BGB §§ 1629, 107, 1094
Vertretung minderjähriger Kinder bei Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts für diese; familiengerichtliche Genehmigung
I. Sachverhalt
Im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung soll – trotz anderslautender Empfehlung des Notars – den minderjährigen gemeinsamen Kindern unbedingt ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht am Grundbesitz eingeräumt werden, den ein Ehepartner zum Alleineigentum übernimmt.
II. Fragen
1. Ist die Einräumung eines subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts an einen Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft?
2. Können die Eltern das Kind insoweit vertreten?
3. Besteht ein familiengerichtliches Genehmigungserfordernis?
III. Zur Rechtslage
1. Vorüberlegung: Notwendigkeit der Mitwirkung der minderjährigen Kinder bei Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts
Für den Erwerb des dinglichen, subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts gem. §§ 1094 ff., 1103 Abs. 2 BGB bedarf es nach dem auch hier anwendbaren § 873 Abs. 1 BGB (s. dazu Grüneberg/Herrler, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1094 Rn. 5; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1398) der Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung (Einigung) auch namens der erwerbenden minderjährigen Kinder. Zwar könnte man hier zunächst an einen Vertrag zugunsten Dritter gem. §§ 328 ff. BGB denken, der einen Rechtserwerb ohne Mitwirkung des begünstigten Dritten vermitteln würde. Der Dritte kann lediglich das ohne sein Zutun erworbene Recht gem. § 333 BGB wieder zurückweisen. Jedoch ist als Grenze der Einsatzmöglichkeit eines Vertrages zugunsten Dritter aus Sicht der praxisbestimmenden Rechtsprechung zu bemerken, dass die genannten Vorschriften ausschließlich für schuldrechtliche Verpflichtungsverträge gelten. Auf dingliche Verträge und sachenrechtliche Verfügungen sind die §§ 328 ff. BGB hiernach weder unmittelbar noch analog anwendbar (s. etwa BGH NJW 1993, 2617; NJW-RR 1986, 848, 849; BGHZ 41, 95; RGZ 106, 1, 3). Denn das Sachenrecht wird nicht von der Vertragsfreiheit, sondern vom Typenzwang beherrscht. In den entsprechenden Normen – wie etwa hier § 873 Abs. 1 BGB – wird damit die Beteiligung des Erwerbers am Erwerbsvorgang zur gesetzlich zwingenden Bedingung gemacht (s. hierzu Grüneberg/Grüneberg, Einf. v. § 328 Rn. 8 ff.; BeckOGK-BGB/Mäsch, Std.: 1.10.2023, § 328 Rn. 69 ff.). Dementsprechend ist beispielsweise auch die Bestellung einer Reallast durch Vertrag zugunsten Dritter nicht möglich (s. BGH NJW 1993, 2617 zu § 19 BNotO in diesem Zusammenhang). Entsprechendes hat für den hier interessierenden Erwerb eines dinglichen Vorkaufsrechts durch die minderjährigen Kinder zu gelten.
Da es hiernach auch der Abgabe einer Willenserklärung namens der vertretenen Kinder bedarf, sind in der Tat Vertretungs- und Genehmigungsfragen aufgeworfen.
2. Vertretung der minderjährigen Kinder
a) Grundsätzlich werden die minderjährigen Kinder durch ihre im gesetzlichen Regelfall gemeinsam vertretungsberechtigten Eltern im Rahmen der elterlichen Sorge gem. §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 1, S. 2 1. Hs. BGB vertreten (Gesamtvertretung).
b) Jedoch müsste für die minderjährigen Kinder ein Ergänzungspfleger nach § 1809 Abs. 1 S. 1 BGB bestellt werden, wenn die Eltern von der Vertretung ausgeschlossen wären. Dies ist nach § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB i. V. m. § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB bzw. §§ 1824 Abs. 2, 181 BGB der Fall, wenn der Elternteil, der das Kind (alleine oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil) vertritt, auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts tätig wird oder auf der anderen Seite der Ehegattte oder ein Verwandter in gerader Linie des Elternteils steht. Ist eine solche Konstellation gegeben – wie grundsätzlich auch im unterbreiteten Sachverhalt, da die Eltern sowohl auf der Seite des Bestellenden als auch in Vertretung für die erwerbenden minderjährigen Kinder auftreten wollen –, so greift das Vertretungsverbot ein, sofern das Rechtsgeschäft nicht für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist (teleologische Reduktion der Vertretungsverbote; vgl. Grüneberg/Götz, § 1824 Rn. 3, 8).
c) Für die Frage, ob ein Rechtserwerb lediglich rechtlich vorteilhaft ist, ist grundsätzlich zwischen der schuldrechtlichen und der dinglichen Ebene zu unterscheiden, nachdem der BGH die vormalige Gesamtbetrachtungslehre für die Feststellung der rechtlichen Vorteilhaftigkeit bei unentgeltlichen Zuwendungen aufgegeben hat (BGHZ 187, 119 = NJW 2010, 3643 Rn. 6; auch bereits BGH DNotZ 2005, 549, 551; OLG Brandenburg NZFam 2014, 717). Jedoch kann auf dinglicher Ebene die Ausnahme der ausschließlichen Erfüllung einer Verbindlichkeit (§ 181 letzter Hs. BGB) im Falle einer Schenkung zur Vermeidung einer Umgehung des Minderjährigenschutzes dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn nicht zugleich das dingliche Erfüllungsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft ist (vgl. BGHZ 187, 119 = NJW 2010, 3643 Rn. 16; MünchKommBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, § 181 Rn. 105 f.).
Der schuldrechtliche Vertrag (Kausalgeschäft) über die unentgeltliche Bestellung des Vorkaufsrechts (Schenkung i. S. v. §§ 516 ff. BGB) für die minderjährigen Kinder begründet als solcher für diese grundsätzlich lediglich einen rechtlichen Vorteil (BGHZ 15, 168; Grüneberg/Ellenberger, § 107 Rn. 6; BeckOGK-BGB/Duden, Std.: 1.11.2023, § 107 Rn. 58; Staudinger/Klumpp, BGB, 2021, § 107 Rn. 41).
Aber auch auf dinglicher Ebene gilt, dass ein Rechtserwerb – wie beispielsweise durch Übereignung oder Abtretung – grundsätzlich lediglich rechtlich vorteilhaft ist (BGH NJW 2015, 2497, 2499; BeckOGK-BGB/Duden, § 107 Rn. 70 m. w. N.). In gleicher Weise ist dementsprechend auch der Erwerb beschränkt dinglicher Rechte – um den es vorliegend geht – lediglich rechtlich vorteilhaft, sofern nicht mit dem erworbenen Recht auch Pflichten einhergehen, die über eine Beschränkung dieses erworbenen Rechts hinausgehen (vgl. Grüneberg/Ellenberger, § 107 Rn. 4; BeckOGK-BGB/Duden, § 107 Rn. 72). Anwendungsfälle der letztgenannten Einschränkung sind etwa wegen § 9 ErbbauRG, § 1108 BGB der Erwerb eines Erbbaurechts, wenn ein Erbbauzins vereinbart wurde (BGH NJW 1979, 102, 103) oder der Erwerb eines Nießbrauchs durch den Minderjährigen wegen der mit diesem Rechtserwerb einhergehenden Pflichten aus §§ 1036, 1041, 1045, 1047 BGB (BFH NJW-RR 1990, 1035, 1036; offengelassen von BGH WM 1971, 500, 502; s. BeckOGK-BGB/Duden, § 107 Rn. 72).
Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass mit dem reinen Erwerb des dinglichen Vorkaufsrechts bereits irgendwelche rechtlichen Verpflichtungen einhergehen würden, die dem Rechtserwerb insgesamt den Charakter als lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft nehmen würden. Relevante – offensichtlich auch rechtlich nachteilhafte – rechtliche Verpflichtungen begründet erst die Erklärung, das Vorkaufsrecht auszuüben (§§ 1098 Abs. 1 S. 1, 464 Abs. 1, 2 BGB), die zum Zustandekommen des Kaufvertrages zwischen dem Verpflichteten und dem Vorkaufsberechtigten führt. Diese Ausübungserklärung ist aber ein gesonderter Akt, der im Rahmen der hier zu betrachtenden Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts als solchen noch nicht zu beurteilen ist.
d) Im Ergebnis ist daher u. E. sowohl das schuldrechtliche Kausalgeschäft über die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts als auch der dingliche Erwerb des Vorkaufsrechts selbst durch die minderjährigen Kinder für diese lediglich rechtlich vorteilhaft. Wegen der angesprochenen teleologischen Reduktion der Vertretungsverbote – auch des § 181 BGB – können hiernach die Eltern ihre minderjährigen Kinder beim Erwerb dieses dinglichen Vorkaufsrechts (und beim Abschluss des zugrunde liegenden schuldrechtlichen Kausalgeschäfts) gem. §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 1, 2 BGB wirksam vertreten. Der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf es nicht.
Der Vollständigkeit halber sei klargestellt, dass es bei bloß beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen (vgl. § 106 BGB) einer Vertretung des Kindes durch die Eltern nicht zwingend bedarf. Der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige könnte die notwendigen (Willens-)Erklärungen auch eigenständig im eigenen Namen abgeben, ohne dass bei der vorliegend anzunehmenden lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit eine Einwilligung der Eltern erforderlich wäre (vgl. § 107 BGB).
3. Familiengerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit?
Für grundstücksbezogene Rechtsgeschäfte ist, wenn die minderjährigen Kinder wie regelmäßig von ihren Eltern gem. §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 1, 2 BGB vertreten werden, über die Verweisungsnorm des § 1643 Abs. 1 BGB der Genehmigungskatalog des § 1850 BGB entsprechend anwendbar. Die Ausnahmevorschrift des § 1643 Abs. 2 BGB ist hier nicht einschlägig. Nach der Grundnorm der §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1 BGB bedürfen Eltern hiernach insbesondere der Genehmigung des Familiengerichts zur Verfügung über ein Recht an einem Grundstück. Verfügungen sind nach allgemein bürgerlich-rechtlichem Begriffsverständnis Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen, zu belasten oder aufzuheben (s. nur Grüneberg/Ellenberger, Überbl. v. § 104 Rn. 16). Nicht zu den Verfügungen i. S. v. § 1850 Nr. 1 BGB ist dagegen der Erwerb von Grundstücken und Grundstücksrechten zu zählen (s. aber den hier nicht relevanten Genehmigungsvorbehalt nach § 1850 Nr. 4 BGB), da der Verfügungsbegriff des BGB an der Verfügungsmacht des Einzelnen orientiert ist. Verfügender ist folglich nur derjenige, der unmittelbar infolge der vertraglichen Vereinbarungen selbst eine Einbuße an Rechten erleidet, nicht aber derjenige, der eine Begünstigung erhält (MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, 9. Aufl. 2024, § 1850 Rn. 23). Dementsprechend verfügen auch bei dem hier gegebenen Erwerb des dinglichen Vorkaufsrechts lediglich die Eltern, dagegen nicht die vertretenen minderjährigen Kinder, die lediglich seitens ihrer Eltern eine Begünstigung erhalten.
Dieselben Überlegungen gelten auch für § 1850 Nr. 2 BGB (Verfügung über eine Forderung, die auf Begründung eines Rechts an einem Grundstück gerichtet ist). Auch insoweit ist der Erwerb der Forderung auf Bestellung des Vorkaufsrechts aufgrund des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts aufseiten der erwerbenden Kinder keine Verfügung über diese Forderung.
Weitere zum vorliegenden Problemkreis relevante Genehmigungstatbestände sind nicht ersichtlich. Im Ergebnis ist daher die geplante Gestaltung u. E. nicht familiengerichtlich genehmigungsbedürftig.
Auch an dieser Stelle sei abschließend der Vollständigkeit halber Folgendes erwähnt: Die Genehmigungstatbestände greifen unmittelbar bei einem Vertreterhandeln der Eltern im Namen des Kindes (Staudinger/Heilmann, BGB, 2020, § 1643 Rn. 1). In gleichem Maße sind die Genehmigungstatbestände jedoch auch für die Einwilligung der Eltern zu einem durch den beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen im eigenen Namen geschlossenen Rechtsgeschäft zu beachten (BeckOGK-BGB/Eitzinger, Std.: 1.10.2023, § 1643 Rn. 12 m. w. N.; Staudinger/Heilmann, § 1643 Rn. 11.2). Handelt hingegen ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger im eigenen Namen, ohne dass es wegen der lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit dieses Rechtsgeschäfts der Einwilligung der Eltern hierzu bedarf, so bleibt bei diesem (rechtlich wirksamen) Eigenhandeln des Minderjährigen für eine Anwendbarkeit der Genehmigungstatbestände der §§ 1643 i. V. m. 1850 ff. BGB kein Raum.
4. Gesamtergebnis
Die Einräumung des subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts an einen Minderjährigen ist – ebenso wie auch das zugrunde liegende Kausalgeschäft, wenn der Erwerb (wie vorliegend) unentgeltlich geschehen soll – lediglich rechtlich vorteilhaft. Aufgrund der angesprochenen teleologischen Reduktion der Vertretungsverbote, insbesondere auch des § 181 BGB, können daher die Eltern ihre Kinder wirksam vertreten. Der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf es nicht. Ebenso wenig ist eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich.