16. Mai 2025

Nachrüstpflichten eines zum Stichtag selbst nutzenden Bestandseigentümers eines Zweifamilienhauses bei Überlassung eines Miteigentumsanteils; Auslegung der sog. Schutzklausel in § 47 Abs. 3 GEG

GEG §§ 47, 71 ff.
Nachrüstpflichten eines zum Stichtag selbst nutzenden Bestandseigentümers eines Zweifamilienhauses bei Überlassung eines Miteigentumsanteils; Auslegung der sog. Schutzklausel in § 47 Abs. 3 GEG

I. Sachverhalt
Ein Zweifamilienhaus, erbaut im Jahr 1985, besteht aus zwei baulich getrennten Wohnungen. Eine der Wohnungen wurde seit der Errichtung durchgehend vom Alleineigentümer selbst bewohnt. Es ist nunmehr beabsichtigt, dass der Alleineigentümer einen Miteigentumsanteil (hier: ½) an seinen Sohn überlässt. Die Beteiligten machen sich Gedanken im Hinblick auf etwaige energetische Nachrüstungsverpflichtungen, da das Gebäude aktuell nicht den Anforderungen an den Mindestwärmeschutz nach § 47 Abs. 1 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) entspricht.

II. Frage
Gilt in dieser Konstellation die Suspendierung nach § 47 Abs. 3 GEG bis zum vollständigen „Eigentümerwechsel“ oder führt auch der teilweise „Eigentümerwechsel“ dazu, dass die Nachrüstpflicht vom neuen Eigentümer innerhalb von zwei Jahren zu erfüllen ist?
III. Zur Rechtslage
1. Bestehen einer Nachrüstpflicht nach § 47 Abs. 1, Abs. 2 GEG
In § 47 Abs. 1 und 2 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in der Fassung vom 8.8.2020 (BGBl. I 2020, S. 1728) sind bestimmte Nachrüstpflichten für Eigentümer von Gebäuden geregelt. § 47 Abs. 1 GEG lautet:

„Eigentümer eines Wohngebäudes sowie Eigentümer eines Nichtwohngebäudes, die nach ihrer Zweckbestimmung jährlich mindestens vier Monate auf Innentemperaturen von mindestens 19 Grad Celsius beheizt werden, müssen dafür sorgen, dass oberste Geschossdecken, die nicht den Anforderungen an den Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2: 2013-02 genügen, so gedämmt sind, dass der Wärmedurchgangskoeffizient der obersten Geschossdecke 0,24 Watt pro Quadratmeter und Kelvin nicht überschreitet. Die Pflicht nach Satz 1 gilt als erfüllt, wenn anstelle der obersten Geschossdecke das darüber liegende Dach entsprechend gedämmt ist oder den Anforderungen an den Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2: 2013-02 genügt.“

Bei Verletzung der Nachrüstpflichten dürfen die zuständigen Behörden gem. § 95 GEG die für den Vollzug des GEG notwendigen Anordnungen, insbesondere auch belastende Verwaltungsakte, erlassen (vgl. Cosack, in: Frenz/Cosack, GEG/GEIG, 2024, § 95 GEG Rn. 1 ff.). Eine Verletzung der Pflichten aus § 47 GEG ist zudem gemäß § 108 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 GEG bußgeldbewehrt (Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro).

2. Suspendierung der Nachrüstpflicht gem. § 47 Abs. 3 GEG?
Eine an sich dem Grunde nach bestehende Nachrüstpflicht könnte vorliegend nach § 47 Abs. 3 GEG (vorübergehend) suspendiert sein. Nach § 47 Abs. 3 GEG sind die Nachrüstpflichten nach § 47 Abs. 1 GEG bei Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen der Eigentümer eine Wohnung am 1.2.2002 selbst bewohnt hat, erst im Falle eines Eigentümerwechsels nach dem 1.2.2002 von dem neuen Eigentümer zu erfüllen (§ 47 Abs. 3 GEG ist wortlautidentisch mit der Vorgängervorschrift in § 10 Abs. 4 EnEV 2014 – zuvor § 10 Abs. 5 EnEV 2009, ursprünglich § 9 Abs. 4 EnEV 2001 bzw. EnEV 2004 – und soll diese Regelung fortführen, vgl. BT-Drucks. 19/16716, 136). Die Frist zur Pflichterfüllung beträgt nach § 47 Abs. 3 S. 2 GEG zwei Jahre ab dem ersten Eigentumsübergang nach dem 1.2.2002. Eine absolute zeitliche Begrenzung der Ausnahme von der Nachrüstpflicht bis zu einem bestimmten Enddatum – wie bei § 73 Abs. 3 i. V. m. § 72 Abs. 4 GEG: 31. Dezember 2044 – ist für die Pflicht nach § 47 Abs. 1 GEG nicht vorgesehen (Frenz, in: Frenz/Cosack, GEG/GEIG, 2024, § 47 GEG Rn. 11).

Hier liegt ein Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen vor, von denen der Eigentümer eine Wohnung am 1.2.2002 selbst bewohnt hat. Fraglich ist somit lediglich, ob die Überlassung eines hälftigen (Mit-)Eigentumsanteils an den Sohn des Eigentümers einen „Eigentümerwechsel nach dem 1. Februar 2002“ i. S. v. § 47 Abs. 3 S. 1 GEG darstellt.

a) Ganz h. M.: Entfallen der suspendierenden Wirkung gemäß § 47 Abs. 3 GEG bei jeder Art von Eigentümerwechsel
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Suspensiveffekt gemäß § 47 Abs. 3 GEG grds. bei jedem Eigentümerwechsel entfällt, unabhängig davon, ob dieser kraft Gesetzes oder aufgrund eines Rechtsgeschäftes (etwa einer Überlassung) erfolgt (ganz h. M., vgl. zur EnEV Danner/Theobald/Stock, Energierecht, Std.: Dezember 2024, § 10 EnEV Rn. 41; Hertel, DNotZ 2014, 258, 267; zu § 47 GEG Knauff/Hofmann, GEG, GEIG, 2. Aufl. 2024, § 47 GEG Rn. 6; Frenz, § 47 GEG Rn. 10; i. E. auch Perwein, BWNotZ 2023, 290, 291 f., der zurecht darauf hinweist, dass es in den Gesetzesmaterialien – speziell: BR-Drucks. 194/01, S. 5 – Anhaltspunkte dafür gibt, dass dem Verordnungsgeber ursprünglich Kaufverträge vor Augen standen, was aber nach dem sehr eindeutigen Gesetzeswortlaut keinen Eingang in § 47 Abs. 3 GEG gefunden hat). Dass der Miteigentumsanteil vorliegend im Wege einer Überlassung auf den Sohn übergeht, ist für die Frage des Vorliegens eines Eigentümerwechsels somit unerheblich (und steht einem Entfallen des Suspensiveffekts nicht entgegen).

Auf die umstrittene Frage, ob § 47 Abs. 3 GEG in solchen Fällen teleologisch zu reduzieren ist, in denen sich der Übergeber ein Nutzungsrecht (z. B. ein Wohnungsrecht) vorbehält (hierfür Hertel, DNotZ 2014, 258, 267 f.; dag. Perwein, BWNotZ 2023, 290) kommt es vorliegend nicht an. Dass sich der Übergeber ein Nutzungsrecht vorbehalten möchte, ist nicht geschildert.

b) Entfallen der suspendierenden Wirkung gemäß § 47 Abs. 3 S. 1 GEG auch bei Überlassung lediglich eines Miteigentumsanteils?
Zu prüfen ist jedoch, ob die Voraussetzungen für den Entfall der suspendierenden Wirkung gemäß § 47 Abs. 3 GEG bereits dann vorliegen, wenn nicht das gesamte Eigentum an dem Objekt, sondern lediglich ein Miteigentumsanteil daran veräußert wird und hinsichtlich des anderen Miteigentumsanteils seit dem 1.2.2002 nicht ebenfalls eine Rechtsnachfolge stattgefunden hat.

Rechtsprechung zu dieser Frage ist nicht ersichtlich. Aus der Literatur ist einzig Perwein (in: BWNotZ 2023, 290) zu nennen, der sich dafür ausspricht, dass die Nachrüstpflichten im Falle der Veräußerung von Bruchteilseigentum noch nicht eingreifen. Im Übrigen äußern sich die Literaturstimmen lediglich zu dem (hier nicht vorliegenden) Fall der Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einen anderen Miteigentümer und lehnen einen Eigentümerwechsel in jener Konstellation ab (Danner/Theobald/Stock, § 10 EnEV Rn. 41; Knauff/Hofmann, § 47 GEG Rn. 6).

Der Wortlaut von § 47 Abs. 3 S. 1 GEG ist für die Beantwortung der vorliegenden Rechtsfrage unergiebig. Mit einem „Eigentümerwechsel“ könnte ein vollständiger Eigentümerwechsel ebenso gemeint sein wie ein teilweiser Eigentümerwechsel (ebenso Perwein, BWNotZ 2023, 290, 292).

In systematischer Hinsicht stellt § 47 Abs. 3 S. 1 GEG einen Ausnahmetatbestand dar, was vor dem Hintergrund der Zielsetzungen des GEG für dessen restriktive Handhabung streiten könnte (vgl. Perwein, BWNotZ 2023, 290, 292 f.; vgl. dazu, dass Ausnahmeregelungen nicht stets eng auszulegen sind MünchKommBGB/Säcker, 10. Aufl. 2025, Einl. Rn. 154 ff.).

Die historisch-teleologische Auslegung könnte allerdings gegen die Annahme eines „Eigentümerwechsels“ und für ein Fortbestehen der suspendierenden Wirkung des § 47 Abs. 3 GEG im Fall der Veräußerung lediglich eines Miteigentumsanteils sprechen (ebenso Perwein, BWNotZ 2023, 290):

Allgemeiner Zweck der Ausnahmevorschrift in § 47 Abs. 3 GEG ist es, besondere Belastungen von zum Stichtag selbstnutzenden Eigentümern bestimmter Wohngebäude zu vermeiden (vgl. zur wortlautidentischen Vorgängernorm Danner/Theobald/Stock, § 10 EnEV Rn. 39). So führte die Begründung der EnEV 2002 zum damaligen § 9 Abs. 4 EnEV 2002 (entspricht im Wesentlichen § 47 Abs. 3 GEG) aus (BR-Drucks. 194/01, S. 57 – Hervorhebungen i. F. durch das DNotI):

„Insbesondere bei Kumulation mehrere Tatbestände können die Kosten der Nachrüstung für ältere Wohngebäude für die Eigentümer mit niedrigerem Einkommen eine starke bis unzumutbare Belastung darstellen. Dies gilt umso mehr, als in Gebäuden mit ein und zwei Wohnungen trotz gegebener genereller Wirtschaftlichkeit nach § 5 EnEG ein Kesselaustausch nach den gutachterlichen Feststellungen weniger wirtschaftlich ist als bei Mehrfamilienhäusern. In kleineren Wohngebäuden etwa aus den 50er bis zur ersten Hälfte der 70er Jahren sind aber besonders häufig Eigentümer anzutreffen, die das Gebäude selbst nutzen. Durch die Begrenzung der Nachrüstungsverpflichtung bei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung selbstgenutzten Ein- und Zweifamilienhäusern auf den Fall des Eigentumswechsels wird in diesen Bereichen eine besondere Belastung vermieden. Da der Erwerber die Kosten der Maßnahme bereits bei seiner Kaufentscheidung einkalkulieren kann, erscheint eine Frist von zwei Jahren ab Eigentumsübergang angemessen.“

Nach der Verordnungsbegründung besteht für zum Stichtag selbstnutzende Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern typischerweise ein besonderes Schutz- und Privilegierungsbedürfnis, welchem der Verordnungsgeber durch die Schutzklausel in § 9 Abs. 4 EnEV Rechnung tragen wollte. In dem Zielkonflikt zwischen Bestandsschutz und wirtschaftlicher Zumutbarkeit einerseits und Klimaschutz und Energieeffizienz andererseits hat sich der Verordnungsgeber dazu entschieden, den Interessen (zum Stichtag) selbstnutzender Eigentümer den Vorrang zu geben. Er wollte privilegierungsbedürftige Eigentümer dabei offenbar nicht auf eine Zumutbarkeitsprüfung im Einzelfall verweisen, sondern – sich insofern einer typisierenden Gesetzestechnik bedienend – einen Privilegierungstatbestand schaffen, der so weit ist, dass er die privilegierungsbedürftigen Eigentümer in jedem Falle umfasst. Er hat damit notwendigerweise in Kauf genommen, dass auch solche Eigentümer privilegiert werden, die sich eine Nachrüstung im Einzelfall – etwa aufgrund guten Einkommens – leisten können, auf die die (Un-)Zumutbarkeitserwägungen also im Ergebnis nicht zutreffen. Letztlich ist die „Schutzklausel“ damit das Ergebnis der Abwägung verschiedener der EnEV bzw. dem GEG zugrunde liegender Ziele, wobei auffällig ist, dass der Verordnungs- bzw. Gesetzgeber bei selbstnutzenden Eigentümern im Hinblick auf die Typisierungstechnik großzügig verfahren ist. Dies spricht indiziell dafür, dass die Vorschrift so auszulegen ist, dass selbstnutzende Stichtagseigentümer im Zweifel geschützt sind und das Anliegen der Energieeffizienz zurücktreten muss, wenn selbstnutzende Alteigentümer (in irgendeiner Art und Weise) wirtschaftlich belastet würden.

Auch rechtsfolgenseitig würde es wenig Sinn ergeben bzw. jedenfalls mit dem Wortlaut von § 47 GEG in Konflikt geraten, wenn der Fall der Veräußerung eines Bruchteils ein Entfallen der Privilegierung zur Folge hätte. 47 Abs. 3 GEG spricht – als lex specialis zu § 8 GEG – von dem „neuen Eigentümer“, der die Nachrüstpflicht zu erfüllen hätte. Eigentlicher „Neueigentümer“ ist hier aber nur der den hälftigen Miteigentumsanteil erwerbende Sohn. Nun kann der Sohn die Sanierung aber nicht ohne Mitwirkung des Vaters als Miteigentümer durchführen. Insoweit bedürfte es einer – im Ordnungsrecht zwar durchaus gängigen – zusätzlichen Duldungsverfügung an den Vater, die aber wohl – zumindest bei Orientierung am Wortlaut von §§ 47 Abs. 3, 95 GEG – hier nicht möglich sein dürfte (vgl. zur speziell geregelten und eng gefassten Anordnungsbefugnis gegenüber Dritten auch § 95 S. 2 GEG, unter die der Alt-Eigentümer, d. h. der Veräußerer, gerade nicht fallen dürfte). Überdies wäre fraglich, inwieweit es interessengerecht erscheint, dem Sohn die gesamte Nachrüstlast aufzubürden (und den Vater lediglich zur Duldung zu verpflichten), wo der Sohn doch nur hälftiges Miteigentum erwirbt und damit an dem durch die Sanierung erzielten Wertzuwachs nur hälftig partizipiert. Der Amortisationszeitraum dürfte sich für den Sohn deutlich verlängern, bei (nur) hälftigem Miteigentumsanteil sogar verdoppeln.

Würde man andererseits – insoweit kaum mit dem Wortlaut vereinbar – auch den Alteigentümer (Vater) als „neuen“ Eigentümer i. S. v. § 47 Abs. 3 GEG verstehen wollen, wäre dieser in gleichem Maße zur Nachrüstung verpflichtet wie der Sohn. Dies dürfte aber der oben skizzierten historischen Intention gerade zuwiderlaufen. Dies hätte vor allem zur Konsequenz, dass Miteigentümer zur Nachrüstung verpflichtet sein könnten, ohne dass sie selbst eine Veräußerungsentscheidung getroffen hätten (z. B. wenn einer von zwei geschiedenen Eheleuten – insbesondere der nicht mehr im Objekt lebende Ehegatte – seinen Bruchteil verkauft oder auf sein Kind überträgt).

3. Ergebnis
Im Ergebnis spricht viel dafür, im vorliegenden Fall keinen Eigentümerwechsel i. S. v § 47 Abs. 3 S. 1 GEG zu sehen, so dass die Pflicht nach § 47 Abs. 1 GEG vorerst weiterhin nicht zu erfüllen ist. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass es eindeutige Stellungnahmen hierzu in der Literatur ebenso wenig gibt wie einschlägige Rechtsprechung.

Gutachten/Abruf-Nr:

202444

Erscheinungsdatum:

16.05.2025

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2025, 65-68