Verlust einer Seite der Urschrift; Ersetzung durch reproduzierte Seite
BeurkG §§ 44, 44a Abs. 2
Verlust einer Seite der Urschrift; Ersetzung durch reproduzierte Seite
I. Sachverhalt
Bei der Verbindung eines beurkundeten Vertrages ist beim Herstellen der Urschrift und der beglaubigten Abschriften (Ausfertigungen wurden nicht erteilt) der Fehler passiert, dass ein Blatt der Urkunde nicht mit eingebunden wurde. Dies blieb zunächst unbemerkt. Die Urkunde ist durchnummeriert, die Seite 5 fehlt, sie ist aber anhand des gespeicherten Entwurfs zweifelsfrei reproduzierbar.
II. Fragen
1. Muss die Urschrift entheftet und mit der bisher fehlenden Seite 5 neu zusammengeheftet werden oder kann die bisher bei der Urschrift fehlende Seite an die Urschrift angesiegelt werden? Ist ein entsprechender Vermerk anzubringen?
2. Wenn das fehlende Blatt angesiegelt wird, können dann trotzdem beglaubigte Abschriften in der Weise hergestellt werden, dass die Seiten fortlaufend nummeriert zusammengeheftet werden?
III. Zur Rechtslage
Ist die Urkunde vollständig, d. h. auch mit der nunmehr fehlenden Seite 5, gem.
Eine fehlerhafte Siegelung oder Heftung der einzelnen Seiten der Niederschrift macht diese nicht unwirksam; „lediglich“ der Beweiswert der Urkunde wird beeinträchtigt (BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.3.2024, § 44 Rn. 22; Grziwotz/Heinemann, in: Grziwotz/Sauer/Heinemann, BeurkG, 4. Aufl. 2024, § 44 Rn. 14). Dabei ist der Notar – ebenso wie sein Amtsnachfolger – berechtigt und verpflichtet, eine nachträglich festgestellte fehlende bzw. fehlerhafte Heftung und Siegelung nachzuholen (BeckOGK-BeurkG/Regler, § 44 Rn. 23 f.). Ein solches Nachholen der fehlerhaften Heftung ist jedoch nur möglich, wenn tatsächlich die in der Beurkundung verlesene Seite 5 noch auffindbar ist. Ist die Originalseite nicht auffindbar, so ist eine nachträgliche korrekte Heftung bereits nicht mehr möglich.
Existiert – wie vorliegend – auch keine vollständige beglaubigte Abschrift oder Ausfertigung, scheidet auch das Verfahren der Ersetzung nach
In Betracht kommt jedoch eine Berichtigung nach
In diesem Sinne hat sich auch der BGH geäußert (
„Gemäß
Die Entscheidung des BGH ist zwar zur Berichtigung eines Hauptversammlungsprotokolls i. S. v. § 130 AktG, also zu einem Beurkundungsvorgang i. S. v.
Der BGH weist in seinen Entscheidungsgründen überdies auf Folgendes hin (Tz. 26):
„
Mit Blick auf den vorliegenden Sachverhalt dürfte sich bereits aus der Nummerierung der Seiten sowie ggf. auch aus dem Fließtext ergeben, dass offensichtlich eine Textpassage bzw. Seite fehlt. Auf die Frage, ob die Auslassung für jedermann und nicht nur für die Urkundsperson erkennbar sein muss (in diesem Sinne OLG München
Formulierungsvorschläge für einen Vermerk in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation finden sich in der Literatur – soweit ersichtlich – nicht. Der Nachtragsvermerk ist jedenfalls mit dem Datum der Richtigstellung zu versehen sowie am Schluss nach den Unterschriften oder auf einem besonderen, mit der Urschrift zu verbindenden Blatt niederzulegen, § 44a Abs. 2 S. 2 u. 3 BeurkG. Wird die elektronische Fassung der Urschrift zum Zeitpunkt der Richtigstellung bereits in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt, darf der Nachtragsvermerk nur noch auf einem gesonderten, mit der Urkunde zu verbindenden Blatt niedergelegt werden,
Beglaubigte Abschriften sowie Ausfertigungen können für die Beteiligten oder den Rechtsverkehr (z.B. Grundbuchamt) auch als sog. „Reinschriften“ – also mit dem berichtigten Inhalt, hier also mit dem Inhalt der derzeit fehlenden Seite 5, und zwar in nunmehr fortlaufender Nummerierung – erstellt werden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass beglaubigte Abschriften und Ausfertigungen die inhaltliche, nicht aber die optische Übereinstimmung mit der Urschrift bezeugen (
204070
Erscheinungsdatum:07.06.2024
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Beurkundungsverfahren
Erschienen in: Normen in Titel:BeurkG § 44a Abs. 2