Bauverpflichtung bei Verkauf im Bieterverfahren; Verkauf über dem Bodenrichtwert
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 188537
letzte Aktualisierung: 25. März 2022
Bauverpflichtung bei Verkauf im Bieterverfahren; Verkauf über dem Bodenrichtwert
I. Sachverhalt
Eine Kommune hat im Rahmen eines Bieterverfahrens einen Bauplatz für ein Einfamilienhaus
vergeben. Der Mindestgebotspreis war 200 Euro/qm. Verkaufsbedingung für den Bauplatz war,
dass sich der Erwerber verpflichtet, innerhalb von drei Jahren, vom Tage der Beurkundung an
gerechnet, auf dem Vertragsgrundstück ein Wohnhaus entsprechend den Festsetzungen des
Bebauungsplans zu errichten. Sollte der Erwerber innerhalb dieser Frist die genannte Verpflichtung
nicht vollständig erfüllen, so ist der Veräußerer berechtigt, aber nicht verpflichtet, die
Rückübereignung des Vertragsgrundstücks zu verlangen. Der aktuelle Bodenrichtwert liegt bei
500 Euro/qm, der tatsächliche Marktpreis liegt vermutlich höher. Der Grundstücksverkauf soll
jetzt unter Beurkundung vorstehender Bauverpflichtung zu einem Kaufpreis von 550 Euro/qm
beurkundet werden.
II. Frage
Ist die Vereinbarung einer Bauverpflichtung rechtlich zulässig, wenn der Verkauf zu einem Kaufpreis
über dem Bodenrichtwert stattfindet? Muss die Gemeinde eine Subvention gewähren, wenn
sie eine Bauverpflichtung wirksam vereinbaren möchte?
III. Zur Rechtslage
1. Bodenrichtwert und Verkehrswert
Nach teilweise vertretenen Auffassung in der Literatur entspricht der zutreffend ermittelte
Bodenrichtwert i. S. d.
Rössler/Troll/Halaczinsky, BewG, 33. EL Januar 2021, § 179 Rn. 7). Da Bodenrichtwerte
jedoch regelmäßig vorsichtig angesetzt werden (BVerfG
der Bodenrichtwert (wie in der Anfrage angesprochen wurde) nicht mit dem Verkehrswert
decken. Dies ergibt sich schon aus den unterschiedlichen Regelungen der §§ 194 und 196
BauGB. Während der Verkehrswert dadurch definiert ist, dass er im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen
Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung
ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse erzielt werden
kann (also zukunftsbezogen ist), ist der Bodenrichtwert allein vergangenheitsbezogen und
wird aus der Kaufpreissammlung ermittelt. Insbesondere in Zeiten schnell steigender Immobilienpreise
kann es zu teilweise erheblichen Differenzen zwischen Bodenrichtwert und Verkehrswert
kommen. Da es für die Ermittlung der Angemessenheit i. S. d.
auf den Verkehrswert ankommt (BGH
BGH
der Verkehrswert zu ermitteln. Möglicherweise liegt tatsächlich ein „verdeckter Preisnachlass“
vor, so dass sich die nachfolgend behandelten Fragen gar nicht stellen.
2. Angemessenheit des Baugebots beim Verkauf zum Verkehrswert
Durch ein Baugebot (das nach h. M. eine Obliegenheit und keine Pflicht darstellt, vgl. BGH
verfolgten Ziele zum Gegenstand des Vertrages machen. Die Ziele der Bauleitplanung
können gem.
Vertrags sein. Dass die Schaffung von tatsächlich nutzbarer Wohnbebauung ein legitimer öffentlicher
Zweck ist, ergibt sich bereits aus
unter bestimmten Voraussetzungen sogar ohne vertragliche Vereinbarung in einem
Plangebiet ein Baugebot (dann in Form einer Bauverpflichtung) erlassen.
Das vertraglich vereinbarte Baugebot muss jedoch gem.
Vertragsgestaltung Rechnung tragen. Daran könnte man insbesondere zweifeln,
wenn der Grundbesitz durch die Gemeinde nicht-subventioniert, also zum Verkehrswert veräußert
wird (was wir im Folgenden aufgrund der Durchführung eines Bieterverfahrens unterstellen).
Nach
Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung
verlangt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung
nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde
erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und dass die vertragliche Übernahme von
Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der
Behörde führt (BGH
Die Rechtsprechung hat bisher – soweit ersichtlich – noch nicht zur Frage Stellung genommen,
ob das Auferlegen eines Baugebots nur dann angemessen sein kann, wenn gleichzeitig
ein Preisnachlass auf den Verkehrswert gewährt wird. Die nachfolgenden Ausführungen können
deshalb lediglich als Ergebnis einer Gesamtschau der bisherigen Rechtsprechung verstanden
werden. Eine sichere Prognose, wie die Rechtsprechung den Fall entscheiden würde,
scheint nicht möglich. Die bisherige Rechtsprechung lässt jedoch möglicherweise Rückschlüsse
hierauf zu. Für zulässig erachtete der BGH beim Verkauf zum Verkehrswert eine
Klausel, wonach der Käufer den Mehrerlös an die Gemeinde abzuführen hat, wenn er das
Grundstück in unbebautem Zustand innerhalb von fünf Jahren ab dem Tag der Beurkundung
weiterveräußert (BGH
davon aus, dass es grundsätzlich zulässig ist, dass die Gemeinde dem Erwerber zusätzliche
Pflichten auferlegt, auch wenn das Grundstück zum Verkehrswert veräußert wird. Dies
deutet der BGH auch in einer älteren Entscheidung an. Dort führt er wörtlich aus:
„Ist von der Gemeinde kein oder nur ein geringer Nachlass gewährt
worden, ist der mit dem Verkauf des Grundstücks im Einheimischenmodell
verfolgte Zweck dann erreicht worden, wenn
das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des (künftigen)
Bebauungsplanes bebaut und – hier ohne Auferlegung einer Nutzungsbeschränkung
– über 20 Jahre zweckentsprechend genutzt
wurde.“
(BGH
Viele der vom BGH entschiedenen Fälle betrafen das sog. Einheimischenmodell, also der
Verkauf an einheimische Bevölkerungskreise zu regelmäßig vergünstigten Konditionen. In
der vorstehenden Ausführung geht der BGH ersichtlich davon aus, dass in Fällen, in denen
kein Nachlass gewährt wurde, der Zweck des Bauplatzverkaufs (Schaffung von Wohnraum)
dennoch zivilrechtlich abgesichert werden darf. Unzulässig ist lediglich die Abschöpfung
eines Wertzuwachses beim Weiterverkauf, wenn das Grundstück zum Verkehrswert verkauft
wurde. Denn der Zweck der Baulandausweisung ist im Moment der Bebauung erreicht. Baugebote
dürften deshalb u. E. bei einem Verkauf zum Verkehrswert nicht per se unzulässig
sein. Sie dienen der Sicherstellung der raschen Bebauung eines Baugebiets und der Verhinderung
von Baulücken und verfolgen damit einen legitimen Zweck (BeckOKBauGB/
Hoffmann, Std.: 1.2.2021, § 11 Rn. 21; EZBK/Krautzberger, 142. EL Mai 2021, § 11
Rn. 138). U.E. ist der Begriff der „Angemessenheit“ i. S. d.
zu verstehen, dass dem Bürger nur dann Pflichten auferlegt werden können, wenn
auch ein Preisnachlass gewährt wird. Die Erwerbsmöglichkeit an sich stellt bereits einen Vorteil
für den Erwerber dar, der in die Abwägung bzgl. der Angemessenheit mit eingestellt
werden kann (so auch Leidner,
auch bei einem Verkauf zum Verkehrswert für grundsätzlich zulässig.
In diesem Fall scheint noch ein weiterer Gesichtspunkt von Relevanz. Die Vergabe erfolgte
im Bietermodell, so dass anzunehmen ist, dass der dort realisierte Preis dem Marktpreis entspricht.
Wir verstehen den Sachverhalt so, dass bereits frühzeitig bekannt war, dass ein entsprechendes
Baugebot Teil des Vertrages sein wird, so dass die Bieter sich hierauf einstellen
konnten. Der sich so bildende Preis bezieht sich also auf ein Grundstück, das mit einem
entsprechenden Baugebot belastet ist und begründet daher die Vermutung, dass es sich um
den Verkehrswert für ein solches Grundstück handelt. Auch dies spricht für die Zulässigkeit
einer solchen Gestaltung.
Nicht unerheblich für die Frage, ob das Baugebot angemessen ist, ist auch die vereinbarte
Frist. Zu unterscheiden ist zum einen die Frist, innerhalb derer der Erwerber das Grundstück
bebauen muss, zum anderen die Frist, innerhalb der die Gemeinde das Wiederkaufsrecht ausüben
muss, sollte der Erwerber seiner Obliegenheit nicht nachgekommen sein.
Als Frist zur Bebauung hält die Rechtsprechung drei Jahre ab Beurkundung für ausreichend
(jedenfalls sofern die Auflassung bereits bei der Beurkundung erklärt wurde; OLG Karlsruhe
hierzu Owusu, Die Absicherung von Verpflichtungen in städtebaulichen Verträgen, 2017,
S. 346). Eine längere Frist kann allerdings erforderlich oder jedenfalls sinnvoll sein, falls das
Grundstück bei Vertragsschluss noch nicht bebaut werden kann (vgl. etwa Formulierungsvorschläge
von Grziwotz,
zwei bis fünf Jahren üblich sind (Frense, in: BeckOF-Vertrag, 58. Ed. 1.9.2021, 8.1.6.1 Grundstückskaufvertrag
mit Investitionsverpflichtung Verkäufer Gemeinde/Käufer Unternehmer,
Anm. 27). Die Fristlänge wird sich im Einzelfall danach richten müssen, ob das Grundstück
derzeit bebaubar ist oder nicht (Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 5. Aufl. 2018, Teil 6
Rn. 189). Vorliegend wird zwischen Rohbaufertigstellung (innerhalb von 2 Jahren) und Bezugsfertigkeit
(innerhalb von weiteren 4 Jahren) differenziert. Die sich insgesamt ergebende
Fertigstellungsfrist von sechs Jahren dürfte dementsprechend großzügig genug bemessen
sein.
Gleichzeitig dürfte festzulegen sein, innerhalb welchen Zeitraums die Gemeinde im Fall der
Nichtbebauung das Wiederkaufsrecht ausüben kann. Das OLG München hat jüngst entschieden,
dass bei Nichtvereinbarung einer Frist zum Wiederkauf die gesetzliche Frist von 30 Jahren
greift und dies eine unangemessene Benachteiligung des Erwerbers darstelle (OLG München
für die Ausübung des Wiederkaufs durch die Gemeinde eine angemessene Frist festzulegen.
Der BGH löst die Frage der Ausübungsfrist teilweise über
Ausübung im Einzelfall (vgl. BGH
nicht zum Verkehrswert zum Zeitpunkt des Eintritts des Wiederkaufsfalls ausüben, sondern
zum damaligen Verkaufspreis, erlangt die Gemeinde einen unverhältnismäßigen Vorteil in der
Form, dass sie durch Ausübung ihres Wiederkaufsrechts noch nach Ablauf von vielen Jahren seit
dem Verkauf die Vorteile aus den nach der Veräußerung eingetretenen Bodenwertsteigerungen
bei dem Käufer abschöpfen kann, der dafür keine adäquate Gegenleistung erhalten hat (vgl. dazu
BGH
Bei der Bestimmung der zulässigen Ausübungsfrist besteht also (jedenfalls nach Auffassung des
OLG München
der Vereinbarung einer Bauverpflichtung eine besondere Verbindung zum Preisnachlass,
weil eine lange Ausübungsfrist der Gemeinde die Möglichkeit gibt, von Verkehrswertsteigerungen
noch für einen langen Zeitraum zu profitieren.
3. Ergebnis
Die Frage, ob die Gemeinde dem Käufer von Bauland eine Bauobliegenheit auch dann auferlegen
kann, wenn der Verkauf zum Verkehrswert erfolgt, ist durch die Rechtsprechung –
soweit ersichtlich – noch nicht entschieden. Wir würden die bisherige Rechtsprechung jedoch
dahingehend verstehen, dass dies grundsätzlich auch beim Verkauf zum Verkehrswert
möglich ist, wenn für die Bebauung eine angemessen großzügige Frist gewährt wird und im
Falle der Nichtbebauung eine angemessen kurze Frist zur Ausübung des Wiederkaufsrechts
bestimmt wird.
188537
Erscheinungsdatum:25.03.2022
RechtsbezugNational
Normen in Titel:BauGB § 11 Abs. 2