Erbschaftsteuerliche Behandlung von Pflichtteilsansprüchen; unterschiedliche Behandlung von originären und derivativen Pflichtteilsansprüchen (BFH v. 7.12.2016, II R 21/14); Beurteilung von verjährten Forderungen; Verzicht auf Pflichtteilsansprüche
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Abruf-Nr.: 160621
letzte Aktualisierung: 18. April 2018
ErbStG §§ 3, 10
Erbschaftsteuerliche Behandlung von Pflichtteilsansprüchen; unterschiedliche Behandlung
von originären und derivativen Pflichtteilsansprüchen (BFH v. 7.12.2016, II R 21/14); Beurteilung
von verjährten Forderungen; Verzicht auf Pflichtteilsansprüche
I. Sachverhalt
Es stellt sich die Frage, welche Risiken für die Gestaltungspraxis aus dem BFH-Urteil vom
7.12.2016 (II R 21/14, juris) folgen.
II. Fragen
1. Welche Risiken bestehen, wenn der Pflichtteilsanspruch vom Pflichtteilsberechtigten nicht
geltend gemacht und dann vererbt wird?
2. Was ist, wenn der Pflichtteilsanspruch im Zeitpunkt des Todes des Pflichtteilsberechtigten
bereits verjährt war?
3. Welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, um das Risiko der Steuerbarkeit auszuschließen?
III. Zur Rechtslage
1. Erbschaftsteuerliche Behandlung von „originären“ Pflichtteilsansprüchen
a) Behandlung des Pflichtteilsanspruchs beim Erwerber
In
aufgrund eines „geltend gemachten“ Pflichtteilsanspruchs (
folgt, dass der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch nur dann zu versteuern
hat, wenn er den Pflichtteil geltend macht (
entsteht somit erst mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung.
Solange der Pflichtteil nicht geltend gemacht wird, wird ein erbschaftsteuerlicher Vorgang
nicht begründet. Dem bloßen Entstehen des Anspruchs auf einen Pflichtteil mit
dem Erbfall (
Bedeutung zu, und zwar sowohl gegenüber dem Berechtigten als auch gegenüber dem
Verpflichteten (BFH v. 19.2.2013, II R 47/11, juris, Rn. 11).
Dieses zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerlichen Folgen eines Pflichtteilsanspruchs
liegt im Interesse des Berechtigten und soll ausschließen, dass bei ihm auch
dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht
erhebt (so BFH v. 19.2.2013, Rn. 11 m.w.H. a. die Rspr.).
Die „Geltendmachung“ des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen
auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber den Erben. Der Berechtigte muss seinen Entschluss,
die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden, die
Höhe aber nicht beziffern (BFH 19.7.2006 II R 1/05, juris; Carle, KÖSDI 2016, 19773
ff., Rn. 12-17 m. w. N.). Im Grundsatz kann ein Pflichtteilsanspruch schriftlich,
mündlich oder konkludent geltend gemacht werden (BFH 4.3.2008, II B 28/07, juris).
Jedoch ist eine Dokumentation zu Nachweiszwecken empfehlenswert.
b) Behandlung der Pflichtteilsverbindlichkeit beim Verpflichteten
Nach
als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Hinsichtlich des Abzugs des Pflichtteils
als Nachlassverbindlichkeit wirkt dessen Geltendmachung auf den Zeitpunkt der Entstehung
der Steuer gegenüber dem Erben, also auf den Zeitpunkt des Todes des Erblasser
zurück (
Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar (so BFH v. 19.2.2013, Rn. 12).
Der Erbe kann somit die Verbindlichkeit aus Pflichtteilen erst dann in Ansatz bringen,
wenn der Pflichtteil geltend gemacht wurde. Das bloße Bestehen von Pflichtteilsverbindlichkeiten
ist insoweit ohne steuerrechtliche Bedeutung (BFH v. 31.2.2010,
II R 22/09, juris).
2. „Verzicht“ auf einen Pflichtteilsanspruch
a) Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs
Verzichtet der Pflichtteilsberechtigte auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs,
so ergeben sich daraus keine erbschaftsteuerlichen Folgen. In
insoweit ausdrücklich geregelt, dass der Verzicht auf die Geltendmachung des
Pflichtteils steuerfrei bleibt.
Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Verzicht unentgeltlich erfolgt. Wird für den
Verzicht eine Abfindung gewährt, so gilt dies nach
Zuwendung vom Erblasser. In
Erblasser als zugewendet gilt, „was als Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen
Pflichtteilsanspruch“ gewährt wird oder dafür gewährt wird, „dass eine Rechtstellung,
insbesondere eine Erbenstellung, oder ein Recht oder ein Anspruch, der zu einem
Erwerb nach Abs. 1 führen würde, nicht mehr oder nur teilweise geltend gemacht wird
(so die seit 25.6.2017 neugefasste Formulierung). Der Besteuerung unterliegt dabei der
Gegenstand, der als Abfindung gewährt wird (Gottschalk in Troll/Gebel, ErbStG,
Loseblatt, § 3 Rn. 332).
b) Verzicht auf einen geltend gemachten Pflichtteilsanpruch
Wurde der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht, und dann auf den geltend gemachten
Pflichtteil verzichtet, so hat dies folgende steuerliche Auswirkungen:
aa) Unentgeltlicher Verzicht
Wird auf einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch unentgeltlich verzichtet, so
kann darin eine Schenkung des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Pflichtteilsverpflichteten
liegen (Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 6. Aufl. 2017, § 3 Rn. 417;
Gottschalk in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, § 3 Rn. 237 unter Nr. 3).
Denn hat der Berechtigte den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht und ist dadurch
die Erbschaftsteuer entstanden, ist der Erwerb aus steuerrechtlicher Sicht vollendet.
Nach der Entstehung des Steueranspruchs zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten
getroffene Erfüllungsabreden können den einmal entstandenen
Steueranspruch daher weder aufheben noch verändern (so BFH 19.7.2006,
II R 1/05, juris Rn. 10). Der Abzug als Nachlassverbindlichkeit bleibt durch den
Verzicht (nach Geltendmachung) unberührt. Denn die Abzugsfähigkeit einer
Pflichtteilsverbindlichkeit nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 ErbStG setzt
lediglich die Geltendmachung des Pflichtteils und nicht die Erfüllung dieser Geldschuld
voraus (so BFH 19.7.2006, II R 1/05, juris Rn. 11). Die Korrespondenz
zwischen der Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteilsberechtigten und der Abziehbarkeit
einer entsprechenden Nachlassverbindlichkeit beim Erben ist somit gewahrt
(so BFH 19.7.2006, II R 1/05, juris Rn. 11).
bb) Gewährung einer Abfindung für den Verzicht auf den geltend gemachten
Pflichtteilsanspruch
Wurde ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht, auf diesen Anspruch verzichtet
und für den Verzicht eine Abfindung gewährt, so fällt diese Abfindung nicht unter
die Vorschrift des
werden nur Abfindungen für den Verzicht auf einen entstandenen, aber noch nicht
geltend gemachten Pflichtteil erfasst. Ein geltend gemachter Pflichtteilsanspruch
unterliegt aber bereits nach
entsteht im Zeitpunkt der Geltendmachung (
nachträglicher Verzicht hat keine Auswirkung auf die bereits entstandene Steuerschuld.
Wird für den Verzicht auf diese Forderung eine Abfindung bezahlt, so wird dann
kein erneuter schenkungsteuerlicher bzw. erbschaftsteuerlicher Vorgang realisiert,
wenn sich Leistung (Wert der Forderung, auf die verzichtet wird) und
Gegenleistung (Höhe der Abfindung) gleichwertig gegenüberstehen.
Ein Schenkungsteuertatbestand wird aber dann realisiert, wenn sich Leistung und
Gegenleistung nicht gleichwertig gegenüberstehen, d. h. wenn die Abfindung, die
für den Verzicht auf den geltend gemachten Pflichtteil geleistet wird, nicht der
Höhe der Pflichtteilsforderung entspricht. Ist die Abfindung geringer als der Wert
der Pflichtteilsforderung, so ist der Pflichtteilsverpflichtete bereichert und muss
diese Bereicherung versteuern. Ist die Abfindung höher als die Pflichtteilsforderung,
so ist der Pflichtteilsberechtigte bereichert und muss die Bereicherung
versteuern. (vgl. hierzu auch Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3
Rn. 333, 237).
3. Pflichtteilsanspruch und Verjährung
a) Beurteilung eines „verjährten“ Pflichtteilsanspruch
Der Pflichtteilsanspruch verjährt nach den allgemeinen Regelungen in drei Jahren ab
dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Berechtigte
Kenntnis von seinem Anspruch erlangt hat. Solange die Verjährungseinrede nicht
erhoben wird, hat dies im Grundsatz auf den Bestand der Forderung keine Auswirkungen.
Denn durch die Verjährung ist der Anspruch nicht untergegangen. Vielmehr
bleibt eine verjährte Forderung voll wirksam und einklagbar. Die Forderung ist lediglich
behaftet mit der Einrede der Verjährung, was zur Folge hat, dass der Anspruch nicht
durchgesetzt werden kann, wenn der Schuldner die Einrede erhebt (so auch FG
Schleswig Holstein v. 4.5.2016, 3 K 148/15, juris).
Wird eine verjährte Forderung erfüllt, so kann das Geleistete nicht mehr zurückgefordert
werden (
Verbindlichkeiten“ dienen, stellen nach unserer Auffassung auch keine Schenkung dar,
da es sich nicht um eine Leistung auf eine Nichtschuld handelt (so auch Gebel, in:
Troll/Gebel/Jülicher, § 7 Rn. 163, BFH v. 2.10.1957, II 127/57, juris). Auf die Frage, ob
die Verpflichtung, die erfüllt wird, erzwingbar ist oder nicht, kommt es nach Auffassung
des BFH nicht an, da auch die Erfüllung einer nicht erzwingbaren Schuld
grundsätzlich keine Schenkung sei (so BFH v. 2.10.1957, II 127/57, juris, Rn. 20).
Macht der Pflichtteilsgläubiger daher einen verjährten Pflichtteilsanspruch geltend und
wird dieser trotz Verjährung durch den Pflichtteilsschuldner erfüllt, liegt eine wirksame
Geltendmachung vor, mit der Folge, dass der Pflichtteilsgläubiger den Anspruch
versteuern muss und der Pflichtteilsschuldner (Erbe) den Anspruch als Nachlassverbindlichkeit
abziehen kann (so auch Rohde/Hoffmann,
Wird allerdings die Verjährungseinrede erhoben, so ist u. E. die Pflichtteilsforderung als
wertlos anzusehen (Erbschaftsteuerrichtlinien RB 12.1. Abs. 3; Rössler/Troll, Loseblatt,
Bearb.stand: April 2017, BewG, § 12 Rn. 14; Billig, UvR 2017, 345 ff., 347; Wälzholz,
Nachlassverbindlichkeit. Da keine wirtschaftliche Belastung mehr besteht, ist der Abzug
als Nachlassverbindlichkeit im Rahmen des
Die Frage, wie verjährte bzw. nicht verjährte Pflichtteilsansprüche zu behandeln
sind, hat insbesondere Auswirkungen auf die Fälle, in denen der Pflichtteilsverpflichtete
verstorben ist und der Pflichtteilsberechtigte Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten
wird (Konfusion).
b) Versterben des Pflichtteilsverpflichteten, dessen Alleinerbe der Pflichtteilsberechtigte
wird; steuerliche Behandlung der Konfusion; Auswirkungen der Verjährung
Nach
Pflichtteilen als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden. Voraussetzung ist somit,
dass der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht ist, da dem bloßen Entstehen des
Anspruchs auf einen Pflichtteil mit dem Erbfall erbschaftsteuerrechtlich noch keine
Bedeutung zukommt. Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem
ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Der
Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in
geeigneter Weise bekunden (so BFH v. 19.2.2013, Rn. 12). Verstirbt der Pflichtteilsverpflichtete,
so wird erbschaftsteuerrechtlich der Pflichtteil eine abziehbare
Nachlassverbindlichkeit des Erblassers nach
den Pflichtteilsanspruch entweder zu Lebzeiten des Verpflichteten geltend
gemacht hatte oder ihn nunmehr geltend macht (BFH v. 19.2.2013, Rn. 13). Denn das
Erbschaftsteuerrecht folgt hinsichtlich der Konfusion nicht der zivilrechtlichen
Beurteilung. Vielmehr gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht
und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse
gemäß
des Pflichtteilsberechtigten, der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die
Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen. Gibt daher der Pflichtteilsberechtigte
dem zuständigen Finanzamt gegenüber vor der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs
eine entsprechende Erklärung ab, hat es diese zu berücksichtigen und sowohl
hinsichtlich der Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteils gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG als auch hinsichtlich des Abzugs der Pflichtteilsschuld als Nachlassverbindlichkeit
die sich hieraus unter Berücksichtigung der jeweils maßgebenden
Freibeträge ergebenden steuerrechtlichen Folgerungen zu ziehen (so BFH v. 19.2.2013,
Rn. 18).
Für die steuerliche Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs ist es ausreichend, wenn
der Pflichtteilsberechtigte dem zuständigen Finanzamt gegenüber vor der Verjährung
des Pflichtteilsanspruchs eine entsprechende Erklärung abgibt; die Frage, ob der
Pflichtteilsanspruch bereits vor dem Tod des Verpflichtenden geltend gemacht wurde
oder nicht, ist für die steuerliche Beurteilung demnach nicht entscheidend.
Dies gilt nach dem vorgenannten Urteil des BFH aber nur dann, wenn die Geltendmachung
des Pflichtteilsanspruchs gegenüber den Finanzbehörden zu einem Zeitpunkt
erfolgt, zu dem der Pflichtteilsanspruch noch nicht verjährt ist. Der BFH hat
insoweit ausdrücklich offen gelassen, ob die von ihm dargelegte Rechtsauffassung auch
dann Geltung hat, wenn der Pflichtteilsanspruch beim Tod des Verpflichteten oder bei
der fiktiven Nachholung der Geltendmachung des Pflichtteils durch Erklärung
gegenüber dem Finanzamt bereits verjährt war.
Zu dieser Frage liegen zwischenzeitlich zwei gegensätzliche Urteile der Finanzgerichte
vor.
Das hessische Finanzgericht (Urteil vom 3.11.2015, 1 K 1059/14, juris) hat die
Geltendmachung eines verjährten Pflichtteilsanspruchs durch den Pflichtteilsberechtigten
gegenüber sich selbst nicht als Nachlassverbindlichkeit der Erblasserin nach
R 1/16).
Das Schleswig Holsteinische FG (Urteil vom 4.5.2016 3 K 148/15, juris) vertritt -
entgegen der Auffassung des hessischen Finanzgerichts die Auffassung, dass der Alleinerbe
seinen gegen den Erblasser bestehenden Pflichtteilsanspruch, auch wenn dieser
bereits verjährt ist, noch wirksam geltend machen und als Nachlassverbindlichkeit
i. S. des
(Revision beim BFH anhängig unter AZ II R 17/16).
In der Literatur gibt es sowohl Stimmen für als auch gegen die Auffassung, dass ein
Alleinerbe einen bereits verjährten Pflichtteilsanspruch wirksam gegen sich selbst
geltend machen kann und als Nachlassverbindlichkeit von dem Erwerb von Todes
wegen steuermindernd abziehen kann. Es bleibt daher abzuwarten, wie vom BFH
diese Frage entschieden wird.
4. Erbschaftsteuerliche Behandlung eines „derivativen“ Pflichtteils; Auswirkungen des
BFH-Urteils vom 7.12.2016, II R 21/14
Nach Ansicht des BFH (BFH vom 7.12.2016 II R 21/14, juris, Rn. 14) gehört ein vom
Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch zum Nachlass und unterliegt
daher beim Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls. Auf die Geltendmachung des
Pflichtteilsanspruchs durch den Erben komme es nicht an. Für die Bestimmung, welche
Vermögensgegenstände am Stichtag dem Vermögen des Erblassers zuzuordnen sind und als
Nachlassvermögen auf den oder die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen,
sei allein das Zivilrecht maßgebend. Der Pflichtteilsanspruch sei ein Geldanspruch, der nach
zivilrechtlich zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten gehöre, und zwar unabhängig
davon, ob er gegen die Erben geltend gemacht werde (BFH vom 7.12.2016, Rn. 14). Der
bereits mit dem Erbfall zivilrechtlich entstandene Pflichtteilsanspruch sei nach § 2317
Abs. 2 BGB vererblich und übertragbar und gehöre somit beim Ableben des Pflichtteilsberechtigten
zu dessen Nachlass. Da sich die Besteuerung eines ererbten (derivativen)
Pflichtteilsanspruchs nach
anders als beim originären Pflichtteilsanspruch – eine Geltendmachung nicht erforderlich
(BFH vom 7.12.2016, Rn. 15). Der originäre Pflichtteilsanspruch werde hingegen gem.
erbschaftsteuerliche Besonderheit des
des Berechtigten und solle ausschließen, dass beim Berechtigten Erbschaftsteuer anfalle,
wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebe. Damit werde die Entschließungsfreiheit
des Pflichtteilsberechtigten respektiert und zugleich der Tatsache Rechnung
getragen, dass der Pflichtteil – anders als die Erbschaft oder ein Vermächtnis – nicht
ausgeschlagen, der Rechtsanfall also nicht rückwirkend beseitigt werden könne (so BFH
vom 7.12.2016, Rn. 17).
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die „Geltendmachung“ des Pflichtteilsanspruchs nur in
der dritten Variante des
BFH lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht entnehmen, dass die Besteuerung
über den Wortlaut hinaus eine „Geltendmachung“ voraussetzt. Für den
Erwerb eines Pflichtteilsanspruchs durch Erbanfall (derivativer Erwerb) entsteht deshalb die
Steuer nach
ohne dass es auf die Geltendmachung des Anspruchs durch dessen Erben ankommt.
Macht der Erbe des Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteilsanspruch später geltend,
so entsteht infolge der Geltendmachung keine weitere Erbschaftsteuer mehr. Die Geltendmachung
führt lediglich dazu, dass der Verpflichtete den Pflichtteil gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2
ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abziehen kann (so BFH vom 7.12.2016, Rn. 22).
Dem BFH ist insoweit zuzustimmen, als der Pflichtteilsanspruch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
gem.
wie er im Zeitpunkt des Erbfalls besteht.
Hinsichtlich der Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs hätte man indes nach Sinn und Zeck
der Vorschrift auch vertreten können, dass die Erbschaftsteuer so lange nicht anfällt, wie der
Rechtsnachfolger des Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteilsanspruch nicht geltend macht.
Wird der Anspruch geltend gemacht, so hätte man diesen so behandeln können, als wäre er
im Zeitpunkt des Erbfalls „geltend gemacht“ worden, d. h. für den Anspruch als solchen und
für die Bewertung würde dann auf den Erbfall abgestellt werden. Durch diese „Rückwirkung“
hätte man das gewünschte Ziel erreicht und hätte auch die Entschließungsfreiheit
des Erben des Pflichtteilsberechtigten respektiert, den Pflichtteilsanspruch durchzusetzen
oder nicht.
Die Auffassung des BFH hat zur Folge, dass für den Erwerb eines nicht geltend gemachten
Pflichtteilsanspruchs durch Erbanfall (derivativer Erwerb) die Erbschaftsteuer für diesen
Pflichtteilsanspruch sofort (mit dem Erbfall) entsteht, da in der Höhe des ererbten Pflichtteilsanspruchs
des Erblassers eine Bereicherung vorliegt. Der Pflichtteilsanspruch muss daher
selbst dann versteuert werden, wenn er nicht geltend gemacht wird. Dies kann dazu
führen, dass der Erbe (eines Pflichtteilsanspruchs) zur Geltendmachung des Anspruchs gezwungen
wird, wenn er z. B. die Erbschaftsteuer ansonsten nicht zahlen könnte (so i.E. auch
Billig,
a) Auswirkungen beim Erwerber eines „derivativen“ Pflichtteilsanspruchs
aa) Erbschaftsteuerliche Behandlung eine „vererbten“, nicht geltend gemachten
Pflichtteilsanspruch beim Erben
Der Erbe muss den Anspruch im Erbfall versteuern, unabhängig davon, ob er ihn
geltend macht oder nicht, da die Steuer nach
dem Tod des Erblassers entsteht (
Der Pflichtteilsanspruch wird im Grundsatz mit dem Nennwert im Zeitpunkt des
Erbfalls bewertet. Dadurch, dass der Pflichtteilsanspruch dem Nachlass zugeordnet
wird, erhöht sich somit die gesamte Erbschaft, insbesondere kann sich dadurch
auch der Steuersatz erhöhen.
Wird der Pflichtteilsanspruch vom Erben des Pflichtteilsberechtigten später geltend
gemacht, so wird der Tatbestand des
würde tatbestandlich ein erneuter erbschaftsteuerlicher Erwerb erfolgen. Es würde
demnach zu einer Doppelbesteuerung kommen, da der Pflichtteilsanspruch ja
bereits im Zeitpunkt des Erbfalls der Besteuerung unterworfen worden ist.
Der BFH hat die Problematik dieser Doppelbesteuerung gesehen, diese aber
verneint. Macht der Erbe des Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteilsanspruch später
geltend, so entsteht dafür nach Auffassung des BFH keine Erbschaftsteuer; eine
nähere Begründung hierfür bleibt der BFH schuldig. Aus der Urteilsbegründung
des BFH ist u. E. aber herzuleiten, dass der BFH die Besteuerung des derivativen
Pflichtteilsanspruchs im Erbfall nach
ansieht, und die Versteuerung nach
zurücktritt (so BFH v. 7.12.2016, juris, Rn. 22). Wird somit ein Erwerb bereits nach
weitere Besteuerung des Erwerbs mehr nach
diese Vorschrift subsidiär ist und nur dann eingreift, wenn nicht bereits ein
Steuertatbestand nach
Begründung für die Ablehnung der Doppelbesteuerung wäre u. E. auch nachvollziehbar.
Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs hat dann allerdings noch Folgen für
den Abzug der Nachlassverbindlichkeit. Der BFH weist ausdrücklich darauf hin,
dass die Geltendmachung dazu führt, das der Pflichtteil als Nachlassverbindlichkeit
(
juris, Rn. 22; vergleiche hierzu auch Ausführungen nachfolgend unter b) aa).
bb) Einfluss der Verjährung auf die steuerliche Bewertung eines „derivativen“
Pflichtteilsanspruchs beim Erwerber
Ist ein ererbter Pflichtteilsanspruch, der zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits
verjährt ist, als Nachlassbestandteil zu berücksichtigen, so kann dies Einfluss auf
die Bewertung der „Pflichtteilsforderung“ haben. In den Richtlinien zu
(ErbStR RB 12.1 Abs. 3) ist insoweit geregelt, dass Kapitalforderungen mit einem
niedrigeren Schätzwert anzusetzen sind, wenn zweifelhaft ist, ob und inwieweit
eine Kapitalforderung durchsetzbar ist. Das gilt insbesondere beim Ansatz verjährter
Kapitalforderungen.
Nach Eisele (Rössler/Troll, § 12 Rn. 14) bleiben Kapitalforderungen, die
uneinbringlich sind, als wertlos außer Ansatz; auch eine verjährte Forderung sei als
uneinbringlich anzusehen (Rössler/Troll, § 12 Rn. 14). Der BFH (BFH v. 2.3.1971,
II 64/65, juris) hat eine Zinsforderung, der die Einrede der Verjährung mit Erfolg
entgegengehalten wird, als uneinbringlich und damit als wertlos außer Ansatz
gelassen (BFH v. 2.3.1971, juris, Rn. 8). Er hat im Weiteren ausgeführt, dass eine
Forderung mit einem unter dem Nennwert liegenden niedrigeren Schätzwert
anzusetzen sei, wenn z.B. zweifelhaft ist, ob eine Forderung verjährt ist oder wenn
fraglich ist, ob die Verjährungseinrede nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben
und somit als unzulässige Rechtsausübung angesehen wird.
Es wird daher in der Literatur vertreten, dass ein ererbter Pflichtteilsanspruch,
der im Zeitpunkt des Erbfalls verjährt ist, mit „Null“ zu bewerten ist (so Billig,
2017, 285; Schmidt/Holler, Erbrecht 2017, 413).
Wachter (Anm. zum Urt. des BFH v. 7.12.2016,
noch weiter und stellt generell zur Diskussion, ob ein nicht geltend gemachter
Pflichtteilsanspruch, der im Erbfall übergeht, unabhängig davon, ob er verjährt ist
oder unverjährt besteht, mit dem Wert Null anzusetzen ist (und nicht mit dem
Nennwert), da der nicht geltend gemachte Pflichtteilsanspruch noch keinen Wert
hat. Einen Wert hat der Anspruch nach seiner Auffassung erst dann, wenn er geltend
gemacht wird. Auf diese Weise würde dann auch ein Gleichklang der
Besteuerung zum originären Pflichtteilsanspruch erlangt, d. h. der Pflichtteilsanspruch
wäre dann erst mit dem Wert zu versteuern, den er im Zeitpunkt der Geltendmachung
hat.
b) Auswirkungen beim Pflichtteilsverpflichteten
aa) Erbschaftsteuerliche Behandlung eines „vererbten“, noch nicht geltend gemachten
Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit beim Pflichtteilsverpflichteten
Nach § 10 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 5 Nr. 2 ErbStG sind vom Wert des gesamten
Vermögensanfalls Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen
abzuziehen. Diese Regelung bezieht sich unmittelbar jedoch nur auf den originär
erworbenen Pflichtteilsanspruch, für die Steuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, Var. 3
i. V. m.
entsteht (sog. Korrespondenzprinzip). Es stellt sich daher die Frage, ob für die
Abziehbarkeit eines geerbten Pflichtteilsanspruchs dessen Geltendmachung zu
fordern ist oder ob hierauf – entsprechend der Regelung für Vermächtnisse –
verzichtet werden kann (so Fragestellung von Loose/Riehl, Erbrecht 2017, S. 409
ff.). Der BFH hat zwar in seinem Urteil vom 7.12.2016, juris, Rn. 22, darauf
hingewiesen, dass erst die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs dazu führt,
dass der Verpflichtete den geerbten Pflichtteilsanspruch gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2
ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abziehen kann. Es ist aber wohl noch nicht als
höchstrichterlich geklärt anzusehen, ob die Abziehbarkeit eines geerbten
Pflichtteilsanspruchs als Nachlassverbindlichkeit nach
dessen Geltendmachung voraussetzt (so Loose/Riehl, Erbrecht 2017, 409 ff.,
Schlussbetrachtung).
Geht man vom Sinn und Zweck der Regelung des
soll verhindert werden, dass ein Teil des Nachlasses der Besteuerung dadurch
entzogen wird, dass eine Verbindlichkeit den Nachlass mindert, ohne dass das
gegenüberstehende Recht als Erwerb besteuert werden kann (vgl. Kapp/Ebeling,
ErbStG, Loseblatt § 10 Rn. 95, 96). Besteuert man nun den derivativen
Pflichtteilsanspruch im Zeitpunkt des Erbfalls, so müsste korrespondierend auch die
Pflichtteilsverbindlichkeit bereits zu dem Zeitpunkt als Verbindlichkeit in Ansatz
gebracht werden und nicht erst bei Geltendmachung.
Nach der Auffassung des BFH ist aber für die Versteuerung des derivativen
Pflichtteilsanspruchs der Erbfall maßgebend, während für den Abzug als Pflichtteilsverbindlichkeit
die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs maßgebend ist
(so BFH v. 7.12.2016, juris, Rn. 23). Damit liegt keine Korrespondenz zwischen
der Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs und der entsprechenden Abziehbarkeit
als Nachlassverbindlichkeit vor, die vom BFH aber z.B. in seinem Urteil vom
19.7.2006 (II R 1/05, juris Rn. 11) gefordert wird.
bb) Einfluss der Verjährung auf den Abzug als Verbindlichkeit
Ist der Erbe des verjährten Pflichtteilsanspruchs auch der Pflichtteilsverpflichtete,
so stellt sich hier die Frage, ob er den verjährten Anspruch fiktiv gegen sich geltend
machen kann. Hierfür gelten die Ausführungen unter Ziff. 3 b) entsprechend und
es bleibt abzuwarten, wie der BFH die noch offenen Fragestellung im Hinblick auf
bereits verjährte Pflichtteilsansprüche entscheiden wird.
5. Gestaltungsalternativen
Will man die Versteuerung des „ererbten, nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs“
vermeiden, so wäre es im Grundsatz möglich, einen Verzicht auf den Pflichtteil zu vereinbaren.
a) Verzicht auf einen potentiellen Pflichtteilsanspruch
aa) Verzichtsvertrag mit dem potentiellen Erblasser
Verzichtete ein künftiger gesetzlicher Erbe vor dem Erbfall auf einen künftigen
Pflichtteil, ohne hierfür eine Entgelt zu erhalten, ist der Verzicht nicht steuerbar
(Gottschalk in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt § 3 Rn. 237 Nr. 1a).
Verpflichtet sich ein künftiger gesetzlicher Erbe gegenüber dem potentiellen Erblasser,
gegen Zahlung einer Abfindung auf den Pflichtteil- bzw. Pflichtteilergänzungsanspruch
zu verzichten, so liegt darin eine Schenkung des potentiellen Erblasser
an den verzichtenden künftigen gesetzlichen Erben nach § 7 Abs. 1 Nr. 5
ErbStG (Gottschalk in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt § 3 Rn. 237 Nr. 1b).
Unter
(
– auch ein Zuwendungsverzicht erfasst (Gottschalk in: Troll/Gebel/Jülicher,
ErbStG, Loseblatt § 7 Rn. 315 ff).
Dies gilt nach unserer Auffassung selbst dann, wenn die Abfindung nicht von dem
potentiellen Erblasser, sondern von einem Dritten bezahlt wird. Denn der Zuwendende
kann eine unentgeltliche Zuwendung auch dadurch bewirken, dass er dem
Bedachten die Leistung eines Anderen, die dieser ihm schuldet, unmittelbar zukommen
lässt (Vertrag zugunsten Dritter,
Beurteilung ist daher u. E. entscheidend, zwischen welchen Personen der
Verzicht gegen Abfindung vereinbart wird (so auch Messbacher-Hönsch,
jurisPR-SteuerR 47/2017 Anm. 5). Die geänderte Rechtsprechung des BFH (BFH
10.5.2017 II R 25/15) ist daher nur dann einschlägig, wenn Verträge (wie z. B. nach
bb) Verzichtsvertrag zwischen den künftigen Erben (BFH 10.5.2017 II R 25/15)
Schließen künftige gesetzliche Erben einen Vertrag gem.
wonach der eine auf seine künftigen Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegen
Zahlung eines Geldbetrages verzichtet, so stellt die Zahlung eine freigebige
Zuwendung des Zahlenden i. S. d.
auf eine möglicherweise zukünftig einmal entstehende Forderung stellt in Zeiten
des Vertragsabschlusses keinen in Geld bewertbaren Vermögenswert dar, sondern
verkörpert allenfalls eine bloße Erwerbschance, die als solche nicht geeignet ist,
Gegenstand einer die Freigebigkeit ausschließenden Gegenleistung zu sein (so BFH
v. 25.1.2001 – II R 22/98, juris; BFH v. 16.5.2013 – II R 21/11, juris, Rn. 11). An
dieser grundsätzlichen Beurteilung hat sich auch durch das aktuelle Urteil des
BFH v. 10.5.2017 – II R 25/15 keine Änderung ergeben. Vielmehr hat der BFH
in seinem Urteil v. 10.5.2017 – II R 25/15 seine bisherige Rechtsprechung bestätigt,
dass in der Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben
für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteils(ergänzungs)anspruch zahlt, eine
freigebige Zuwendung des künftigen gesetzlichen Erben an den anderen zu sehen
ist. Es handele sich hierbei um eine Zuwendung des Zahlenden, da die Abfindung
aus dem Vermögen des künftig gesetzlichen Erben geleistet wird. Der BFH hatte
bereits in seinem Urteil vom 16.5.2013 festgestellt, dass eine fiktive freigebige
Zuwendung des künftigen Erblassers an den Empfänger der Abfindungszahlung
nicht angenommen werden kann, da es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt.
Die Änderung der Rechtsprechung des BFH liegt nun darin, dass nach dem
aktuellen BFH-Urteil sich auch die Steuerklasse (
(
Verhältnis richten. In seinen bisherigen Urteilen (zuletzt im Urt. v. 16.5.2013)
hat der BFH die Steuerklasse nicht nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers
(Verzichtenden) zum Zahlenden angewendet hat, sondern zum
künftigen Erblasser. Begründet wurde dies bisher damit, dass der Verzicht auf
Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegenüber einem anderen gesetzlichen Erben
hinsichtlich der Steuerklasse vor Eintritt des Erbfalls nicht anders behandelt
werden sollte als nach Eintritt des Erbfalls, bei dem der Verzicht auf die noch
nicht geltend gemachten Pflichtteilsansprüche gegen Abfindung gem. § 3 Abs. 2
Nr. 4 ErbStG nach der Steuerklasse zu bestimmen ist, die im Verhältnis zum
Erblasser gilt. Zudem sollte es für die anwendbare Steuerklasse keinen
Unterschied machen, ob der Verzicht mit dem künftigen Erblasser oder den
anderen gesetzlichen Erben vereinbart wird. Es sollte stets das Verhältnis des
Verzichtenden zum künftigen Erblassers zugrunde gelegt werden. Dieser
Beurteilung hat der BFH in seinem aktuellen Urteil v. 10.5.2017 eine Absage
erteilt. Der BFH vertritt nun vielmehr die Rechtsauffassung, dass für die
Besteuerung des Erwerbs eines gesetzlichen Erben von einem anderen gesetzlichen
Erben aufgrund Verzichts auf künftige Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche
gegen Zahlung eines Geldbetrags nach den allgemeinen Regeln das Verhältnis des
Verzichtenden zu dem anderen gesetzlichen Erben maßgebend ist. Die
Steuerklasse (
auch der Steuersatz (
vom 10.5.2017 – II R 25/15, juris, Rn. 16). Im Ergebnis hat der BFH nun in
konsequenter Weise für die Steuerklasse, den Steuersatz und den Freibetrag das
Verhältnis zugrunde gelegt, in welchem auch die unentgeltliche Zuwendung
erfolgt ist.
b) Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch (vor dem Versterben des
Pflichtteilsberechtigten); Zahlung einer Abfindung; Vorsicht bei Stundungsvereinbarungen
Verzichtet der Pflichtteilsberechtigte unentgeltlich auf die Geltendmachung seines
Pflichtteils, so ergeben sich daraus, wie bereits ausgeführt, keine erbschaftsteuerlichen
Folgen, da in
auf die Geltendmachung des Pflichtteils steuerfrei bleibt.
Nachteilige Konsequenz hieraus ist allerdings, dass die spätere Geltendmachung eines
Pflichtteilsanspruchs zur Ausnutzung von steuerlichen Freibeträgen nicht mehr möglich
ist (vgl. hierzu auch Billig,
daher zu überlegen, einen Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung zu vereinbaren, um
dadurch steuerliche Freibeträge bestmöglich auszuschöpfen.
Hierbei ist dann aber Folgendes zu beachten:
Verzichten z.B. Kinder gegenüber dem überlebenden Elternteil (Alleinerbe) auf die
Geltendmachung ihres Pflichtteils gegen Zahlung eines Geldbetrags, der mit dem
Ableben des überlebenden Elternteils fällig wird, so stellt die sich aus dieser Vereinbarung
ergebende Abfindungsverpflichtung nach Auffassung des BFH (BFH vom
27.6.2007 II R 30/05, juris) keine Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1
ErbStG dar, da sie für den überlebenden Elternteil keine wirtschaftliche Belastung darstellt.
Korrespondierend mit der fehlenden Belastung für den überlebenden Elternteil
führt die Begründung der Abfindungsansprüche auf Seiten der Kinder wirtschaftlich zu
keiner Bereicherung, da sie erst zu einem Zeitpunkt befriedigt werden sollen, zu dem
das gesamte Vermögen des überlebenden Elternteils (soweit noch vorhanden) diesen bereits
aus einem anderen Rechtsgrund zugefallen sein würde (so BFH, a. a. O, Rn. 13).
Ist eine (unverzinsliche) Stundung bis zum Tod des überlebenden Elternteils vereinbart
mit der Folge, dass der Pflichtteil für den Erben keine wirtschaftliche Belastung darstellt,
so kann darin nach einer weiteren Entscheidung des BFH (BFH vom 31.3.2010,
II R 22/09, juris) auch keine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gesehen
werden. Denn dies erfordert ein ernstliches Verlangen auf Erfüllung gegenüber dem
Erben. In einer solchen Stundungsvereinbarung (Fälligkeit des Geldbetrags erst beim
Ableben des überlebenden Elternteils) kann ein solches ernstliches Verlangen aber nicht
gesehen werden ( BFH vom 31.3.2010, II R 22/09, juris, Rn. 13 – 16).
Die Entscheidungen des BFH betrafen bisher nur unverzinsliche Stundungsvereinbarungen.
Das Finanzgericht Baden Württemberg (Urteil vom 29.7.2017 K 1250/13, juris)
hatte sich mit einer verzinslichen Stundungsvereinbarung zu befassen und nahm hier eine
„wirtschaftliche Belastung“ an. Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass die
Mutter ihren Söhnen zur Vermeidung der Geltendmachung von erbrechtlichen Ansprüchen
nach dem Tod des (vorverstorbenen) Vaters jeweils einen bestimmten Geldbetrag
zur Abgeltung aller erbrechtlichen Ansprüche leisten sollte. Dabei wurde festgelegt,
dass die Beträge von den Söhnen bis zum Ableben der Mutter gestundet würden. Sie
waren unabhängig von der Fälligkeit ab 1. Januar 2004 mit 4% jährlich zu verzinsen,
wobei die Zinsen jeweils jährlich nachträglich zu entrichten waren. Das FG hat entschieden,
dass aufgrund der Vereinbarung der Kinder mit der Mutter (überlebender
Ehegatte), gegen Zahlung einer erst mit Ihrem Tod fälligen Abfindung auf die Geltendmachung
der Pflichtteile nach dem erstverstorbenen Vater zu verzichten, die Nachlassverbindlichkeit
bereits im Zeitpunkt des Erbfalls in der Person des überlebenden Ehegatten
(d. h. der Mutter) entstanden ist und den Nachlass des Vaters betrifft (Finanzgericht
Baden Württemberg, a. a. O, Rn. 14). Das Finanzgericht ließ den Abzug der Nachlassverbindlichkeit
auch nicht daran scheitern, dass auf Seiten der Mutter bis zu ihrem
Tod keine wirtschaftliche Belastung vorliegen würde. Denn zum Einen sei die Mutter
bereits durch die Vereinbarung der Zinszahlung wirtschaftlich belastet; zum Anderen
hätte der BFH in seiner Entscheidung vom 2.3.2011 (II R 5/09, juris) sowie auch in seinem
Urteil vom 19.2.2013 (II R 47/11, juris) erkennen lassen, dass das Kriterium der
wirtschaftlichen Belastung für den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nur von eingeschränkter
Bedeutung sei. Das Finanzgericht hielt den vorliegenden Fall ferner mit
der Gestaltung vergleichbar, dass eine ohne Stundung vereinbarte Abfindung zwar ausbezahlt
wird, der ausbezahlte Betrag jedoch im Wege einer verzinslich vereinbarten
(und tatsächlich vollzogenen) Darlehensgewährung unmittelbar wieder an den Abfindungsverpflichteten
zurückgewährt wird.
Ob diese Auffassung des Finanzgerichts Baden Württemberg mit der Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs (Urt. v. 27.6.2007 – a. a. O.) zu vereinbaren ist, bleibt allerdings
abzuwarten (kritisch insoweit Billig,
nicht eindeutig geklärt ist, ist es empfehlenswert, alternative Gestaltungsmöglichkeiten
zu wählen (so auch Billig,
Rn. 121a; Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG 6.Aufl. 2017, § 3 Rn. 420).
Eine mögliche Alternative ist darin zu sehen, dass der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht
wird, der Betrag ausbezahlt und dann im Wege einer verzinslich vereinbarten und
tatsächlich vollzogenen Darlehensgewährung wieder an den Abfindungsverpflichteten
zurückgewährt (so auch Billig,
nicht an den Tod des Verpflichteten geknüpft werden sondern es sollten allgemeine
Kündigungsregelungen aufgenommen werden, um dadurch die wirtschaftliche Belastung
zu begründen.
Um beim Berliner Testament Nachteile zu vermeiden, die mit Geltendmachung von
Pflichtteilen verbunden sind, (sog. „Pflichtteilsstrafklausel“), sollte flankierend noch
geregelt werden, dass die Pflichtteilsstrafklausel nur dann eingreift, wenn der Schlusserbe
seinen Pflichtteil gegen den Willen des Überlebenden (Pflichtteilsschuldner) geltend
macht.
c) Ausschluss der Vererblichkeit des Pflichtteilsanspruchs durch eine Vereinbarung
in Form eines bedingten Pflichtteilsverzichts zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigten
Ihle (
Vererblichkeit des Pflichtteilsanspruchs durch eine Vereinbarung in Form eines bedingten
Pflichtteilsverzichts zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem ausgeschlossen
werden kann. In einen solchen Vertrag, der nach
wäre, könnte der Pflichtteilsberechtigte auf seinen Anspruch für den Fall verzichten,
dass er vor dessen Realisierung versterben sollte.
160621
Erscheinungsdatum:19.04.2018
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Erbschafts- und Schenkungsteuer
Normen in Titel:ErbStG § 3; ErbStG § 10