BGB §§ 1592, 1594, 1599, 1626a, 1626b
Vaterschaftsanerkennung durch biologischen Vater während des Scheidungsverfahrens; Geburt des Kindes nach Rechtskraft der Scheidung; pränatale Sorgeerklärung der leiblichen Eltern
I. Sachverhalt
M und F sind verheiratet, möchten sich aber scheiden lassen. Der Scheidungsantrag ist anhängig. F ist schwanger, leiblicher Vater ist V. V erkennt nun mit Zustimmung von M und F die Vaterschaft an. In derselben Urkunde geben F und V eine Sorgeerklärung ab. Die Zustimmungserklärung von M zur Vaterschaftsanerkennung des V erfolgt im Anschluss separat, zeitlich aber noch vor Rechtskraft der Scheidung. Die Scheidung wird noch vor der Geburt des Kindes rechtskräftig. Die Geburt des Kindes steht nun kurz bevor.
II. Fragen
1. Sind die genannten Erklärungen wirkungslos, da das Kind nicht vor Rechtskraft der Scheidung geboren wurde?
2. Müssen Vaterschaftsanerkennung und Sorgeerklärung wiederholt werden?
III. Zur Rechtslage
1. Verhältnis der Vaterschaft kraft Ehe zur Vaterschaft kraft Anerkennung
Im vorliegenden Fall hat der leibliche Vater V erklärt, die Vaterschaft anzuerkennen. Zu diesem Zeitpunkt war die Mutter F jedoch noch mit M verheiratet. Zu klären ist daher, in welchem Verhältnis die Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) und die Vaterschaft kraft Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) zueinander stehen.
a) Grundsätzlicher Vorrang der Vaterschaft kraft Ehe
Eine Anerkennung der Vaterschaft ist gem. § 1594 Abs. 2 BGB schwebend unwirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Durch diese „negative Sperrwirkung“ wird das sog. „Ein-Vater-Prinzip“ verwirklicht (BeckOGK-BGB/Balzer, Std.: 1.2.2025, § 1594 Rn. 52).
Erkennt während der Schwangerschaft einer verheirateten Frau ein Dritter die Vaterschaft an, so greift im Zeitpunkt der Geburt die aus § 1592 Nr. 1 BGB folgende, rechtliche Vaterschaft des mit der Kindsmutter verheirateten Ehemannes als Sperre ein, § 1594 Abs. 2 BGB. Obwohl die Vaterschaften kraft Ehe und kraft pränataler Anerkennung gleichzeitig (unmittelbar mit der Geburt) Wirksamkeit erlangen würden, setzt sich die Vaterschaft kraft Ehe durch, da sie nicht durch eine andere Vaterschaft gesperrt werden kann (OLG Düsseldorf BeckRS 2019, 12658 Rn. 19; OLG München NJW-RR 2010, 580, 581; BeckOGK-BGB/Balzer, § 1594 Rn. 54.1, 58).
Als V die Vaterschaft anerkannte, war die Ehe zwischen F und M noch nicht rechtskräftig geschieden. Hiernach wäre die Vaterschaft des M daher als vorrangig gegenüber der Anerkennung durch V anzusehen.
b) Ausnahme des § 1599 Abs. 2 BGB
Eine Ausnahme vom grundsätzlichen Vorrang der Vaterschaft kraft Ehe gem. § 1592 Nr. 1 BGB könnte sich aus der Möglichkeit der vaterschaftsdurchbrechenden Anerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB ergeben. Für ein Kind, das während einer Ehe gezeugt wird, die noch vor der Geburt geschieden wird, kann nicht vermutet werden, dass diese Ehe bei Zeugung des Kindes noch gelebt wurde (BeckOGK-BGB/Balzer, § 1592 Rn. 74; MünchKommBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2024, § 1599 Rn. 63). Daher gilt § 1592 Nr. 1 BGB gem. § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt.
Hier hat der leibliche Vater V die Vaterschaft mit Zustimmung des Ehemannes M (§ 1599 Abs. 2 S. 2 BGB) anerkannt. Dadurch könnte der aufgezeigte grundsätzliche Vorrang der Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) durchbrochen sein, § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass die Zustimmung des Noch-Ehemannes zeitlich nach der Vaterschaftsanerkennung erfolgen kann, wie es im vorliegenden Fall geschehen ist (Erman/Hammermann, BGB, 17. Aufl. 2023, § 1594 Rn. 5).
Jedoch setzt eine Anwendung des § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB voraus, dass das Kind während des Scheidungsverfahrens geboren wird, d. h. nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags, aber vor Rechtskraft der Scheidung. Denn nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung ergibt sich keine Zuordnung nach § 1592 Nr. 1 BGB mehr, sodass eine Beseitigung der Zuordnung weder nach § 1599 Abs. 1 BGB noch nach § 1599 Abs. 2 BGB erforderlich ist (BeckOGK-BGB/Reuß, Std.: 1.11.2024, § 1599 Rn. 156 f.; Erman/Hammermann, § 1599 Rn. 43; Grüneberg/Siede, BGB, 84. Aufl. 2025, § 1599 Rn. 11; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1599 Rn. 63, 70; Staudinger/Rauscher, 2011, § 1599 Rn. 88).
Dennoch kommt eine Anwendung des § 1599 Abs. 2 BGB auch für den Fall, dass das Kind erst nach Abschluss des Scheidungsverfahrens geboren wurde, nach der Rechtsprechung des BGH (NZFam 2018, 746 Rn. 26 m. Anm. Löhnig; vorher bereits LG Saarbrücken StAZ 2005, 18, 19) zumindest in Fällen mit Auslandsbezug ausnahmsweise in Betracht. Wird ein nach rechtskräftiger Scheidung geborenes Kind nach dem anwendbaren ausländischen Recht (Art. 19 EGBGB) – entgegen § 1592 Nr. 1 BGB – noch dem geschiedenen Ehemann als Vater zugeordnet, sei auch der zeitliche Anwendungsbereich des § 1599 Abs. 2 BGB auszudehnen. Nachdem diese Sonderkonstellation mit Auslandsbezug jedoch nicht mit dem vorliegenden Inlandssachverhalt vergleichbar ist, halten wir die insoweit nicht verallgemeinerungsfähigen Entscheidungen für nicht auf den geschilderten Fall übertragbar (den begrenzten Anwendungsbereich der Entscheidungen andeutend auch Löhnig, NZFam 2018, 746, 749; Staudinger/Rauscher, § 1599 Rn. 88).
c) Rechtskraft der Scheidung vor Geburt des Kindes
Auch wenn der Ausnahmetatbestand des § 1599 Abs. 2 BGB vorliegend nicht eingreift, setzt die Vaterschaft kraft Ehe gem. § 1592 Nr. 1 BGB und somit auch der gem. § 1594 Abs. 2 BGB vorgesehene Vorrang gegenüber einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB eine bestehende Ehe mit der Kindsmutter im Zeitpunkt der Geburt voraus. Mit Entfallen der Ehe erfolgt keine Zuordnung mehr nach § 1592 Nr. 1 BGB. Denn für eine Vaterschaft gem. § 1592 BGB darf die Ehe zum Zeitpunkt der Geburt nicht durch Scheidung oder Aufhebung aufgelöst sein. Es kommt auf die Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses an, der die Scheidung der Ehe ausspricht. Ein nach Scheidung der Ehe geborenes Kind ist nicht Kind des (Ex-)Ehemannes (BeckOGK-BGB/Balzer, § 1592 Rn. 72; Staudinger/Rauscher, § 1599 Rn. 88).
Nachdem die Ehe zwischen F und M inzwischen rechtskräftig geschieden ist, wird im Zeitpunkt der Geburt keine Zuordnung des Kindes an M gem. § 1592 Nr. 1 BGB erfolgen. Die Vaterschaftsanerkennung durch V ist somit schon aus diesem Grund und losgelöst von den Voraussetzungen des § 1599 Abs. 2 BGB nicht gem. § 1594 Abs. 2 BGB gesperrt.
2. Erforderlichkeit der Wiederholung der Vaterschaftsanerkennung
V hat die Vaterschaft während des Scheidungsverfahrens anerkannt. Prima facie handelte es sich somit bei der Anerkennung (dogmatisch) um eine solche, die die Wirkungen der vaterschaftsdurchbrechenden Anerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB entfalten sollte. Man kann sich fragen, ob nach dem zwischenzeitlich erfolgten Eintritt der Rechtskraft der Scheidung die Vaterschaftsanerkennung durch V wiederholt werden muss, da die vaterschaftsdurchbrechende Wirkung der Anerkennung des V ja nicht mehr erreicht werden kann.
Maßgeblich dürfte sein, ob eine Anerkennung, die auf die Wirkungen des § 1599 Abs. 2 BGB gerichtet war, nicht gleichzeitig als „normale“ Anerkennung gem. § 1594 BGB fungieren kann. Rauscher (in: Staudinger, § 1599 Rn. 107) geht ausdrücklich davon aus, dass die Rechtswirkungen einer nach § 1599 Abs. 2 BGB wirksamen Anerkennung denen jeder anderen Anerkennung entsprechen. Das Wirksamwerden der Anerkennung im Zeitpunkt der letzten erforderlichen Zustimmung unterscheide sich in nichts von dem Wirksamwerden einer Anerkennung außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1599 Abs 2 BGB. Reuß (in: BeckOGK-BGB, § 1599 Rn. 165) ordnet die Anerkennung der Vaterschaft durch einen Dritten gem. § 1599 Abs. 2 BGB ebenfalls als „normale Vaterschaftsanerkennung“ ein, die den Bestimmungen der §§ 1594 ff. BGB unterliege. Zudem ist zu bemerken, dass § 1592 Nr. 2 BGB nicht nach unterschiedlichen Formen der Anerkennung differenziert. Es wäre in der Tat auch sonderbar, wenn man der Erklärung des V entnehmen könnte, dass er die Vaterschaft nur anerkennen möchte, wenn das Kind vor Rechtskraft der Scheidung geboren wird.
Wird das Kind folglich erst nach Rechtskraft des Scheidungsurteils geboren, bleibt die erfolgte Vaterschaftsanerkennung u. E. als solche außerhalb des § 1599 Abs. 2 BGB bestehen. Dass in diesem Fall ggf. eine – dann nicht erforderliche – zusätzliche Zustimmung des M als Noch-Ehemann der Mutter F erfolgt ist, schadet nicht. Eine erneute Vaterschaftsanerkennung durch V ist nicht nötig.
3. Sorgeerklärung
F und V haben eine Sorgeerklärung abgegeben, § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB. Diese erfolgte vor der rechtskräftigen Scheidung von F und M und vor der Geburt des Kindes.
Nach § 1626b Abs. 2 BGB ist es zulässig, die Sorgeerklärung pränatal abzugeben. Dies hat zur Folge, dass das Kind bereits von seiner Geburt an unter der gemeinsamen Sorge seiner Eltern steht (Grüneberg/Götz, § 1626b Rn. 2).
Jedoch stellt sich die Frage, wie sich die zwischenzeitliche, rechtskräftige Scheidung von M und F auf die bereits abgegebene Sorgeerklärung von F und V auswirkt und ob diese ggf. wiederholt werden muss. Einer Sorgeerklärung gem. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB steht nicht entgegen, dass ein Partner anderweitig verheiratet ist (Grziwotz, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 8. Aufl. 2024, § 15 Rn. 31; Schwab, DNotZ 1998, 437, 451). Auch vor der rechtskräftigen Scheidung konnten F und V daher eine Sorgeerklärung abgeben.
Eine pränatale Sorgeerklärung kann nach der herrschenden Auffassung jedoch nur dann wirksam abgegeben werden und mit der Geburt des Kindes Wirkung entfalten, wenn vorher bzw. gleichzeitig auch ein vorgeburtliches Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben wurde (BeckOGK-BGB/Osthold, Std.: 1.3.2024, § 1626b Rn. 19, MünchKommBGB/Huber, § 1626b Rn. 15; Niepmann, MDR 1998, 565; Schwab, DNotZ 1998, 437, 450; Staudinger/Coester, 2020, § 1626b Rn. 8). Unter Zugrundelegung der vorgenannten Argumentation ist das pränatale Vaterschaftsanerkenntnis durch V als wirksam anzusehen, was zur Folge hätte, dass er gemeinsam mit der Kindesmutter eine Sorgeerklärung abgeben konnte. Auch im Kontext der Sorgeerklärung gilt, dass die zeitlich nachträgliche Zustimmung des Noch-Ehemannes gem. § 1599 Abs. 2 S. 2 BGB nicht schaden würde, selbst wenn es für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung auf diese ankäme (vgl. BGH NJW 2004, 1595).
4. Ergebnis
Eine Wiederholung der Vaterschaftsanerkennung und der Sorgeerklärung sind nach unserer Auffassung nicht erforderlich.