Aufhebung einer Abwesenheitspflegschaft wegen Bekanntseins des Aufenthaltsorts trotz melderechtlicher Auskunftssperre
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 186499
letzte Aktualisierung: 29. April 2022
BGB §§ 1911, 1919, 1921; BMG § 51
Aufhebung einer Abwesenheitspflegschaft wegen Bekanntseins des Aufenthaltsorts trotz
melderechtlicher Auskunftssperre
I. Sachverhalt
A ist Miteigentümer einer Eigentumswohnung, die verkauft werden soll. Der Aufenthalt von A
war unbekannt, daher wurde vom AG ein Abwesenheitspfleger bestellt. Der Verkauf der ETW
ist noch nicht erfolgt.
Das Amtsgericht hat nunmehr eine Adresse von A ausfindig gemacht und an A die Unterlagen
für den Wohnungsverkauf an diese Adresse versandt. Eine Rückmeldung von A blieb aus.
Anhaltspunkte dafür, dass die Adresse unzutreffend ist, gibt es hingegen nicht (insb. wurde die
Post nicht als unzustellbar zurückgesandt). Beim Einwohnermeldeamt besteht eine Auskunftssperre
bzgl. der Adresse des A. Das Amtsgericht will die Abwesenheitspflegschaft nunmehr aufheben,
da A an der Wahrnehmung ihrer Rechte nicht mehr gehindert sei.
II. Fragen
Ist diese Rechtsauffassung richtig? Reicht aus, dass dem Amtsgericht eine Adresse bekannt und
die Post zustellbar ist?
III. Zur Rechtslage
1. Nach
für einen Volljährigen, dessen Aufenthalt unbekannt ist, einen Abwesenheitspfleger
bestellen. Im Umfang des vom Gericht festgelegten Wirkungskreises ist der Pfleger gesetzlicher
Vertreter des Abwesenden (Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1911 Rn. 3).
2. Gemäß
der Pflegschaft weggefallen ist. Für die Abwesenheitspflegschaft wird dies durch § 1921
Abs. 1 BGB dahingehend konkretisiert, dass die Pflegschaft für einen Abwesenden aufzuheben
ist, wenn der Abwesende an der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten nicht mehr
verhindert ist.
Die Voraussetzungen zur Aufhebung der Abwesenheitspflegschaft liegen somit vor, wenn
die Verhinderung des Abwesenden endet, er also seine Vermögensangelegenheiten wieder
selbst wahrnehmen kann (BeckOGK-BGB/Schöpflin, Std.: 1.6.2021, § 1919 Rn. 3). Das ist
insbesondere dann der Fall, wenn der Aufenthalt des Abwesenden bekannt wird (BeckOGKBGB/
Schöpflin, § 1919 Rn. 10).
Abwesenheit im Sinne von
der Fürsorge bedarf (MünchKommBGB/Schneider, 8. Aufl. 2020, § 1911 Rn. 5). Sie liegt
dabei vor, wenn der Aufenthalt einer Person dem Betreuungsgericht unbekannt und
diese Unkenntnis nicht leicht zu beheben ist (Staudinger/Bienwald, BGB, 2017, § 1911
Rn. 16); d. h. alle sich aus der Amtsermittlungspflicht (
erfolglos geblieben sind, wobei ganz entfernt liegende oder vernünftigerweise
keinen Erfolg versprechende Aufklärungsmöglichkeiten nicht in Betracht kommen
(
Staudinger/Bienwald, § 1911 Rn. 16; MünchKommBGB/Schneider, § 1911 Rn. 6). Hierbei
ist nicht erforderlich, dass Verschollenheit i. S. d. § 1 VerschG vorliegt und es ist auch nicht
notwendig, dass die Lebensvermutung i. S. d. § 10 VerschG begründet ist (Grüneberg/Götz,
§ 1911 Rn. 4).
Abzustellen ist – wie erwähnt – auf die Kenntnis des Gerichts. Unschädlich ist daher, dass
im vorliegenden Fall aufgrund der Auskunftssperre gem. § 51 BMG die Adresse des A – außer
dem Gericht – unbekannt bleibt. Erforderlich ist allein das Bekanntsein des Aufenthaltsorts
bei dem Gericht. Zwar ist insofern fraglich, ob eine allein postalische Erreichbarkeit ein
Bekanntsein des Aufenthaltsort zu begründen vermag. Denn das Ausbleiben von Postrückläufern
aufgrund Unzustellbarkeit begründet für sich allein zunächst nur die Vermutung, dass
unter der betreffenden Adresse ein den Namen des Abwesenden tragender Briefkasten vorhanden
ist, nicht jedoch, dass der Abwesende sich auch tatsächlich an diesem Ort befindet.
Eine die Annahme des Aufenthalts des A bestätigende Reaktion des A erfolgte hier zudem
gerade nicht. Gleichwohl dürfte bei lebensnaher Betrachtung Einiges dafür sprechen, dass
der Aufenthaltsort des A nunmehr bekannt ist. Denn die Einrichtung eines Briefkastens an
einem Ort dient gerade dazu, an diesem Ort zeitnah Kenntnis von den Adressaten
betreffender Post erlangen zu können. Daher kann bei Ausbleiben von Rückläufern wegen
Unzustellbarkeit u. E. davon ausgegangen werden, dass die entsprechenden Schreiben A
erreicht haben und von ihm daher eine Nachricht erlangt werden könnte. Dies wird als ausreichend
angesehen, ein tatsächlicher Empfang einer Nachricht von A ist hingegen gerade
nicht erforderlich (vgl. Staudinger/Bienwald, § 1911 Rn. 17 unter Verweis auf KG OLGE 18,
306). Hinzu kommt, dass die Auskunftssperre gem. § 51 Abs. 4 S. 1 BMG zunächst auf zwei
Jahre befristet wird und anschließend verlängert werden kann. Sowohl die erstmalige
Beantragung als auch die Verlängerung setzen aber gerade ein Tätigwerden des Abwesenden
und damit letztlich auch seinen Aufenthalt unter der betroffenen Adresse voraus, sodass das
Bestehen der Auskunftssperre dafür spricht, dass es sich tatsächlich um den Aufenthaltsort
des A handelt. Es ist in der Folge davon auszugehen, dass er nunmehr an den Ort gelangen
kann, wo sein Handeln benötigt wird, um die Angelegenheiten zu besorgen
(Staudinger/Bienwald, § 1911 Rn. 15), unabhängig davon, ob er dies auch tatsächlich tut,
zumal der Abwesende sich auch fremder Hilfe, hier insbesondere durch Einschaltung eines
Bevollmächtigten bedienen kann (Staudinger/Bienwald, § 1919 Rn. 11 und § 1921 Rn. 5;
MünchKommBGB/Schneider, § 1919 Rn. 8).
3. Als weitere Voraussetzung erfordert die Bestellung eines Abwesenheitspflegers und somit
auch die Aufrechterhaltung der Pflegschaft ein Bedürfnis zur Fürsorge in Vermögensangelegenheiten
des Abwesenden. Dieses Fürsorgebedürfnis wird gemeinhin so verstanden,
dass die Pflegschaft in erster Linie nur im Interesse des Abwesenden anzuordnen
ist, wobei sie daneben – jedoch nicht ausschließlich – auch einem Dritten dienlich sein kann
(Grüneberg/Götz, § 1911 Rn. 6; Staudinger/Bienwald, § 1911 Rn. 22 f.). Dass allein die
Interessen Dritter (hier: das Interesse des Miteigentümers an der Veräußerung des Grundstücks)
ein Fürsorgebedürfnis begründen können (dafür etwa BeckOGK-BGB/Schöpflin,
§ 1911 Rn. 14.1 ff.), wird von der für die Praxis maßgeblichen Rechtsprechung abgelehnt (vgl.
OLG Köln
Die Vermögensangelegenheiten des Abwesenden bedürfen etwa dann der Fürsorge, wenn
Schadensersatzansprüche bei weiterer Untätigkeit drohen. So wird beispielsweise angenommen,
dass eine Abwesenheitspflegschaft im Interesse der geschiedenen Ehefrau zur Abwendung
einer Schadensersatzpflicht gegenüber dem früheren Ehemann infolge Nichtübertragens
eines Grundstücks erforderlich sein kann (Staudinger/Bienwald, § 1911 Rn. 25
unter Verweis auf OLG Zweibrücken
begründende Umstände sind hier jedoch nicht ersichtlich.
Endet die Verhinderung, ist die Abwesenheitspflegschaft wie erwähnt auch dann aufzuheben,
wenn der Betroffene seine Vermögensangelegenheiten gleichwohl nicht besorgt, da dann das
Fürsorgebedürfnis entfällt und der Betroffene die Risiken für sein Vermögen selbst zu tragen
hat (BeckOGK-BGB/Schöpflin, § 1919 Rn. 4; Staudinger/Bienwald, § 1921 Rn. 5;
MünchKommBGB/Schneider, § 1921 Rn. 3). Entscheidend ist mithin allein die Möglichkeit
des Abwesenden, für seine Vermögensangelegenheiten zu sorgen, nicht, dass er dies
auch tatsächlich tut. Weigert sich der Abwesende tätig zu werden, so steht dies zudem dem
Fall gleich, dass ein Anwesender sich ebenfalls nicht um seine Vermögensangelegenheiten
kümmert. Wie in letzterem Fall auch verbleiben dem Miteigentümer dann hier alternative
Vorgehenswege wie beispielswiese die Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilungsversteigerung
zu betreiben.
4. Letztlich handelt es sich bei der Frage, ob im vorliegenden Fall der Aufenthalt des A dem
Gericht bekannt im Sinne von
der Vorschriften vorliegt, um eine Tatfrage, die nur das Gericht im konkreten Einzelfall nach
Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel beantworten kann. Das
Gericht hat dazu Feststellungen zu treffen, ob auch tatsächlich die Voraussetzungen für den
Wegfall der Abwesenheitspflegschaft gegeben sind (Staudinger/Bienwald, § 1921, Rn. 4). Daher
kann das Deutsche Notarinstitut nicht ein verbindliches Ergebnis feststellen. Wir bitten
daher abschließend, die vorstehenden Ausführungen unter diesen Einschränkungen zu sehen.
186499
Erscheinungsdatum:29.04.2022
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Normen in Titel:BGB § 1911; BGB § 1921; BGB § 1919