17. März 2010
EGBGB Art. 14

Türkei: Grundschuldbestellung an einem in Deutschland belegenen Grundstück türkischer Eheleute

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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 101558# l e t zt e A k t u a l i s i er un g : 17. März 2010

EGBGB Art. 14, 15 Türkei: Grundschuldbestellung an einem in Deutschland belegenen Grundstück türkischer Eheleute

I. Sachverhalt
Ein türkisches Ehepaar bestellt zugunsten einer deutschen Bank eine Grundschuld, wobei nur der Ehemann als Eigentümer auftritt. Die Ehefrau soll im Hinblick auf § 1365 BGB mitwirken. Die Ehefrau ist der deutschen Sprache nicht mächtig und darüber hinaus nicht in der Lage, ihren Namen zu schreiben.

II. Fragen
1. Ist § 1365 BGB bei einem türkischen Ehepaar zu beachten, wenn nur einer der Ehepartner durch Verkauf oder Belastung über ein Grundstück oder grundstücksgleiches Recht verfügt? Ist es rechtlich zulässig, dass eine dritte Person sowohl als Dolmetscher als auch als Schreibzeuge für den Urkundsbeteiligten mitwirkt, der selbst der deutschen Sprache nicht mächtig ist und seinen Namen nicht zu schreiben vermag? (Dabei ist davon auszugehen, dass in der Person des Dolmetschers und Schreibzeugen weder die Ausschließungsgründe nach §§ 6 und 7 BeurkG noch die Mitwirkungsverbote nach § 26 BeurkG erfüllt sind.)

2.

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III. Zur Rechtslage
1. Güterrechtliche Verfügungsbeschränkungen Um zu prüfen, welche güterrechtlichen Verfügungsbeschränkungen vorliegend bestehen könnten, ist zunächst zu klären, ob die Eheleute hier im Güterstand des deutschen Rechts leben (dann kommt möglicherweise eine Verfügungsbeschränkung nach § 1365 BGB in Betracht) oder ob die Eheleute im Güterstand des türkischen Rechts leben. a) Güterrechtsstatut Aus der Sicht des deutschen Rechts unterliegen die Eheleute grundsätzlich dem türkischen Ehegüterrecht. Dies folgt aus Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB, wonach primär auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung und zwar unwandelbar abgestellt wird. Diese Verweisung erfasst gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch das türkische Kollisionsrecht. Das türkische Kollisionsrecht bestimmt das anwendbare Güterrecht gem. Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 5718 über das Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (Text in IPRax 2008, 283 ff.; das neue türkische IPRG gilt auch für Ehen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen worden sind, Krüger/Nomer-Ertan, IPRax 2008, 281) in erster Linie nach dem Recht, das die Ehegatten gewählt haben. Fehlt es (wie wohl im vorliegenden Fall) an einer Rechtswahl, so wird hinsichtlich des ehelichen Vermögens an das gemeinsame Heimatrecht im Zeitpunkt der Eheschließung und, falls ein solches nicht vorhanden ist, an das des gemeinsamen Wohnsitzes zur Zeit der Eheschließung und, falls auch ein solcher fehlt, an das türkische Recht angeknüpft. Da die Ehegatten vorliegend im Zeitpunkt der Eheschließung ausschließlich die türkische Staatsangehörigkeit hatten, ist also auch nach Art. 15 Abs. 1 türk. IPRG das türkische Güterrecht berufen. Das türkische Recht nimmt demnach die Verweisung durch das deutsche Kollisionsrecht an. Allerdings enthält das vom 27.11.2007 in Kraft getretene neue türkische IPRG nunmehr in Art. 15 Abs. 2 folgende Bestimmung: ,,Auf die Auseinandersetzung des Vermögens hinsichtlich unbeweglicher Sachen wird das Recht des Landes, in dem sie belegen sind, angewandt."

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In der Literatur (Schaal, Aktuelles im IPR/aus dem Ausland, BWNotZ 2008, 131, 132) wird diese Vorschrift zum Teil als allgemeine kollisionsrechtliche Regel angesehen, mit der Folge, dass sich das Güterrechtsstatut im Hinblick auf in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen stets nach deutschem Recht richten soll. Dagegen spricht jedoch der Wortlaut der Vorschrift, der ausdrücklich auf die Auseinandersetzung des Vermögens abstellt. Nach Auffassung der Sachbearbeiterin dürfte es sich hier also nicht um eine allgemeine Verweisungsregel für unbewegliches Vermögen handeln, sondern nur um eine klarstellende Bestimmung, wonach die Auseinandersetzung des unbeweglichen Vermögens den Regeln der lex rei sitae folgt. Danach bleibt es hier insgesamt bei der Berufung des türkischen Güterrechts. Da also die Eheleute im gesetzlichen Güterstand des türkischen Rechts leben, findet die Vorschrift des § 1365 BGB hier keine Anwendung. b) Verfügungsbeschränkungen nach türkischem Recht Der gesetzliche Güterstand in der Türkei war nach dem türkischen ZGB i. d. F. bis zum 31.12.2001 die Gütertrennung (Art. 170, 186 ff. türk. ZGB a.F.). Nach Art. 186 Abs. 1 türkisches ZGB a. F. bedeutete Gütertrennung, dass jeder Ehegatte an seinen gesamten Gütern die Verwaltungs- und Nutzungsrechte behält. Nach dem türkischen ZGB in der alten Fassung gab es also keine Verfügungsbeschränkungen aus dem Ehegüterrecht. Das türkische ZGB i. d. F. vom 1.1.2002 sieht als gesetzlichen Güterstand die Errungenschaftsbeteiligung vor (Art. 202 S. 1 türk. ZGB n. F.). Sofern die Eheleute hier vor Inkrafttreten des neuen türkischen ZGB geheiratet haben, galt gem. Art. 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum türkischen Zivilgesetzbuch der Güterstand der Gütertrennung bis zum Inkrafttreten des neuen ZGB. Seit Inkrafttreten des neuen türkischen ZGB gilt ­ mangels anders lautender Vereinbarung ­ der neue gesetzliche Güterstand als vereinbart. Dementsprechend leben die Eheleute jedenfalls seit dem 1.1.2002 im Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Es handelt sich hierbei nicht um eine Errungenschaftsgemeinschaft wie z. B. nach den meisten Rechtsordnungen des Code Napoléon oder der ehemals kommunistischen Länder. Vielmehr ist die Errungenschaftsbeteiligung türkischen Rechts ein Unterfall der Gütertrennung ­ ähnlich wie die Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts. Während des Bestehens des Güterstands bleibt das jeweilige Eigentum der Eheleute getrennt; erst bei Beendigung des Güterstandes findet eine schuldrechtliche Auseinandersetzung statt. Der wesentliche (aber auch nahezu einzige) Unterschied zur Zugewinngemeinschaft ist, dass ein Wertzuwachs des in die Ehe eingebrachten oder durch Schenkung oder von Todes wegen erworbenen Vermögens von vornherein nicht dem Ausgleich unterfällt (also im Ergebnis ähnlich wie eine häufig in Deutschland ehevertraglich vorgenommene Modifikation der Zugewinngemeinschaft).

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Nach Art. 223 Abs. 1 türkisches ZGB n. F. verwaltet und nutzt jeder Ehegatte seine Errungenschaft und sein Eigengut innerhalb der gesetzlichen Schranken und verfügt darüber. Eine Einschränkung der Verfügungsbefugnis ist nach Art. 223 Abs. 2 türk. ZGB n. F. nur für den Fall vorgesehen, dass ein Vermögenswert im Miteigentum beider Ehegatten steht. In diesem Fall kann kein Ehegatte ohne die Zustimmung des anderen über seinen Anteil verfügen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Da das Grundstück jedoch nicht im Miteigentum der Ehegatten steht, greift die Verfügungsbeschränkung nach Art. 223 Abs. 2 türkisches ZGB n. F. vorliegend nicht ein. Demnach unterliegt der Ehemann auch nach dem türkischen ZGB keinen Verfügungsbeschränkungen aus dem ehelichen Güterrecht. 2. Verfügungsbeschränkungen aus den allgemeinen Ehewirkungen Das deutsche Recht sieht in den allgemeinen Ehewirkungen keine Verfügungsbeschränkung für einen Ehegatten vor. Eine Verfügungsbeschränkung kann sich nur aus dem ehelichen Güterrecht (z. B. § 1365 BGB, vgl. oben) ergeben. Dagegen sieht das türkische ZGB in der neuen Fassung vom 1.1.2002 in Art. 194 eine Beschränkung in der Verfügung über die Familienwohnung vor. Danach kann ein Ehegatte nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des anderen einen Mietvertrag über die Familienwohnung kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräußern oder die Rechte daran beschränken. Nach Art. 194 Abs. 3 türkisches ZGB n. F. kann der Ehegatte, der nicht Eigentümer der Immobilie ist, die der Nutzung der Familie als Wohnung gewidmet ist, die erforderliche die Familienwohnung betreffende Vormerkung im Grundbuch verlangen. a) Qualifikation und anwendbares Recht Art. 194 türkisches ZGB n. F. ist allerdings nur dann anwendbar, wenn für die Ehe der Ehegatten das türkische Recht als Statut der allgemeinen Ehewirkungen (Art. 14 EGBGB) gilt. Art. 194 türkisches ZGB n. F. ist u. E. keine güterrechtlich zu qualifizierende Vorschrift, sondern unterliegt dem Statut der allgemeinen Ehewirkungen. Dies ergibt sich bereits aus der systematischen Stellung der Vorschrift im 3. Abschnitt des türkischen ZGB über die Wirkungen der Ehe im allgemeinen, wohingegen das Güterrecht der Ehegatten im 4. Abschnitt des türkischen ZGB n. F. geregelt ist. Die Wirkungen der Ehe im allgemeinen gelten demnach für sämtliche Güterstände des türkischen Rechts. Verfügungsbeschränkungen, die für alle Ehen ohne Rücksicht auf eine besondere Vermögensordnung bestehen, unterfallen aber dem allgemeinen Ehewirkungsstatut und sind demnach nach Art. 14 EGBGB anzuknüpfen (str., wie hier Staudinger/von Bar/Mankowski, Neubearbeitung 2003, Art. 14 EGBGB Rn. 302 f.; Junker, IPR, Rn. 505 zum vergleichbaren Fall des Art. 215 Abs. 3 franz. Code Civil; Andrae, in: AnwK, Bd. 1, 2005, Art. 14 EGBGB Rn. 70; Palandt/Thorn, 69. Aufl. 2010, Art. 14

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EGBGB Rn. 18; für eine güterrechtliche Qualifikation aber MünchKomm-Siehr, 4. Aufl. 2006, Art. 14 EGBGB Rn. 116 ­ Doppelqualifikation). Für die hier vertretene Auffassung spricht, dass im IPR autonom-kollisionsrechtlich zu qualifizieren ist und man sich insofern von den Maßstäben des deutschen Sachrechts zu lösen hat (vgl. auch Staudinger/v. Bar/Mankowski, a. a. O., Art. 14 EGBGB Rn. 303). Im Gegensatz zum Güterrechtsstatut ist das Statut der allgemeinen Ehewirkungen wandelbar. Die allgemeinen Wirkungen der Ehe unterliegen nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört. Da vorliegend beide Eheleute auch zum jetzigen Zeitpunkt noch türkische Staatsangehörige sind, ist für die allgemeinen Ehewirkungen das türkische Heimatrecht der Ehegatten berufen. Diese Verweisung nimmt das türkische Recht auch an (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB), da es nach Art. 13 Abs. 3 türk. IPRG für die allgemeinen Wirkungen der Ehe ebenfalls das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten beruft. Damit aber findet Art. 194 türk. ZGB n. F. hier Anwendung, so dass, sofern es sich bei dem Grundstück um die Familienwohnung handelt, ein Verkauf jedenfalls nur mit Zustimmung der Ehefrau erfolgen kann. Ob unter Art. 194 Abs. 1 türk. ZGB n. F. auch die Belastung der Familienwohnung mit Grundpfandrechten fällt, vermögen wir mit der uns zur Verfügung stehenden Literatur zum türkischen Recht nicht zu beantworten. Eine wortgleiche Bestimmung findet sich jedoch im schweizerischen Zivilgesetzbuch in Art. 169 ZGB. Das Schweizer Zivilgesetzbuch hat dem türkischen Gesetzgeber als Vorlage gedient, so dass die Interpretation der Schweizer Vorschrift möglicherweise auch für die türkische dienen kann. Bezüglich der Schweizer Vorschrift des Art. 169 ZGB ist es streitig, ob die Belastung mit Grundpfandrechten der Zustimmung des anderen Ehegatten bedarf. Die wohl h. L. nimmt an, dass eine angemessene hypothekarische Belastung den längerfristigen Bestand der Familienwohnung nicht gefährde, eine Zustimmung des Ehegatten kann also nicht erforderlich sei. Die Zustimmung wird jedoch dann gefordert, wenn Umgehungsabsicht anzunehmen ist oder objektiv die Gefahr besteht, dass diese Belastung langfristig nicht getragen werden kann. Die Lehre hat bislang eine Belastung von bis zu 80 % des Verkehrswertes als unbedenklich angesehen, doch wird diese Grenze wegen der Krise der Grundstückspreise in dieser Form mittlerweile kritisiert (Honsell/Vogt/Geiser, ZGB I, 3. Aufl. 2006, Art. 169 Rn. 16). 3. Mitwirkung des Dolmetschers als Schreibzeuge Nach übereinstimmender Auffassung in der Rechtsprechung und der Literatur kann ein Dolmetscher nicht gleichzeitig Schreibzeuge sein (Winkler, Beurkundungsgesetz, 16. Aufl. 2008, § 25 Rn. 11 m. w. N.).

Gutachten/Abruf-Nr:

101558

Erscheinungsdatum:

17.03.2010

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 14