverhalt

Frau Maja Mustermann ist verstorben. Es existiert ein privatschriftliches Testament. In diesem ist
der Sohn zum Alleinerben eingesetzt. Der Text des Testamentes lautet insoweit:

„Ich setze meinen Sohn Max Mustermann, geboren am
10.11.1970, wohnhaft Mustergasse 6 in 6666 Musterhausen, zu
meinem alleinigen Erben ein.“

Der Sohn hat einen entsprechenden Erbscheinsantrag beurkundet. In dem Erbscheinsantrag sind
die persönlichen Daten des Max Mustermann aufgeführt. In dem Erbscheinsantrag erklärt er, dass
seine Mutter verstorben ist. Trotzdem verlangt nunmehr das in NRW gelegene zuständige
Nachlassgericht – entgegen der bisherigen Praxis – eine Abstammungsurkunde des Sohnes, um
sich anhand der Abstammungsurkunde davon zu vergewissern, dass Herr Max Mustermann
wirklich der Sohn der Verstorbenen ist. Die Rechtspflegerin teilte dazu telefonisch mit, dass sie
(und ihre Kollegen) das künftig so bei allen derartigen Sachverhalten bearbeiten wollen. Der den
Erbscheinsantrag beurkundende Notar widerspricht dem mit der Begründung, dass diese
Tatsache (also diejenige, dass Herr Max Mustermann der Sohn der Verstorbenen sei) sich aus dem
Erbscheinsantrag ergebe und die Abstammungsverhältnisse nur bei der gesetzlichen Erbfolge
durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden müssten.

II. Frage

Wie ist die Rechtslage?

Alternative: Ist die Rechtslage anders, wenn in dem Testament der Sohn nur mit Vornamen
genannt wäre (also wenn der Text des Testamentes lauten würde: „Ich setze meinen Sohn Max
zu meinem alleinigen Erben ein.“)?

III. Zur Rechtslage

1. Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins

a) Antragsverfahren; Verfahrenseinleitung

Gem. § 352e Abs. 1 S. 1 FamFG hat das Nachlassgericht einen beantragten Erbschein
dann zu erteilen, wenn es die zu seiner Begründung erforderlichen Tatsachen für
festgestellt erachtet. Bei dem Erbscheinverfahren handelt es sich um ein
Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 2353 BGB), das durch einen
entsprechenden Antrag eines Beteiligten eingeleitet wird. Gem. § 23 Abs. 1 S. 1, 2
FamFG hat der Antragsteller grundsätzlich seinen verfahrenseinleitenden Antrag zu
begründen sowie die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben
und ggf. als Beteiligte in Betracht kommende Personen zu benennen. Dieses allgemeine
Erfordernis wird für das Erbscheinsverfahren und die dort anzugebenden Tatsachen und
Beweismittel durch § 352 FamFG konkretisiert (vgl. exemplarisch
MünchKommFamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 23 Rn. 32; BeckOK-FamFG/Burschel,
Std. 1.4.2022, § 23 Rn. 7; MünchKomm-FamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, § 352
Rn. 5 ff.). Auf diesen Umfang beschränkt sich auch die Mitwirkungspflicht des
Antragstellers (vgl. BeckOK-FamFG/Schlögel, Std. 1.4.2022, § 352e Rn. 9;
MünchKomm-FamFG/Grziwotz, § 352d Rn. 8-9 sowie § 352 Rn. 18; je m. w. N.).

Im Erbscheinsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 26 FamFG. Das Nachlassgericht
hat die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen selbst
vorzunehmen. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird jedoch begrenzt durch Inhalt und
Umfang des verfahrenseinleitenden Antrags. In diesem Rahmen hat das Nachlassgericht
entsprechende Ermittlungen anzustellen und den Sachverhalt aufzuklären
(MünchKomm-FamFG/Grziwotz, § 352d Rn. 3; Sternal/Zimmermann, FamFG,
21. Aufl. 2023, § 352e Rn. 7; OLG Karlsruhe RNotZ 2015, 519, 521). Weiterhin hat das
Nachlassgericht im Rahmen des gestellten Antrags und der vorgebrachten Tatsachen
seitens des Antragstellers nach pflichtgemäßem Ermessen über Art und Umfang der
weiteren Ermittlungen zu entscheiden. Ergeben sich aus den vorgebrachten Tatsachen
Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen, hat das Nachlassgericht diesen nachzugehen,
eine umfassende Ermittlungspflicht trifft das Nachlassgericht jedoch vorbehaltlich
landesrechtlicher Regelungen, die für NRW jedoch nicht ersichtlich sind, nicht (vgl. etwa
BGH ZEV 2016, 31 Rn. 11; BGH NJW-RR 2013, 201 Rn. 11; MünchKomm-
FamFG/Grziwotz, § 352d Rn. 3-5; BeckOK-FamFG/Schlögel, § 352e Rn. 8).

b) Antragsinhalt beim Erbscheinsantrag

Welche konkreten Tatsachen der die Erteilung eines Erbscheins begehrende
Antragsteller in seinem Antrag anzugeben hat, regeln die §§ 352, 352a FamFG.
§ 352 Abs. 1 FamFG beinhaltet hierbei die durch einen gesetzlichen Erben als
Antragsteller zu machenden Angaben, § 352 Abs. 2 FamFG die Angaben, die ein
gewillkürter Erbe zu machen hat.

Ist der Erbe aufgrund einer Verfügung von Todes wegen berufen, so hat er die
Verfügung von Todes wegen zu bezeichnen, auf der sein Erbrecht beruht (Abs. 2 Nr. 1),
anzugeben, ob weitere Verfügungen von Todes wegen vorhanden sind (Abs. 2 Nr. 2),
und weitere Angaben über den Todeszeitpunkt und letzten gewöhnlichen Aufenthalt des
Erblassers zu machen, sowie darüber, ob ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist,
er die Erbschaft angenommen hat und welche Größe sein Erbteil ausmacht. Zusätzlich
hat er Angaben über weggefallene Personen zu machen, die sein Erbteil schmälern oder
seine Berufung ausschließen würden (Abs. 2 Nr. 3). Gem. § 352 Abs. 3 S. 1 FamFG hat
er die Urkunde vorzulegen, auf der sein Erbrecht beruht
Darüber hinaus kann das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen weitere
Ermittlungen anstellen, wenn sich im Verlauf des Verfahrens hierzu Anhaltspunkte
ergeben (vgl. etwa BayObLG Beschluss vom 28.06.1990 – BReg. 1a Z 27/90 = BeckRS
2009, 89193). Diese Kompetenz folgt aus der dem Nachlassgericht obliegenden
Verfahrensleitung. Der Antragsteller ist zur Mitwirkung nach § 27 FamFG verpflichtet
und hat wahrheitsgemäße Angaben zu machen, wobei sich diese Pflicht auf
entscheidungserhebliche Tatsachen beschränkt (BeckOK-FamFG/Burschel, Std.
1.4.2022, § 27 Rn. 3). Hat der Antragsteller seine vorstehenden, durch § 352 FamFG
konkretisierten Mitwirkungspflichten erfüllt, kann das Nachlassgericht seinen Antrag
jedoch nicht wegen Verstoßes gegen seine Mitwirkungspflicht als unzulässig
zurückweisen (MünchKomm-FamFG/Grziwotz, § 352 Rn. 18, 46-47; OLG
Frankfurt a. M. NJWE-FER 1996, 43; BeckOK-FamFG/Schlögel, § 352 Rn. 17).

Werden testamentarisch Bedachte lediglich über Beschreibungen identifiziert
(Bezeichnung als mein Sohn, Neffe oder mittels Kosenamen) und können sie daher nur
unter Mitberücksichtigung weiterer Umstände identifiziert werden, genügt hingegen
die bloße Angabe der Verfügung von Todes wegen nicht. In diesem Fall ist der
Antragsteller darüber hinaus verpflichtet, zu den Umständen vorzutragen, die ihn als die
beschriebene Person identifizieren. Beruht die Berufung zum Erben auf einem
Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser, sind insoweit § 352 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und 4
FamFG entsprechend anzuwenden (Staudinger/Herzog, BGB, 2016, § 2353 Rn. 93;
MünchKommFamFG/Grziwotz, § 352 Rn. 40; BeckOK-FamFG/Schlögel, § 352
Rn. 13). In diesem Fall kann daher auch der gewillkürte Erbe zur Vorlage einer
Abstammungsurkunde verpflichtet sein. Als Vertreter einer a. A. wird in der
vorstehenden Literatur soweit ersichtlich nur das BayObLG (Beschl. v. 28.6.1990 –
BReg. 1a Z 27/90 = BeckRS 2009, 89193) zitiert. In dem der Entscheidung zugrunde
liegenden Sachverhalt hatten sich zwei (mutmaßliche) Eheleute gegenseitig zu
Alleinerben eingesetzt. Das Testament wurde entsprechend §§ 2267, 2247 BGB errichtet,
die Beteiligten setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein, die Identifizierung des je
eingesetzten Erben war eindeutig möglich. Die Eheschließung fand nach Angabe im
Jahre 1932 in Schlesien statt, Urkunden darüber wurden nicht vorgelegt. Für die
(Vor-)Frage nach der wirksamen Errichtung des gemeinschaftlichen
Ehegattentestaments nach den §§ 2265, 2267, 2247 BGB kam es nach der Entscheidung
des BayObLG nicht darauf an, dass gem. § 2354 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. (nun § 352
Abs. 1 Nr. 2 FamFG) das Verhältnis des Erben zum Erblasser angegeben und ein
entsprechender Nachweis durch öffentliche Urkunden geführt werde. Diese Norm
könne nur dann herangezogen werden, wenn das gesetzliche Erbrecht in Frage stehe.
Diese Entscheidung betrifft jedoch nicht die Frage nach der Identifizierung eines
eingesetzten Erben, sondern beschäftigt sich mit den Anforderungen, die an die
Wirksamkeit des Testaments aufgrund der besonderen, nur Ehegatten vorbehaltenen
Form zu stellen sind. Diese Entscheidung kann daher nicht als eine abweichende Ansicht
herangezogen werden.

2. Anwendung dieser Grundsätze auf den geschilderten Sachverhalt

Im geschilderten Sachverhalt beruht die Berufung des Antragstellers zum Erben nach seiner
verstorbene Mutter auf einem privatschriftlichen Testament. In diesem ist der Antragsteller
unter der Bezeichnung als Sohn der Erblasserin sowie unter Nennung von Name,
Geburtsdatum und Wohnort benannt.

Die Angaben, die im Erbscheinsantrag zu machen sind, richten sich daher nach § 352 Abs. 2
FamFG. Da der Wortlaut des Testaments insoweit eindeutig ist, hat es bei diesen Angaben
auch sein Bewenden. Anhaltspunkte, die das Nachlassgericht zu weiteren Ermittlungen
veranlassen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine ergänzende Anwendung von § 352 Abs. 1
S. 1 Nr. 3, 4 FamFG ist demnach nicht angezeigt. Denn die Benennung des Erben hängt
nicht von weiteren Umständen ab, die sich nicht aus der Verfügung von Todes wegen
ergeben. Der berufene Erbe ist eindeutig namentlich benannt. Die Bezeichnung als „mein
Sohn Max Mustermann“ ergänzt lediglich die Identifikation des namentlich benannten Erben,
sie stellt aber keinen weiteren Umstand dar, von dem die Berufung zum Erben abhinge. Diese
Argumentation hat zwischenzeitlich auch das OLG Köln bestätigt (RNotZ 2022, 552).

Etwas anderes würden wir – ohne, dass hierzu Rechtsprechung vorläge – jedoch in der
alternativen Sachverhaltsgestaltung annehmen, in der der Sohn in dem Testament
lediglich durch den Wortlaut „mein Sohn [Max]“ identifiziert wird. In diesem Fall würden wir
dazu tendieren, dass das Nachlassgericht in entsprechender Anwendung von § 352 Abs. 1
S. 1 Nr. 3, 4 FamFG auch die Vorlage einer Abstammungsurkunde verlangen darf. Denn
jedenfalls dann, wenn das Testament keine weiteren identifizierenden Merkmale (z. B.
Geburtsdatum und -ort, Wohnort) enthält, kann eine eindeutige Identifizierung des Erben
nur unter Mitberücksichtigung des Merkmals „Sohn“ erfolgen. Um diese zu ermöglichen,
bedarf es der Abstammungsurkunde. Erst Recht gilt dies, wenn das Testament den oder die
Erben ausschließlich durch Nennung des Verwandtschaftsverhältnisses benennt („mein
Sohn“ o.Ä.).

Gutachten/Abruf-Nr:

192540

Erscheinungsdatum:

03.03.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)

Normen in Titel:

FamFG § 352 Abs. 2; FamFG § 352e