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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 106422# l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 18. Oktober 2010
FamFG §§ 434, 448, 467 Antragsbefugnis für Aufgebot bei Grundpfandrecht, wenn Grundstück in der Hand einer Erbengemeinschaft
I. Sachverhalt Ein Grundschuldbrief ist nicht mehr auffindbar und soll für kraftlos erklärt werden. Eigentümer des mit der Grundschuld belasteten Grundbesitzes ist eine aus vier Personen bestehende Erbengemeinschaft. II. Fragen 1. 2. 3. Kann der Antrag auf Kraftloserklärung nur von einem Eigentümer allein gestellt werden? Gilt dies auch für die entsprechende eidesstattliche Versicherung? Wirkt die Kraftloserklärung auch für und gegen die übrigen Miteigentümer?
III. Zur Rechtslage 1. Vorab bitten wir nochmals zu überprüfen, ob hier ein Aufgebot allein wegen des fehlenden Grundschuldbriefes (Aufgebot nach §§ 1162, 1192 BGB) oder nicht vielmehr ein Aufgebot nach §§ 1170 Abs. 1, 1192 BGB beantragt werden sollte. Hintergrund ist eine inzwischen auch in der Rechtsprechung des BGH anerkannte Überlegung, dass bei Verlust des Grundschuldbriefes im Zweifel gar nicht abschließend geklärt werden kann, welche Person zur Zeit in materiell-rechtlicher Hinsicht als Inhaber des Grundpfandrechtes anzusehen ist. Da bei einem Briefgrundpfandrecht eine außergrundbuchliche Abtretung unter Übergabe des Briefes möglich ist (§ 1154 Abs. 1 BGB), kann regelmäßig bei Verlust des Grundschuldbriefes nicht ausgeschlossen werden, dass zuvor vom letzten berechtigten Besitzer eine wirksame Abtretung an eine dritte Person vorgenommen wurde. Dies gilt insbesondere in dem Fall, in dem nun die Erben des ursprünglichen Grundschuldbestellers feststellen, dass der Grundschuldbrief abhanden gekommen ist. In derartigen Fällen dürfte das weitere Schicksal der Grundschuld regelmäßig schon tatsächlich nicht geklärt werden können.
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Zur Behebung der Unsicherheiten in derartigen Situationen ist es nunmehr anerkannt, dass ein Aufgebot nach § 1170 BGB möglich ist, da nur durch ein Aufgebot nach § 1170 BGB der mit dem Briefverlust einhergehenden Unsicherheit über den wahren derzeitigen Inhaber des Grundpfandrechtes vorgebeugt werden kann (so nunmehr auch ausdrücklich BGH, Beschl. v. 29.1.2009, Az.: V ZB 140/08, DNotZ 2009, 544 ff. = NJW-RR 2009, 660 ff.). Daher dürfte sich vorliegend ein Aufgebot nach § 1170 BGB eher anbieten, als das ,,alleinige Aufgebot nach § 1162 BGB". Die Frage nach der Antragsbefugnis stellt sich aber unverändert: Steht fest, dass der Grundschuldbrief erst verloren gegangen ist, nachdem das Grundpfandrecht an den Eigentümer zurückübertragen wurde oder ihm zumindest eine grundbuchtaugliche Löschungsbewilligung ausgehändigt wurde, so ist der Grundstückseigentümer für das Briefaufgebot nach § 1162 BGB antragsberechtigt (vgl. nur MünchKomm-ZPO/Eickmann, Sonderband FamFG, 2010, §§ 466 484 Rn. 17); beim Aufgebot nach § 1170 BGB ist gem. § 448 Abs. 1 FamFG auf jeden Fall der Grundstückseigentümer antragsberechtigt (MünchKomm-ZPO/Eickmann, §§ 447 453 Rn. 10). 2. In den Kommentierungen zum Aufgebotsverfahren nach dem FamFG (also nach Überführung des Aufgebotsverfahrens von der ZPO in das FamFG) finden sich weitreichendere Ausführungen zur Antragsbefugnis im Falle der Berechtigung mehrerer Personen, als diese beim Aufgebotsverfahren nach der ZPO bisher vorlagen. Überwiegend sollen danach mehrere Gesamthänder ihr Antragsrecht grundsätzlich nur gemeinschaftlich ausüben können (i. d. S.: Bassenge/Roth-Walter, FamFG und RPflG, 12. Aufl. 2009, § 434 Rn. 3; Bork/Jacoby/Schwab-Dutta, FamFG, 2009, § 434 Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Eickmann, § 434 Rn. 4 und Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 448 Rn. 2). Zum Teil wird hierbei auf abweichende Sonderregelungen in §§ 455 und 462 (so bei Bassenge/Roth/Walter, a. a. O.) bzw. in §§ 460 und 462 (so bei MünchKommZPO/Eickmann, a. a. O.) hingewiesen. Abweichend formuliert unserer Kenntnis nach lediglich Keidel/Zimmermann (§ 434 Rn. 5), der zwar zunächst ausführt: ,,Sind mehrere zur Stellung des Antrags berechtigt, dann müssen sie bei gleichartiger Antragsberechtigung und gesamthänderischer Berechtigung gemeinsam handeln.", dann aber fortfährt: ,,Bei mehreren Erben kann aber jeder Erbe allein handeln (§§ 455, 460)." U. E. dürfte diese Formulierung auch angesichts der abweichenden Kommentierung zu § 448 FamFG Rn. 2 aber dahingehend zu verstehen sein, dass nur auf die Sonderregelung in § 455 und 460 FamFG verwiesen wird, die dort geregelte Antragsbefugnis eines Miterben für alle jedoch nicht über den Anwendungsbereich dieser Vorschriften (also insbesondere dem Aufgebot der Nachlassgläubiger hinaus) auf andere Fallgruppen des Aufgebotes erstreckt werden soll. Damit ist zusammenfassend festzuhalten, dass in der Literatur soweit ersichtlich übereinstimmend davon ausgegangen wird, dass bei gesamthänderischer Berechtigung eine gemeinsame Antragstellung notwendig ist. 3. Lediglich eine Kommentierung weist auf eine mögliche Besonderheit bei der Erbengemeinschaft hin. Unter Verweis auf die bereits vorgenannte Entscheidung des BGH vom 29.1.2009 (NJW-RR 2009, 660 ff. = DNotZ 2009, 544 ff. = WM 2009, 756 ff.; dort jeweils unter Tz. 29) führt Dutta bei Bork/Jacoby/Schwab aus, dass ,,bei Gesamthandsgemeinschaften ... einer der Gesamthänder das Antragsrecht ausnahmsweise selbständig ausüben (kann), wenn eine eigene Verfahrensführungsbefugnis für den in der gesamthänderischen Verbundenheit gehaltene Gegenstand besteht, wie etwa für die Erbengemeinschaft, § 2039 BGB". Ob diesen Ausführungen zu folgen ist, kann u. E. dahingestellt bleiben.
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Allerdings ist darauf zu verweisen, dass der BGH Ende 2009 eine ,,wegweisende" Entscheidung zur Geltung des Mehrheitsprinzips in einer Erbengemeinschaft gefällt hat (BGH, Urt. v. 11.11.2009, Az.: XI ZR 210/05, NJW 2010, 765 ff.). Für die Kündigung einer Mietwohnung, die sich in einem Nachlass befand, hat der BGH entschieden, dass entgegen der bisher herrschenden Auffassung diese Kündigung als Maßnahme i. S. von § 2038 Abs. 1 S. 2 1. Halbs. BGB angesehen werden kann und diese Norm nicht nur zur Verwaltung, sondern auch zu einer Verfügung durch Mehrheitsbeschluss wenigstens für den dort entschiedenen Fall ermächtigen würde. Folglich verlangte der BGH für die Kündigung des Mietverhältnisses nicht eine Mitwirkung aller Miterben, sondern lediglich ,,so vieler Miterben", dass eine Mehrheit i. S. von §§ 2038 Abs. 2 S. 1, 745 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB erreicht wird. U. E. könnte diese Entscheidung ggf. auch für die Frage eines Aufgebotes ,,fruchtbar gemacht" werden, wenn das Aufgebot von einer Erbengemeinschaft beantragt werden soll. Entsprechend den Ausführungen des BGH in der genannten Entscheidung lässt sich die Beantragung des Aufgebotes u. U. als Maßnahme i. S. von § 2038 Abs. 1 S. 2 1. Halbs. BGB interpretieren, so dass nicht die Mitwirkung aller, sondern nur der Mehrheit der Miterben (berechnet nach Erbanteilen) erforderlich wäre. Allerdings müssen wir darauf hinweisen, dass uns zu dieser Frage keinerlei weitere Stellungnahme vorliegt, so dass die Rechtslage als derzeit unklar bezeichnet werden muss. 4. Damit bleibt als Ergebnis aber festzuhalten, dass nach dem Gebot des sichersten Weges derzeit wohl noch davon ausgegangen werden muss, dass ein Aufgebot, das von einer Erbengemeinschaft beantragt werden soll, durch alle Mitglieder der Erbengemeinschaft zu beantragen ist. Ob entsprechend der BGH-Entscheidung vom 11.11.2009 nach § 2038 Abs. 1 S. 2. 1. Halbs. BGB eine Mehrheitsentscheidung bei der Beantragung ausreichend ist, bedarf noch der Klärung. Bezüglich der Frage, welche Personen die eidesstattliche Versicherung abgeben müssen, ist u. E. eine abweichende Beurteilung als bei der Antragsbefugnis möglich. Insoweit kommt es u. E. entscheidend darauf an, ob nach Auffassung des entscheidenden Gerichtes von einer eidesstattlichen Versicherung jedes einzelnen der Miterben ein weiterer Erkenntnisgewinn erwartet werden kann. Sollte hier wie häufig bei Erbfällen anzunehmen sein, dass die Erben überhaupt keine Kenntnis über den Verbleib des Grundschuldbriefes haben, so dürfte eine eidesstattliche Versicherung jedes einzelnen der Miterben entbehrlich sein. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz lediglich als Antragsvoraussetzung konstatiert, dass sich der Antragsteller zur eidesstattlichen Versicherung anerbieten muss. Nach dem Gesetzeswortlaut ist hingegen die wirkliche Abgabe der eidesstattlichen Versicherung keine zwingende Voraussetzung. Hinsichtlich der Wirkung des Ausschließungsbeschlusses ist auf § 433 i. V. m. § 434 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 FamFG zu verweisen. Ein Rechtsnachteil in diesem Sinne liegt im Fall des § 1162 BGB in der Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes, im Fall des § 1170 BGB im Ausschluss des unbekannten Gläubigers und im Erwerb des Grundpfandrechtes durch den Grundstückseigentümer (§ 1170 Abs. 2 S. 1 BGB). Diese Rechtswirkungen können aber schon begriffsnotwendig nur ,,erga omnes" und nicht nur parteibezogen eintreten, so dass die Kraftloserklärung auch für und gegen alle Eigentümer wirkt, selbst wenn man von einer Antragsbefugnis nur von einem Teil der Eigentümer ausgeht.
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