Mietervorkaufsrecht bei einem Wohnungserbbaurecht; zeitliche Reihenfolge: Beurkundung der Teilungserklärung; Abschluss eines Kaufvertrags; Überlassung der Räumlichkeiten an einen Mieter; Vollzug der Teilungserklärung und Eintragung des Erwerbers
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 152273
letzte Aktualisierung: 4. Juli 2017
Mietervorkaufsrecht bei einem Wohnungserbbaurecht; zeitliche Reihenfolge: Beurkundung
der Teilungserklärung; Abschluss eines Kaufvertrags; Überlassung der
Räumlichkeiten an einen Mieter; Vollzug der Teilungserklärung und Eintragung des
Erwerbers
I. Sachverhalt
Den Sachverhalt erlauben wir uns chronologisch wie folgt zusammenzufassen und zu ergänzen.
Sollten die folgenden Angaben nicht zutreffen, bitten wir um einen ergänzenden Hinweis.
Der Eigentümer E1 war Eigentümer eines Grundstücks. Er teilte dieses Grundstück in
Wohnungserbbaurechte auf. Die zeitliche Reihenfolge stellte sich wie folgt dar:
(1) Beurkundung der Teilungserklärung (27.9.1982)
(2) Abschluss eines Kaufvertrags zwischen E1 und E2 (28.9.1982)
(3) Abschluss eines Mietvertrags (24.3.1983) und Überlassung der Räumlichkeiten an den
Mieter (1.5.1983)
(4) Vollzug der Teilungserklärung und Eintragung von E2 als Wohnungserbbauberechtigter im
Grundbuch (18.2.1985).
E2 möchte nunmehr das Wohnungserbbaurecht verkaufen.
II. Frage
Besteht ein Mietervorkaufsrecht?
III. Zur Rechtslage
1. Intertemporaler Anwendungsbereich
Frage auf, ob die Bestimmung überhaupt Anwendung findet, wenn – wie im vorliegenden
Fall – Aufteilung und Überlassung der Räumlichkeiten bereits vor diesem Zeitpunkt erfolgt
sind. Gemäß der Übergangsvorschrift in Art. 6 Abs. 4 MietRÄndG (BGBl. 1993 I S. 1257)
gilt das Mietervorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle, die nach dem 31.8.1993 beurkundet
werden. Der Zeitpunkt der Umwandlung, der Begründung des Mietverhältnisses oder Übergabe
der Mietsache ist demgegenüber nach h. M. unbeachtlich (AG Berlin-Charlottenburg
Futterer/Blank, Mietrecht, 12. Aufl. 2015,
5802/96 [zitiert nach BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 6 Fn. 19]). Diese Auffassung ist
überzeugend. Denn Art. 6 Abs. 4 MietRÄndG stellt nur auf den Abschluss des Kaufvertrags
und gerade nicht auf die Begründung von Wohnungseigentum ab.
Dass die Begründung des Wohnungserbbaurechts und Überlassung der Wohnung an den
Mieter vor dem Jahr 1993 erfolgt sind, steht der Anwendbarkeit des
entgegen.
2. Anwendbarkeit des
Ob das Mietervorkaufsrecht auch beim Verkauf von Wohnungserbbaurechten (
eingreift, ist umstritten:
Nach wohl h. M. gilt das Mietervorkaufsrecht auch für Wohnungserbbaurechte
(BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 10; BeckOK-MietR/Bruns, Std.: 15.2.2017,
Rn. 17; Brambring,
Rn. 7; Schmidt-Futterer/Blank,
2014, § 577 Rn. 27; Langhein,
nicht geklärt.
Gegen die analoge Anwendung von
führen, dass
dingliche Rechte wie das Wohnungserbbaurecht bezieht. Der enge Wortlaut der Vorschrift
hat jedoch die Rechtsprechung davon nicht abgehalten, die Vorschrift extensiv auszulegen
und unter Berufung auf die Verdrängungsgefahr etwa auch auf die Realteilung von Grundstücken
anzuwenden (BGH
2016, 910 Rn. 19).
Für die Anwendbarkeit des
Wohnungserbbaurechten die vom Mieter bewohnte Wohnung zu einer selbständigen
rechtlichen Einheit wird, die auch selbständig belastet und vor allem veräußert werden
kann.
seiner Wohnung verdrängt wird. Nach der gesetzlichen Wertung ist derjenige schutzbedürftig,
der eine typische Mehrfamilienhaus-Mietwohnung als solche angemietet hat und deshalb
Eigenbedarf oder Veräußerung seiner Wohnung kaum befürchten musste (vgl. Langhein,
ist aber die rechtliche Verselbstständigung der vom Mieter bewohnten
Einheit. Diese Gefahr ist bei der Aufteilung eines Erbbaurechts in Wohnungserbbaurechte in
gleicher Weise gegeben wie bei der Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum.
Auch die vom Gesetz im Übrigen vorgenommene weitgehende Gleichstellung von Erbbaurecht
und Eigentum (vgl.
dem Wohnungseigentum gleichzustellen und nicht anderen dinglichen Nutzungsrechten
(wie z. B. dem Dauerwohnrecht i. S. d.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass andernfalls das Vorkaufsrecht des
dadurch umgangen werden könnte, dass anstatt der direkten Aufteilung des Grundstücks in
Wohnungseigentum zunächst ein Erbbaurecht bestellt und dieses anschließend in
Wohnungserbbaurechte aufgeteilt wird.
Es dürfte daher davon auszugehen sein, dass ein Mietervorkaufsrecht auch beim Verkauf
von Wohnungserbbaurechten besteht. Nach der bisherigen Rechtsprechung besteht
zumindest ein großes Risiko, dass der BGH eine analoge Anwendung des
auf Wohnungserbbaurechte bejahen wird.
3. Zeitliche Reihenfolge beim Mietervorkaufsrecht
Mit Blick auf die zeitliche Abfolge der einzelnen Schritte ist der genaue Wortlaut des § 577
Abs. 1 BGB zu beachten:
„Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung
an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist [Var. 1]
oder begründet werden soll [Var. 2], an einen Dritten verkauft, so
ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt.“
Das Mietervorkaufsrecht nach
der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist. Maßgeblich für
die Begründung ist dabei nicht die Beurkundung der Teilungserklärung, sondern der Vollzug
der Teilungserklärung im Grundbuch (BGH
diesem Zeitpunkt entsteht Wohnungseigentum (vgl.
von Wohnungserbbaurechten kann nichts anderes gelten (vgl.
i. V. m.
Schlussfolgerungen: Das Wohnungserbbaurecht wurde erst nach der Überlassung der
Räumlichkeiten an den Mieter begründet. Das Mietervorkaufsrecht ist demzufolge grundsätzlich
anwendbar, wenn man von einer analogen Anwendung des
Wohnungserbbaurechte ausgeht (hierzu oben unter 2.).
4. Erster Verkaufsfall
Fraglich ist jedoch, ob das Mietervorkaufsrecht nicht deswegen ausscheidet, weil der damalige
Eigentümer das Wohnungserbbaurecht an den jetzigen Eigentümer verkauft hat. Nach
h. M. besteht das Mietervorkaufsrecht nur für einen Verkaufsfall. Ist die Eigentumswohnung
bereits vor dem Inkrafttreten des
1.9.1993 veräußert worden, scheidet ein Mietervorkaufsrecht aus (BGH
Rn. 12).
Das Mietervorkaufsrecht wäre somit ausgeschlossen, wenn der Verkauf im Jahre 1982
bereits einen Verkaufsfall begründet haben sollte. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags
war das Wohnungserbbaurecht noch nicht begründet. Ein Vorkaufsrecht nach § 577
Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB bestand daher nicht (vgl. BGH
Verkauf des noch nicht im Wohnungserbbaugrundbuch eingetragenen Wohnungserbbaurechts
könnte allenfalls unter
entschieden, dass ein Mietervorkaufsrecht nach
ausscheidet, wenn der Vermieter die Teilungserklärung vor Überlassung der Räumlichkeiten
an den Mieter beurkundet hat. Die Begründung der Aufteilungsabsicht müsse so wie die
Begründung von Wohnungseigentum der Überlassung der Räumlichkeiten an den Mieter
nachfolgen (BGH
stark kritisiert (BeckOK-MietR/Bruns,
Im Ergebnis dürfte es jedoch hier auf diese Auslegung des
nicht ankommen. Denn im vorliegenden Fall wurde der Kaufvertrag bereits beurkundet,
bevor der Mietvertrag abgeschlossen und die Räumlichkeiten an den Mieter überlassen
wurden. Ein Verkaufsfall bestand daher nicht.
Mithin ist davon auszugehen, dass der anstehende Verkauf von E2 an einen Dritten den
ersten Verkaufsfall begründet und daher ein Mietervorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1
Var. 1 BGB auslöst.
5. Ausschluss des Mietervorkaufsrechts bei Kenntnis des Mieters von Beurkundung einer
Teilungserklärung
Sollte der Mieter im Zeitpunkt der Überlassung der Räumlichkeiten Kenntnis davon gehabt
haben, dass bereits eine Teilungserklärung beurkundet wurde, fragt sich, ob dieser Umstand
dem Bestehen eines Mietervorkaufsrechts entgegensteht. Man könnte argumentieren, dass
der Mieter nicht schutzwürdig ist, wenn ihm bekannt ist, dass eine Aufteilung des Grundbesitzes
in Wohnungseigentum bzw. Wohnungserbbaurechte ansteht (vgl. Wirth, NZM
1998, 390, 391). Der BGH hat sich dieser Argumentation jedoch nicht angeschlossen. Nach
seiner Auffassung steht die bei Mietvertragsabschluss bestehende Kenntnis des Mieters
von einer Umwandlungsabsicht der Anwendung dem Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 S. 1
Var. 1 BGB nicht entgegen. Er begründet dies damit, dass
nur auf die Begründung von Wohnungseigentum abstellt (BGH
6. Ergebnis
Nach h. M. ist
Höchstrichterlich gesichert ist dies jedoch nicht. Befürwortet man eine solche
analoge Anwendung, dürfte in der vorliegenden Fallkonstellation ein Mietervorkaufsrecht
bestehen.
152273
Erscheinungsdatum:04.07.2017
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Miete
WEG
WEG § 30; BGB § 577