GmbHG §§ 3, 5, 30, 9c; AktG § 26 Abs. 2
Gründungskosten; Gründungsaufwand; Bezifferung „ins Blaue hinein“; Heilung einer unzulässigen Bestimmung zum Gründungsaufwand vor Eintragung der Gesellschaft
I. Sachverhalt
Zum Handelsregister wurde eine Ein-Personen-GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 Euro angemeldet. In § 6 der Satzung heißt es zum Gründungsaufwand:
„Die Gesellschaft trägt die mit ihrer Errichtung und mit der Erbringung und Bewertung der Einlagen verbundenen Kosten und Gebühren für Notare, Gerichte, Eintragungen und Bekanntmachungen, Entgelte für Leistungen von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern sowie Verkehrssteuern (Gründungsaufwand) bis zu einem Betrag von EUR 2.500.“
Das Handelsregister erlässt eine Zwischenverfügung und verlangt eine Übersicht der bezifferten Gründungsaufwendungen und – sofern bereits vorhanden – Rechnungskopien. Der Notar teilt dem Registergericht daraufhin mit, dass für die Gründung Notarkosten in Höhe von ca. 630 Euro entstanden seien und belegt dies mit einer Rechnungskopie. Des Weiteren werde der Steuerberater seinen Beratungsaufwand mit ca. 500 Euro veranschlagen. Sonstiger Aufwand werde voraussichtlich nicht entstehen.
Das Handelsregister lehnt daraufhin die Eintragung mit der Begründung ab, der Gründungsaufwand sei „aus der Luft gegriffen“ und deutlich zu hoch angesetzt. § 6 der Satzung verstoße gegen gläubigerschützende Vorschriften der Kapitalaufbringung und -erhaltung (§ 9c Abs. 2 Nr. 2 GmbHG) und sei entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig. Die Eintragung der Gesellschaft sei deshalb zu versagen. Eine Heilung des Errichtungsmangels durch satzungsändernden Beschluss komme nicht in Betracht.
II. Fragen
1. Verstößt die in der Gründungssatzung in § 6 enthaltene Formulierung, durch die der Gründungsaufwand bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 2.500 Euro von der Gesellschaft zu tragen ist, gegen gläubigerschützende Vorschriften der Kapitalaufbringung und -erhaltung?
2. Durfte oder musste gegebenenfalls das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft nach § 9c Abs. 2 Nr. 2 GmbHG versagen? Geht man von einem Eintragungshindernis aus, kann dieses durch Satzungsänderung beseitigt werden oder ist die Gründung – wie vom Registergericht angenommen – nichtig?
III. Zur Rechtslage
1. Wirksamkeit der Klausel über die Gründungskosten
a) Analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften
Das GmbHG enthält zu der Übernahme der Gründungskosten durch die Gesellschaft keine Regelung. Schweigt auch die Satzung, sind die Kosten, die im Zusammenhang mit der Gründung der GmbH entstehen, durch die Gründer zu tragen (vgl. BGH MittBayNot 1989, 168, 169 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, 6. Aufl. 2017, § 5 Rn. 68, Cramer, NZG 2015, 373 m. w. N.). Trotz fehlender gesetzlicher Regelung ist anerkannt, dass die Gründer die Kosten allerdings aufgrund einer Festsetzung in der Satzung auf die Gesellschaft abwälzen können. Gestützt wird diese Ansicht auf eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 AktG. Diese Analogie wurde im Rahmen der GmbH-Novelle 1980 vom Gesetzgeber dadurch legitimiert, dass er mit Verweis auf die bestehende Rechtslage bewusst von einer Neuregelung abgesehen hat (vgl. GroßKommGmbHG/Ulmer/Casper, 3. Aufl. 2019, § 5 Rn. 197 mit Verweis auf BT-Drucks. 8/3908, S. 70).
Der Gesamtbetrag muss in der Satzung ziffernmäßig ausgewiesen werden, wobei Beträge, die noch nicht genau beziffert werden können, zu schätzen sind (BGH MittBayNot 1989, 168). Ob auch die einzelnen Kostenpositionen benannt werden müssen, ist im Einzelnen umstritten (dafür OLG Hamburg DNotZ 2011, 457, 459 mit Verweis auf BGH MittBayNot 1989, 168; dagegen mit guten Argumenten Cramer, NZG 2015, 373, 375 m. w. N.). Überzeugend dürfte sein, eine solche Aufschlüsselung nicht als notwendig zu erachten. Die Regelung im vom Gesetzgeber vorgesehenen Musterprotokoll sieht eine solche Aufschlüsselung nicht vor (Musterprotokoll, Anlage zum GmbHG, BGBl. I vom 23.10.2008, S. 2026). Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er eine Aufschlüsselung bei der GmbH nicht für erforderlich hält. Da das Musterprotokoll erst im Jahre 2008 eingeführt wurde, muss die frühere BGH-Rechtsprechung (MittBayNot 1989, 168) insoweit als überholt angesehen werden, falls man sie mit dem OLG Hamburg (DNotZ 2011, 457, 458 f.) – u. E. keinesfalls zwingend – dahingehend liest, dass sie neben der Offenlegung des Gesamtbetrages auch die Aufführung der einzelnen Kostenpositionen verlangt.
Nicht weiter diskutiert wird in der Literatur die Frage, ob auch § 37 Abs. 4 Nr. 2 AktG analog anzuwenden ist, wonach der Handelsregisteranmeldung eine Berechnung des der Gesellschaft zur Last fallenden Gründungsaufwands unter Angabe von Art und Höhe der Vergütung sowie der Empfänger der jeweiligen Leistungen beizufügen ist. Dies wird man im Ergebnis verneinen können. § 37 Abs. 4 AktG regelt die der Anmeldung beizufügenden Unterlagen. Hierfür enthält § 8 Abs. 1 GmbHG jedoch eine eigenständige Regelung, sodass es an einer für die Analogie erforderlichen Regelungslücke fehlen dürfte.
b) Obergrenze für den Gründungsaufwand
Umstritten ist, ob es für die Höhe der (zulässigen) Abwälzung von Gründungsaufwand eine Obergrenze gibt. Teilweise wird dies mit Verweis auf § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG und dem darin verankerten Prinzip der Kapitalerhaltung bejaht (OLG Celle BeckRS 2014, 20464 Tz. 11). Die Aufzehrung von wesentlichen Teilen des Stammkapitals, das den Gläubigern als Mindesthaftungsmasse zur Verfügung stehen soll, sei nicht mit dem Prinzip der Kapitalbindung zu vereinbaren. Der Entscheidung lag allerdings ein Extremfall zugrunde. Die Gesellschafter hatten vorgesehen, dass bei einem Stammkapital von 25.000 Euro Gründungskosten in Höhe von bis zu 15.000 Euro von der Gesellschaft zu tragen seien (OLG Celle BeckRS 2014, 20464).
Demgegenüber wurde von anderen Gerichten sogar die vollständige Aufzehrung des Stammkapitals für zulässig erachtet (KG NJW 2015, 3175 für eine UG [haftungsbeschränkt] mit Stammkapital von 1.000 Euro). Der Gläubigerschutz sei ausreichend dadurch gesichert, dass sich die Höhe der zu übernehmenden Gründungskosten aus der – für jeden im Handelsregister einsehbaren – Satzung ergebe. Gläubiger könnten sich so über die Vorbelastung des Stammkapitals hinreichend informieren (KG NJW 2015, 3175 Tz. 13). Dass eine vollständige Aufzehrung des Stammkapitals durch die Gründungskosten zulässig sei, zeige sich auch an dem gesetzlich vorgesehenen Musterprotokoll, das eine Übernahme der Gründungskosten bis zur Höhe des Stammkapitals zulasse (KG NJW 2015, 3175 Tz. 13).
Differenzierend geht das OLG Hamburg davon aus, dass es zwar keine starre prozentuale Obergrenze für den Gründungsaufwand gebe, eine Überschreitung der üblicherweise akzeptierten 10 % des Stammkapitals aber eine weitergehende Prüfung rechtfertige, ob es sich um einen zulässigen Gründungsaufwand handele (OLG Hamburg DNotZ 2011, 457, 459).
c) Zu hohe Schätzung des Gründungsaufwands
Im zu begutachtenden Fall bemängelt das Registergericht hingegen nicht die absolute Höhe der Gründungskosten und stellt damit nicht auf eine Aufzehrung des Stammkapitals ab. Vielmehr wird in Zweifel gezogen, dass die Gründungskosten in Höhe von 10 Prozent des Stammkapitals (bei einem Stammkapital von 25.000 Euro) tatsächlich angefallen seien. Die Gründungskosten seien also nicht im Verhältnis zum Stammkapital zu hoch gegriffen, sondern im Verhältnis zu den tatsächlich angefallenen Kosten. Dabei stellt sich die Frage, ob es überhaupt unzulässig sein kann, die Gründungskosten mit einem „Bis zu“-Wert anzugeben und im Übrigen (ggf. auch zu hoch) zu schätzen (widersprüchlich insofern OLG Zweibrücken RNotZ 2014, 326, das eine Schätzung für zulässig, die Angabe eines „Bis zu“-Betrags jedoch für unzulässig hält). Es liegt in der Natur der Sache, dass zum Zeitpunkt der Errichtung der Satzung eine abschließende Beurteilung der Höhe der Gründungskosten noch nicht möglich ist. Mögen die Notar- und Gerichtskosten zwar gesetzlich vorgegeben und damit absehbar sein, ist es doch nicht unüblich, dass Steuerberater und Rechtsanwälte auf Stundenbasis abrechnen und sich die tatsächliche Höhe der Gründungskosten erst nach Errichtung abschätzen lässt. Auch Gläubigerschutzgesichtspunkte (OLG Celle BeckRS 2014, 20464 Tz. 11) sprechen nicht gegen eine Angabe eines „Bis zu“-Betrags auf Basis einer Schätzung. Eine „Bis zu“-Angabe bzw. ein zu hoch gegriffener Wert ist für die Gläubiger insofern günstiger, als ihnen nach Abzug der tatsächlich angefallenen Gründungskosten eine größere Haftungsmasse zur Verfügung steht, als sie es auf Grundlage der Satzungbestimmung erwarten konnten. In der Regel werden in der Praxis durch die Registergerichte deshalb Kosten in Höhe von bis zu 10 % des Stammkapitals ohne weiteren Nachweis akzeptiert (Mayer/Weiler, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 22 Rn. 188; Krafka, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 941; Langenfeld/Miras, GmbH-Vertragspraxis, 8. Aufl. 2019, Rn. 798; Heckschen, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 4. Aufl. 2018, Kap. 4 Rn. 757; s. aber Seibt, in: Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 511, der bei einem höheren Stammkapital geringere Quoten ansetzt). Diese praktische Handhabung ist freilich kein juristisches Argument für dessen uneingeschränkte Zulässigkeit.
Die Schätzung noch nicht feststehender Beträge ist hingegen höchstrichterlich anerkannt (BGH MittBayNot 1989, 168, 170; BGH NJW 1998, 233). Hierbei soll es nach Konkretisierung durch Instanzgerichte und Literatur allerdings unzulässig sein, eine fiktive Obergrenze ohne Bezug zu den tatsächlich anfallenden Kosten anzugeben (LG Essen BeckRS 2002, 13017 Tz. 17; MünchKommGmbHG/Schwandtner, 3. Aufl. 2019, § 5 Rn. 275; GroßkommGmbHG/Ulmer/Casper, 2. Aufl. 2013, § 5 Rn. 209 m. Fn. 408; Wachter, NZG 2010, 734, 736; zur AG Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 26 Rn. 6 a. E.). Geboten ist dementsprechend eine Schätzung, die sich am tatsächlich zu erwartenden Aufwand orientiert. Prinzipiell dürfte dem Registergericht hierbei zwar eine Prüfung nach pflichtgemäßem Ermessen gem. § 26 FamFG zuzubilligen sein (vgl. Haußleiter/Gomille, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 26 Rn. 6). Halten sich die Gründungskosten jedoch in einem üblichen Rahmen – wovon u. E. bei 2.500 € auszugehen sein dürfte – kann das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft nicht mit der Begründung verweigern, die Klausel in der Satzung sei unwirksam. Die Gründer haben die Schätzung naturgemäß zum Zeitpunkt der Errichtung der Satzung vorzunehmen. Stellt sich nachträglich heraus, dass der Gründungsaufwand hinter der Schätzung zurückbleibt, kann dies u. E. nicht zur Unwirksamkeit der Klausel und einer Verweigerung der Eintragung führen. Einer (vom BGH ausdrücklich anerkannten) Schätzung ist immanent, dass sie mit einer Zukunftsprognose verbunden ist. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Gründungsphase unerwarteter Beratungsaufwand entstehen kann, der sich zum Zeitpunkt der Errichtung der Satzung noch nicht abzeichnet. Den Gründern wird deshalb ein gewisser Spielraum bei der Schätzung zuzubilligen sein. Zu streng dürfte insbesondere die Auffassung sein, dass bereits ab einer Überschreitung der angegebenen Kosten um 50 % eine unzutreffende und damit unzulässige Schätzung vorliegt (Krafka, Rn. 941). Gerade bei Gründungskosten im niedrigen vierstelligen Bereich würden dann nur wenige zusätzlich anfallende Beraterstunden schon zu einer Unzulässigkeit führen. Unzulässig sind u. E. nur völlig realitätsferne Schätzungen „ins Blaue hinein“, wovon bei einem Ansatz mit 2.500 € kaum ausgegangen werden kann.
2. Folgen einer unwirksamen Klausel, Heilung
Geht man hilfsweise davon aus, dass die Festsetzung des Gründungsaufwands in der Satzung unzulässig ist, stellt sich die Folgefrage, welche Rechtsfolge diese unzulässige Regelung zeitigt. Diese Frage wird nicht einheitlich beurteilt: Teilweise wird bei zu hoher Festsetzung ein Eintragungshindernis gem. § 9c Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 GmbHG angenommen (MünchKommGmbHG/Schwandtner, § 5 Rn. 282; Wachter, NZG 2010, 734, 736; Baumbach/Hueck/Servatius, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 9c Rn. 5b, und Baumbach/Hueck/Fastrich § 5 Rn. 57). Dagegen werten etwa Ulmer/Casper (§ 5 Rn. 209 m. Fn. 408) explizit den Fall „einer übertriebenen Schätzung ins Blaue hinein“ nicht als Eintragungshindernis (ähnlich zur AG: Spindler/Stilz/Limmer, AktG, 4. Aufl. 2019, § 26 Rn. 9: kein Eintragungshindernis, soweit nicht „völlig unsinnige“ Schätzung vorliegt). Soweit ersichtlich wird hingegen nirgends in der Literatur die Errichtung der GmbH für nichtig gehalten. Bis zur Eintragung der Gesellschaft (vgl. auch § 26 Abs. 3 S. 2 AktG) spricht u. E. nichts dagegen, die Satzung durch allseitige Änderung in der Form des § 2 Abs. 1 GmbHG (vgl. Blath, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 11 Rn. 50) zu korrigieren (so auch MünchKommGmbHG/Schwandtner, § 5 Rn. 288; Scholz/Veil, § 5 Rn. 113; zur AG: GroßkommAktG/Röhricht/Schall, 5. Aufl. 2016, § 26 Rn. 49). Dementsprechend wäre eine Eintragung der GmbH mit geänderter Satzung weiterhin möglich. Die Einschätzung des Registergerichts ist u. E. daher im vorliegenden Fall unzutreffend.