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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 100910# l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 2 3 . F e b r ua r 2 0 1 0
BGB § 181 Auflassung als Erfüllung einer Verbindlichkeit im Falle einer Doppelvertretung
I. Sachverhalt Die Vertragsparteien schlossen zu notarieller Urkunde einen Kaufvertrag über zwei Sondereigentumseinheiten. Die Käuferin war eine OHG. Sie wurde im Kaufvertrag von ihrem einzelvertretungsberechtigten, in dieser Form nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten, geschäftsführenden Gesellschafter vertreten. Dieselbe natürliche Person vertrat auch den Verkäufer aufgrund notarieller Vollmacht, in der die umfängliche Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bestimmt war. Der Käufer erklärte die Auflassung zugleich für die Verkäuferseite insoweit als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Er genehmigte zu gesonderter Urkunde die Auflassung namens der Verkäuferseite nach. Das Grundbuchamt steht auf dem Standpunkt, dass zur Wirksamkeit dieser Genehmigung die Befreiung des Vertreters von den Beschränkungen des § 181 BGB erforderlich sei, da er auch auf Verkäuferseite gehandelt habe und somit ein Fall der Doppelvertretung vorliege. Außerdem sei die Auflassung nicht bloß die Erfüllung einer Verbindlichkeit, weshalb bei der Auflassung § 181 BGB zu beachten sei. II. Frage Unter welchen Voraussetzungen ist die Erklärung der Auflassung zum Vollzug eines beurkundeten Grundstückskaufvertrages ein Erfüllungsgeschäft i. S. v. § 181 letzte Alternative BGB? III. Zur Rechtslage 1. Das Selbstkontrahieren bzw. die Mehrfachvertretung sind gem. § 181 Hs. 2 BGB gesetzlich gestattet, wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Grund für diese Ausnahme vom Verbot des In-sich-Geschäfts ist die Tatsache, dass der von § 181 BGB befürchtete Interessenkonflikt hier nicht besteht, weil auch der Vertretene selbst oder ein anderer Vertreter die Verbindlichkeit erfüllen müsste (Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Aufl. 2002, Rn. 958; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 46 Rn. 126).
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Diese Ausnahme vom Verbot des In-sich-Geschäfts gilt nach einhelliger Ansicht sowohl für die Erfüllung von Verbindlichkeiten des Vertreters gegenüber dem Vertretenen als auch umgekehrt; es gilt auch in den Fällen der Doppelvertretung, wenn also jemand namens eines von ihm Vertretenen dessen Verbindlichkeit gegenüber einem anderen von ihm Vertretenen erfüllt (Staudinger/Schilken, BGB, 2009, § 181 Rn. 61; Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Aufl. 2010, § 181 Rn. 22; MünchKomm/Schramm, BGB, 5. Aufl. 2006, § 181 Rn. 56; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl. 1999, § 181 Rn. 43). Ob die Verbindlichkeit auf Gesetz oder Rechtsgeschäft beruht, ist dabei unerheblich (Staudinger/Schilken, § 181 Rn. 61; Soergel/Leptien, § 181 Rn. 43). Die Verbindlichkeit muss jedoch nach allgemeiner Ansicht rechtsverbindlich sein, insbesondere muss ihr ein rechtswirksamer, formgerechter obligatorischer Vertrag zugrunde liegen; die Verbindlichkeit muss außerdem fällig sein (Soergel/Leptien, § 181 Rn. 43; Staudinger/Schilken, § 181 Rn. 61; MünchKomm/Schramm, § 181 Rn. 51; Palandt/Heinrichs, § 181 Rn. 22). Im Übrigen darf der Verbindlichkeit auch keine Einrede entgegenstehen (MünchKomm/ Schramm, § 181 Rn. 51; Palandt/Heinrichs, § 181 Rn. 22; Staudinger/Schilken, § 181 Rn. 62). Eine Ausnahme ist hinsichtlich der Einredebehaftetheit der Forderung nur zu machen, wenn diese dem Vertreter selbst zusteht und der Vertreter mit der Erfüllung die Einrede preisgibt (Soergel/Leptien, § 181 Rn. 43). Streitig ist dagegen, ob § 181 Hs. 2 BGB auch dann eingreift, wenn die Verbindlichkeit zwar rechtsverbindlich und auch nicht einredebehaftet ist, aber von dem Vertragsgegner bestritten wird. In diesem Fall nimmt von den zitierten Kommentarstellen Steffen (in: RGRK, 12. Aufl. 1982, § 181 Rn. 17) wohl die Unzulässigkeit des In-sich-Geschäfts an, während Leptien (in: Soergel, § 181 Rn. 43) und Schilken (in: Staudinger, § 181 Rn. 61) allein darauf abstellen, ob die Verbindlichkeit tatsächlich besteht, d. h. rechtsverbindlich und auch nicht einredebehaftet ist. Für die letztgenannte Ansicht spricht u. E., dass es sich bei dem Merkmal der ,,Unstreitigkeit oder Unzweifelhaftigkeit der Verbindlichkeit" um ein ungeschriebenes, der Vorschrift des § 181 BGB nicht ohne Weiteres entnehmbares Tatbestandsmerkmal handelt, welches aus Sicht des Vertreters auch schlecht handhabbar erscheint. 2. Nach den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen kann auch die Auflassung ein Rechtsgeschäft sein, welches ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht (RGZ 94, 147, 150; Soergel/Leptien, § 181 Rn. 43; Staudinger/Schilken, § 181 Rn. 62; Palandt/Heinrichs, § 181 Rn. 22; MünchKomm/Schramm, § 181 Rn. 51) und daher vom Verbot des § 181 BGB ausgenommen wäre. Allerdings darf die Verbindlichkeit nicht erst durch die Auflassung wirksam werden (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB). Sofern also etwa der Auflassung ein im Hinblick auf § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB formunwirksamer Vertrag zugrunde liegt, würde dies den Anforderungen des § 181 Hs. 2 BGB nicht genügen (RGZ 94, 147, 150; Soergel/Leptien, § 181 Rn. 43; Staudinger/Schilken, § 181 Rn. 62; Palandt/Heinrichs, § 181 Rn. 22; MünchKomm/Schramm, § 181 Rn. 51). Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Auflassung nur dann als Erfüllung einer Verbindlichkeit i. S. v. § 181 Hs. 2 BGB nicht vom Verbot der Mehrfachvertretung erfasst wäre, wenn der zugrunde liegende Kaufvertrag wirksam wäre. Vorliegend ist der Kaufvertrag aber wegen Verstoßes gegen § 181 BGB schwebend unwirksam, da der Vertreter der Käuferseite nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war. Daher kann die Auflassung in concreto (jedenfalls noch) nicht als Erfüllung einer Verbindlichkeit angesehen werden, da der zugrunde liegende Kaufvertrag (schwebend) unwirksam ist. Die Auflassung ist, da keine Ausnahme vom Verbot der Mehrfachvertretung
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greift, schwebend unwirksam. Wirksam würden sowohl Kaufvertrag als auch Auflassung erst bei einer entsprechenden Genehmigung seitens des Vertretenen, der den Vertreter nicht von vornherein von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit hatte. Die Genehmigung eines wegen Verstoßes gegen § 181 BGB schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts wirkt nach allgemeiner Ansicht gem. §§ 177, 184 BGB (zumindest entsprechend) auf den Abschluss des Rechtsgeschäfts zurück (MünchKomm/Schramm, § 181 Rn. 41; Soergel/Leptien, § 181 Rn. 45; Palandt/Ellenberger, § 181 Rn. 15; Staudinger/Schilken, § 181 Rn. 45). 4. Diesen Mangel der Auflassung hat das Grundbuchamt u. E. zu Recht beanstandet. a) Nach § 20 GBO darf im Falle der Auflassung eines Grundstücks die Eintragung nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten (d. h. des Eigentümers bzw. des Verfügungsbefugten) und des anderen Teils (d. h. des Erwerbers) erklärt ist. Diese Ausnahme vom formellen Konsensprinzip des § 19 GBO hat ihren Grund darin, dass mit dem Grundstückseigentum wesentliche privat- und öffentlich-rechtliche Verpflichtungen verbunden sind und daher an der Übereinstimmung zwischen Grundbucheintragung und materieller Rechtslage ein besonderes Interesse besteht. Diese Übereinstimmung wird durch die Prüfung der dinglichen Einigung durch das Grundbuchamt im Rahmen des § 20 GBO sichergestellt: Gleichwohl stellt § 20 GBO nur eine verfahrensrechtliche Ordnungsvorschrift dar, so dass ein Verstoß dagegen keine materiell-rechtlichen Folgen hat (vgl. Lichtenberger, in: Meikel, GBO, 10. Aufl. 2009, § 20 Rn. 4 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl. 2008, Rn. 108). b) Die Frage nach der Reichweite des grundbuchamtlichen Prüfungsrechts bzw. der korrespondierenden Prüfungspflicht hinsichtlich der vorgelegten materiellen Einigung ist allerdings umstritten. Nach einer Ansicht hat das Grundbuchamt nur die formelle Tatsache der ihm vorgelegten Einigungserklärungen zu prüfen, nicht aber die materielle Wirksamkeit der Einigung (Wolfsteiner, DNotZ 1987, 67, 72 f.; Wufka, DNotZ 1985, 651, 662; weiter Demharter, GBO, 27. Aufl. 2010, § 20 Rn. 38: Neben dem bloßen Vorliegen der Erklärungen ist auch die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu prüfen). Die Gegenansicht misst dem Grundbuchamt ein Prüfungsrecht auch hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit der Einigung zu (Rühl, Materiell-rechtliche Prüfungspflichten im Eintragungsverfahren nach der Grundbuchordnung, 1990, Kap. I; Krüger, ZNotP 2006, 202, 204; Böttcher, Rpfleger 1990, 486, 493; ders., in: Meikel, Einl. H Rn. 34 ff., Rn. 91, § 20 Rn. 140). Böttcher verweist zur Begründung des Prüfungsrechts (sowie einer korrespondierenden Prüfungspflicht) des Grundbuchamts insbesondere auf die Motive zur GBO. So zitiert er aus dem Entwurf einer Grundbuchordnung, Amtl. Ausgabe 1889, S. 86: ,,Die Prüfungspflicht des Grundbuchamtes braucht nicht hervorgehoben zu werden; denn sie ergibt sich daraus, dass dem Grundbuchamt die Anordnung der Eintragung übertragen ist." (zit. nach Böttcher, in: Meikel, Einl. H Rn. 41). Mit Blick auf diese Fundstelle in den Quellen zur GBO würde sich der Sachbearbeiter der zuletzt dargestellten Ansicht anschließen und jedenfalls ein Recht des Grundbuchamts zur Prüfung der materiellen Wirksamkeit der Einigung annehmen.
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Ergänzend erlauben wir uns, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob § 181 BGB auch auf Fälle einer vollmachtlosen Vertretung Anwendung findet. Diese Frage ist vorliegend deshalb nicht relevant, weil der hier handelnde Vertreter ohnehin nicht generell von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war und das Grundbuchamt den Verstoß gegen § 181 BGB auch ohne die vorliegend hinsichtlich der Auflassung gewählte Konstruktion, bei der der Vertreter der Käuferin als vollmachtloser Vertreter des Verkäufers auftrat, hätte rügen können. Zur Frage der Anwendbarkeit von § 181 BGB auch auf Fälle einer vollmachtlosen Vertretung haben wir bereits in einem früheren Gutachten Stellung genommen. Dort ist zu lesen, dass noch nicht endgültig geklärt ist, ob § 181 BGB auch im Falle einer Vertretung ohne Vertretungsmacht gilt. Zum Teil wird diese Frage in Rechtsprechung und Literatur bejaht. Nach der Gegenansicht ist § 181 BGB dagegen auf die Vertretung ohne Vertretungsmacht von vornherein nicht anwendbar. Geht man allerdings von der Anwendbarkeit des § 181 BGB aus, ist dem zitierten DNotIGutachten weiter zu entnehmen, dass die vertretenen Vertragsbeteiligten schwebend unwirksame Geschäfte nicht nur persönlich genehmigen können, sondern auch durch einen Vertreter. Umstritten ist allerdings, ob der Vertreter, sofern das schwebend unwirksame Geschäft ein In-sich-Geschäft oder ein Fall einer Mehrfachvertretung war, dafür selbst von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sein muss. Nach (vor allem in der Kommentarliteratur) weit verbreiteter Ansicht kann nur ein von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Vertreter ein schwebend unwirksames Geschäft, dem ein Fall einer Mehrfachvertretung zugrunde lag, genehmigen (Palandt/Heinrichs, § 181 Rn. 18) Würde man der Auffassung folgen, die hier eine Genehmigung des schwebend unwirksamen Geschäfts, das ein Fall einer Mehrfachvertretung ist, nur zulassen will, wenn auch der Vertreter selbst von § 181 BGB befreit ist, so konnte der Handelnde als Bevollmächtigter des Verkäufers und Vertreter der Käufer-OHG für die OHG als vollmachtloser Vertreter abgegebenen Erklärungen wirksam nur genehmigen, wenn er auf beiden Seiten von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war.
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Im Ergebnis hat das Grundbuchamt hier zu Recht den Verstoß der Auflassung gegen das Verbot der Doppelvertretung nach § 181 BGB beanstandet. Sobald der Kaufvertrag, der wegen Verstoßes gegen § 181 BGB ebenso wie die Auflassung schwebend unwirksam ist, vom Verkäufer hinsichtlich der Doppelvertretung genehmigt ist, stellt sich die Auflassung wegen der Rückwirkung der Genehmigung (§§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB) als Erfüllung einer Verbindlichkeit dar, so dass diese dann ohne weiteres wirksam wird.