02. Juni 2020
AO § 52; BGB § 21

Abgrenzung zwischen ideellem und wirtschaftlichem Vereinszweck; eingetragener Idealverein, dessen Tätigkeit sich tatsächlich auf Erbringung von Dienstleistung gegen Aufwandsentschädigung beschränkt; Konsequenzen einer Rechtsformverfehlung

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 176397
letzte Aktualisierung: 2. Juni 2020

BGB §§ 21, 22; AO § 52
Abgrenzung zwischen ideellem und wirtschaftlichem Vereinszweck; eingetragener
Idealverein, dessen Tätigkeit sich tatsächlich auf Erbringung von Dienstleistung gegen
Aufwandsentschädigung beschränkt; Konsequenzen einer Rechtsformverfehlung

I. Sachverhalt

Ein Verein besteht aus 12 Personen, davon ca. die Hälfte aktiv. Sinn des Vereins ist laut Satzung
die Unterstützung und Mitgestaltung eines in öffentlicher Hand befindlichen kleinen Heimatmuseums.
In den letzten Jahren ist die Vereinstätigkeit aber darauf beschränkt gewesen, den
Aufsichtsdienst während der Öffnungszeiten des Museums zu erbringen. Der Verein erhält
dafür von dem Träger (öffentliche Hand) eine Aufwandsentschädigung, die unter dem Mindestlohn
aller denkbaren Berufe liegt, und die in gleicher Höhe von dem Verein an die betreffenden
Vereinsmitglieder weitergegeben wird, die den Dienst auch, z. T. auch vor allem wegen der
Aufwandsentschädigung leisten. Weitere Vereinstätigkeit findet faktisch nicht statt. Die
finanziellen Bewegungen des Vereins werden zu über 90 % von den Aufwandsentschädigungen
bestimmt, der Rest sind Mitgliedsbeiträge und Spenden, die im Wesentlichen die laufenden
Kosten decken. Antrag auf steuerliche Anerkennung in Bezug auf Gemeinnützigkeit ist nicht
gestellt worden.

II. Fragen

1. Handelt es sich bei einem solchen Verein noch um einen ideellen Verein i. S. d. BGB oder
liegt ein Wirtschaftsverein vor?

2. Sollte kein ideeller Verein vorliegen, obwohl er eingetragen ist, welche Bedeutung hat dies
für die Vorstandsmitglieder (z. B. Haftung)?

III. Zur Rechtslage

Vorabhinweis:

Die Abgrenzung von Ideal- und wirtschaftlichem Verein war stets schwierig, ist jedoch seit der
sog. Kita-Rechtsprechung des BGH in vielen Fällen zusätzlich erschwert worden. Der BGH hat
zwar einen Großteil der praktisch relevanten Fälle durch das Abstellen auf die Gemeinnützigkeit
geklärt. Gleichzeitig hat er jedoch im Unklaren gelassen, ob die herkömmliche Typologie der
Vereinsklassen fortgilt, und damit die Maßstäbe zur Einordnung nicht gemeinnütziger Vereine
grundsätzlich in Frage gestellt (vgl. BeckOGK-BGB/Segna, Std.: 1.1.2020, § 21 Rn. 150). Klare
dogmatische Konsequenzen vermag auch die Literatur derzeit nicht zu ziehen. Im Folgenden
werden lediglich allgemeine dogmatische Erwägungen angestellt, die bei der Einordnung helfen
können. Der Ausgang eines diesbezüglichen gerichtlichen Verfahrens ist u. E. nicht zu
prognostizieren.

1. Allgemeines zu ideellem und wirtschaftlichem Vereinszweck und herkömmliche
Typologie

Gem. § 21 BGB können lediglich solche Vereine Rechtsfähigkeit durch Eintragung im Vereinsregister
erlangen, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
gerichtet ist. Vereine mit wirtschaftlichem Zweck sind dagegen auf die Konzessionierung
gem. § 22 BGB verwiesen. Dies bedeutet nicht, dass ein Anspruch auf die Konzession, also
die staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit bestünde. Im Gegenteil: Die Konzessionierung
ist die Ausnahme, denn wirtschaftliche Zwecke sind – insbesondere aus Gründen des
Gläubigerschutzes – vornehmlich in den Rechtsformen des Handelsgesellschafts-, Kapitalgesellschafts-
und Genossenschaftsrechts zu verfolgen. Nach der herkömmlichen Typologie
(vgl. grundlegend K. Schmidt, AcP 182 (1982), 1 ff.) sind drei Kategorien wirtschaftlicher
Vereine zu unterscheiden:

- der Verein, der sich über den vereinsinternen Bereich hinaus unternehmerisch am
äußeren Marktgeschehen (gegenüber Nichtmitgliedern) beteiligt (Erbringung von
Leistungen gegen Entgelt), ohne notwendigerweise Gewinnerzielung zu beabsichtigen,

- der Verein, der sich unternehmerisch auf einem aus seinen Mitgliedern bestehenden
inneren Markt betätigt, insbesondere dann, wenn er planmäßig und dauerhaft
Leistungen gegen ein Entgelt anbietet, wobei dieses Entgelt im Mitgliedsbeitrag enthalten
sein kann,

- der Verein, der in genossenschaftsähnlicher Weise korporativer Träger ausgelagerter
unternehmerischer Teilaufgaben seiner Mitglieder ist.

Im vorliegenden Fall erschiene der mitgeteilte statutarisch formulierte Zweck zwar als ideell,
die tatsächlich verübte Tätigkeit muss jedoch Berücksichtigung finden (vgl. Gummert, in:
Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 9 Rn. 21;
Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016, Rn. 65). Gemessen an der Praxis
würde man einen wirtschaftlichen Zweck i. S. d. dritten Kategorie („Genossenschaft“)
gleichwohl ausschließen. Auch die zweite Kategorie („Binnenmarkt“) passt nicht, es sei
denn, man könnte den Verein im Verhältnis zu seinen Mitgliedern als eine Art „Jobvermittler“
begreifen. Nicht von vornherein ausgeschlossen ist dagegen die erste Kategorie,
wenn sich das Dasein und die Tätigkeit des betroffenen Vereins faktisch in der Aufsichtstätigkeit
erschöpft: Aufsichtsleistungen sind durchaus Dienstleistungen, die ein
Rechtsträger entgeltlich am äußeren Markt anbieten kann (insoweit wiederum als eine Art
Vermittler). Die Beschränkung auf einen Leistungsempfänger müsste nicht zwingend schädlich
sein, ebenso wenig die Tatsache, dass es sich bei dem Entgelt lediglich um eine Aufwandsentschädigung,
nicht um marktüblichen Lohn handelt.

2. Abgrenzung nach neuerer BGH-Rechtsprechung

a) Die Rechtsprechung hatte die skizzierte Vereinsklassenabgrenzung weitgehend rezipiert und
war teilweise zu strengen Ergebnissen gelangt. Die Rechtsprechung des KG zu Kindertagesstätten-
Vereinen ist vom BGH im Jahre 2017 schließlich gekippt worden (vgl. BGH
NJW 2017, 1943; BGH BeckRS 2017, 114911 und BGH BeckRS 2017, 114946). Die Ent-
scheidungen betrafen gemeinnützige Vereine; der BGH hat einen wirtschaftlichen Zweck
abgelehnt, obwohl es in einem der entschiedenen Fälle um den Betrieb von 24 Kindertagesstätten
mit 2400 betreuten Kindern und 695 Mitarbeitern ging. Grundsätzlich hält
der BGH einen wirtschaftlichen Zweck für gegeben, wenn ein Verein planmäßig, auf Dauer
und nach außen gerichtet eine eigenunternehmerische Tätigkeit entfaltet, die auf die Verschaffung
vermögenswerter Vorteile zugunsten des Vereins oder seiner Mitglieder zielt
(BGH, Beschl. v. 16.5.2017 – II ZB 6/16, Tz. 22 [juris] = BeckRS 2017, 114911). Indessen
sei es mit Zweck und Tätigkeit eines Idealvereins nicht unvereinbar, wenn dieser einen wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb führe. Ein Verein könne auch dann nichtwirtschaftlich sein,
wenn er zur Erreichung seiner ideellen Ziele unternehmerische Tätigkeiten entfalte, sofern
diese dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu
dessen Erreichung seien. Dementsprechend könnten wirtschaftliche Tätigkeiten eines Vereins
auch dann als Gewerbe i. S. d. Gewerberechts anzusehen sein, wenn sie die zivilrechtliche
Qualifikation des Vereins als Idealverein nicht berührten. Entscheidend für die
Einordnung sei nicht nur die Satzung des Vereins, sondern auch, in welcher Form er tatsächlich
tätig werde. Der entgeltliche Betrieb von Kindertagesstätten stelle eine unternehmerische
Tätigkeit dar, denn der Verein erbringe am äußeren Markt der Kindertagesstätten
planmäßig und dauerhaft Kinderbetreuungsleistungen gegen Entgelt; die wirtschaftliche
Tätigkeit sei aber (im konkreten Fall) dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck des
Vereins zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung, unterfalle also dem
sog. Nebenzweckprivileg (Tz. 23 f.). Für die Beurteilung der Frage, ob der Verein auf einen
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei, sei die Anerkennung des Vereins als
gemeinnützig von Bedeutung (Tz. 25). Gemeinnützigkeit sei zwar nicht gleichbedeutend mit
einem Idealzweck, der Gemeinnützigkeit komme im Hinblick darauf jedoch Indizwirkung
zu (Tz. 26).

Im Anschluss an die Kita-Rechtsprechung erging eine weitere wichtige Entscheidung des
BGH zum Vermögensverwaltungsverein (DNotZ 2019, 75: private Vermögensverwaltung
als alleiniger statutarischer Zweck). Insoweit hat der BGH den wirtschaftlichen Zweck
jedenfalls unter der Voraussetzung bejaht, dass die Satzung den Mitgliedern einen Beschluss
über die Auskehrung des Überschusses aus der Vermögensverwaltung ermöglicht. Die
Grenze der Eintragungsfähigkeit sei erreicht, wenn die Vermögensverwaltung auf die Verschaffung
vermögenswerter Vorteile zugunsten der Vereinsmitglieder abziele (DNotZ 2019,
75 Tz. 17). Der BGH hebt in diesem Zusammenhang auch den Gläubigerschutz als Grund
für die Abgrenzung zwischen Ideal- und Wirtschaftsvereinen hervor. Bei einer nach außen
gerichteten wirtschaftlichen Betätigung seien Gläubigerinteressen nämlich in besonderem
Maße berührt (DNotZ 2019, 75 Tz. 21 f.).

Welche Auswirkungen die Entscheidungen des BGH auf die herkömmlich Typologie zur
Vereinsklassenabgrenzung haben, dürfte derzeit noch nicht absehbar sein. Ob der BGH in
seinen Entscheidungen eine abschließende Definition des wirtschaftlichen Vereinszwecks
geben und damit die Kategorien der von K. Schmidt begründeten Typologie ablösen wollte,
lässt sich nicht klar sagen (für grundsätzliche Fortgeltung der Typologie etwa Terner,
RNotZ 2017, 508, 514; BeckOK-BGB/Schöpflin, Stand: 1.2.2020, § 21 Rn. 103; die BGHRechtsprechung
als – begrüßenswerten – Systembruch bezeichnend
MünchKommBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, § 21 Rn. 31; ders., NJW 2017, 1919, 1924;
vgl. auch jurisPK-BGB/Otto, 8. Aufl. 2017, § 22 Rn. 11.2 [online-Aktualisierung v.
26.6.2017]: Entscheidungen seien schwer einzuordnen).

b) Für sich betrachtet ist die im vorliegenden Fall kritische Tätigkeit – die Erbringung von
Aufsichtsleistungen durch den Verein gegen eine an den Verein gezahlte Entschädigung –
der Tätigkeit eines Kita-Vereins (Betreuungsleistungen am äußeren Markt gegen Entgelt)
nicht unvergleichbar. Entscheidend dürfte es darauf ankommen, ob diese Tätigkeit auch
einem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen
Erreichung ist. Die Indizwirkung der Gemeinnützigkeit kommt im konkreten Fall nicht zur
Hilfe. Allerdings ist die anerkannte Gemeinnützigkeit wie gesagt nur ein Indiz (s. auch
Wöstmann, npoR 2018, 195, 201, rechte Spalte) und schließt eine materiell begründete
Unterordnung unter den Idealzweck nicht aus (wobei diese Unterordnung offenbar nicht
quantitativ zu bestimmen ist, vgl. Staudinger/Schwennicke, BGB, 2019, § 21 Rn. 65). Dass
beim fraglichen Verein der statutarische Idealzweck (= Unterstützung des Heimatmuseums)
noch in irgendeiner Ausprägung verfolgt wird, scheint jedenfalls möglich. Auch ist die
Erbringung von Aufsichtsleistungen objektiv betrachtet durchaus eine Tätigkeit, die diesen
Idealzweck fördern kann. Das gilt insbesondere, da die Aufsichtsleistungen zu einer unter
dem marktüblichen Lohn liegenden Aufwandsentschädigung erbracht werden. Welche subjektiven
Motive dieser Tätigkeit bei den einzelnen Vereinsmitgliedern womöglich zugrunde
liegen, kann zwar nicht (allein) ausschlaggebend sein. Andernfalls müsste der Aufsichtsdienst
durch kommerzielle Anbieter gegen (angemessenes) Entgelt erbracht werden. In der
Übernahme des Aufsichtsdienstes durch die Vereinsmitglieder gegen eine geringe Aufwandsentschädigung
dürfte also eine aus ideellen Zwecken motivierte Tätigkeit zu sehen
sein, so dass wir im Ergebnis davon ausgehen würden, dass der Verein selbst ebenfalls einen
Idealzweck verfolgt. Freilich verbleibt ein Restrisiko, dass die Rechtsprechung die Tätigkeit
als wirtschaftlich einordnen würde.

Zumindest als Probe kann man die Erwägung anstellen, ob die Anerkennung des Vereins
als gemeinnützig konkret möglich wäre. Im Prinzip wäre wohl der Tatbestand des § 52
Abs. 2 S. 1 Nr. 22 AO einschlägig (darunter fällt auch die Unterstützung von Heimatmuseen,
s. Tipke/Kruse/Seer, AO/FGO, EL 1/2016, § 52 AO Rn. 52) oder der § 58 Nr. 4
AO (Förderverein). Ein angemessener Aufwendungsersatz für ehrenamtliche Tätigkeiten
der Mitglieder verstößt nicht gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO (Tipke/Kruse/Seer, § 55 AO
Rn. 16). Es könnte deshalb erwogen werden, das einigermaßen sichere Indiz der Gemeinnützigkeit
durch entsprechende Anerkennung herbeizuführen.

3. Konsequenzen einer Rechtsformverfehlung

Geht man entgegen der zuvor vertretenen Auffassung davon aus, dass es sich um die Verfolgung
eines wirtschaftlichen Zwecks handelt, stellt sich die Frage nach der Konsequenz
für die Eintragung im Vereinsregister. Ist ein Verein im Vereinsregister eingetragen, obwohl
er einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt (Rechtsformverfehlung), so kommt eine Amtslöschung
gem. § 395 FamFG in Betracht. Diese Norm erfasst seit Abschaffung des § 43
Abs. 2 BGB (Vereinsrechtsreform 2009) sowohl den von vornherein fälschlich eingetragenen
als auch den nachträglich „wirtschaftlich gewordenen“ Verein (BGH, II ZB
6/16, Tz. 20 [juris]; BeckOK-BGB/Schöpflin, Stand: 1.2.2020, § 43 Rn. 5). Die bloße
Löschungsreife des Vereins ändert aber nichts an seiner Verfassung als eingetragener Verein
und dürfte grundsätzlich auch keine Konsequenzen für die Vorstände und ihr Handeln
haben. Diese haften so, wie sie als Vorstände des eingetragenen Vereins für Pflichtverletzungen
haften (ggf. beschränkt durch § 31a BGB). Zu ihren allgemeinen Pflichten
kann es freilich gehören, dass sie bei ihrem Handeln die von ihnen erkannte Rechtsformverfehlung
berücksichtigen und u. U. auf einen Ausweg aus dieser Situation hinwirken.

Gutachten/Abruf-Nr:

176397

Erscheinungsdatum:

02.06.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung

Normen in Titel:

AO § 52; BGB § 21