24. Oktober 2019
BGB § 1374

Zuwendung einer Immobilie im Wege der vorgenommenen Erbfolge; Zuwendung von Maßnahmen der Objektverbesserung und Instandhaltung; Bedeutung für den Zugewinnausgleich

BGB § 1374
Zuwendung einer Immobilie im Wege der vorgenommenen Erbfolge; Zuwendung von Maßnahmen der Objektverbesserung und Instandhaltung; Bedeutung für den Zugewinnausgleich

I. Sachverhalt
Vater A hat an seinen Sohn B eine Immobilie (vermietetes Mehrfamilienhaus) unentgeltlich übertragen, ohne sich Rechte (etwa einen Nießbrauch) zurückzubehalten. Zwischen Vater und Sohn wurde nach Beurkundung der Auflassung mündlich vereinbart, dass der Vater die Kosten für sämtliche nach Übertragung anfallenden Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen (vorbehaltlos und endgültig) zu tragen habe. Dementsprechend trug der Vater in den folgenden ca. 30 Jahren sämtliche vorgenannten Kosten. Dies erfolgte jeweils in der Weise, dass der Vater unmittelbar Handwerker beauftragte und diese direkt bezahlte, wobei die Rechnungen auf den Namen des Vaters ausgestellt wurden (Summe der Einzelzahlungen: 150.000 €). Es wurden sowohl größere Maßnahmen der Objektverbesserung durchgeführt, wie etwa Neuanbau von Balkonen, Renovierung von Bädern und Fensteraustausch, als auch diverse Kleinreparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens des Sohnes B stellt sich nunmehr die Frage der Berücksichtigung dieser Leistungen gem. § 1374 Abs. 2 BGB. B ist im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet.

II. Fragen
1. Sind die Leistungen des Vaters A als Vermögenszuwendung im Sinne des § 1374 Abs. 2 BGB zu qualifizieren? Ist bei den Zuwendungen möglicherweise nach der Art der Zuwendung (z. B. Balkonanbau/laufende Instandhaltungskosten) zu unterscheiden?

2. Mit welchem Wert sind die Zuwendungen im Rahmen des § 1374 Abs. 2 BGB anzusetzen? Gilt der Betrag der gezahlten und übernommenen Rechnungen oder ist jeweils zu bewerten, welche Auswirkung auf den Wert der Immobilie (Wertsteigerung, Objektverbesserung) die jeweilige Zuwendung hatte?

III. Zur Rechtslage
1. Vermögenszuwendungen i. S. d. § 1374 Abs. 2 BGB
Privilegiert, und damit im Zugewinnausgleich nicht ausgleichspflichtig, soll jener Erwerb von Vermögen sein, der auf einer besonderen persönlichen Beziehung des Erwerbers zum Zuwendenden oder auf ähnlichen persönlichen Umständen beruht (BGHZ 170, 324, 330 = NJW 2007, 2245; BGHZ 157, 379, 386 m. w. N. = FamRZ 2004, 781). Rechtstechnisch wird die Privilegierung umgesetzt, indem der Vermögenserwerb zum Anfangsvermögen des Empfängers nach § 1374 Abs. 2 hinzugerechnet wird; seine ebenfalls erforderliche Hinzurechnung zum Endvermögen – falls zum Endvermögensstichtag noch vorhanden – führt aufgrund dessen zu keinem rechnerischen Zugewinn, es sei denn, der Wert der Zuwendung (etwa der Wert einer Immobilie) hat Wertsteigerungen zwischen den Stichtagen (Anfangs- und Endvermögen) erfahren; insoweit läge ausgleichspflichtiger Zugewinn vor.

§ 1374 Abs. 2 BGB nennt vier Fallgruppen solchen privilegierten Erwerbs, diese Aufzählung ist als abschließend zu verstehen (BeckOK-BGB/Cziupka, Std.: 1.8.2019, § 1374 Rn. 33 sowie 35: weitere Privilegierungstatbestände können aber ehevertraglich geschaffen werden). Was die Übertragung der Immobilie als solche vom Vater auf seinen Sohn betrifft, kommt zuvörderst eine Einstufung als Erwerb des Sohnes mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht in Betracht. Darunter fällt insbesondere die vorweggenommene Erbfolge, die im vorliegenden Fall naheliegen dürfte, sofern der Erwerb von Todes wegen zumindest teilweise ersetzt werden sollte. Jedenfalls aber läge wohl eine Schenkung (§ 516 BGB) vor, die § 1374 Abs. 2 BGB ebenfalls privilegiert; denkbar wäre überdies auch eine Ausstattung (§ 1624 BGB), die gleichfalls einen Hinzurechnungstatbestand begründet, sodass es auf die nähere Einordnung nicht ankommt.

Von der Immobilienzuwendung sind die jeweiligen Einzelzuwendungen in Form der Finanzierung von Maßnahmen der Objektverbesserung sowie der Objekterhaltung zu unterscheiden. Auch bei diesen Zuwendungen dürfte es sich grundsätzlich um unentgeltliche Zuwendungen des Vaters handeln, die er jeweils durch Beauftragung eines Dritten und Tragung der für die Maßnahmen anfallenden Kosten erbracht hat. Insoweit wäre allerdings denkbar, dass eine Hinzurechnung zum Anfangsvermögen ausscheidet, wenn das zugewandte Vermögen den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen sein sollte, § 1374 Abs. 2 BGB a. E. Was im Einzelfall unter solchen Einkünften zu verstehen ist, ist nicht immer trennscharf zu ermitteln. Überwiegend wird vertreten, dass die Bestimmung dessen, was als Einkünfte einzustufen ist, wesentlich vom Sinn und Zweck ihrer Ausgrenzung aus dem Hinzurechnungsvorgang her ermittelt werden muss (vgl. etwa BeckOK-BGB/Cziupka, § 1374 Rn. 3). Diese Ausklammerung beruht auf Folgendem: Die zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs dienenden Zuwendungen erhöhen den Vermögenszuwachs des Empfängers typischerweise nicht dauerhaft; daher bleibt im Endvermögen von ihnen in diesen Fällen nichts übrig; würde man gleichwohl einen entsprechenden Wert dem Anfangsvermögen hinzurechnen, führte dies zum Nachteil des anderen Ehegatten zu einer Vergrößerung des Anfangsvermögens, obwohl nach der Zweckbestimmung der Einkünfte im Endvermögen kein entsprechender Wert vorhanden sein dürfte (MünchKommBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 1374 Rn. 40). Es gilt also, jene Zuwendungen auszugrenzen, die nicht die Vermögensbildung fördern sollen (BGH NJW 2017, 734, 735; OLG Celle FamRZ 2016, 369; a. A., wonach es darauf ankommt, ob die Zuwendung zum Verbrauch bestimmt ist, etwa Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl. 2015, § 1374 Rn. 39; Romeyko, FamRZ 2002, 236 f.). Kriterien liefern die Absicht des Zuwendenden, die Verhältnisse des Empfängers, der Anlass der Zuwendung sowie – als Indiz – der Umstand, dass der Vermögenswert bei Scheidung in einem überschaubaren Zeitraum nach Zuwendung nicht mehr vorhanden wäre (BGH NJW 2017, 734, 735). In diesem Sinne ließe sich gut vertreten, im vorliegenden Fall zwischen den dauerhaft verbleibenden Objektverbesserungen zu unterscheiden, die privilegiert wären, und den bloßen Instandhaltungsmaßnahmen, die typischerweise wiederkehrend erforderlich sind und damit keine Wertsteigerung nahelegen. Insoweit könnte die Tragung der Instandhaltungskosten wie eine Zuwendung von Geld zur Bestreitung der ehelichen Lasten gewertet werden, die gemeinhin den Einkünften zugeordnet wird (Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1374 Rn. 40).

2. Wertbemessung der Zuwendung
Entscheidender Stichtag für die Bewertung im Rahmen der Eröffnungsbilanz ist der Eintritt des Güterstands. Für das dem Anfangsvermögen hinzuzurechnende privilegierte Vermögen (§ 1374 Abs. 2) ist es der Zeitpunkt des Erwerbs. Insoweit kommt es für die Ermittlung des in das Anfangsvermögen einzustellenden Werts der Zuwendung auf dessen Wert im Zeitpunkt der Zuwendung an, wobei für die Bewertung von Grundstücken, die vermietet sind, und die als Anlageobjekt dienen, regelmäßig auf das Ertragswertverfahren abzustellen ist (OLG Frankfurt a. M. FamRZ 1980, 576; MünchKommBGB/Koch, § 1374 Rn. 16).

Für die weiteren Zuwendungen in Gestalt der Objektverbesserungsmaßnahmen wird auf deren jeweiligen Erbringungszeitpunkt abzustellen sein. Für die Wertbemessung dieser Maßnahmen wird es u. E. naheliegen, auf die Auswirkungen auf den Immobilienwert, hier also wohl auf den Ertragswert, abzustellen. Nicht für überzeugend halten wir es demgegenüber, auf die jeweiligen konkreten Rechnungsbeträge abzustellen, die für die Erbringung dieser Maßnahmen angefallen sind und vom Vater beglichen wurden. Denn der Vater hat die jeweiligen Handwerkerleistungen jeweils im eigenen Namen und auf eigene Rechnung in Auftrag gegeben. Eine Befreiung von einer Verbindlichkeit des Sohnes hat der Vater damit gerade nicht zugewandt. Daher dürfte es auch nicht auf die Höhe dieser Verbindlichkeiten ankommen, sondern darauf, welchen Nutzen die Objektverbesserungsmaßnahmen für die Immobilie brachten.

Gutachten/Abruf-Nr:

172148

Erscheinungsdatum:

24.10.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Eheliches Güterrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 161-163

Normen in Titel:

BGB § 1374