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EGBGB Art. 25, 26 Brasilien: Erbstatut, Pflichtteilsrecht I. Sachverhalt Eine verwitwete deutsche Staatsangehörige hat zwei Kinder. Ihr gehört u. a. Grundbesitz in Brasilien. Beim Tod der Eigentümerin soll eines ihrer Kinder nichts erhalten bzw. so wenig wie möglich verlangen können. II. Fragen 1. 2. Welches Erbrecht gilt hinsichtlich des in Brasilien gelegenen Grundbesitzes? Hat das Kind, welches von der Erbfolge aufgrund Testament ausgeschlossen werden soll, einen Pflichtteilsanspruch an dem vorgenannten Grundbesitz und ist dieser evtl. sogar ein Noterbrecht?
III. Zur Rechtslage 1. Erbstatut a) Deutsches IPR Aus deutscher Sicht richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes angehört, vorliegend also nach deutschem Recht. Dies gilt vorbehaltlich einer möglichen Durchbrechung des Gesamtstatuts durch ein Einzelstatut gem. Art. 3 Abs. 3 EGBGB, und zwar insbesondere im Fall von im Ausland belegenem unbeweglichen Vermögen, sofern das ausländische Kollisionsrecht insoweit ,,besondere Vorschriften" vorsieht. b) Brasilianisches IPR Das brasilianische Kollisionsrecht regelt das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht in Art. 10 Lei de Introdução ao Código Civil Brasileiro, L. I. 1942. Art. 10 L.I. 1942 bestimmt:
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Art. 10. A sucessão por morte ou por ausência obedece à lei do país em que era domiciliado o defunto ou o desaparecido, qualquer que seja a natureza e a situação dos bens.
Art. 10. Die Erbfolge wegen Todes oder Verschollenheit richtet sich nach dem Gesetz des Landes, in dem der Verstorbene oder der Verschollene seinen Wohnsitz gehabt hat, welches auf die Natur und die Lage der Güter sei. § 1 Die Erbfolge in Güter eines Ausländers, die sich in Brasilien befinden, wird nach dem brasilianischen Recht zugunsten des brasilianischen Ehegatten oder der ehelichen Kinder geregelt, sofern nicht das Personalstatut des Erblassers für sie günstiger ist. § 2 Das Gesetz des Wohnsitzes des Erben oder des Vermächtnisnehmers bestimmt ihre Fähigkeit zu erben.
§ 1 A sucessão de bens de estrangeiros situados no País será regulada pela lei brasileira, em benefício do cônjuge ou dos filhos brasileiros, sempre que lhes não seja mais favorável a lei pessoal do de cujus.
§ 2 A lei do domicílio do herdeiro ou legatário regula a capacidade para suceder.
Das brasilianische IPR knüpft also an das Wohnsitzrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes an. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht Art. 10 § 1 L.I. 1942. Eine dem Art. 10 § 1 L.I. 1942 im Wortlaut ähnlich und der Zielsetzung vergleichbare Vorschrift enthält die brasilianische Verfassung vom 5.10.1988 in ihrem Art. 5 XXXI. Diese Bestimmung schreibt vor, dass sich die Nachfolge in das in Brasilien belegene Vermögen eines Ausländers ,,zugunsten des (brasilianischen) Ehegatten und der brasilianischen Kinder" nach brasilianischem Recht richtet, sofern das Heimatrecht des Verstorbenen diese Personen nicht günstiger stellt (Staudinger/Dörner, Neubearb. 2000, Anh. zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 97). Im Gegensatz zu Art. 10 § 1 L.I. 1942 werden vom Schutz der Verfassungsnorm alle Kinder des Verstorbenen (und nicht nur die ehelichen) umfasst. Beide Vorschriften sind gleichwertig, wobei jeweils diejenige anzuwenden ist, welche für die brasilianischen Angehörigen günstiger ist (Staudinger/Dörner, Anh. zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 97). Allerdings würde diese Vorschrift vorliegend nur dann eingreifen, wenn es sich bei den Kindern der Erblasserin um brasilianische Staatsangehörige handeln würde. Aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts wird jedoch davon ausgegangen, dass die Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, so dass die Ausnahmevorschriften der Art. 10 § 1 L.I. 1942 und Art. 5 XXXI der brasilianischen Verfassung hier keine Anwendung finden. Es bleibt damit insgesamt auch aus brasilianischer Sicht bei der Berufung des deutschen Erbrechts und zwar auch bezüglich des in Brasilien belegenen Grundbesitzes. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Erblasserin auch zum Zeitpunkt ihres Todes in Deutschland wohnhaft ist. Sollte sie mit Wohnsitz in Brasilien versterben, so wäre aus der Sicht des brasilianischen IPR das brasilianische Erbrecht berufen.
Seite 3 2. Form des Testaments a) Deutsches IPR Aus deutscher Sicht findet hinsichtlich der Frage der bei Testamentserrichtung einzuhaltenden Form das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 Anwendung. Art. 1 a des Testamentsübereinkommens lässt u. a. die Einhaltung der Ortsform genügen (entsprechend Art. 26 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). b) Brasilianisches IPR Brasilien, das dem Haager Testamentsübereinkommen nicht beigetreten ist, lässt für die formelle Gültigkeit letztwilliger Verfügungen ebenfalls die Ortsform ausreichen (Weishaupt, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Brasilien, Rn. 17). Sind die formellen Vorschriften des Errichtungsorts eingehalten, wird das Testament in Brasilien anerkannt, auch wenn es nicht den Vorschriften des brasilianischen Rechts entspricht. 3. Brasilianisches Pflichtteils-/Noterbrecht Sollte vorliegend brasilianisches Erbrecht zur Anwendung gelangen (aus brasilianischer Sicht dann, wenn die Erblasserin mit Wohnsitz in Brasilien versterben sollte), ist das Noterbrecht (Zwangserbrecht) des Novo Código Civil zu beachten. Das Zwangserbrecht ist in den Art. 1845 ff. NCC geregelt. Es steht den Abkömmlingen, den Aszendenten und dem Ehegatten des Erblassers zu, welche im Zeitpunkt des Todes des Erblassers leben. Das Zwangserbrecht besteht in der Hälfte des dem jeweiligen Zwangserben zustehenden gesetzlichen Erbteils (vgl. Art. 1846 NCC und Weishaupt, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Brasilien, Hinweise S. 2). Gesetzliche Erben wären die Kinder zu je ½, so dass das Kind, das so wenig wie möglich verlangen können soll, nach brasilianischem Recht jedenfalls Zwangserbe i. H. v. ¼ wäre.