17. Mai 2019
SGB VIII § 56; BGB § 1821; HKJGB § 14

Gesetzgebungskompetenz landesrechtlicher Befreiungsvorschriften von dem Genehmigungserfordernis des § 1821 BGB; Geltungsbereich; Kollision

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 168785
letzte Aktualisierung: 17. Mai 2019

BGB § 1821; SGB VIII § 56; HKJGB § 14
Gesetzgebungskompetenz landesrechtlicher Befreiungsvorschriften von dem Genehmigungserfordernis
des § 1821 BGB; Geltungsbereich; Kollision

I. Sachverhalt

Im Dezember 2018 verkauft die Minderjährige M, vertreten durch das für ihren Wohnsitz zuständige
Jugendamt in Hessen als Amtsvormund, ein in Rheinland-Pfalz belegenes Grundstück.

Zur Kaufpreisfinanzierung wird vom Käufer in Ausübung der Belastungsvollmacht eine Grundschuld
bestellt. Der Notar hat Kaufvertrag und Grundschuld zur „vormundschaftsgerichtlichen“
Genehmigung beim AG in Hessen vorgelegt. Dieses teilt nunmehr mit, dass gem. § 14 HKJGB
keine Genehmigung zu Kaufvertrag und Grundschuld erforderlich sei.

II. Fragen

1. Kann der hessische Landesgesetzgeber vom bundesgesetzlichen Genehmigungserfordernis
des § 1821 BGB durch § 14 HKJGB befreien?

2. Gilt dies auch, wenn die Vermögenswerte außerhalb des Landes Hessen belegen sind?

3. Trifft die Auslegung von § 14 HKJGB durch das Gericht zu, dass auch von dem Erfordernis
der gerichtlichen Genehmigung befreit werden soll, oder bezieht sich § 14
HKJGB ggf. auf sonstige gerichtliche Aufsichtsmaßnahmen?

III. Zur Rechtslage

1. Gesetzgebungskompetenz

Nach Art. 74 Nr. 1 GG unterliegt das Bürgerliche Recht der konkurrierenden Gesetzgebung.
Da der Bundesgesetzgeber bereits umfassend von seiner Regelungskompetenz Gebrauch
gemacht hat, sind landesrechtliche Regelungen nur noch dort möglich, wo es explizite
Vorbehalte für landesrechtliche Regelungen gibt (vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG,
84. EL August 2018, Art. 74 Rn. 55). Ein solcher Vorbehalt für landesrechtliche Regelungen
ist auch im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung möglich (vgl. Uhle, in:
Maunz/Dürig, Art. 72 Rn. 105). Vorliegend gibt es einen solchen Vorbehalt für abweichende
Länderregelungen zu § 1821 BGB in § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VIII, der bestimmt,
dass Landesrecht für das Jugendamt als Amtsvormund weitergehende Ausnahmen von den
Bestimmungen des BGB über die Vormundschaft über Minderjährige vorsehen kann. Von
dieser Ermächtigung haben die Länder unterschiedlichen Gebrauch gemacht. Hessen hat
dies in § 14 HKJGB getan.

2. Umfang der Befreiung

Leider stehen uns auch keine Kommentierungen zu § 14 HKJGB zu Verfügung. Allerdings
ist der Wortlaut der Vorschrift u. E. eindeutig und sieht eine Befreiung von dem Genehmigungserfordernis
des § 1821 BGB vor. Auch aus der Ermächtigungsnorm des § 56
Abs. 2 S. 2 u. 3 SGB VIII folgt, dass die Gesetzgebungskompetenz des Landes durchaus
auch die Befreiung von den Genehmigungserfordernissen des § 1821 BGB vorsehen kann.
Wir halten daher die Auslegung des Gerichts für zutreffend.

3. Landesüberschreitende Geltung

Die Frage der Anwendbarkeit in bundeslandübergreifenden Sachverhalten ist – soweit ersichtlich
– in Literatur und Rechtsprechung noch nicht erörtert worden.

In den Kommentaren zu § 56 SGB VIII heißt es lediglich allgemein:

„Weitere Befreiungen von den Bestimmungen des BGB in vermögensrechtlicher
Hinsicht sowie beim Abschluss von Lehr- und

Arbeitsverträgen kann [können] durch Landesrecht vorgesehen
werden. Diese gelten nur im jeweiligen Bundesland.“

(BeckOK-Sozialrecht/Winkler, Std.: 1.3.2019, § 56 SGB VIII
Rn. 6) und

„Weitergehende Einschränkungen sind landesrechtlichen Vorschriften
vorbehalten und dann nur im entsprechenden Einzugsbereich
anwendbar.“

(BeckOGK-SGBVIII/Bohnert, Std.: 1.4.2019, § 56 Rn. 8).

Ob mit diesen pauschalen Aussagen tatsächlich bundeslandübergreifende Sachverhalte gemeint
sind, darf bezweifelt werden. Auch allgemein gültige Regelungen (Kollisionsnormen)
für unterschiedliche landesrechtliche Regelungen haben wir nicht ausfindig machen können.
Nach unserer Einschätzung ist daher allgemein der Aussagegehalt der Regelung in den Blick
zu nehmen. Die landesrechtlichen Regelungen enthalten im Ergebnis Kompetenzregelungen
des Jugendamtes als Amtsvormund. Zuständig ist – das unterstellen wir in
diesem Falle – ein Jugendamt im Bundesland Hessen und dieses hat durch die landesrechtliche
Regelung die Kompetenz, über Grundstücke ohne familiengerichtliche Genehmigung
zu verfügen. Eine Einschränkung auf in Hessen belegene Grundstücke enthält die
Vorschrift nicht. Sofern das Landesrecht der zuständigen Stelle eine Kompetenz zuspricht
und daher diese den Vertrag wirksam abschließen kann, muss dies u. E. auch über die
Landesgrenzen hinaus Geltung haben.

Zum Vergleich könnte man u. E. noch die – auch in Hessen – landesrechtlich vorgesehene
Beglaubigungskompetenz des Vorstehers des Ortsgerichts heranziehen. Nach ganz h. M.
genügen derartige Beglaubigungen über die Landesgrenzen hinaus im gesamten Bundesgebiet
den Vorgaben des § 29 GBO (LG Bonn Rpfleger 1983, 309; BeckOK-GBO/Otto,
Std.: 1.3.2019, § 29 Rn. 200; Böhringer, BWNotZ 2017, 30, 31). Insoweit hat das LG Bonn
(Rpfleger 1983, 309) ausgeführt:

„Die auf rheinland-pfälzischem Landesrecht beruhende öffentliche
Beglaubigung ist auch nicht etwa nur zur Vorlage in Rheinland
Pfalz geeignet. Vielmehr muss davon ausgegangen werden,
dass öffentliche Beglaubigungen, die gemäß § 63 BeurkG auf landesrechtlichen
Regelungen beruhen, im ganzen Bundesgebiet den
gesetzlichen Anforderungen an eine öffentliche Beglaubigung
genügen. Der Gesetzeswortlaut des Beurkundungsgesetzes gibt
für eine Einschränkung der Verwendungsmöglichkeit der auf
diese Weise erlangten öffentlichen Beglaubigung nichts her. Auch
dem vorrangigen Sinn der gesetzlichen Regelung, nämlich in
erster Linie den Ländern die Möglichkeit zu geben, überkommene
Zuständigkeiten aufrechtzuerhalten (vgl. Jansen a. a. O.
Anm. 3 mit Nachweisen) entspricht es, die Verwendbarkeit der
auf diese Weise öffentlich beglaubigten Urkunden nicht auf die
Landesgrenzen zu beschränken.“

Auch der Norm des § 56 SGB VIII lässt sich keine Begrenzung auf in Hessen belegene
Grundstücke entnehmen.

Für diese Sichtweise spricht auch die bundesrechtliche Zuständigkeitsnorm des § 152
FamFG. Diese bestimmt, dass (vorbehaltlich der Anhängigkeit einer Ehesache nach § 152
Abs. 1 FamFG) ausschließlich das Familiengericht zuständig ist, in dessen Bezirk das Kind
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es wird daher die Zuständigkeit auch allein an den
Aufenthalt des Kindes geknüpft und nicht an den Ort der Auswirkungen der Fürsorgehandlung.
Ausschließlich zuständig ist daher vorliegend auch ein hessisches Familiengericht.

Es ist zudem anerkannt, dass sich auch Landesrecht auf das Gebiet eines anderen Landesrechts
erstrecken kann (vgl. allerdings für einen Sonderfall des räumlichen Geltungsbereiches:
BVerwG NVwZ 2016, 938, 940).

4. Ergebnis

Im Ergebnis halten wir eine familiengerichtliche Genehmigung vorliegend für entbehrlich
und daher die Auslegung des Gerichts für zutreffend. Mangels Rechtsprechung oder
Literatur zu einem bundeslandübergreifenden Fall ist die Rechtslage jedoch nicht abschließend
geklärt.

Gutachten/Abruf-Nr:

168785

Erscheinungsdatum:

17.05.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)

Normen in Titel:

SGB VIII § 56; BGB § 1821; HKJGB § 14