Mietervorkaufsrecht bei Eigentumswohnung, die mehrere faktisch getrennte Einheiten umfasst; nachträgliche Unterteilung, wenn Überlassung der Mieträume an den Mieter vor erstmaliger Teilung; fehlender Vollzug der Unterteilung im Grundbuch; Aufhebung der Unterteilung
Mietervorkaufsrecht bei Eigentums-wohnung, die mehrere faktisch getrennte Einheiten umfasst; nachträgliche Unterteilung, wenn Überlassung der Mieträume an den Mieter vor erstmaliger Teilung; fehlender Vollzug der Unterteilung im Grundbuch; Aufhebung der Unterteilung
I. Sachverhalt
Ein Mehrfamilienhaus ist in vier WEG-Einheiten aufgeteilt: Die Wohnung WE 4 erstreckt sich über den vierten und fünften Stock des Mehrfamilienhauses. Bautechnisch ist die WE 4 in drei selbständige Appartements untergliedert. Die drei Appartements wurden von verschiedenen Mietern genutzt.
Die drei Mietverträge waren nach der erstmaligen Aufteilung geschlossen worden, die Aufteilung war im Zeitpunkt der Überlassung an die Mieter bereits im Grundbuch vollzogen.
Der seinerzeitige Eigentümer ist verstorben. Im Wege der Erbfolge ist die WE 4 auf die jetzige Eigentümerin übergegangen. Die Eigentümerin hat weitere Miteigentumsanteile von den anderen Wohnungseigentümern zur Anpassung an die Wohnflächengröße erworben.
Die Eigentümerin hat die WE 4 unterteilt in die WE 4, WE 5 und WE 6. Der Zuschnitt der Unterteilung entspricht der bisherigen bautechnischen Ausführung. Die Unterteilung ist noch nicht im Grundbuch vollzogen.
Nunmehr gibt es einen Interessenten, der alle drei Wohnungen WE 4, WE 5 und WE 6 im Paket kaufen möchte.
II. Fragen
1. Kann das Mietervorkaufsrecht auch bei nachträglicher Unterteilung einer WEG-Einheit in weitere WEG-Einheiten ausgeübt werden?
2. Was passiert, wenn der Antrag auf Eintragung der Unterteilung nicht im Grundbuch vollzogen wird?
3. Wenn die Unterteilung bereits im Grundbuch vollzogen wäre: Lässt sich das Mietervorkaufsrecht durch nachträgliche Zusammenlegung der gebildeten Einheiten WE 4, WE 5 und WE 6 zu einer einzigen Einheit (im Ergebnis also die Rückgängigmachung der Unterteilung) ausschließen?
III. Zur Rechtslage
Fraglich ist, ob den Mietern an den zu verkaufenden Einheiten ein Mietervorkaufsrecht gem.
1. Problemaufriss
Voraussetzung für das Bestehen eines Mietervorkaufsrechts ist, dass nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet wird oder begründet werden soll. Ein Mieter, der ein bereits umgewandeltes Wohnungseigentum anmietet, ist nicht schutzwürdig (BeckOGK-BGB/Klühs, Std.: 1.1.2017, § 577 Rn. 23).
Sollte daher die für
Im vorliegenden Fall entstand die Wohnung WE 4 mit ihren faktisch mehreren räumlichen Einheiten bei einer Aufteilung vor Überlassung an die Mieter. Stellte man also auf die erstmalige Teilung in die WE 4 ab, würde ein Mietervorkaufsrecht ausscheiden. Anderes müsste gelten, wenn man den Anknüpfungspunkt für
2. Mietervorkaufsrecht bei einer Raumeinheit, die mehrere faktisch abgetrennte Einheiten umfasst
a) E. A.: Unterteilung der Einheit maßgeblich
Die überwiegende Auffassung knüpft an die Unterteilung an und verneint die Anwendbarkeit von
b) A. A.: Aufteilung in übergeordnete Einheit maßgeblich
Die Gegenansicht knüpft an die Aufteilung als solche an und lässt das Mietervorkaufsrecht dann entstehen, wenn eine mehrere Raumeinheiten umfassende Wohnung verkauft wird. Sie stützt sich darauf, dass der Wortlaut des
c) Stellungnahme
Unseres Erachtens sprechen die besseren Gründe dafür, mit der h. M. an die Unterteilung anzuknüpfen.
aa) Parallele Paketverkauf
Auf den ersten Blick lässt sich möglicherweise eine Parallele zum sog. Paketverkauf ziehen (vgl. AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg
Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich vom Paketverkauf jedoch in einem wesentlichen Punkt: Die vom Mieter bewohnte Eigentumseinheit ist nicht rechtlich selbständig, sondern nur Teil einer Wohnungseigentumseinheit. Während es keine Schwierigkeiten bereitet, bei einem Paketverkauf den Gegenstand des Kaufvertrags nach Ausübung des Mietervorkaufsrechts in mehrere Einheiten aufzuspalten, ist dies im vorliegenden Fall nicht möglich. Denn die vom Mieter bewohnten Räumlichkeiten gibt es als eigenes Wohnungseigentum nicht. Die vermieteten Räumlichkeiten sind sachenrechtlich nicht als selbständiges Eigentum existent.
bb) Parallele „En-bloc-Verkauf“
Diese Überlegung hat den V. Zivilsenat des BGH dazu veranlasst, das Bestehen eines Mietervorkaufsrechts beim sog. „En-bloc-Verkauf“ zu verneinen (BGH, Urt. v. 22.11.2013 – V ZR 96/12,
Der BGH betont in diesem Zusammenhang, dass Gegen-stand des Vorkaufsrechts zumindest ein in seiner Entstehung bereits angelegtes Wohnungseigentum sei. Nur wenn der Mieter einen Anspruch auf Aufteilung erwerbe, könne die von ihm bewohnte Einheit Objekt des Vorkaufsrechts sein (BGH
U. E. lassen sich die Erwägungen dieser Rechtsprechung auf die vorliegende Konstellation im Wesentlichen übertragen. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass Gegenstand des Vertrags nicht ein ungeteiltes Grundstück, sondern eine nicht unterteilte Wohnungseigentumseinheit ist. Dies fällt aber nicht ins Gewicht. Denn ebenso wenig wie die Räumlichkeiten im ungeteilten Mehrfamilienhaus sind die Räumlichkeiten in der nicht unterteilten Wohnung selbständige sachenrechtliche Gegenstände. Würde der Mieter das Vorkaufsrecht ausüben, könnte er nur einen ideellen Miteigentumsanteil am Wohnungseigentum erwerben und mit dem anderen Erwerber eine Bruchteilsgemeinschaft i. S. d.
Außerdem ist Folgendes zur berücksichtigen: Das Vorkaufsrecht besteht nur für einen Verkaufsfall (BGH
cc) Realteilung von Mehrfamilienhäusern
Eine andere Auffassung ergibt sich möglicherweise aus der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH zum Mietervorkaufsrecht bei der Realteilung bebauter Grundstücke. Nach Auffassung des Senats besteht ein Mietervorkaufsrecht gem.
Der VIII. Zivilsenat hält also ein Eingreifen der Mieterschutzvorschriften für möglich, obwohl der vermietete Raum kein eigener sachenrechtlicher Gegenstand ist. Insoweit führt der Senat an, dass ein Erwerb des Zweifamilienhauses für potentielle Käufer interessant sei, um den eigenen Wohnbedarf zu befriedigen (BGH
Davon abgesehen ist die Anwendung der
Insgesamt sprechen u. E. daher die besseren Gründe dafür, mit der h. M. an die Unterteilung des Wohnungseigentums anzuknüpfen.
3. Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall
Für den vorliegenden Fall ergeben sich aus den obigen Ausführungen folgende Konsequenzen:
a) Vollzug der Unterteilung im Grundbuch
Wird die Unterteilung im Grundbuch vollzogen und anschließend ein Verkauf der Einheiten beurkundet, besteht das Mietervorkaufsrecht. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die rechtlich selbständigen Wohnungen im Paket verkauft werden. Bei einem Paketverkauf wird ein Mietervorkaufsrecht nämlich bejaht (s. oben 2 c] aa]). Demzufolge dürfte der Verkauf nach der Unterteilung einen Verkaufsfall auslösen, denn die Überlassung der Wohnung liegt vor der relevanten Unterteilung.
b) Kein Vollzug der Unterteilung im Grundbuch und „En-bloc-Verkauf“
Sollte es an einer Unterteilung in Wohnungseigentum fehlen, dürfte ein Mietervorkaufsrecht ausscheiden. Knüpft man an die Aufteilung in die WE 4 an, so besteht kein Mietervorkaufsrecht, weil die Überlassung an die Mieter nach der Aufteilung liegt.
Ebenso wenig ist von einem Mietervorkaufsrecht auszugehen, wenn die Unterteilung nicht wirksam wird. Wird der Antrag auf Unterteilung beim Grundbuchamt zurückgenommen, so bleibt es dabei, dass es keinen weiteren Aufteilungsvorgang gegeben hat, der ein Vorkaufsrecht auslösen könnte. Es erscheint insbesondere nicht rechtsmissbräuchlich, den Antrag zurückzunehmen, um das Vorkaufsrecht zu vermeiden. Denn erst mit der Eintragung der Aufteilung im Grundbuch kommt es zu einer relevanten sachenrechtlichen Veränderung.
c) Rückgängigmachung der Unterteilung
Wäre die Unterteilung bereits im Grundbuch vollzogen worden, so fragt sich, ob dem Mietervorkaufsrecht durch eine Vereinigung der Einheiten wieder die Grundlage entzogen würde. Wurde der Verkaufsfall bereits ausgelöst, ist eine Vereinigung unbeachtlich.
Läge die Vereinigung vor Abschluss des Kaufvertrags, stellte sich die Situation eigentlich wie in der Ausgangssituation dar. Dennoch ließe sich in diesem Fall das Mieter-vorkaufsrecht nicht sicher ausschließen. Das rechtlich existente Wohnungseigentum und der vermietete Wohnraum wären zwar nicht mehr identisch. Die Identität hätte aber vorübergehend bestanden. Möglicherweise kommt es einer Umgehung des bei einem Paketverkauf bestehenden Mietervorkaufsrechts gleich, wenn durch Vereinigung der rechtlich selbständigen Einheiten die sachenrechtliche Identität aufgehoben wird. Es ist nämlich zu bedenken, dass in diesem Fall eine relevante Unterteilung nach Überlassung des Wohnraums an den Mieter erfolgt ist.
Die bisher h. L. hält jedoch die Schließung der Wohnungsgrundbücher und Veräußerung des ganzen Grundstücks nur dann für eine Umgehung, wenn wiederum eine entsprechende Teilung durch den Erwerber geplant ist (BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 55; Langhein,
4. Ergebnis
Unseres Erachtens besteht kein Mietervorkaufsrecht, wenn die WE 4 verkauft wird, ohne dass es zu einem Vollzug der Unterteilung im Grundbuch gekommen ist. Wäre die Unterteilung bereits im Grundbuch eingetragen, so wäre es zweifelhaft, ob sich das Vorkaufsrecht durch eine Rückgängigmachung der Aufteilung aushebeln ließe. Sollte keine erneute Unterteilung beabsichtigt sein, spricht die Parallele zur Schließung der Wohnungsgrundbücher gegen ein Mietervorkaufsrecht.
147812
Erscheinungsdatum:01.03.2017
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Miete
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 577