Vertragsangebot; Austausch des Anbietenden; aufschiebend bedingte befreiende Schuldübernahme; Fortbestand der Vormerkung; Wiederaufladen der Vormerkung; Erfordernis der Schuldneridentität
BGB §§ 145, 414, 415, 883, 885
Vertragsangebot; Austausch des Anbietenden; aufschiebend bedingte befreiende Schuldübernahme; Fortbestand der Vor-merkung; Wiederaufladen der Vormerkung; Erfordernis der Schuldneridentität
I. Sachverhalt
Veräußerer V hat einem Dritten (D) durch einseitiges Angebot den Verkauf seines Grundstücks bindend angeboten. Für D ist im Grundbuch eine Eigentumsvormerkung eingetragen. V möchte nunmehr das Grundstück auf seinen Sohn (S) übertragen. S soll dabei „das Angebot“ samt Vormerkung „übernehmen“. D ist bereit, der Übertragung des Grundstücks auf S und der „Angebotsübernahme“ zuzustimmen.
II. Fragen
1. Genügt eine zwischen V und S mit Zustimmung des D auf den Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung von V auf S vereinbarte befreiende „Angebotsübernahme“, damit das Angebot auf S übergeht und die Vormerkung zugunsten des D erhalten bleibt?
2. Könnte der Schuldnerwechsel von V auf S im Grundbuch bei der Vormerkung eingetragen werden?
3. Sollte S ein neues Angebot abgeben müssen: Könnte dann zumindest die im Grundbuch stehen bleibende Vormerkung durch bloße Neubewilligung nach dem Eigentumswechsel „wiederverwendet“ werden?
III. Zur Rechtslage
1. Vormerkung zur Sicherung künftigen Anspruchs
Gem. § 883 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Eintragung einer Vormerkung auch zur Sicherung eines künftigen Anspruchs zulässig. Allerdings kann nicht jeder nur denkbare Anspruch im Grundbuch vorgemerkt werden (Gefahr der „faktischen Grundbuchsperre“). Es muss vielmehr bereits ein hinreichender Rechtsboden für die Entstehung des Anspruchs gelegt sein (
2. Fortbestand der Vormerkung bei Schuldner-wechsel
a) Schicksal der Vormerkung bei befreiender Schuldübernahme
aa) Grundsatz: Erlöschen
Übernimmt ein neuer Schuldner die Verpflichtungen aus einem vormerkungsgesicherten Anspruch auf Übertragung von Grundstückseigentum im Wege der befreienden Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB), ohne dass er Eigentümer des von der Vormerkung betroffenen Grundstücks wird, so erlischt die Vormerkung. Dann fehlt es nämlich an der notwendigen Identität zwischen dem Schuldner des vormerkungsgesicherten Anspruchs und dem Eigentümer des von der Vormerkung betroffenen Grundstücks (BGH
bb) Ausnahme: gleichzeitiger Schuldner- und Eigentumswechsel
Eine starke Meinung in der Literatur, der sich im Jahre 2011 das OLG Düsseldorf anschloss, macht vom Grundsatz des Erlöschens der Vormerkung beim Schuldnerwechsel eine Ausnahme, wenn der Schuldnerwechsel – d. h. die privative Schuldübernahme gem.
Mit Beschl. v. 13.2.2014 (V ZB 88/13) hat auch der BGH im Sinne der vorgenannten Ansicht entschieden: Der Schuldnerwechsel im Wege der Schuldübernahme führe nicht zum Erlöschen der Vormerkung, wenn der neue Schuldner gleichzeitig mit der Übernahme der Verpflichtungen aus dem vormerkungsgesicherten Anspruch das Eigentum an dem von der Vormerkung betroffenen Grundstück erlange (
Der BGH begründet dies damit, dass durch die Übernahme der Schuld die Identität gewahrt bleibe und die Vormerkung zu diesem Anspruch streng akzessorisch sei. Nur wenn der Anspruch nicht (mehr) bestehe, sei die Vormerkung wirkungslos; erlösche etwa der Anspruch infolge Vereinbarung, Rechtsausübung oder Erfüllung, gehe auch die Vormerkung trotz fortbestehender Eintragung im Grundbuch unter (
Zugrunde lag dem BGH-Beschluss ein Fall, bei dem sich die Gemeinde in einem Kaufvertrag vom Erwerber ein Ankaufsrecht einräumen ließ (insbesondere zur Sicherung einer Selbstnutzungsverpflichtung im Rahmen des sog. Einheimischenmodells). Zur Sicherung des bedingten und befristeten Übereignungsanspruchs der Gemeinde wurde eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen. Der Ersterwerber veräußerte noch vor Ablauf der Selbstnutzungsverpflichtung das Grundstück an den Zweiterwerber, wobei hinsichtlich der Verbindlichkeiten aus dem vormerkungsgesicherten Anspruch eine befreiende Schuldübernahme vereinbart wurde. Die Gemeinde als vormerkungsberechtigte Gläubigerin stimmte dieser Schuldübernahme zu. Im zugrunde liegenden Kaufvertrag war die Wirksamkeit der Schuldübernahme unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass die Umschreibung des Eigentums auf den Zweiterwerber im Grundbuch erfolge.
b) Schicksal der Vormerkung bei „Übernahme“ eines Angebots
Der BGH begründete den Fortbestand der Vormerkung im Wesentlichen mit dem Identitätsgebot sowie der strengen Akzessorietät der Vormerkung. Diese Argumente könnten auf den vorliegenden Sachverhalt evtl. übertragbar sein. Vorliegend soll S vollständig in das Angebot des V und in den künftig durch Annahme des Angebots geschlossenen Vertrag eintreten, sodass nicht bloß die Übernahme einer künftigen Schuld in Rede steht. Vielmehr wird durch den „Austausch“ des Anbietenden der Kaufvertrag ausschließlich zwischen dem Übernehmer (S) und dem Angebotsempfänger zustande kommen. Es geht somit um eine Vertragsübernahme, die ein „Mehr“ gegenüber der Schuldübernahme darstellt und eine entsprechende Anwendung der
Ob eine derartige Übernahme aber bereits vor Annahme des Angebots unter Überleitung der Vormerkung auf den Grundstückserwerber möglich ist, erscheint fraglich.
Für die Möglichkeit der Schuldübernahme ließe sich argumentieren, dass durch ein formwirksames Vertragsangebot ein zukünftiger bzw. durch die Annahmeerklärung des Angebotsempfängers bedingter Anspruch auf Übereignung begründet wird und demzufolge auch eine damit korrespondierende bedingte bzw. künftige Verpflichtung des Anbietenden zur Übereignung. Zudem kann das Recht, ein Angebot anzunehmen, jedenfalls mit Zustimmung des Anbietenden übertragbar ausgestaltet sein (§§ 398, 413 BGB), sodass es mit der Annahme des Angebots durch den Zessionar zur Auswechslung des Vertragspartners (Angebotsempfängers) kommt (nach h. M. ist die Zulässigkeit der rechtsgeschäftlichen Übertragung bzw. Vererblichkeit der Rechtsstellung aus einem bindenden Angebot durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, vgl. nur: Schöner/Stöber, Rn. 907; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Aufl. 2014, Rn. 3358; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl. 2015, Teil 2 Kap. 2 Rn. 821; Palandt/Ellenberger, § 145 Rn. 5; BeckOK-BGB/Eckert, Std.: 1.2.2015, § 145 Rn. 48; Staudinger/Bork, § 145 Rn. 35; MünchKommBGB/Busche, 6. Aufl. 2012, § 145 Rn. 22, der insbesondere die Ähnlichkeit zur Vertragsübernahme hervorhebt). Dementsprechend könnte man auch einen Austausch des Anbietenden unter Wahrung des Angebots zulassen.
Andererseits kommt durch die bloße Abgabe eines Vertragsangebots noch kein Vertrag mit dem Angebotsempfänger zustande. Das Angebot erzeugt ferner keine aktuelle Verpflichtung, die übernommen werden könnte, sondern lediglich eine Bindungswirkung, die sich erst mit der wirksamen Angebotsannahme zur eigentlichen Verpflichtung konkretisiert. Bis zur Annahme liegt (nur) eine einseitige Willenserklärung und kein Vertrag vor. D hat am Angebot nicht mitgewirkt. Anders als bei einer Vertragsübernahme war er nicht am Zustandekommen der Bindung beteiligt. Es wäre daher inkonsistent, wenn eine Änderung des Angebots und ein Austausch des künftigen Vertragspartners aufgrund Zustimmung des D möglich wären. An einem Vertrag i. S. e. „Angebotsvertrags“ fehlte es zwar dann nicht, wenn D als Empfänger des Angebots bereits an dessen Beurkundung (über die bloße Entgegennahme des Angebots hinaus) beteiligt gewesen wäre – etwa weil er sich zur Zahlung eines Bindungsentgelts oder zur Übernahme der für das Angebot anfallenden Beurkundungskosten verpflichtet hätte (vgl. Hertel, Teil 2 Kap. 2 Rn. 822; Krauß, Rn. 3355; vgl. zur Abgrenzung des bindenden Angebots von Angebotsvertrag, Optionsvertrag oder Vorvertrag MünchKommBGB/Westermann, § 158 Rn. 59 ff.; Casper, Der Optionsvertrag, 2005, S. 71 ff., 75 ff.). Ein Angebotsvertrag wurde vorliegend jedoch nicht geschlossen, vielmehr hat V lediglich ein einseitiges Angebot gegenüber D abgegeben.
Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft, dass die Rechtsprechung den Fortbestand der bereits eingetragenen Vormerkung auch dann bejahen würde, wenn S die Verpflichtungen des V aus der Angebotsurkunde mit befreiender Wirkung (unter Mitwirkung des Angebotsempfängers) „übernimmt“ und diese Übernahme aufschiebend bedingt auf die Eintragung des Sohnes als Eigentümer im Grundbuch vereinbart wird.
Alternativ wäre freilich ein Verständnis der Übernahmevereinbarung dergestalt denkbar, dass D dem V die Rücknahme seines Angebots gestattet und S ein neues, inhaltsidentisches Angebot gegenüber D abgibt. Träte S i. S. d. Alternativbetrachtung nicht in das Angebot des V ein, sondern gäbe er ein neues Angebot ab, so könnte die Vormerkung nicht mitsamt dem fortbestehenden Angebot auf ihn übergehen, sondern würde erlöschen.
Im Ergebnis halten wir es zwar für möglich, aber keineswegs für sicher, dass die Entscheidung des BGH v. 13.2.2014 (
c) Zwischenfazit
Nach BGH und h. M. bleibt eine Vormerkung bei einer befreienden Schuldübernahme bestehen, wenn die Übernahme gleichzeitig mit dem Eigentumswechsel am Grundstück erfolgt. Ob diese Rechtsprechung auf die Übernahme eines einseitigen Angebots durch den Grundstückserwerber übertragbar ist, bleibt letztlich unsicher. Daher dürfte es sich empfehlen, dass der anbietende Erwerber die Vormerkung in diesem Fall neu bestellt.
3. Keine Eintragung des Schuldnerwechsels bei der Vormerkung
Selbst wenn man unterstellt, dass sich die Vormerkung durch Übernahme des Angebots auf S überleiten lässt, wäre der durch die Übernahme eintretende Schuldnerwechsel bei der Vormerkung weder eintragungsfähig noch eintragungspflichtig. Auch dies hat der BGH mit der oben genannten Entscheidung (
4. Neues Angebot und Wiederverwenden der Vormerkung
Geht man davon aus, dass S das Angebot des V nicht identitätswahrend übernehmen kann, muss V sein Angebot mit Zustimmung des D widerrufen und muss S ein neues Angebot abgeben. Bliebe die Vormerkung trotz Eigentumsübertragung auf S im Grundbuch ungelöscht, stellte sich nach dem Eigentumswechsel die Frage, ob man die stehen gebliebene Vormerkungshülse wiederverwenden und mit dem künftigen Anspruch, der aus dem Angebot des S resultiert, durch bloße Neubewilligung „aufladen“ könnte.
Der BGH hat mittlerweile in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass eine erloschene Auflassungsvormerkung durch erneute Bewilligung ohne Neueintragung wieder zur Sicherung eines neuen deckungsgleichen Anspruchs verwendet werden kann (vgl.
Begreift man die Merkmale Gläubigeridentität, Schuldneridentität und „identisches Anspruchsziel“ als die drei konstitutiven Komponenten der Vormerkung, so wird sie durch die Person des Vormerkungsgläubigers, die Person des Vormerkungsschuldners und den gesicherten Anspruch konkretisiert – wobei der gesicherte Anspruch nur „grob“ als die vormerkungsgesicherte Rechtsänderung zu charakterisieren ist (vgl. BGH
Gibt S vorliegend ein neues Angebot ab, könnte man zwar erwägen, die Vormerkung mit dem Übereignungsanspruch aus diesem Angebot aufzuladen. Ein solches Vorgehen dürfte jedoch den Anforderungen des BGH an die Wiederverwendung der Vormerkung nicht genügen, weil es an der erforderlichen Schuldneridentität mangelt. Unter Umständen ließe sich zwar der vom BGH verwendete Schuldnerbegriff weitergehend in der Weise auslegen, dass man als Schuldner den jeweiligen Grundstückseigentümer versteht. Selbst bei einer derart großzügigen Auslegung würde es jedoch – anders als bei der befreienden Schuldübernahme – an einem schuldrechtlichen Anspruch als „Vehikel“ fehlen, um die Vormerkung als akzessorisches Sicherungsmittel auf den neuen Schuldner überhaupt überzuleiten (Reymann,
5. Fazit
Unseres Erachtens ist zweifelhaft, ob sich die Entscheidung des BGH v. 13.2.2014 (
Die bisherige Vormerkung lässt sich mangels Schuldneridentität auch nicht wiederverwenden, wenn das ursprüngliche Angebot aufgehoben wird und der neue Eigentümer ein neues (inhaltsgleiches) Angebot abgibt.
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Erscheinungsdatum:30.04.2015
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Vormerkung
Allgemeines Schuldrecht
BGB § 414; BGB § 885; BGB § 883; BGB § 145