17. Januar 2024
BGB § 33; BGB § 40

Förderverein; Zweckänderung bei Erweiterung des Kreises der geförderten Einrichtungen; Abweichungen vom Einstimmigkeitserfordernis in der Satzung

BGB §§ 33, 40
Förderverein; Zweckänderung bei Erweiterung des Kreises der geförderten Einrichtungen; Abweichungen vom Einstimmigkeitserfordernis in der Satzung

I. Sachverhalt
Der satzungsmäßige Zweck eines eingetragenen Vereins mit Sitz in der Stadt X (der „Förderverein der Universität X“) ist die Unterstützung des Ausbaus der Universität X. In diesem Rahmen fördert der Verein Lehre, Forschung und Wissenschaft. Als Mittel zur Erreichung des Vereinszwecks sieht die Satzung insbesondere die Bereitstellung von Mitteln für Forschung, Lehre, Studierendenförderung und die Unterstützung von Veranstaltungen und Maßnahmen der Universität X vor. Die Satzung sieht in § 7 Abs. 3 vor, dass Beschlüsse der Mitgliederversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen getroffen werden. Für Satzungsänderungen und für die Auflösung des Vereins ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich. Die Satzung sieht zudem vor, dass das sämtliche Vereinsvermögen bei Auflösung des Vereins der Universität X zugutekommt.

Eine große Mehrheit, aber nicht sämtliche Mitglieder des Vereins, wollen künftig neben der Universität X in gleicher Weise die sich in derselben Stadt befindliche Hochschule X fördern und die Satzung dahingehend ergänzen. Die Zustimmung aller Mitglieder i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 2 BGB wird, anders als die Mehrheit nach § 33 Abs. 1 S. 1 BGB (drei Viertel der abgegebenen Stimmen), nicht erreicht werden können.

II. Fragen
1. Welche Mehrheit ist für diese beabsichtigte Satzungsänderung erforderlich? Handelt es sich hierbei bereits um eine Zweckänderung oder kann die Änderung als bloße Ergänzung des bestehenden Zwecks o. Ä. aufgefasst werden?

2. Ergibt sich aus der Regelung in § 7 Abs. 3 der Satzung die Möglichkeit einer Änderung mit bloßer 2/3-Mehrheit, wenn die Änderung als Zweckänderung ausgelegt werden müsste?

III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzliches zur Zweckänderung
Gemäß § 33 Abs. 1 BGB ist zu einem Beschluss, der eine Änderung der Satzung enthält, eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich. Zur Änderung des Zwecks des Vereins ist die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich (s. allg. zum Zweck im Verbandsrecht Burgard, ZGR 2013, 849, 851 ff.). Maßgeblich ist daher die Frage, ob die Ergänzung in der Satzung, neben der Universität X in gleicher Weise die sich in derselben Stadt befindliche Hochschule X zu fördern, bereits eine Zweckänderung nach § 33 Abs. 1 S. 2 BGB oder „nur“ eine Satzungsänderung nach § 33 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt.

Der Zweck i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 2 BGB wird vom OLG Düsseldorf in einer jüngeren Entscheidung unter Einbeziehung der bisherigen Rechtsprechung auch des BGH prägnant dargestellt als

„der den Charakter des Vereins festlegende oberste Leitsatz der Vereinstätigkeit, also der satzungsmäßig (§ 57 Abs. 1 BGB) festgelegte Zweck, der für das Wesen der Rechtspersönlichkeit des Vereins maßgebend ist und der das Lebensgesetz des Vereins – seine große Linie – bildet, um derentwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Betritt zum Verein rechnen kann.“
(OLG Düsseldorf NZG 2020, 956 Rn. 17 – Herv. d. DNotI)

Demgemäß kann eine Zweckänderung nur dann angenommen werden, wenn sich durch die Satzungsänderung der Charakter eines Vereins dergestalt ändert, dass kein Mitglied bei seinem Beitritt damit rechnen konnte (BayObLG NJW-RR 2001, 1260, 1261; OLG Zweibrücken NZG 2013, 907, 909; OLG Hamm FGPrax 2012, 36, 37; OLG München FGPrax 2011, 310; Staudinger/Schwennicke, BGB, 2023, § 33 Rn. 36). Es entspricht ebenfalls der Rechtsprechung, dass ein weites Verständnis der indisponiblen Zweckbestimmung in aller Regel nicht dem Interesse des Vereins und seiner Mitglieder entspricht, da es möglich bleiben muss, ohne die prinzipielle Zielrichtung aufzugeben, einzelne Teile der Satzung des Vereins – ohne Rücksicht auf Außenseitermeinungen – sachgerecht den veränderten Verhältnissen anzupassen (BGH NJW 1986, 1033, 1034; BayObLG NJW-RR 2001, 1260, 1261; OLG Zweibrücken NZG 2013, 907, 908; vgl. auch BeckOK-BGB/Schöpflin, Std.: 1.11.2023, § 33 Rn. 7 m. N.). Daraus folgt: Mit der Annahme einer Zweckänderung ist restriktiv zu verfahren. Die Vorschrift des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB ist daher nur anzuwenden, „wenn sich die grundsätzliche Zweckrichtung des Vereins ändert (…), mit anderen Worten: wenn sich die Leitmaxime des Vereins ändert“ (so zutreffend BeckOK-BGB/Schöpflin, § 33 Rn. 7).

Keine Vereinszweckänderung sollen demnach Zweckergänzungen, Zweckbeschränkungen sowie die bloße Anpassung der Ziele an den Wandel der Zeit begründen, wenn die grundsätzliche Zweckrichtung des Vereins aufrechterhalten wird (OLG Düsseldorf NZG 2020, 793 Rn. 16; NZG 2020, 956 Rn. 17; OLG Hamm FGPrax 2012, 36, 37; BeckOK-BGB/Schöpflin, § 33 Rn. 7 mit umfassenden Nachweisen).

Maßgeblich für die Abgrenzung sollen Sicht und Int-eressenlage des einzelnen Mitglieds sein, da dieses zwar nicht vor jedweder Änderung in der Betätigung des Vereins, jedoch davor zu schützen sein soll, dass sich der „Charakter des Vereins” ändert (vgl. etwa OLG München FGPrax 2011, 310; BeckOK-BGB/Schöpflin, § 33 Rn. 7). Es geht also maßgeblich um den Minderheitenschutz (vgl. nur Staudinger/Schwennicke, § 33 Rn. 37; kritisch Burgard, ZGR 2023, 849, 855, 866, der den Aspekt des Minderheitenschutzes alleine nicht für ausreichend hält und darauf abstellt, ob die Änderung einer Neugründung gleichkommt und/oder „tief in die Mitgliedschaft eingreif[t]“). Daher ist eine Abwägung der Interessen der Mehrheit sowie des einzelnen Mitglieds vorzunehmen, bei der erstere überwiegen, wenn der Verein seine bisherige Leitidee im Wesentlichen beibehält (Staudinger/Schwennicke, § 33 Rn. 37; MünchKommBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, § 33 Rn. 12).

2. Vorliegender Sachverhalt
Die Lektüre der unter Ziff. 1 dargestellten abstrakten Leitlinien lässt bereits erahnen, dass es sich um eine Einzelfallfrage und vor allem um eine Wertentscheidung handelt, die verschiedene zur Rechtsfindung berufene Richter unterschiedlich beurteilen könnten. Die Abgrenzung zwischen bloßer Satzungsänderung und Änderung des Zweckes des Vereins ist im Einzelfall schwierig. Notz formuliert plakativ:

„Auch bei einer im Zweifel eng verstandenen Leitlinie (…) lässt sich für die Praxis nicht unbedingt belastbar absehen, ob die angestrebte Änderung den Zweck des Vereins iSd § 33 Abs. 1 S. 2 BGB betrifft. Die Möglichkeit des Hineinlesens eines allgemeineren Gedankens in die statutarische Formulierung des Vereinszwecks bei dessen Auslegung (…) sowie das Vorverständnis des Rechtsanwenders, wo er den Rand des inhaltlichen Kerns des Vereins sieht und welches die im Einzelfall zweckprägenden Elemente sind (…), insbesondere was zum Zweck selbst gehört und nicht lediglich die Art und Weise oder Mittel der Verfolgung dieses Zwecks beschreibt (…), enthalten stets Unschärfen und Spielraum.“
(BeckOGK-BGB/Notz, Std.: 15.9.2018, § 33 Rn. 90; Herv. d. DNotI)

Wir können uns dieser Aussage nur anschließen. Zu der Frage der Zweckänderung findet sich in den Kommentaren eine sehr umfassende Kasuistik (vgl. BeckOGK-BGB/Notz, § 33 Rn. 90.1-90.40; BeckOK-BGB/Schöpflin, § 33 Rn. 7-10; MünchKommBGB/Leuschner, § 33 Rn. 13-15; Staudinger/Schwennicke, § 33 Rn. 47 f.).

Nach unserem Dafürhalten liegt unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe beim hier zu begutachtenden Sachverhalt keine Zweckänderung vor. Das Erfordernis der Änderung des Charakters eines Vereins (vgl. oben Ziff. 1) kann nicht angenommen werden, wenn lediglich neben der Universität auch die Hochschule gefördert werden soll. Der Verein fördert weiterhin in derselben, eng umgrenzten Region im Bereich der (Erwachsenen-)Bildung. Auch die Hochschule ist im Bereich der Erwachsenenbildung tätig, sodass sich an der Zielgruppe der Förderung nichts ändert. Eine Erweiterung auf eine (weitere) Hochschule – deren Existenz neben der Universität in derselben Stadt bei Vereinsgründung möglicherweise gar nicht absehbar war und damit (abhängig von den insofern nicht geschilderten Tatumständen) auch lediglich als Anpassung an die modernen Umstände der Strukturierung von Hochschulen angesehen werden könnte – am selben Ort wird man daher nicht als grundlegende Abänderung ansehen können, mit welcher schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen konnte. Dies gilt umso mehr, als mit der Annahme einer Zweckänderung restriktiv zu verfahren ist. Es dürfte daher die Fallgruppe vorliegen, wonach der ursprüngliche und der ergänzte Zweck in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen und hierdurch der Zuschnitt des Vereins nicht grundlegend geändert wird (vgl. dazu Staudinger/Schwennicke, § 33 Rn. 44 m. N.). Allerdings wird man auch die personelle Zusammensetzung der Mitglieder des Vereins zu berücksichtigen haben. Eine grundlegende Änderung des Zuschnitts wird man umso eher annehmen müssen, je enger die Mitglieder mit der Universität X innerlich verbunden sind (Bsp.: Alumni-Verein). Nachdem dies hier nicht geschildert wird, tendieren wir zu der Auffassung, dass keine Zweckänderung vorliegt.

Angesichts der unbestimmten Kriterien und des Wertungselements bei der Abwägung ist allerdings auch ein anderes Ergebnis vertretbar; insbesondere wenn man betonen wollte, dass es sich bei der Hochschule X um eine völlig andere Einrichtung handele und der Zweck des Vereins nur auf die Förderung der Universität X – und damit nur einer einzigen Einrichtung – gerichtet sei. Faustformelartig lässt sich eventuell formulieren: Je mehr die Universität X als (ggf. auch historisch gewachsene) Institution im Vordergrund steht, desto mehr wird man wohl in Richtung einer Zweckänderung argumentieren können. Je mehr hingegen die objektive Fördertätigkeit im Vordergrund steht, desto eher wird eine bloße Satzungsänderung vorliegen.

3. Hilfsweise: unterstellte Zweckänderung
Unterstellt man dem Gebot des sichersten Weges folgend eine Zweckänderung, so ist zwar zu konstatieren, dass es sich bei § 33 Abs. 1 S. 2 BGB um dispositives Recht handelt und die Satzung gem. § 40 S. 1 BGB andere Mehrheitserfordernisse bestimmen kann (vgl. BGH NJW 1986, 1033, 1034; Staudinger/Schwennicke, § 33 Rn. 52).

Allerdings entspricht es allgemeiner Ansicht, dass von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB abweichende Regelungen nur dann anzunehmen sind, wenn sich dies aus Wortlaut oder Sinn der Satzung eindeutig ergibt (BGH NJW 1986, 1033, 1034; OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.11.2015, BeckRS 2015, 19357 Rn. 19; OLG Hamm OLGZ 1980, 326, 329; Staudinger/Schwennicke, § 33 Rn. 50; BeckOK-BGB/Schöpflin, § 33 Rn. 12; BeckOGK-BGB/Notz, § 33 Rn. 107). Ein allgemeines Mehrheitserfordernis für Satzungsänderungen reicht daher mangels ausdrücklicher Anordnung der Geltung auch für Zweckänderungen gerade nicht aus (vgl. nur BGH NJW 1986, 1033, 1034; Staudinger/Schwennicke, § 33 Rn. 52 m. N.).

In § 7 Abs. 3 der Satzung wird jedoch nur „für Satzungsänderungen und für die Auflösung des Vereins“ eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen als ausreichend bzw. erforderlich angesehen. Dies enthält keine eindeutige Geltung für Zweckänderungen i. S. v. § 33 Abs. 1 S. 2 BGB, sodass auch die Satzung nicht über das Einstimmigkeitserfordernis hinweghelfen kann.

4. Abschließende Zusammenfassung
Nach unserem Dafürhalten liegt in der Änderung der Vereinssatzung dergestalt, dass künftig neben der Universität X in gleicher Weise die sich in derselben Stadt befindliche Hochschule gefördert werden soll, keine Zweckänderung. Demgemäß würde die Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen für die avisierte Satzungsänderung ausreichen (§ 33 Abs. 1 S. 1 BGB).

Indes ist die Frage, wann eine Zweckänderung vorliegt, einzelfall- und wertungsabhängig zu entscheiden. Die entsprechende Abwägungsentscheidung könnte seitens eines zur Entscheidung berufenen Gerichts auch anders getroffen bzw. gewichtet werden. Es zeigt sich die Rechtsunsicherheit, die mit derart schwammigen Abwägungsmaßstäben einhergeht.
Unterstellt man – dem Gebot des sichersten Weges folgend – das Vorliegen einer Zweckänderung, so würde § 7 Abs. 3 der Satzung nicht ausreichen, um vom Einstimmigkeitserfordernis abrücken zu können, da die Zweckänderung nicht eindeutig benannt wird.

Gutachten/Abruf-Nr:

200642

Erscheinungsdatum:

17.01.2024

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 9-12

Normen in Titel:

BGB § 33; BGB § 40