26. Januar 2017
EGBGB Art. 15; EGBGB Art. 14

Türkei: Gesetzlicher Güterstand türkischer Eheleute; Schuldenhaftung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 153196
letzte Aktualisierung: 26. Januar 2017

EGBGB Artt. 14, 15
Türkei: Gesetzlicher Güterstand türkischer Eheleute; Schuldenhaftung

I. Sachverhalt
Beide Eheleute sind türkische Staatsangehörige. Sie haben keinen Ehevertrag geschlossen. Der
Ehemann hat ein Einzelhandelsunternehmen und möchte ausschließen, dass seine Frau für seine
Verbindlichkeiten haftet.

II. Fragen
1. Gibt es aufgrund des türkischen Güterstandes eine Mithaftung des Ehegatten für Schulden
des Ehepartners?
2. Ergibt sich aufgrund des türkischen Güterstandes eine Haftungsmasse, auf die Gläubiger für
Schulden des anderen Ehegatten zurückgreifen können?

III. Zur Rechtslage
1. Das auf den ehelichen Güterstand anwendbare Recht
Aus der Sicht des deutschen Rechts unterliegen die Eheleute grundsätzlich dem türkischen
Ehegüterrecht. Dies folgt aus Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB, wonach
primär auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung und zwar
unwandelbar abgestellt wird. Diese Verweisung erfasst gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB
auch das türkische Kollisionsrecht.
Das türkische Kollisionsrecht bestimmt das anwendbare Güterrecht gem. Art. 15 Abs. 1 des
Gesetzes Nr. 5718 über das Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (Text in IPRax
2008, 283 ff.; das neue türkische IPRG gilt auch für Ehen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes
geschlossen worden sind, Krüger/Nomer-Ertan, IPRax 2008, 281) in erster Linie nach dem
Recht, das die Ehegatten gewählt haben. Fehlt es (wie wohl im vorliegenden Fall bisher) an
einer Rechtswahl, so wird hinsichtlich des ehelichen Vermögens an das gemeinsame
Heimatrecht im Zeitpunkt der Eheschließung und, falls ein solches nicht vorhanden ist,
an das des gemeinsamen Wohnsitzes zur Zeit der Eheschließung und, falls auch ein solcher
fehlt, an das türkische Recht angeknüpft. Da die Ehegatten vorliegend im Zeitpunkt der Eheschließung
ausschließlich die türkische Staatsangehörigkeit hatten, ist also auch nach Art. 15
Abs. 1 türk. IPRG das türkische Güterrecht berufen. Das türkische Recht nimmt demnach
die Verweisung durch das deutsche Kollisionsrecht grundsätzlich an.
Allerdings enthält das türkische IPRG in Art. 15 Abs. 2 folgende Bestimmung:
„Auf die Auseinandersetzung des Vermögens hinsichtlich unbeweglicher
Sachen wird das Recht des Landes, in dem sie belegen sind, angewandt.“
In der Literatur (vgl. etwa Schaal, Aktuelles im IPR/aus dem Ausland, BWNotZ 2008, 131,
132) wird diese Vorschrift zum Teil als allgemeine kollisionsrechtliche Regel angesehen,
mit der Folge, dass sich das Güterrechtsstatut im Hinblick auf in Deutschland belegenes unbewegliches
Vermögen stets nach deutschem Recht richten soll. Dagegen spricht jedoch der
Wortlaut der Vorschrift, der ausdrücklich auf die Auseinandersetzung des Vermögens abstellt.
Es dürfte sich hier also nicht um eine allgemeine Verweisungsregel für unbewegliches
Vermögen handeln, sondern nur um eine klarstellende Bestimmung, wonach die Auseinandersetzung
des unbeweglichen Vermögens den Regeln der lex rei sitae folgt. Danach
bleibt es hier grundsätzlich bei der Berufung des türkischen Güterrechts. Zu diesem
Ergebnis gelangt auch das OLG Köln (NJW 2014, 2290): Nach Auffassung des OLG Köln
verweist Art. 15 Abs. 2 türk. IPRG lediglich in Ansehung der „Auseinandersetzung der
ehelichen Güter auf das Recht des Lageorts“. Hingegen werde durch diese Bestimmung im
Hinblick auf in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen nicht allgemein der Güterstand
der Zugewinngemeinschaft begründet.
Hingegen hat sich das OLG Bremen (Beschl. v. 7.5.2015 – 4 WF 52/15, BeckRS 2015,
11706) – allerdings im Rahmen der Durchführung des Zugewinnausgleichs – für eine
Annahme der auf das im Inland belegene unbewegliche Vermögen gegenständlich
beschränkten Rückverweisung ausgesprochen.
Soweit es um das unbewegliche Vermögen geht, ist daher noch nicht abschließend geklärt,
ob das türkische Recht auf das Güterrecht der lex rei sitae verweist.

2. Gesetzlicher Güterstand nach türkischem Recht
Der gesetzliche Güterstand in der Türkei war nach dem türkischen ZGB i. d. F. bis zum
31.12.2001 die Gütertrennung (Artt. 170, 186 ff. türk. ZGB a.F.). Nach Art. 186 Abs. 1 türkisches
ZGB a. F. bedeutete Gütertrennung, dass jeder Ehegatte an seinen gesamten Gütern
die Verwaltungs- und Nutzungsrechte behält. Das türkische ZGB i. d. F. vom 1.1.2002
sieht als gesetzlichen Güterstand die Errungenschaftsbeteiligung vor (Art. 202 S. 1 türk.
ZGB n. F.). Sofern die Eheleute hier vor Inkrafttreten des neuen türkischen ZGB geheiratet
haben, galt gem. Art. 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum türkischen Zivilgesetzbuch
der Güterstand der Gütertrennung bis zum Inkrafttreten des neuen ZGB. Seit Inkrafttreten
des neuen türkischen ZGB gilt – mangels anders lautender Vereinbarung – der neue gesetzliche
Güterstand als vereinbart. Dementsprechend leben die Eheleute jedenfalls seit dem
1.1.2002 im Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Es handelt sich hierbei nicht um
eine Errungenschaftsgemeinschaft; vielmehr ist die Errungenschaftsbeteiligung des türkischen
Rechts ein Unterfall der Gütertrennung – ähnlich wie die Zugewinngemeinschaft
deutschen Rechts. Während des Bestehens des Güterstands bleibt das jeweilige Eigentum
der Eheleute getrennt; erst bei Beendigung des Güterstandes findet eine schuldrechtliche
Auseinandersetzung statt. Der wesentliche (aber auch nahezu einzige) Unterschied zur
Zugewinngemeinschaft ist, dass ein Wertzuwachs des in die Ehe eingebrachten oder durch
Schenkung oder von Todes wegen erworbenen Vermögens von vornherein nicht dem Ausgleich
unterfällt (also im Ergebnis ähnlich wie eine häufig in Deutschland ehevertraglich
vorgenommene Modifikation der Zugewinngemeinschaft).
Die Haftung der Eheleute, welche in Errungenschaftsbeteiligung leben, entspricht derjenigen
bei der Gütertrennung. Nach Art. 224 türk. ZGB haften die Ehegatten für ihre
jeweils persönlichen Schulden mit ihrem ganzen Vermögen, d. h. mit ihrer Errungenschaft
und ihrem Eigengut. Dabei ist es unerheblich, ob die Schulden vor oder nach Eheschließung
gemacht wurden und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen (Seker, FamRZ 2007, 1782).
Der andere Ehegatte haftet also nicht für die Verpflichtungen seines Ehegatten (Çataltepe,
Türkisches Eherecht, Wien 2014, 8/202). Eine Ausnahme bilden lediglich die
Verbindlichkeiten, die ein Ehegatte in Vertretung der ehelichen Gemeinschaft (Art. 188
Abs. 1 u. 2 türk. ZGB) eingegangen ist und für die beide Ehegatten gesamtschuldnerisch
haften (Çataltepe, 8/202).
Diese Haftungsregelung wird ergänzt durch Art. 213 türk. ZGB. Diese Vorschrift bestimmt
im Wortlaut:
Art. 213
Durch Begründung oder Änderung des Güterstandes oder durch Auseinandersetzung
des bisherigen Güterstandes können Vermögensgegenstände, aus denen
bis dahin die Gläubiger eines Ehegatten oder der Gemeinschaft Befriedigung
verlangen konnten, bei der Haftung nicht entzogen werden.
Der Ehegatte, auf den solche Vermögensgegenstände übergegangen sind, haftet
persönlich für die Verbindlichkeiten; er kann sich von der Haftung insoweit befreien,
als er nachweist, dass die empfangenen Vermögensgegenstände zur Begleichung
der Schuld nicht ausreichen.
Im Ergebnis führt diese Regelung dazu, dass die bisherigen Gläubiger so behandelt werden,
als ob güterrechtlich begründete Vermögensverschiebungen unter den Ehegatten nicht stattgefunden
hätten.

Gutachten/Abruf-Nr:

153196

Erscheinungsdatum:

26.01.2017

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

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