31. Oktober 2008
EGBGB Art. 25

Brasilien: Erbvertrag eines deutsch-brasilianischen Ehepaares

DNotI

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Deutsches Notarinstitut

Gutachten des Deutschen Notarinstituts Dokumentnummer: 14318# letzte Aktualisierung: 7. August 2008

EGBGB Art. 25, 26 Abs. 5 Brasilien: Erbvertrag eines deutsch-brasilianischen Ehepaares

I. Sachverhalt
Ein kinderloses Ehepaar (er: Deutscher, sie: Brasilianerin) möchte einen Erbvertrag errichten, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Schlusserben sollen Verwandte von der Ehefrau sein. Das Vermögen besteht aus einem Wohnhaus und Geldvermögen in Deutschland, das jeweils je hälftig zugeordnet ist.

II. Fragen
1. Ist auf die Erbfolge nach einer in Deutschland lebenden brasilianischen Staatsangehörigen deutsches oder brasilianisches Erbrecht anwendbar? Ist ein Erbvertrag nach brasilianischem Erbrecht oder ein gemeinschaftliches Testament mit Bindung des Überlebenden wirksam?

2.

III. Zur Rechtslage
1. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht a) Deutsches IPR Aus deutscher Sicht richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes angehört, vorliegend hinsichtlich der brasilianischen Ehefrau also
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nach brasilianischem Recht, hinsichtlich des deutschen Staatsangehörigen nach deutschem Recht. Die Möglichkeit einer Rechtswahl ist aus deutscher Sicht nur hinsichtlich des in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Grundvermögens gegeben (Art. 25 Abs. 2 EGBGB). b) Brasilianisches IPR Soweit das brasilianische Recht berufen ist, ist gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB zunächst das brasilianische Kollisionsrecht danach zu befragen, ob es eine Rück- oder Weiterverweisung ausspricht. Art. 10 L.I. 1942 bestimmt:
Art. 10. A sucessão por morte ou por ausência obedece à lei do país em que era domiciliado o defunto ou o desaparecido, qualquer que seja a natureza e a situação dos bens. Art. 10. Die Erbfolge wegen Todes oder Verschollenheit richtet sich nach dem Gesetz des Landes, in dem der Verstorbene oder der Verschollene seinen Wohnsitz gehabt hat, welches auf die Natur und die Lage der Güter sei. § 1 Die Erbfolge in Güter eines Ausländers, die sich in Brasilien befinden, wird nach dem brasilianischen Recht zugunsten des brasilianischen Ehegatten oder der ehelichen Kinder geregelt, sofern nicht das Personalstatut des Erblassers für sie günstiger ist. § 2 Das Gesetz des Wohnsitzes des Erben oder des Vermächtnisnehmers bestimmt ihre Fähigkeit zu erben.

§ 1 A sucessão de bens de estrangeiros situados no País será regulada pela lei brasileira, em benefício do cônjuge ou dos filhos brasileiros, sempre que lhes não seja mais favorável a lei pessoal do de cujus.

§ 2 A lei do domicílio do herdeiro ou legatário regula a capacidade para suceder.

Das brasilianische IPR knüpft also grundsätzlich an das Wohnsitzrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes an und zwar sowohl hinsichtlich der Zulässigkeit als auch hinsichtlich des Inhalts der letztwilligen Verfügung (Ferid/Firsching/Weishaupt, Internationales Erbrecht, Brasilien, Stand: März 2007, Rn. 43). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht Art. 10 § 1 L.I. 1942. Eine dem Art. 10 § 1 L.I. 1942 im Wortlaut ähnliche und in der Zielsetzung vergleichbare Vorschrift enthält die brasilianische Verfassung vom 5.10.1988 in ihrem Art. 5 XXXI. Diese Bestimmung schreibt vor, dass sich die Nachfolge in das in Brasilien belegene Vermögen eines Ausländers ,,zugunsten des (brasilianischen) Ehegatten und der brasilianischen Kinder"

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nach brasilianischem Recht richtet, sofern das ,,persönliche Gesetz" des Verstorbenen diese Personen nicht günstiger stellt (vgl. Staudinger/Dörner, Neubearb. 2007, Anh. zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 130). Im Gegensatz zu Art. 10 § 1 L.I. 1942 werden vom Schutz der Verfassungsnorm alle Kinder des Verstorbenen (und nicht nur die aus der betreffenden Ehe stammenden) umfasst. Beide Vorschriften sind gleichwertig, wobei jeweils diejenige anzuwenden ist, welche für die brasilianischen Angehörigen günstiger ist (Staudinger/Dörner, a. a. O., Anh. zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 130). I. Ü. gelten beide Vorschriften entgegen dem Wortlaut gleichermaßen für Ausländer und brasilianische Staatsangehörige, die mit letztem Wohnsitz im Ausland verstorben sind und somit nach ihrem letzten Wohnsitzrecht beerbt werden (Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 30). c) Vorliegender Sachverhalt Vorliegend wird die brasilianische Staatsangehörige zum Zeitpunkt ihres Todes wohl in Deutschland wohnhaft sein, so dass dann das brasilianische Kollisionsrecht grundsätzlich auf die deutsche Rechtsordnung zurückverweisen würde. Brasilianisches Erbrecht fände in diesem Fall im Hinblick auf das in Brasilien befindliche Vermögen nur dann möglicherweise Anwendung, wenn die brasilianische Staatsangehörige Abkömmlinge hinterlassen würde. d) Rechtswahl Die Möglichkeit einer Rechtswahl sieht das brasilianische Erbkollisionsrecht nicht vor, so dass es voraussichtlich auch eine nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB zugelassene Rechtswahl bezogen auf das im deutschen Inland belegene Vermögen nicht anerkennen wird. 2. Zulässigkeit eines Erbvertrages/gemeinschaftlichen Testaments a) Anwendbares Recht Die Zulässigkeit eines Erbvertrages/gemeinschaftlichen Testaments bestimmt sich aus deutscher Sicht nach dem Errichtungsstatut, Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB (MünchKomm-Birk, 4. Aufl. 2006, Art. 26 EGBGB Rn. 100, 133). Errichtungsstatut ist das Heimatrecht des Erblassers zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung, hier also hinsichtlich der brasilianischen Staatsangehörigen brasilianisches Recht und hinsichtlich des deutschen Staatsangehörigen deutsches Recht. Beim Abschluss einer zweiseitigen letztwilligen Verfügung muss die Zulässigkeit für jeden Erblasser gesondert nach dem für ihn maßgebenden Errichtungsstatut geprüft werden (Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn. 351). Gelangen auf einen zweiseitigen Erbvertrag/ein gemeinschaftliches Testament unterschiedliche Errichtungsstatute zur

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Anwendung und ist der Erbvertrag/das gemeinschaftliche Testament nur nach einem der beteiligten Rechte unwirksam, befindet das andere Recht über die Konsequenzen, die sich hieraus für die gesamte letztwillige Verfügung und damit auch für die letztwillige Verfügung der anderen Vertragspartei ergeben (Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 355). Wäre also vorliegend ein Erbvertrag nach ggf. anwendbarem brasilianischen Recht nicht zulässig, so würde es nach deutschem Recht an den Voraussetzungen eines wirksamen Erbvertrages fehlen (§ 2298 Abs. 1 BGB), mit der Folge, dass auch die Verfügung des deutschen Vertragspartners nichtig wäre (MünchKomm-Birk, Art. 26 EGBGB, Rn. 134). Das gleiche gilt im Ergebnis für das gemeinschaftliche Testament. Bevor jedoch die Zulässigkeit eines Erbvertrags/gemeinschaftlichen Testaments nach brasilianischem Recht untersucht wird, ist gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB zunächst das brasilianische IPR wiederum danach zu befragen, ob es eine Rück- oder Weiterverweisung ausspricht. Wie oben bereits ausgeführt, würde das brasilianische Recht, soweit die brasilianische Ehefrau mit Wohnsitz in Deutschland versterben sollte, auf das deutsche Recht zurückverweisen. Dann aber bestünden grundsätzlich keine Bedenken gegen den Abschluss eines Erbvertrages bzw. die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments, es sei denn ein ggf. in Brasilien bestehendes Verbot wäre dort Teil des ordre public, mit der Folge, dass dann aus brasilianischer Sicht eine Rückverweisung ausgeschlossen wäre. b) Verbot von Erbvertrag und gemeinschaftlichem Testament nach brasilianischem Erbrecht Nach brasilianischem Recht ist der Erbvertrag bzw. das gemeinschaftliche Testament in keiner Form zulässig; jedes Rechtsgeschäft dieser Art wird als nichtig angesehen (Art. 1863 Novo Código Civil vom 10.1.2003 ­ Cc ­, vgl. auch Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 227). Unter dieses Verbot fallen auch die gleichzeitigen Testamente (zwei Personen vereinbaren die Errichtung am gleichen Tage oder die Testamente sind so abgefasst, dass beide in der ,,wir"-Form sprechen oder in dem zwei Personen in ihren Verfügungen eine dritte Person einsetzen, vgl. Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 227). Die gegenseitige Einsetzung von Ehepartnern in verschiedenen Testamenten ist gültig, sofern sich keine derartige Wechselbezüglichkeit feststellen lässt. Zeitliche Nähe beider Testamente oder eine auffällige Ähnlichkeit im Wortlaut können jedoch als Hinweis auf die Wechselbezüglichkeit dienen (Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 227). Umstritten ist aber, ob Erbverträge bzw. gemeinschaftliche Testamente, wenn sie im Ausland errichtet werden, in Brasilien nicht möglicherweise doch anerkannt werden.

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Nach wohl überwiegender Meinung sind sie als gültig anzusehen, wenn sie nach dem Erbstatut und der lex loci zulässig sind (Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 103). Mangels einschlägiger Rechtsprechung des Obersten Bundesgerichts bleibt jedoch eine große Rechtsunsicherheit bestehen. Es sollten daher jedenfalls zusätzlich zum Erbvertrag bzw. gemeinschaftlichen Testament zwei Einzeltestamente mit der jeweiligen Einsetzung des anderen Ehepartners errichtet werden und zwar mit einem entsprechenden zeitlichen Abstand. Möglich wäre allerdings ein einseitiger Erbvertrag, in welchem nur der deutsche Ehemann bindend letztwillig verfügt, da es insoweit nur auf das hypothetische Erbstatut des Vertragserblassers ankommt (Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 351). 3. Inhalt des Erbvertrags/der jeweiligen Einzeltestamente; Noterbrecht Sollte brasilianisches Erbrecht zur Anwendung gelangen (wenn die brasilianische Erblasserin mit Wohnsitz in Brasilien versterben sollte oder im Falle des Art. 10 § 1 L.I. 1942, vgl. oben), ist das Zwangserbrecht des brasilianischen Código Civil zu beachten. Das Zwangserbrecht ist in den Art. 1845 ff. Cc geregelt. Es steht den Abkömmlingen, den Aszendenten und dem Ehegatten des Erblassers zu, welche im Zeitpunkt des Todes des Erblassers leben. Das Zwangserbrecht besteht in der Hälfte des dem jeweiligen Zwangserben entstehenden gesetzlichen Erbteils (vgl. Art. 1846 Cc und Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 319 ff.). Es handelt sich um ein echtes Erbrecht (daher Zwangs- oder Noterbrecht genannt), nicht nur um einen schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruch wie im deutschenRecht. Sofern die brasilianische Staatsangehörige noch Eltern hat, wären diese grundsätzlich noterbberechtigt. Einzelheiten entnehmen Sie bitte der beiliegenden Literatur. 4. Form der letztwilligen Verfügung Aus deutscher Sicht findet hinsichtlich der Frage der bei Testamentserrichtung einzuhaltenden Form das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 Anwendung. Art. 1a des Testamentsübereinkommens lässt u.a. die Einhaltung der Ortsform genügen. Nach Art. 4 Testamentsübereinkommen findet dieses auch auf gemeinschaftliche Testamente Anwendung. Für den Erbvertrag gilt das Gleiche gem. Art. 26 Abs. 1 EGBGB. Brasilien, das dem Haager Testamentsübereinkommen nicht beigetreten ist, lässt für die formelle Gültigkeit letztwilliger Verfügungen die Ortsform ausreichen (Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 46). Sind die formellen Vorschriften des Errichtungsorts eingehalten, wird das

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Testament in Brasilien anerkannt, auch wenn es nicht den Formvorschriften des brasilianischen Rechts entspricht. Eine von einem deutschen Notar errichtete letztwillige Verfügung ist damit sowohl aus der Sicht des deutschen als auch aus der Sicht des brasilianischen Rechts formwirksam. 5. Ergebnis Ein zweiseitiger Erbvertrag zwischen den Ehegatten kann im vorliegenden Fall nur insoweit geschlossen werden, als eine evtl. getroffene Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB reicht, also lediglich bezogen auf das im Inland belegene unbewegliche Vermögen. I. Ü. müssten die Eheleute auf Einzeltestamente bzw. einseitigen Erbvertrag ausweichen, da das brasilianische Recht wechselbezügliche bindende letztwillige Verfügungen verbietet.

Gutachten/Abruf-Nr:

14318

Erscheinungsdatum:

31.10.2008

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 25