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Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: letzte Aktualisierung:
13104 19.11.2002
BGB § 705 Selbstorganschaft; Abspaltungsverbot; Übertragung der Geschäftsführung an Dritte; Generalvollmacht; Stimmbindung
I.
Sachverhalt Ein Vater und dessen Abkömmlinge beabsichtigen, Grundbesitz des Vaters in eine allein von den Abkömmlingen des Veräußerers gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts einzubringen. Der Gesellschaftsvertrag soll in der Übertragungsurkunde enthalten sein. Im Gesellschaftsvertrag soll geregelt werden, dass die Geschäftsführung für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit von dem Veräußerer (Vater), der seinerseits nicht Gesellschafter ist, wahrgenommen wird. Neben den üblichen Rückforderungsrechten für den übertragenen Grundbesitz soll der Vater den Nießbrauch an allen Gesellschaftsanteilen erhalten und sämtliche Gesellschafterrechte einschließlich des Stimmrechts ausüben. Hilfsweise erteilen ihm die Abkömmlinge als Gesellschafter eine ,,verdrängende Stimmrechtsvollmacht ", soweit der Kernbereich der Gesellschafterrechte nicht betroffen ist.
II. Frage Widerspricht die gewünschte Konstruktion allgemein anwendbaren Grundsätzen des Personengesellschaftsrechts?
III. Zur Rechtslage 1. Geschäftsführung durch gesellschaftsfremde Dritte a) Gem. § 709 BGB steht die Führung der Geschäfte einer BGB-Gesellschaft den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Nach h. M. sind die Regelungen der §§ 709-711 BGB allerdings grundsätzlich dispositiver Natur (Ulmer, in: MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, § 709 Rn. 16). Die privatautonome Gestaltungsfreiheit stößt jedoch im Recht der Personengesellschaften in Bezug auf Regelungen zur Geschäftsführung auf die Grenze des Grundsatzes der ,,Selbstorganschaft". Nach die sem Grundsatz soll gelten, dass Geschäftsführer in der Gesellschaft nur ein Gesellschafter, nicht auch ein Nichtgesellschafter sein kann, da die Geschäftsführung Ausfluss der Mitgliedschaft ist und von dieser nicht getrennt werden kann (BGHZ 33, 108; BGHZ 41, 367; MünchKomm- Ulmer, § 709 BGB Rn. 5). Anders gewendet besagt der Grundsatz der Selbstorganschaft, dass zwar nicht alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter an der organschaftlichen Vertretung teilhaben müssen, jedoch nur pe rDeutsches Notarinstitut · Gerberstraße 19 · 97070 Würzburg · Telefon 09 31/3 55 76-0 · Telefax 09 31/ 3 55 76-2 25 email: dnoti@dnoti.de · internet: http://www.dnoti.de
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Seite 2 sönlich haftende Gesellschafter an der organschaftlichen Vertretung teilhaben dürfen. Der BGH hat jedoch darauf hingewiesen (BGHZ 36, 292), dass auch ein Dritter aufgrund einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Bestimmung in einem sehr umfassenden Maße mit Geschäftsführungsaufgaben betraut werden kann. Der Dritte erhält hierdurch jedoch nicht die Stellung eines organschaftlichen Geschäftsführers. Die Rechtsstellung des außenstehenden Dritten unterscheidet sich entscheidend v der Rechtsstellung eines geschäftsführenden Gesellschafters, da on es sich insoweit nicht um eine Rechtsbezie hung handelt, die durch gesellschaft srechtliche Grundsätze bestimmt wird. Zusammenfassend kann danach festgehalten werden, dass ein Dritter in weitem Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben betraut werden kann. b) Zu beachten ist allerdings, dass durch eine derartige Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse im Rahmen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die organschaftlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse der Gesellschafter nicht berührt werden (BGHZ 36, 292; BGH NJW-RR 1994, 98; Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl. 2003, vor § 709 Rn. 3). Würde man den Gesellschaftern die Befugnis zur Ab berufung des Dritten als ,,Geschäftsführer" nehmen, so läge nach allgemeiner Auffassung ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft vor (vgl. Palandt/Sprau, vor § 709 BGB Rn. 3). c) Zur Umsetzung der Befugnisse des Dritten im Außenverhältnis bedarf es zudem der Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht durch die Gesellschaft bzw. deren Gesellschafter. Denkbar ist diesbezüglich die Erteilung einer Generalvollmacht, deren Umfang allerdings bei Personenhandelsgesellschaften auf die Ausgestaltung einer Prokura, einer Handlungsvollmacht oder sonstigen weniger weitgehenden Vollmachtsformen beschränkt ist - Unzulässigkeit organersetzender Generalvollmacht (vgl. BGH WM 1976, 1246; DNotZ 1977, 119 = NJW 1977, 199; BGHZ 64, 72, 76 = NJW 1975, 1117; BGH WM 1978, 1047, BGH DNotI-Report 2002, 134 = MittBayNot 2002, 406 = NZG 2002, 813 - vgl. auch Gutachten DNotIReport 1996, 77). Danach ist zu beachten, dass eine Generalvollmacht, durch welche Organbefugnisse übertragen werden sollen, unzulässig ist. Der Höchstumfang einer insoweit anzuerkennenden Vollmacht ist derjenige einer Generalhandlungsvollmacht gem. § 54 Abs. 1 HGB. Angesichts der oftmals nahe liegenden Parallelen zwischen Personenhandelsgesellschaften und BGB-Gesellschaften erscheint dieser Grundsatz u. E. auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts entsprechend übertragbar. d) Zusammenfassend ist somit zu konstatieren, dass die Übertragung der Geschäft sführungsbefugnisse auf den Veräußerer als außenstehenden Dritten zwar grundsätzlich zulässig ist, jedoch die Gesellschafter dazu befugt bleiben müssen, die dem Veräußerer erteilte Befugnis zur Ausübung dieser Rechte jederzeit zu widerrufen und eine ggf. hierzu erteilte Vollmacht für den Veräußerer keinen uneingeschränkten Umfang haben kann und im Übrigen ebenfalls jederzeit widerruflich ist. 2. Stimmrechtsausübung durch gesellschaftsfremde Dritte a) Insbesondere für die Beurteilung der Ausübung des Stimmrechts der Gesellschafter in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch Dritte ist der Grundsatz des ,,Ab-
Seite 3 spaltungsverbots " zu beachten. Danach kann das Stimmrecht zur Mitwirkung an der Verwaltung der Gesellschaft als Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts auf Dritte nicht übertragen werden (Palandt/Sprau, vor § 709 BGB Rn. 12). Dies gilt auch bei Bestellung eines Nießbrauchs, so dass die Stimmrechte der Gesellschafter durch diese auszuüben ist, nicht durch den Nießbrauchsberechtigten (vgl. BGH DNotZ 1999, 607 = NJW 1999, 571; Hermanns, MittRhNotK 1999, 235). b) Denkbar ist auch insoweit, dass die Gesellschafter einem Dritten Vollmacht erteilen, so dass dieser die Gesellschafter bei der Stimmabgabe vertritt. Eine ,,verdrängende Stimmrechtsvollmacht" kann hierbei lediglich intern im Verhältnis zwischen bevollmächtigtem und vollmachtgebendem Gesellschafter Wirkung entfalten, so dass letztlich eine Stimmbindungsvereinbarung vorliegt. Eine solche ist auch im Recht der Personengesellschaften grundsätzlich anerkannt (BGH NJW 1951, 268; Palandt/Sprau, vor § 709 BGB Rn. 14). Zu bedenken ist hierbei allerdings, dass beachtliche Stimmen im Schrifttum generell Stimmbindungsverträge mit Nichtgesellschaftern wegen eines Verstoßes gegen das Abspaltungsverbot für nichtig halten (MünchKomm-Ulmer, § 717 BGB Rn. 24 m. w. N.). Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Sonderproblematik soweit ersichtlich noch nicht eindeutig geäußert. Sofern allerdings bisher allgemeine Gestaltungen von Stimmbindungsabreden Gegenstand der Rechtsprechung waren, wurde die bisherige Auffassung des BGH einhellig gebilligt (BGHZ 48, 163; BGH NJW 1983, 1910; BGH NJW 1987, 1890; OLG Köln WM 1988, 974). Die Beteiligten haben somit zumindest die Möglichkeit, sich zur Rechtfertigung ihrer Gestaltung auf die bislang einheitliche Rechtsprechung zu stützen. Zur Durchsetzung der Stimmbindung kann wiederum eine umfassende Vollmacht erteilt werden, die eine Durchsetzung der Abrede im Wege einer schuld rechtlichen Klage auf Erfüllung und Vollstreckbarkeit des Leistungsurteils nach § 894 ZPO (BGHZ 48, 163) überflüssig macht. Zu bedenken ist allerdings, dass wiederum eine entsprechende Vollmacht ggf. widerruflich ist. Die Befugnisse des Dritten bleiben auch insoweit lediglich abgeleiteter Natur. Dies ergibt sich letztlich daraus, dass eine unwiderrufliche Vollmacht bei gleichzeitigem Verzicht auf die eigene Rechtsausübung aus immanenten Gründen des Personengesellschaftsrechts bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unzulässig ist (BGHZ 20, 363; BGH NJW 1970, 486).