Erteilung einer Prokura bei Vor-GmbH; Erteilung durch den Geschäftsführer; Vertretungsmacht des Geschäftsführers bei Vor-Gesellschaft
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 160688
letzte Aktualisierung: 10. April 2018
Erteilung einer Prokura bei Vor-GmbH; Erteilung durch den Geschäftsführer; Vertretungsmacht
des Geschäftsführers bei Vor-Gesellschaft
I. Sachverhalt
Es ist eine GmbH durch notarielle Gründungsurkunde gegründet worden. Unmittelbar nach
Gründung, also insbesondere vor Eintragung der GmbH ins Handelsregister, soll eine Prokura
erteilt werden.
II. Frage
Richtet sich die Prokuraerteilung vor Eintragung der GmbH im Handelsregister nach dem „normalen“
Verfahren bei einer GmbH, also (i) Gesellschafterbeschluss darüber, dass die Prokura
durch die Geschäftsführung erteilt werden soll und (ii) anschließende Erteilung der Prokura
durch die Geschäftsführung gegenüber dem Prokuristen oder gibt es hier Abweichungen, weil
die GmbH noch nicht im Handelsregister eingetragen ist? Wenn es Abweichungen gibt, wie erfolgt
dann die Prokuraerteilung?
III. Zur Rechtslage
1. Zulässigkeit der Prokuraerteilung bei Vor-GmbH
Im Ausgangspunkt ist umstritten, ob eine Vorgesellschaft Prokura erteilen kann (dafür
etwa Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-
Leithoff, GmbHG, 6. Auflage 2017, § 11 Rn. 77; BeckOK-HGB/Meyer, Stand: 15.10.2017,
§ 48 Rn. 6; Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl. 2015, § 48 Rn. 2; Weber,
in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 48 Rn. 6; Schmidt-Leithoff, in:
Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 11 Rn. 77; dagegen etwa
MünchKommHGB/Krebs, 4. Aufl. 2016, § 48 Rn. 7). Da die Vorgesellschaft nicht ohne
Weiteres als Handelsgesellschaft anzusehen ist (§ 13 Abs. 3 GmbH gilt erst ab Eintragung),
setzt die Prokuraerteilung zumindest voraus, dass die Vor-GmbH ein Handelsgewerbe
i. S. d.
Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rn. 77; Weber, in:
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 48 Rn. 6; BeckOK-HGB/Meyer, § 48 Rn. 6). Mangels
Angaben im mitgeteilten Sachverhalt zur Tätigkeit der Vorgesellschaft können wir hierzu
nicht abschließend Stellung nehmen. Zudem kann die Prokura nicht im Handelsregister ein-
getragen werden, da auch die Vorgesellschaft nicht eingetragen ist (vgl. Krafka/Kühn,
Registerrecht, 10. Aufl. 2017, Rn. 360).
2. Zuständigkeit für die Prokuraerteilung
a) Sofern man mit der wohl h. M. von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Prokuraerteilung
ausgeht, stellt sich die Frage, welches Gesellschaftsorgan hierfür zuständig ist.
Insoweit gilt es zu berücksichtigen, dass die Vertretungsmacht der Geschäftsführer
vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister nach (noch) h. M. im Außenverhältnis
beschränkt ist (vgl. nur BGH
Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Auflage 2017, § 11 Rn. 85;
MünchKommGmbH/Merkt, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 60-62, mit umfangreichen Nachweisen
auch zur Gegenansicht). Die Vertretungsmacht orientiert sich grundsätzlich an
der Geschäftsführungsbefugnis (und damit mittelbar am Gesellschaftszweck) und ist
folglich i. d. R. auf die Herbeiführung der Eintragung beschränkt (daher keine Aufnahme
der werbenden Tätigkeit, vgl. BGH
des
unbeschränkten Vertretungsmacht zu einer erheblichen Ausdehnung des Haftungsrisikos
der Gründer führen würde, die ja persönlich für die durch die eingegangen Verbindlichkeiten
entstehenden Verluste der Vorgesellschaft einzustehen haben“
(MünchKommGmbH/Merkt, § 11 Rn. 60 m. w. N.; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 11
Rn. 19; GroßKommGmbHG/Ulmer/Habersack, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 68; Roth, in:
Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 47).
Der Umfang der Vertretungsmacht lässt sich demnach nur für die einzelne Vorgesellschaft
bestimmen (Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rn. 86;
Baumbach/Hueck/Fastrich, § 11 Rn. 20). Während die Vertretungsmacht des Geschäftsführers
bei einer Bargründung häufig nicht über die tppischen Gründungsmaßnahmen
wie die Entgegennahme der Einzahlungen und die Vorbereitung der Registeranmeldung
hinausgehen wird, erstreckt sie sich bei der Sachgründung i. d. R. auf alle für die Werterhaltung
der eingebrachten Gegenstände erforderlichen Geschäfte, einschließlich der
Verwaltung und Erhaltung eines eingebrachten Unternehmens (Schmidt-Leithoff, in:
Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rn. 86; Henssler/Strohn/Schäfer, Gesellschaftsrecht,
3. Aufl. 2016,
Baumbach/Hueck/Fastrich, § 11 Rn. 20).
b) Nach der h. M. können die Gründer die Vertretungsmacht des Geschäftsführers jedoch
durch einen einstimmigen Beschluss auf die vorzeitige Aufnahme des Geschäftsbetriebs
und damit zusammenhängende Geschäfte erweitern (vgl. nur Baumbach/
Hueck/Fastrich, § 11 Rn. 20; MünchKommGmbH/Merkt, § 11 Rn. 63; Roth, in:
Roth/Altmeppen, § 11 Rn. 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11
Rn. 87; Henssler/Strohn/Schäfer,
1181). Soweit hierzu Stellung genommen wird, sind nach überzeugender Auffassung
der Literatur – wie auch bei der Prokuraerteilung nach Eintragung der Gesellschaft – der
Geschäftsführer berufen, der allerdings seinerseits über eine entsprechende Vertretungsmacht
verfügen muss (MünchKommGmbH/Merkt, § 11 Rn. 67).
Dies dürfte der Fall sein, wenn der Geschäftsführer zur Aufnahme der werbenden
Tätigkeit ermächtigt wurde und die Gesellschaft nach Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand
auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist oder wenn
im Rahmen einer Sachgründung ein bestehendes Unternehmen in die Gesellschaft ein
gebracht wird, das ein Handelsgewerbe betreibt. Vorsorglich könnte sich zusätzlich ein
ausdrücklicher Gesellschafterbeschluss zur Ermächtigung der Geschäftsführung zur
Prokuraerteilung empfehlen. Nach § 46 Nr.7 GmbHG ist im Innenverhältnis ohnehin
ein Gesellschafterbeschluss erforderlich.
160688
Erscheinungsdatum:10.04.2018
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Normen in Titel:HGB § 48