BauGB §§ 144, 145
Nachtrag zum Kaufvertrag: Erfordernis sanierungsrechtlicher Genehmigung
I. Sachverhalt
A und B schlossen am 3.7.2017 einen Grundstückskaufvertrag. Die Auflassung wurde mitbeurkundet, die Bewilligung zur Eintragung der Eigentumsänderung ausdrücklich nicht erklärt. Der Vertrag bedurfte keiner Genehmigung und war sofort wirksam.
Im Oktober 2017 erließ die Stadt S eine Sanierungssatzung; diese wurde ordnungsgemäß veröffentlicht. Ein Sanierungsvermerk ist im Grundbuch bisher nicht eingetragen und auch nicht beantragt worden.
A und B wollen nun in einem Nachtrag Vollzugsschwierigkeiten beheben (Verlängerung der Räumungsfrist, Kaufpreisaufteilung, sofortige Übergabe, Zahlung auf Treuhandkonto zur Absicherung der Räumung). Änderungen hinsichtlich des Vertragsgegenstands (Grundstück) ergeben sich nicht.
II. Fragen
1. Bedarf der (schuldrechtliche) Nachtrag zum Kaufvertrag nunmehr der Genehmigung gem. § 144 BauGB, obwohl der Kaufvertrag selbst nicht genehmigungsbedürftig ist?
2. Kann das Grundbuchamt eine Genehmigung oder ein Negativzeugnis auch dann verlangen, wenn kein Sanierungsvermerk im Grundbuch eingetragen ist?
III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines
Sanierungsmaßnahmen dienen der Behebung städtebaulicher Missstände (§ 136 Abs. 2 BauGB) innerhalb eines abgegrenzten Gebiets, um dieses wesentlich zu verbessern oder umzugestalten (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3880). Die Gemeinde kann zur Behebung derartiger städtebaulicher Misstände das Sanierungsgebiet förmlich durch Beschluss festlegen (§ 142 Abs. 1 S. 1 BauGB; Schöner/Stöber, Rn. 3881). Sie erlässt dazu eine Satzung, die mit Bekanntmachung rechtswirksam wird (§ 143 Abs. 1 S. 4 BauGB). Das Grundbuchamt erlangt von der Sanierungssatzung, in der die betroffenen Grundstücke einzeln aufzuführen sind, durch Mitteilung der Gemeinde Kenntnis (§ 143 Abs. 2 S. 1 BauGB; Schöner/Stöber, Rn. 3883). Es hat in die Grundbücher der in der Satzung aufgeführten Grundstücke einzutragen, dass eine Sanierung durchgeführt wird (§ 143 Abs. 2 S. 2 BauGB; Schöner/Stöber, Rn. 3884).
Die Eintragung dieses Sanierungsvermerks im Grundbuch wirkt nicht selbständig gegenüber Rechtsinhabern, insbesondere nicht gegenüber den Grundstückseigentümern (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, EL 10/2018, § 143 Rn. 33). Sie entfaltet also keine konstitutive Wirkung (Schöner/Stöber, Rn. 3884). Entscheidend für die Wirkung der Verfügungsbeschränkungen nach § 144 BauGB mit der Genehmigungspflicht ist die ortsübliche Bekanntmachung der Sanierungssatzung (§ 143 Abs. 1 S. 4 BauGB, Schöner/Stöber, Rn. 3884). Fehlt der Sanierungsvermerk, so kommt eine Berufung auf den guten Glauben ans Nichtbestehen einer solchen Verfügungsbeschränkung nicht in Betracht (Schöner/Stöber, Rn. 3884; Krautzberger, § 143 Rn. 32).
Der Sanierungsvermerk ist kein einzutragendes Recht i. S. d. § 879 BGB und hat mithin keinen Rang (Krautzberger, § 143 Rn. 32). Die Eintragung des Sanierungsvermerks wirkt sich auch umgekehrt nicht auf die Rangstellen eingetragener Rechte aus (Schöner/Stöber, Rn. 3884; Schrödter/Möller, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 143 Rn. 8).
2. Genehmigungspflicht nach § 144 BauGB
a) Allgemeines
Zur Sicherung der Sanierung sieht § 144 BauGB die Pflicht zur Genehmigung bestimmter Rechtsvorgänge vor und dadurch eine Verfügungs- und Veränderungssperre. Dieser Sperre liegt der Gedanke zugrunde, dass sich eine Sanierung nur dann erfolgreich innerhalb angemessener Frist durchführen lässt, wenn tatsächliche Veränderungen und Rechtsvorgänge unterbunden werden, die sich möglicherweise erschwerend auf den Sanierungsablauf auswirken (vgl. Krautzberger, EL 10/2018, § 144 Rn. 2). Zudem sollen die Grundstückseigentümer vor Investitionen geschützt werden, die sich beim Vollzug der Sanierung als verfehlt erweisen könnten (Brügelmann/Schmidt-Eichstaedt, BauGB, EL 1/2009, § 144 Rn. 2).
b) Genehmigungspflichtige Rechtsvorgänge
Genehmigungspflichtig ist im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet u. a. die rechtsgeschäftliche Veräußerung des Grundstücks (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB), aber auch ein diesbezüglicher schuldrechtlicher Vertrag, durch den eine Verpflichtung zu einem Rechtsgeschäft i. S. d. Nr. 1 begründet wird (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 BauGB). Mit Genehmigung des schuldrechtlichen Vertrags gilt zugleich das in Ausführung des Vertrags vorgenommene dingliche Rechtsgeschäft als genehmigt (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 BauGB; Krautzberger, § 144 Rn. 28).
Sowohl der Kaufvertrag (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) als auch die Veräußerung des Grundstücks (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) bedarf daher der Genehmigung. Nach h. M. ist unter dem Begriff „Veräußerung von Grundstücken“ die dingliche Einigung gem. §§ 873, 925 BGB, also die Auflassung zu verstehen (vgl. Schrödter/Möller, § 144 Rn. 11; Krautzberger, § 144 Rn. 28).
c) Zeitlicher Anwendungsbereich
Für den zeitlichen Anwendungsbereich des § 144 Abs. 2 BauGB gilt Folgendes: Die Genehmigungspflicht erfasst Vorhaben und Rechtsvorgänge nach förmlicher Festlegung des Sanierungsgebiets (vgl. OVG Lüneburg NJW 1979, 1316, 1317). Kaufverträge, die vor förmlicher Festlegung, also vor Wirksamkeit der Sanierungssatzung abgeschlossen wurden, unterliegen daher nicht der Genehmigungspflicht nach § 144 Abs. 2 BauGB (Schöner/Stöber, Rn. 3887). Sie unterliegen der Genehmigungspflicht aber grundsätzlich dann, wenn sie zwar vor förmlicher Festlegung begonnen worden, jedoch noch nicht abgeschlossen sind. Dies betrifft insbesondere schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte, die z. B. noch einer Genehmigung bedürfen oder unter einer Bedingung stehen (vgl. OVG Lüneburg NJW 1979, 1316, 1317). Ist etwa ein Kaufvertrag zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sanierungssatzung schwebend unwirksam, weil ihm eine notwendige Genehmigung fehlt, und wird die Genehmigung nach diesem Zeitpunkt erteilt, dann bedarf der Kaufvertrag nach herrschender Auffassung der sanierungsrechtlichen Genehmigung (Schöner/Stöber, Rn. 3887).
Demgegenüber sind Vollzugsakte, die lediglich die Eintragung in das Grundbuch betreffen (wie etwa Eintragungsantrag und Eintragungsbewilligung), von der Genehmigungspflicht nicht erfasst (Schöner/Stöber, Rn. 3887; Krautzberger, § 144 Rn. 28). Erfordert die Wirksamkeit eines Vorhabens die Grundbucheintragung, gilt also: Schuldrechtlicher Kaufvertrag und Auflassung bzw. Einigung müssen vor Inkrafttreten der förmlichen Gebietsfestlegung rechtswirksam geworden sein, der erst danach gestellte Eintragungsantrag löst die Genehmigungspflicht nicht aus (Schrödter/Möller, § 144 Rn. 7; Krautzberger, § 144 Rn. 8 und Rn. 28; Brügelmann/Schmidt-Eichstaedt, § 144 Rn. 24 mit Hinweis auf die unveröffentlichte Entscheidung OVG Bremen – 1 W 88.72; vgl. auch KG DNotI-Report 1997, 70; VG Berlin BeckRS 2015, 49086).
3. Würdigung des konkreten Falls
Im konkreten Fall wurden Kaufvertrag und Auflassung vor Bekanntmachung der Satzung gem. § 143 Abs. 1 BauGB beurkundet. Sie sind damit nicht genehmigungspflichtig gem. § 144 BauGB; die später noch zu erklärende Eintragungsbewilligung ist es als Vollzugsakt ebenfalls nicht.
Der Nachtrag regelt lediglich Abwicklungs- und Vollzugsmodalitäten, die vom ursprünglichen Vertrag abweichen (Verlängerung der Räumungsfrist, Kaufpreisaufteilung, sofortige Übergabe, Zahlung auf Treuhandkonto zur Absicherung der Räumung). Die essentialia negotii des Vertrags werden nicht berührt, auch die Auflassung wurde nicht neu erklärt. Damit stellt der Nachtrag weder eine rechtsgeschäftliche Veräußerung i. S. d. § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB dar noch einen schuldrechtlichen Vertrag i. S. d. § 144 Abs. 2 Nr. 3 BauGB; durch den Nachtrag wird keine schuldrechtliche Verpflichtung zur Veräußerung begründet. Allerdings ist die überwiegende Literatur der Ansicht, dass die Änderung eines bereits sanierungsrechtlich genehmigten schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts genehmigungspflichtig sei (Krautzberger, § 144 Rn. 39; Schrödter/Möller, § 144 Rn. 14; Brügelmann/Schmidt-Eichstaedt, § 144 Rn. 31; BeckOK-BauGB/Schmitz, Std.: 1.2.2019, § 144 Rn. 37). Laut Krautzberger (§ 144 Rn. 39) sind zudem Änderungen von „vor förmlicher Festlegung des Gebiets rechtswirksam geworden[en]“ Verträgen genehmigungspflichtig.
Unseres Erachtens stellen nachträgliche Änderungen eines vor Erlass der Sanierungssatzung vollwirksamen schuldrechtlichen Vertrags keinen genehmigungspflichtigen Tatbestand dar. Krautzberger stützt seine Ansicht nicht mit Argumenten. Gegen diese Ansicht spricht bereits der Wortlaut des § 144 Abs. 2 Nr. 3 BauGB, wonach der schuldrechtliche Vertrag eine Verpflichtung zur Veräußerung begründen muss. Die Änderung von Modalitäten des Kaufvertrags, die nicht die Verpflichtung zur Verfügung über das Grundstück betreffen, sind hiernach vom Gesetz nicht erfasst. Auch eine teleologische Betrachtung von § 144 BauGB lässt sich u. E. gegen die Genehmigungspflicht anführen: Der Genehmigungsvorbehalt soll die zügige Durchführung der Sanierung ermöglichen; Modifikationen am schuldrechtlichen Vertrag wie die Änderung von Räumungsfristen oder abweichende Zahlungsmodalitäten beeinträchtigen das Sanierungsziel aber ebenso wenig wie ein unveränderter schuldrechtlicher Vertrag mit Auflassung, dessen Vollzug noch aussteht. Nimmt man aber bei solchen Rechtsgeschäften, die vor Wirksamkeit der Sanierungssatzung abgeschlossen wurden, Einwirkungen auf die Sanierungsziele hin, so muss dies für nachträgliche Modifikationen der vorliegenden Art ebenfalls gelten. Hinzu kommt: Würde man für derartige periphere Vertragsänderungen eine Genehmigungspflicht bejahen, käme dies einer echten Rückwirkung oder Rückbewirkung von Rechtsfolgen gleich, da man ein ursprünglich genehmigungsfreies Rechtsgeschäft ex post einem Vorbehalt unterstellte.
Das Grundbuchamt kann nach oben Gesagtem ab ordnungsgemäßer Bekanntmachung der Sanierungssatzung bei gegebener Genehmigungspflicht i. S. d. § 144 Abs. 2 BauGB zwar bereits vor Eintragung eines Sanierungsvermerks Genehmigung oder Negativattest verlangen. Da aber der Nachtrag kein genehmigungspflichtiger Rechtsvorgang i. S. d. § 144 Abs. 2 BauGB ist, bedarf es bereits aus diesem Grund keiner Genehmigung und keines Negativattests.
4. Zusammenfassendes Ergebnis
Das Grundbuchamt prüft von Amts wegen, ob der einzutragende Rechtsvorgang dem sanierungsrechtlichen Genehmigungserfordernis unterliegt.
Im konkreten Fall bedürfen Kaufvertrag und Auflassung keiner sanierungsrechtlichen Genehmigung nach §§ 144, 145 BauGB, da diese Rechtsgeschäfte vor Bekanntmachung der Sanierungssatzung rechtswirksam abgeschlossen wurden. Ebenso wenig ist ein Negativattest i. S. d. § 145 Abs. 6 S. 2 BauGB erforderlich.
Der Nachtrag bedarf u. E. keiner sanierungsrechtlichen Genehmigung nach § 144 Abs. 2 BauGB, weil bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
Das Grundbuchamt kann ab ordnungsgemäßer Bekanntmachung der Sanierungssatzung bei gegebener Genehmigungspflicht i. S. d. § 144 Abs. 2 BauGB zwar bereits vor Eintragung eines Sanierungsvermerks Genehmigung oder Negativattest verlangen. Da aber im Nachtrag kein genehmigungspflichtiger Rechtsvorgang i. S. d. § 144 Abs. 2 BauGB liegt, sind bereits aus diesem Grund Genehmigung und Negativattest entbehrlich.